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Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) Im Haus-, Hof- Und Staatsarchiv In Wien. Erwerbungsgeschichte Und Inventar. In: Robert Rebitsch, Jan Kilian, Milan Svoboda (hg.), Hermann Hallwich (1838-1913). Innsbruck 2014, S. 149-162. Mit Zdislava Röhsner.

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EDITED VOLUME SERIES innsbruck university press Robert Rebitsch, Jan Kilián, Milan Svoboda (Hg.) Hermann Hallwich (1838-1913) Historiker und Sammler, Funktionär und Politiker Robert Rebitsch projekt.service.büro und Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck Jan Kilián Lehrstuhl für Geschichte der PädF, Westböhmische Universität Pilsen Milan Svoboda Lehrstuhl für Geschichte der Fakultät für Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Pädagogik, Technische Universität Reichenberg Gedruckt mit Unterstützung des Vizerektorats für Forschung der Universität Innsbruck und der © innsbruck university press, 2014 Universität Innsbruck 1. Auflage Alle Rechte vorbehalten. Umschlagbild: © Österreichische Nationalbibliothek www.uibk.ac.at/iup ISBN 978-3-902936-49-3 Inhalt Vorwort .............................................................................................................................................. 7 Jan Kilían Hallwichs Jugend und frühes Schaffen ........................................................................... 11 Pavlína Boušková Hermann Hallwich – Ehemann und Vater .................................................................. 33 Milan Svoboda Hermann Hallwich und Reichenberg ............................................................................. 51 Lothar Höbelt Hermann Hallwichs politische Karriere ........................................................................ 63 Philipp Strobl Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist ........................................................................................... 77 Robert Rebitsch Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg ...................... 91 Bohuslava Chleborádová Tausend und ein Blick auf Teplitz – Die Sammlung von Grafiken und Zeichnungen von Hermann Hallwich .......................................... 119 Jiří Bureš und Michal B. Soukup Hermann Hallwich und das Duxer Museum ........................................................... 129 Hana Knetlová Wallensteinsche Sehenswürdigkeiten in Cheb/Eger aus den Sammlungen Hermann Hallwichs ............................................................... 141 Thomas Just und Zdislava Röhsner Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien Erwerbungsgeschichte und Archivinventar .............................................................. 149 Werkverzeichnis Hermann Hallwich ........................................................................... 163 AutorInnen ................................................................................................................................. 167 Vorwort Hermann Joseph Hallwich wurde am 9. Mai 1838 im Kur- und Badeort Teplitz/Teplice, Böhmen, in der heutigen Tschechischen Republik geboren. Aus Anlass zur 175. Wiederkehr seines Geburtstages und zur 100. Wiederkehr seines Todestages veranstaltete das Regionalmuseum Teplitz/Regionální muzeum v Teplicích unter der wissenschaftlichen Leitung von Jan Kilián, Westböhmische Universität Pilsen/Plzeň und Milan Svoboda, Technische Universität Reichenberg/Liberec, am 13. November 2013 eine Tagung mit tschechischen und österreichischen HistorikerInnen im Hotel Prince de Ligne, das einstmals Hallwichs Vater Joseph besaß und das sich unweit seines Geburtshauses und des Regionalmuseums befindet. Die Tagungsbeiträge des Symposiums „Hermann Hallwich (1838-1913). Historik, politik, byrokrat, sběratel a básník“ werden in der in tschechischer Sprache herausgegebenen Ausgabe von Jan Kilián und Milan Svoboda publiziert. Es war den Veranstaltern der Tagung und Herausgebern des Tagungsbandes ein Anliegen, die Beiträge über den bedeutenden Historiker und Politiker Hallwich auch einer deutschsprachigen Leserschaft zur Verfügung zu stellen. So liegen nun die Tagungsbeiträge mit dieser Publikation in deutscher Übersetzung vor. Robert Rebitsch, Universität Innsbruck, übernahm die Organisation und Publikation der deutschsprachigen Ausgabe. Der Lehrer, politische Funktionär, Politiker, Volkswirt und Historiker Hermann Hallwich wurde in Europa vor allem durch seine umfassenden Wallensteinforschungen einem größeren Publikum bekannt. Doch Hallwich war auch ein herausragender Forscher zur Regionalgeschichte Nordböhmens und Pionier der Industriegeschichte, zudem ein bedeutender Politiker des Habsburgerreiches. Der studierte Geisteswissenschaftler, der schon in frühen Jahren mit Gewerbe, Industrie und Handel in Berührung kam, und der an einer Handelsakademie Berufserfahrung sammelte, trat 1869 den Posten des Sekretärs der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer an. Vom politischen Funktionär zum Politiker selbst war es sodann nur ein kurzer Schritt. Bereits 1871 wurde er als Abgeordneter des Städtebezirks Hohenelbe Mitglied des böhmischen Landtags und kurze Zeit später bekam er das Mandat für den Reichsrat als Vertreter des Bezirks Trautenau/Trutnov-Hohenelbe. Hallwich zählte lange Zeit zu den Deutschliberalen der Mitte, 1873 trat er dem „Klub der Linken“ bei, 1878 wechselte er zum „Neuen Fortschrittsklub“ und 1888 war er einer der treibenden Kräfte für die „Vereinigten deutschen Lin- 7 J. Kilián, M. Svoboda, R. Rebitsch ken“. Hallwich setzte sich für den deutsch-tschechischen Ausgleich ein und war einer der Mitunterzeichner des Ausgleichsprotokolls vom 19. Januar 1890. Vier Jahre nach den Ausgleichsverhandlungen trat er für die Zweisprachigkeit deutschböhmischer Beamter ein. Aber seine Toleranz in Sachen Bilingualität kannte Grenzen. So gab er als politischer Redner und Historiker auch kritische, bisweilen polemische Bemerkungen zum Sprachenstreit in der Habsburgermonarchie und im Speziellen zum Nationalitätenkonflikt in seiner böhmischen Heimat ab. Das alles lag freilich im normalen rhetorischen Spektrum eines Deutschliberalen Böhmens. Ein weiteres Anliegen war ihm der Ausbau des Verkehrsnetzes in Nordböhmen und die Entwicklung des gewerblichen Unterrichtswesens. 1891 übersiedelte er nach Wien. Gemeinsam mit dem böhmischen Baumwollindustriellen Friedrich Franz Josef Freiherr von Leitenberger (1837-1899) gründete er 1892 den „Centralverband der Industriellen Österreichs“, die Vorläuferorganisation der heutigen Vereinigung der Österreichischen Industrie, kurz Industriellenvereinigung (IV). Leitenberger war der erste Präsident, Hallwich war als „amtierender Beirat“ Sekretär des Zentralverbands. 1897 wurde er zum Vizepräsidenten ernannt und seit 1904 bekleidete er das Amt des Präsidenten. Hallwich konnte sich bei der Regierungsbildung von 1893 sogar Hoffnungen auf den Posten des Handelsministers machen, jedoch wurde ihm der Alpenländer Gundacker Wurmbrand aus paritätischen Gründen vorgezogen. 1895 und vor allem 1897 waren weitere Jahre der politischen Enttäuschungen für Hallwich. 1897 verlor er gegen den aus Eger stammenden, radikalen Deutschnationalen Karl Hermann Wolf die Wahl zum Reichsrat in seinem Wahlbezirk. Noch im selben Jahr zog sich Hallwich aus der Politik zurück. Hallwich war zudem Kunstmäzen und sehr fleißiger Sammler von Kunstwerken aller Art, historischen Handschriften sowie archäologischer Artefakte, die er verschiedenen Museen in Nordböhmen vererbte. Seine Wohnung glich, wie sein Mitarbeiter Robert Teichl im Nachruf schrieb, selbst einem Museum, wobei darin die Themen „Wallenstein“ und „Nordböhmen“ dominierten. Hallwich, der Ehrenbürger zahlreicher Städte war, starb am 11. April 1913 an den Folgen einer Lungenentzündung in Wien. Robert Teichl verfasste einen der vielen Nachrufe auf den Historiker und Politiker: „Hermann Hallwich war eine durch und durch vornehme Natur, ein gütiger, edler Mensch, der nicht nur mit Geisteswaffen zu streiten und zu siegen verstand, dessen schlichtes, liebenswürdiges, heiteres Wesen auch die Herzen bezwang.“ (Teichl 1914: 6) Allerdings konnte Hallwich auch ganz anders, wie sein akademischer, aber doch sehr boshaft ausgetragener Streit mit dem Historiker Anton Gindely über Wallenstein zeigt. 8 Vorwort Mit den hier publizierten Beiträgen wird die Person Hallwich und seine mannigfaltige Tätigkeit als Historiker, Politiker, Volkswirt und eifriger Sammler von historischen Gegenständen und Kunstwerken das erste Mal ausführlich wissenschaftlich gewürdigt. Die Veranstalter der Tagung und Herausgeber des Tagungsbandes konnten dabei auf vielfältige Unterstützung zurückgreifen. So sei Jaroslav Kubera, Oberbürgermeister von Teplice, und Bohuslav Boček, Direktor des Regionalmuseums Teplice, gedankt. Weiters gebührt der Technischen Universität Liberec und der Westböhmischen Universität Plzeň für die Unterstützung der Tagung sowie der Universität Innsbruck für die Teilfinanzierung dieser Publikation unser spezieller Dank. Als weiteren Förderer dieses Bandes konnten die Herausgeber die Industriellenvereinigung Österreich gewinnen. Hier dürfen wir uns bei Herrn Generalsekretär Mag. Christoph Neumayer bedanken. Zu guter Letzt sei allen Referentinnen und Referenten sowie Autorinnen und Autoren der hier publizierten Beiträge herzlich gedankt. Jan Kilián, Milan Svoboda und Robert Rebitsch im Juli 2014 9 Porträt von Hermann Hallwich, Regionalmuseum Teplitz Jan Kilián Hallwichs Jugend und frühes Schaffen „Töplitz. Eine deutschböhmische Stadtgeschichte“ – im Jahre 1886 war die erste, fast fünfhundertseitige wissenschaftliche Monographie1 über die nordböhmische Bäderstadt, die im Wesentlichen bis zum heutigen Tag weder faktisch noch methodisch übertroffen wurde.2 Der Autor Hermann Hallwich, ein damals bereits anerkannte Historiker, schrieb sie im Frühjahr des genannten Jahres, und den Druck vertraute er dem in Leipzig ansässigen renommierten Verlag Duncker & Humblot an. Die Widmung ist an die Adresse der deutschen Bürgerschaft seiner geliebten Geburtsstadt gerichtet. Die Publikation ist in fünf Bücher eingeteilt, in deren Bezeichnung ganz offensichtlich die nationalistische Sicht des Autors auf die Geschichte zu erkennen ist: „… deutsche Anfänge, tschechische Regierung, fortschreitende Restaurierung, tschechisch-deutsch, rein deutsch …“ Eine Hauptrolle spielte für ihn die Epoche der Frühen Neuzeit. So widmete der Wallensteinforscher Hallwich dem Dreißigjährigen Krieg, auf den er sich schon damals fokussierte, große Aufmerksamkeit. Im Gegensatz dazu fallen auf die Epoche der letzten 230 Jahre nur etwas über fünfzig Seiten, eher überblicksartig als durch eigene Quellenforschung fundiert. In der Einleitung des Buches wird die Schönheit Nordböhmens, besonders die Gegend um Teplitz, gepriesen, es fehlt auch nicht ein subjektives Bekenntnis des Autors, dass er als hier Geborener diese Region ständig in seinem Herzen trägt. Er bemerkte, dass über Teplitz im Verlaufe der Jahre eine Unmenge Publikationen geschrieben wurden, die aber zum Erfassen der eigentlichen Geschichte dieser Stadt im Grunde unbrauchbar wären. Er enthielt sich ebenso nicht der Klage gegenüber den Tschechen, indem er ihnen nationalen Fanatismus unterstellte, in dessen Folge alle Denkwürdigkeiten aus der ersten Entwicklungsphase dieser „uralten deutschen Stadt“ zerstört worden seien. Weiters unterstrich er, dass er sich auf das vorliegende Buch lange vorbereitet hat und dass alle seine vorhergehenden Arbeiten aus der Teplitzer Region gerade darauf gerichtet gewesen seien, diese wissenschaftliche Abhandlung 1 2 Töplitz. Eine deutschböhmische Stadtgeschichte, Leipzig 1886. Zur Geschichte von Teplitz besonders Peter Budinský, Přehledné dějiny Teplicka 1/1-2. Pravěk Teplicka, Teplice 1977-1978 und Přemysl Peer, Přehledné dějiny Teplicka 2. Dějiny Teplicka do roku 1848, Teplice 1969; auch Květoslava Kocourková, Teplice, Praha – Litomyšl 2009 (Bilddokumentation mit kurzer Einführungsstudie). 11 J. Kilián über seine Geburtsstadt niederzuschreiben. Er besuchte dazu die Archive in Prag, Wien und Dresden; einbezogen wurden weiters städtische Archivalien und jene aus dem Schloss der Clary-Aldringen. Er machte nie einen Hehl daraus, dass seine Arbeit tendenziös sei, vielmehr bekannte er sich stolz dazu, dass die Geschichte zur Belehrung der Gegenwart dienen solle. Mit seiner Arbeit bemühe er sich, so Hallwich, nicht nur die Bewohner der Stadt anzusprechen, sondern die gesamte deutsche Leserschaft. Er beschwerte sich zudem, dass in Deutschland die sudetendeutsche Geschichte nicht besonders bekannt sei, was jedoch ebenso für weitere deutsche Siedlungsräume im Osten gelten würde.3 Wie war Hallwich zu diesen hier kurz angedeuteten Meinungen gekommen? Welches Milieu, welche Umstände und welche Persönlichkeiten wirkten in der Jugend auf seinen sich formenden Charakter? Und wie wurde überhaupt aus dem Sohn einer in Teplitz ansässigen Gastwirtsfamilie eine anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Historiographie? 1. Familiärer Hintergrund Die Hallwichs stammten aus der heutigen polnischen Stadt Kudowa-Zdrój, die in Sichtweite des tschechischen Náchod liegt. Die Gemeinde selbst war ein Bestandteil der Glatzer Grafschaft.4 Im Jahre 1742 musste die Habsburger Monarchin Maria Theresia Kudowa und die Glatzer Region nach erfolglosen Kämpfen gegen die preußische Armee an König Friedrich II. abtreten. Österreich verlor damit eines seiner alten Bäder, das mindestens seit dem 15. Jahrhundert existierte; die hiesigen Mineralheilquellen gerieten nun immer mehr unter den Einfluss des preußischen Hofes der Hohenzollern. Einige der preußischen Souveräne besuchten die Bäder in Kudowa persönlich, ebenso wie der berühmte deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Der Ort erblühte, auch die napoleonischen Kriege fügten ihm kaum Schaden zu. Es wurden Parks und Promenaden gebaut, neue Einrichtungen für Unterkunft und Verpflegung entstanden, in denen zahlreiche tschechische Bedienstete arbeiteten. Der wohlhabende Joseph Hallwich besaß gleich zwei dieser Häuser in Kudowa. Ihm wurde aus der Ehe mit Ludmilla, geb. Bemnadt, im Jahre 1803 oder 1804 ein Sohn geboren, der den gleichen Namen wie sein Vater trug.5 Fraglich ist die Konfession der Hallwichs. Es 3 4 5 12 Töplitz, VII-X. Dazu aktuell František Musil, Kladsko, Praha 2007 (mit weiterer Literatur). Staatliches Regionalarchiv (weiter SOA) Litoměřice, Matrikel, Römisch-katholisches Pfarramt (weiter ŘKFÚ) Teplice, Sign. 162/9, Fol. 218-219. Hallwichs Jugend und frühes Schaffen darf aber trotz Zugehörigkeit zum protestantischen preußischen Staat angenommen werden, dass sie Katholiken waren, worüber zumindest bei Hermanns Vater kein Zweifel mehr bestand. Kindheit und Jugend verbrachte der junge Joseph Hallwich (1803/04-1850) wahrscheinlich in Kudowa. Die Gründe, die ihn bewogen, Kudowa zu verlassen und in das nordböhmische Teplitz zu gehen, kennen wir leider nicht. Die Entscheidung könnte ihm aber das Erbe seines verstorbenen Vaters erleichtert haben. Die Familientradition wollte er offensichtlich beibehalten. Er tauschte einen Kurort gegen den anderen, wo er vom Fürsten Carl Clary-Aldringen das barocke Gebäude der Gartensäle im Teplitzer Schlossgarten pachtete, um hier eine Gastwirtschaft zu führen. Auch ein eigenes Haus konnte er sich anschaffen – das damalige Gebäude Nr. 10 in der Jägerzeile, gleich seinem Betrieb gegenüber. Nicht lange danach heiratete er am 19. Juli 1860.6 Seine Erwählte war die etwa gleichaltrige Josepha Aloisie (1804-1877), Tochter des verstorbenen Seilermeisters Joseph Gudra, Bürger aus Teplitz und dessen Gemahlin Anna.7 Anna Gudra (1780/1784-1853),8 Tochter des Militärangehörigen Joseph Baumann, gebürtig im preußischen Spandau, und seiner Frau Magdalena, sollte im Leben des zukünftigen Teplitzer Historikers eine wichtige Rolle spielen. Die verwitwete Seilerin (obwohl sich die in Teplitz und Umgebung sehr verzweigte Familie Gudra überwiegend der Schneiderei und Schusterei widmete) musste sich um ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Kinder kümmern. Sie war sowohl ihrer Tochter als auch ihren Enkeln eine große Unterstützung. Und so sehen wir, dass Hermann Hallwich auch preußische Vorfahren hatte. Seinem Vater Joseph ging es in Teplitz gut. Der populäre Kurort, ein rein deutscher Ort, erlebte ebenso wie Kudowa nach den napoleonischen Kriegen sein goldenes Zeitalter.9 Regelmäßig reisten die Mitglieder der habsburgischen, sächsischen und preußischen Herrscherfamilie zur Kur in den nordböhmischen Ort. Von den Hohenzollern war am häufigsten König Friedrich Wilhelm III., Vater des späteren Kaisers Wilhelm I., zugegen. In dieser Zeit verschwanden einerseits die mittelalterlichen Befestigungen und Tore, anderseits entstanden neue Kurhäuser und Hotels. Zwar waren die Zeiten des bekannten Fürsten Carl Joseph de Ligne (1735-1814) und des außerordentlichen Wohltäters der Bäder Johann Ne6 7 8 9 SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/16, Fol. 1. SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/9, Fol. 218-219. Vgl. Staatliches Kreisarchiv (weiter SOkA) Teplice, Städtisches Archiv (weiter AM) Teplice, Buch 197 – Verzeichnis der Familien und ihrer Angehörigen 1827-1840. Vgl. Jitka Budinská/Petra Zerjatke, Kapitel aus der Geschichte des Bäderwesens, Teplice 2006. 13 J. Kilián pomuk Clary-Aldringen (1753-1826) vorbei, weswegen die übrigen Wirtschaftszweige in der stürmischen Zeit der industriellen Entwicklung eher stagnierten, der lebhafte Fremdenverkehr aber hörte nicht auf. In der Zeit, als Joseph Hallwich hierher kam, lebten in Teplitz kaum mehr als zweitausend Einwohner, die überwiegend vom Kurtourismus lebten. Nach Alternativen begannen sie erst nach dem Tode ihres großen Gönners Friedrich Wilhelm III. zu suchen.10 Dem erfolgreichen Ehepaar Hallwich wurde ein Kind nach dem anderen geboren. Nach der erstgeborenen Aloisie Eleonora (1831) folgten Emilie (1832), Wilhelm Hermann (1833), Anna Isabella (1834), Mathilde Ludowika (1835),11 Joseph Franz (1837),12 Hermann Joseph (1838), Otto Joseph (1840),13 Anna Maria Franziska (1842) und als letzten brachte die bereits mehr als vierzigjährige Frau Hallwich im Jahre 1845 Kamil Joseph Albrecht Michael zur Welt.14 Von den insgesamt zehn Kindern starben zwei im frühen Alter, und zwar beide Töchter, die auf den Namen Anna getauft worden waren, Anna Maria Franziska mit kaum zwei Monaten.15 Hermann Joseph Hallwich wurde als sechstes Kind am 9. Mai 1838 um Viertel vor Acht vormittags im Elternhaus geboren. Die Teplitzer Hebamme Antonie Hromada wickelte die Geburt ab; die Taufe führte der Teplitzer Kaplan Libisch am nachfolgenden Tage im Elternhaus um die zweite Nachmittagsstunde durch. Hermanns Paten waren Joseph und Witus Haase, Doktoren der Medizin aus Teplitz, und Josephina Richter aus Teplitz.16 Sie war wohl eine Verwandte von Anton Richter, der in den 1820er Jahren auf dem Schlossplatz an Stelle der Konskr. Nr. 136 und 137 ein Hotel errichtete und es nach dem Prince de Ligne benannte. Das Hotel sollte in Zukunft eines der Teplitzer Symbole werden, aber noch viel früher 10 Töplitz, 442-448. 11 Mathilde lebte in Teplitz und blieb mit 33 immer noch ledig, obwohl sie damals Sohn Amand bekam. Dieser starb an einer Lungenkrankheit im Alter von 3 Jahren. SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/20, S. 650. 12 Joseph Franz Hallwich wurde Fürstlich Claryscher Rentmeister. Seine Ehefrau war die am 9. 4. 1851 im Lausitzer Bautzen geborene Jenny Hallwich, bekennende Lutheranerin. Ihre beiden in Binsdorf bei Tetschen geborenen Kinder, die Töchter Maria (*1876) und Elisabeth (*1879) wurden jedoch katholisch erzogen. Im Jahre 1901 hatte dieser Hallwich immer noch das Teplitzer Hausrecht, wohnte aber weiterhin mit der Familie in Binsdorf. SOkA Teplice, AM Teplice, Schriftstücke, Karton 613 – Hausrecht, Ha. 13 Otto Josef Hallwich wurde Ökonom in Görkau (lebte dort in der Konskr.Nr. 33). Zur Frau nahm er sich Anna, Tochter des Görkauer Apothekers Ignaz Ulm, und am 18. Juni 1878 wurde ihnen Sohn Hermann geboren, der am 29. d.M. getauft wurde, wobei Hermann Hallwich persönlich Pate stand, damals bereits als Abgeordneter. Ebenda. 14 SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/C, Geburten-Index. 15 SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/I, S. 473. 16 SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/9, Fol. 218-219. 14 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen das neue Zuhause des nicht einmal vierjährigen Hermann Hallwich. Am 20. Januar 1842 nämlich kaufte sein Vater das „Prince de Ligne“ von Anna Richter mit dem Hof und allem Zubehör für 44.500 Gulden (der herkömmlichen Goldwährung). 10.000 Gulden zahlte der Käufer sofort, den Rest sollte er in einigen Raten bis zum Jahre 1854 abzahlen.17 Die Zahl der Kurgäste in Teplitz ging damals mit dem Tod des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und der starken in- und ausländischen Konkurrenz leicht zurück. Hallwichs Familie war jedoch in dieser Zeit weiter erfolgreich, denn gleichzeitig entfaltete sich in Stadt und Region die Industrie; Fabrikanlagen entstanden und große Braunkohlenschächte wurden eröffnet.18 Der kleine Hermann wuchs umgeben von Biedermeierluxus auf, nahm seine Mahlzeiten an einem Tisch ein, auf dem es neben hochwertigem Porzellan auch silbernes Besteck gab.19 Darüber, wie seine primäre Schulbildung erfolgte, haben wir keine zuverlässigen Angaben. Aus dem Revolutionsjahr 1848 (in Teplitz und Umgebung allerdings sehr ruhig) hat sich wenigstens Hallwichs Zeugnis aus der Stadtschule in Teplitz erhalten, die der Teplitzer Dechant W. Tobisch als Katechet der Schlosskaplan Hauschild und als Lehrer Anton Schmid leiteten. Der zehnjährige Hermann war damals Absolvent der zweiten Klasse, in der er ausgezeichnete Ergebnisse in allen Schulfächern (Religion, Lesen, Schönschrift, Rechtschreibung, Rechnen, schriftliche Aufsätze, Sprachwissenschaft und Ausdruck) erreichte. Da ebenfalls sein Verhalten ausgezeichnet war, durfte der junge Hallwich in die sog. Vorzugsklasse aufsteigen.20 Diese war die letzte Klasse in seiner Geburtsstadt. Für die nächst höhere Schule begab sich Hermann nach Komotau. Ab dieser Zeit sollten seine Aufenthalte in Teplitz nur kurzzeitig sein, und zwar während seiner Studien-, Forschungs- sowie Höflichkeitsbesuche. Als ständigen Wohnsitz wählte sich der erwachsene Hermann Hallwich andere Städte. 17 SOkA Teplice, AM Teplice, Buch 127, Fol. 103-104. 18 Töplitz, 448-450. Vgl. auch Ilsemarie Walter, Teplitz-Schönau – Kur- und Industriestadt? Eine nordböhmische Kleinstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, München 2002. 19 SOkA Teplice, AM Teplice, Buch 127, Fol. 103-104. 20 SOkA Liberec, Nachlass Dr. Hermann Hallwichs, Karton Nr. 6, unfoliert, unbearbeitet – Zeugnis H. Hallwichs aus dem Jahre 1848. 15 J. Kilián 2. Komotauer Studien Für die weitere Laufbahn und Entwicklung Hermann Hallwichs spielte die Vorerzgebirgsstadt Komotau zweifellos eine entscheidende Rolle. Immerhin lebte der Schüler, der langsam zu einem jungen, selbstbewussten Mann heranreifte, sieben Jahre lang in der ehemaligen Stadt des deutschen Ritterordens. Von Teplitz nach Komotau war es zwar nicht weit, eine Eisenbahn, die schön langsam die nordböhmischen Städte verband, gab es allerdings zwischen diesen beiden Städten noch nicht,21 so dass der Hoteliersspross auf den langwierigen Straßenverkehr angewiesen blieb, falls er nicht ab und an auch zu Fuß ging. In sein Elternhaus kehrte er wahrscheinlich nur während der Ferien, Feiertage oder zu außergewöhnlichen Ereignissen zurück. Komotau, seit Beginn des 17. Jahrhunderts Königsstadt,22 war im Vergleich zu Teplitz etwa doppelt so groß und orientierte sich, im Gegensatz zur Geburtsstadt Hallwichs, damals bereits wesentlich deutlicher an Industrialisierung und Bergbau, obwohl der große Anstieg in Komotau noch folgen sollte.23 Dies gilt ebenfalls für die berühmte Gewerbeschule. Dennoch konnte der Teplitzer Schüler in Komotau jahrelang den ökonomischen Aufschwung der entstehenden Großindustrie verfolgen. Der bis Hallwichs Zeit aber nicht besonders mitgenommene Stadtkern Komotaus mit den mittelalterlichen Häusern und den Arkaden, dem Rathaus mit ansprechender Malerei und der sich anschließenden St. Katharinenkirche, der spätgotischen Basilika zu Mariä Himmelfahrt und besonders mit dem Jesuitenareal bei der St. Ignatiuskirche sollte für den jungen Hallwich ein beliebter Ort für Spaziergänge aber auch Freud und Leid des alltäglichen Lebens werden.24 In Komotau gab es schon seit dem Mittelalter eine Lateinschule, die frühe Neuzeit sollte der Stadt aber eine erstklassige Lehranstalt in Form des Jesuitengymnasiums bringen.25 Das 21 Vgl. u.a. Bohumil Povolný, Ústecko-teplická dráha 1858-1958, Praha 1958. 22 Detailliert Petr Rak, Frajkauf v pondělí po Moudrosti boží (K vykoupení Chomutova z poddanství v letech 16051606), in: ders. (red.), Comotovia 2005. Sammlung von Beiträgen der Konferenz, gewidmet dem Jubiläum 400 Jahre Freikauf von Komotau aus der Knechtschaft (1605-2005), Chomutov 2006, 89-132. 23 Zur Geschichte von Komotau vgl. z.B. Petr Rak, Chomutov 1252-2002. Vybraná data ze 750 let historie města, Chomutov 2002; Nikolaus von Urbanstadt, Geschichte der hauptmannschaftlichen Bezirke Komotau, Saaz und Kaaden. Mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten landwirthschaftlichen, industriellen und commerciellen Zweige I-V, Komotau 1869-1873 und Zdena Binterová/et al, Dějiny Chomutova, Chomutov 1997. Zur Industrieentwicklung vgl. Jaroslav Bílek/Ladislav Jangl/Jan Urban, Dějiny hornictví na Chomutovsku, Chomutov 1976 und Petr Rak, Historie a současnost podnikání na Chomutovsku, Kaďansku a Vejprtsku, Žehušice 2003. 24 Näheres bei Jaroslav Pachner/Petr Rak, Chomutovem krok za krokem. Průvodce po památkách a minulosti města, Ústí nad Labem 2011. 25 Vgl. dazu Vladimír Valeš, Historie jezuitského areálu v Chomutově, Chomutov 2002. 16 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen Kolleg der Gesellschaft Jesu ließ der damalige Komotauer Grundherr Georg Popel von Lobkowitz – ein bigotter Katholik, der jedoch für seine Ambitionen, die im Widerspruch zu den Habsburger Interessen standen, hart bestraft wurde – im Jahre 1589 errichten. Auch die Jesuiten hatten es hier anfangs nicht leicht. Der Hass der überwiegend lutherischen Bevölkerung gegen die Societas Jesu drückte sich durch einen Überfall auf das Kolleg nach zwei Jahren aus.26 In der Zeit nach der Schlacht am Weißen Berg erblühte das Kolleg mit seinem Gymnasium jedoch wieder bis das Papstdekret der Auflösung des Jesuitenordens (1773) veröffentlicht wurde, woraufhin die hiesige Schule kurzfristig geschlossen wurde. Im Jahre 1780 wurde die Schule für sieben Jahre von den Dominikanern übernommen. Aber auch nach den Dominikanern hörte die Lehrtätigkeit dortselbst nicht auf und seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurden die Zisterzienser Verwalter der Schule, von denen viele als Lehrkräfte wirkten. Nach den napoleonischen Kriegen befand sich das Gymnasium auf dem Gipfel seines Erfolgs, 1851 wurde es zum Obergymnasium erhoben. Es verfügte über eine umfangreiche Bibliothek, ein physikalisches und ein naturwissenschaftliches Kabinett sowie über eine reichhaltige Münzsammlung.27 Diese Schule war in Teplitz sehr populär, denn immerhin stammten viele der Zisterzienser-Lehrer gerade aus Teplitz, u.a. aus Ossegg, aber auch aus der Bäderstadt selbst, wie Adolph Waller (1800-1860), zuerst Präfekt und bald darauf Direktor der Schule, der in den höheren Klassen Deutsch lehrte.28 Joseph Hallwich überlegte es sich sehr gut, wohin er seinen talentierten Sohn schickte. Nach Regierungskonzepten aus dem Jahre 1841 sollten an dem Gymnasium 20 Stunden wöchentlich unterrichtet werden, und zwar besonders Latein, Religion, Griechisch, Deutsch, Erdkunde mit Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften. Immer im Herbst vor Beginn des Schuljahrs fanden Aufnahmeprüfungen statt, denen sich natürlich auch der junge Hermann Hallwich stellen musste. Der Junge musste den Stoff aus der Volksschule wie Lesen und Schreiben in der Muttersprache, Schreiben in Lateinisch und Deutsch, Grundkenntnisse der Sprachwissenschaft, Rechtschreibung und Mathematik beherrschen. Zudem hatte er eine persönliche oder schriftliche Erklärung der Eltern, dass ihr Sohn das Gymnasium besuchen möchte, vorzuweisen. Die Anzahl von Schülern in der Klasse sollte in 26 Ausführlich Mark Andrew Brandon, The Counter Reformation of Jiří Popel z Lobkovic in Chomutov (1591), in: Porta Bohemica 3 (2005) 28-45. Siehe auch Petr Rak (red.), Comotovia 2011. Sborník příspěvků z konference věnované 420. výročí chomutovského povstání z 15. července 1591 (1591-2011), Chomutov 2012. 27 Vgl. Communal-Gymnasium in Komotau. Festschrift zur dreihundertjährigen Gedenkfeier der Gründung des Gymnasium, Komotau 1891. 28 Ottmar Kreissl, Das Komotauer Gymnasium 1591-1945. Dokumentation, Karlsfeld 1995, 58. 17 J. Kilián Komotau 50 nicht überschreiten, maximal waren aber auch 80 zulässig (obwohl ich auf eine solche Überfüllung der Klassen im beobachteten Zeitraum nicht gestoßen bin). Klassen, resp. Jahrgänge, gab es insgesamt acht. In den ersten beiden wurden 22 Stunden pro Woche unterrichtet, davon acht Stunden Latein, in den weiteren dann bereits 24 Stunden wöchentlich. Neben Latein, Religion, Griechisch, Deutsch, Erdkunde mit Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften wurden auch Tschechisch, Zeichnen und Kalligrafie gelehrt. Mit Ausnahme von Griechisch (erst ab dem 3. Jahrgang) wurden alle Fächer ab der ersten Klasse unterrichtet. Für die Versetzung in eine höhere Klasse mussten die entsprechenden Kenntnisse nachgewiesen werden, während man die Matura erst nach Erreichen des achtzehnten Lebensjahres und Absolvieren aller Pflichtklassen ablegen konnte. Die Prüfung setzte sich aus dem schriftlichen Teil in Form eines Aufsatzes in der Muttersprache oder in der unterrichteten Sprache, einer Übersetzung aus dem und in das Lateinische, Übersetzung aus dem Griechischen und mathematischen Aufgaben zusammen, sowie aus der mündlichen Prüfung, bei der neben den Fächern, die bereits schriftlich geprüft wurden, noch Religion, Erdkunde, Geschichte, Physik und Naturgeschichte hinzukamen. Auf dem Gymnasium wurde eine sehr strenge Disziplin nicht nur im Unterricht, sondern auch außerhalb der Schule verlangt. Die Schüler durften weder in Gastwirtschaften noch Cafés gehen, aber auch nicht ins Theater, auf Tanzvergnügen usw., rauchen war erst ab achtzehn Jahren erlaubt.29 Der elfjährige Hermann Hallwich trat im Jahre 1849 in die erste grammatikalische Klasse des Gymnasiums ein. Er hatte sechzehn weitere Mitschüler, alles Deutsche; fakultativ im Unterricht angebotenes Tschechisch lernte keiner von ihnen.30 Nach zwei Jahren erlebte er die große Reform, als aus der Komotauer Schule das Obergymnasium wurde und die Anzahl von Schülern enorm anstieg. Während im Schuljahr 1851/1852 nach der Reform in den höheren Jahrgängen vom 2. bis zum 8. Jahrgang nur maximal 24 Schüler waren (im siebten aber z.B. nur 4!), gingen im ersten Jahrgang bereits 49 Schüler zur Schule.31 Die Schüler wurden unter der Leitung ihrer deutschen Lehrer zum deutschen Patriotismus erzogen, was ebenfalls für den Geschichtsunterricht galt, den hier die Professoren Ildefons Nitsch und Karl Feiler (1798-1883), gebürtig aus dem westböhmischen Tepl, hielten. In Tepl trat Feiler dem Zisterzienserorden bei. Er unterrichtete über vierzig Jahre und wurde zum Ehrenbür- 29 Ebenda. 30 SOkA Chomutov mit Sitz in Kadaň, Fond Communal-Gymnasium Komotau, Karton 7 – Katalog der Schuljahre ab 1849, Jahr 1849. 31 Kreissl, Das Komotauer Gymnasium, 79. 18 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen ger von Komotau ernannt; ebenso war er Inhaber etlicher Verdienstmedaillen.32 Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass es der Zisterzienser Tepl war, der in Hallwich, der während der Komotauer Studien angeblich ein ausgezeichneter Dichter gewesen sein soll,33 das Interesse für Geschichte erweckte. Ein besonderer Erfolg des in Teplitz geborenen Hallwich am Gymnasium zu Komotau ist aus den zeitgenössischen Quellen nicht zu entnehmen, wir können nur annehmen, dass er zu den überdurchschnittlich Begabten gehörte. Es ist auch die Frage, ob er sich schon damals Ludwig Schlesinger annäherte, einem weiteren zukünftigen bedeutenden Historiker und Hallwichs Hochschulkommilitone. Dieser gebürtige Komotauer war ein Jahr jünger und wechselte auf das Piaristische Gymnasium in Brüx.34 Nur wenige Monate nach Hallwichs Schulbeginn traf die Familie ein Schicksalsschlag. Vater Joseph kämpfte schon längere Zeit mit einer heimtückischen Lungenerkrankung, vielleicht einem Katarrh oder Tuberkulose. Am 20. Februar 1850 um die vierte Nachmittagsstunde erlag er im Alter von nur 46 Jahren dieser Krankheit. Wenn auch der zwölfjährige Komotauer Schüler nicht beim Vater war, als ihm die letzte Salbung durch Schlosskaplan Josef Hauschild verabreicht wurde, so fehlte er sicher nicht beim Begräbnis seines Vaters auf dem Teplitzer Friedhof am Morgen des 23. Februars.35 Der verwitweten Aloisie Hallwich verblieben acht minderjährige Kinder, von denen das älteste Mädchen 19 Jahre alt war und Benjamin Kamil nicht ganz fünf. Die Frau musste sich nun alleine um das Familienhotel kümmern, das bis dato noch nicht völlig abgezahlt war, und auch um die finanziell aufwändige Bildung ihrer Kinder. In dieser schweren Situation half ihr ihre energische Mutter Anna Gudra, an die sich Hermann Hallwich später mit Liebe erinnerte, ganz besonders.36 Diese lebte auch gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Kindern im Hotel Prince de Ligne. Es ist allemal bemerkenswert, dass sie ihr Gewerbe nicht verkauften, sondern es für ihre Nachkommen bewahrten. Unterstützung fanden sie wahrscheinlich auch bei Jakob und Joseph Schönhöfer aus der Clary-Aldringischen Verwaltung, die bei den Hallwichs die Vormundschaft ausübten.37 Im Jahre 1853, als Anna Gudra in hohem Alter verstarb,38 überschrieb Aloisie 32 Communal-Gymnasium in Komotau, 155-156. 33 Robert Teichl, Hermann Hallwich (Sonderabdruck aus der Monatschrift „Deutsche Arbeit“), Prag 1914, 1. 34 Näheres zu seinem Leben und Werk Peter Urbanitsch, Schlesinger, Ludwig, in: Neue Deutsche Biographie 23 (Berlin 2007) 64. 35 SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/20, S. 30. 36 Teichl, Hallwich, 1. 37 Archiv der Karlsuniversität (weiter AUK), Katalog der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 154, Inv. Nr. 448 und 449. 38 SOA Litoměřice, Matrikel, ŘKFÚ Teplice, Sign. 162/20, S. 146. Anna Gudra verstarb am 5. Sept. 1853, die Beerdi- 19 J. Kilián Hallwich die Hälfte des Hauses im Werte von fast 20.000 Gulden ihren Kindern, Hermann nicht ausgenommen. Aus Hallwichschen Besitz gelangte das Haus Prince de Ligne erst später in den Besitz anderer Eigentümer und das Geld aus seinem Verkauf diente den Kindern bei ihrer eigenen Emanzipierung. Im Jahre 1856 ging Hallwichs Schulzeit in Komotau zu Ende. Der gerade achtzehnjährige junge Mann legte mit Erfolg die Matura ab und entschied über seine weitere Karriere. Das gerade absolvierte Gymnasium war für ihn sicher ein sehr guter Ausgangspunkt für ein nachfolgendes Studium an jeder beliebigen Hochschule in der Habsburger-Monarchie. Hermann entschied sich für die böhmische Hauptstadt Prag. 3. Das Hochschulstudium Die Hauptstadt des Böhmischen Königreichs war für Jugendliche aus der Provinz ein gewaltiger Anziehungspunkt. Großstadtbetrieb und kosmopolitische Atmosphäre begeisterten auch den an Teplitzer und Komotauer Verhältnisse gewöhnten Hermann Hallwich, obwohl das Prager Gesellschaftsleben damals durch den sog. Bachschen Absolutismus ziemlich verhalten war.39 Die älteste mitteleuropäische Universität, die Karls-Universität, in ihrer ursprünglichen Form 1348 gegründet, strahlte auch nicht mehr den Glanz wie im Mittelalter und in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg aus. Dennoch war sie immer noch eine renommierte Einrichtung, die ebenfalls Studenten aus dem Ausland anlockte. Nach der Niederlage der böhmischen Stände übernahmen die Jesuiten die Universität und im Jahre 1654 kam es zur Vereinigung mit ihren Akademien, seitdem Universitas Carolo-Ferdinandea genannt. Diese wurde dann in der Zeit der Aufklärung vor allem zum Produzenten loyaler Staatsbeamter, Lehrer und Geistlicher, während der jesuitische Einfluss nach und nach sank. Signifikant für diese Zeit war ebenfalls, dass als Unterrichtssprache das Latein praktisch durch Deutsch ersetzt wurde. Einen Umschwung erlebte die Schule besonders im Jahre 1848, als sich viele Studenten an den revolutionären Ereignissen beteiligten und auf den Prager Barrikaden kämpften. Gleich ein Jahr später erhielt die Universität ihre teilweise Autonomie und besondere Freiheiten. Allerdings begannen gleichzeitig die Spannungen zwischen den aufgeklärten gung war am 7. September. Auch hier war Hermann Hallwich anwesend. 39 Zu Bach vgl. nur Hans Loew, Alexander Freiherr von Bach, Wien 1947 und neuerdings Eva Macho, Alexander Freiherr von Bach. Stationen einer umstrittenen Karriere, Frankfurt am Main – Wien 2009. Im breiten Kontext der Epoche Kaiser Franz Josephs I. Lothar Höbelt, Franz Joseph I. Der Kaiser und sein Reich. Eine politische Geschichte, Wien 2009 sowie Otto Urban, Česká společnost 1848-1918, Praha 1992. 20 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen Tschechen und den eifersüchtig an ihrer Position hängenden Deutschen außergewöhnlich zu steigen. Der Nationalitätenkampf zwischen beiden Gruppen mündete schließlich 1882 in die Teilung einer tschechischen und einer deutschen Universität.40 In dieser Zeit war Hallwich zwar kein Student mehr, aber schon während seines Studiums geriet er mitten in diese nationalistischen Auseinandersetzungen. Hallwichs Immatrikulation als ordentlicher Hörer der Philosophischen Fakultät der Karl-Ferdinand-Universität erfolgte am 11. Dezember 1856. Eigenhändig wurde sie durch den Rektor Jan Chlupp und durch den Dekan der Philosophischen Fakultät, dem bekannten Historiker Konstantin Höfler, unterzeichnet.41 Der achtzehnjährige Hermann orientierte sich dabei von Anfang an auf das Studium der Geschichte. Führte ihn dazu ausschließlich die Liebe zur Geschichte, die ihm auf dem Komotauer Gymnasium eingeprägt worden war? Vielleicht. Es ist aber auch bemerkenswert, dass zur gleichen Zeit in einem höheren Jahrgang der etwas ältere Joseph Gudra aus einer Schuhmacherfamilie in Kladrob bei Teplitz studierte. Er war von der rechtswissenschaftlichen Fakultät in die philosophische übergetreten. Auch Gudra trug sich in Geschichte ein und studierte bei Höfler.42 Zufall? Die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Studenten kannten, ja, dass sie wohl auch entfernte Verwandte waren, ist gleichwohl hoch und Hermann konnte von Joseph sicher gute und geeignete Tipps über die Universität erhalten. Wie auch immer, Hermann kam vom Komotauer Kolleg nun in Mietwohnungen, oder eher in Studentenbuden in Prag (er wechselte gleich einige Male), und tauchte ganz ins studentische Leben und Geschichtsstudium ein. Unterstützt wurde er von seiner Mutter, die weiterhin das renommierte Hotel in Teplitz führte, und von den mit der Vormundschaft betrauten Schönhöfers. Daneben verdingte er sich als Erzieher bei einer der führenden aristokratischen Familien Böhmens, beim Grafen Nostitz,43 genauer bei Albert Franz Nostitz-Rieneck, was in Folge Einfluss auf sein frühes 40 Zur Geschichte der Universität neu, umfangreich und sehr gelungen Michal Svatoš (red.), Dějiny Univerzity Karlovy I. (1347/48-1622), Praha 1995; Ivana Čornejová (red.), Dějiny Univerzity Karlovy II (1622-1802), Praha 1995; Jan Havránek (red.), Dějiny Univerzity Karlovy III (1802-1918), Praha 1995 und Jan Havránek/Zdeněk Pousta (red.), Dějiny Univerzity Karlovy IV (1918-1990), Praha 1995; kurz Peter Moraw, Prag. Die älteste Universität in Mitteleuropa, in: Alexander Demandt (Hg.), Stätten des Wissens, Köln – Weimar – Wien 1999, 127-145. Die ältere Historie der Universität fasste auch Hallwichs Lehrer Tomek zusammen: Václav Vladivoj Tomek, Děje university pražské, Praha 1849. 41 SOkA Liberec, Nachlass von Hermann Hallwich, Karton Nr. 6, unfoliert, unbearbeitet – Bestätigung der Immatrikulierung vom 11. 12. 1856. 42 AUK, Katalog der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 153, Inv. Nr. 446, Hauptkatalog der Hoerer der Philosophie Wintersemester 1854/55, fol. 6-7 und Hauptkatalog der immatriculirten Hoerer Philosophie Wintersemester 1855, Fol. 6-7. 43 Teichl, Hallwich, 1. 21 J. Kilián Schaffen hatte. Daneben fand der junge Mann sicher Zeit für die üblichen Studentenvergnügungen und für die Treffen mit seinen Kommilitonen,44 von denen ihm wohl der um ein Jahr jüngere Ludwig Schlesinger aus Oberleutendorf am nächsten stand. Im ersten Jahrgang, im Wintersemester 1856/1857, schrieb sich Hermann in Römische Geschichte ein, die drei Stunden pro Woche gelehrt wurde, in Deutsche Literaturgeschichte (2 Stunden) und in Enzyklopädie historischer Studien (2 Stunden), dies alles wurde von Dekan Höfler unterrichtet. Weiters besuchte er die durch einen anderen Lehrenden unterrichtete Interpretation der Werke des griechischen Historikers Herodot. Daneben belegte Hallwich noch Fächer wie Erdkunde, physikalische Geografie oder Kurse über Australien und Afrika, sowie Philosophie, konkret eine Anleitung zur philosophischen Auffassung der Natur und einen Kurs zum Thema Pantheismus.45 Beim Nestor der tschechischen Geschichtsschreibung František Palacký hat er keine Vorlesung besucht, in Erdkunde wurde er aber durch dessen jungen Sohn Jan (1830-1908) unterrichtet.46 Höchste Autorität war für ihn Karl Adolf Konstantin Ritter von Höfler (1811-1908). Der aus dem bayerischen Memmingen stammende Höfler war Katholik und überzeugter Nationalist, der durch den damaligen österreichischen Kultusminister Graf Leopold von Thun-Hohenstein im Zuge der konservativen und klerikalen Orientierung zu Beginn des Bachschen Absolutismus (1851) an die Universität Prag berufen wurde. Im Zeitraum von Hallwichs Studium beschäftigte sich Höfler intensiv mit der Revolutionsbewegung der Hussiten. Durch seine Kritik an den Hussiten kam er in einen starken polemischen Streit mit der tschechischen Historiographie, an erster Stelle mit František Palacký.47 Auch der junge Hallwich begann sich dadurch für die Hussiten, zu denen er später sehr kritische Kommentare schrieb,48 zu interessieren. 44 Im Jahre 1857 hatte man auf der Philosophischen Fakultät bereits 105 Hörer, nicht alle belegten aber das Geschichtsstudium. AUK, Kataloge der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 154, Inv. Nr. 448, Hauptkatalog der Hörer der Philosophie im Sommersemester 1857. 45 AUK, Kataloge der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 154, Inv. Nr. 448, Hauptkatalog der Hörer der Philosophie im Wintersemester 1856/57, Fol. 6-7. 46 Jan Palacký wurde bald darauf ordentlicher Professor an der Universität und engagierte sich ebenso wie sein Vater in der Politik. Der Unterricht in den genannten Fächern stützte sich dabei auf sein gerade erschienenes Werk über die allgemeine Erdkunde. 47 Vgl. Ludwig Julius Fränkel, Höfler, Konstantin Ritter von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 50 (Leipzig 1905) 428-433. Höfler, Absolvent der Münchener Universität, wirkte in den Jahren 1851 bis 1881an der Prager Universität. Die Teilung der Prager Universität in eine tschechische und eine deutsche (1882) hielt er für eine Niederlage des Deutschtums und seines Konzepts, woraufhin er das Unterrichten aufgab. Er ist Autor eines umfangreichen Werks, in dem er sich neben dem Hussitentum vor allem dem Papsttum und dem Hochmittelalter in Böhmen sowie auch der Epoche der Luxemburger widmete. 48 So schrieb Hallwich z.B. über die Hussitische Revolutionsbewegung: „Der Hussitenkrieg, welchen im Jahre 1419 das 22 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen Im Sommersemester 1857 (er belegte sechzehn Unterrichtsstunden wöchentlich) besuchte der Student wiederum Höfler, der diesmal Geschichte der Kämpfe um die erbliche Fürstenmacht, Geschichte des Niedergangs der Hohenstaufen und Geschichte Griechenlands vortrug. Kenntnisse über allgemeine Ethnografie und über Palästina wurden Hallwich wiederum durch Jan Palacký vermittelt, die Einführung in die Geschichte studierte er bei dem Prager Heraldiker Johann Helbling von Hirzenfeld. Er besuchte auch Stunden der theoretischen und praktischen Philosophie, eine Vorlesung über die Livier (römische Plebejerfamilie) und auch über die Theorie der Homöopathie (!), die hier gerade ihr Vorkämpfer Elias Altschul vorzutragen begann.49 Während des Wintersemesters 1857/1858 erweiterte Hallwich seinen Horizont mit der Geschichte des Altertums, der Geschichte der slawischen Völker, mit praktischen historischen Übungen, der Geschichte Österreichs, Geschichte der deutschen Literatur, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, Psychologie und Ästhetik. Die Vorlesungen über Österreichische Geschichte hörte er von einer weiteren großen Autorität der heimischen Historiographie, von Václav Vladivoj Tomek, einem sehr produktiven, überwiegend tschechisch publizierenden Historiker, der nach der Teilung der Universität der erste tschechische Rektor wurde.50 Im Sommer (1858) fiel der größte Teil seiner Seminare auf Höflers Geschichte des römischen Kaisertums (fünf Stunden wöchentlich), womit Hallwich – mit den praktischen historischen Übungen – das geforderte Pensum in Geschichte erledigt hatte.51 Im dritten Jahrgang lag das Hauptaugenmerk auf dem Untergang der deutschen Kaisermacht und besonders auf der Geschichte der europäischen Staaten, hinzu kamen u.a. auch Logik und Gymnasialpädagogik. Spezialcharakter hatte Höflers von dem Adel und der Geistlichkeit verführte čechische Volk heraufbeschwor, war auch für die durchaus deutsche Reichenberger Gegend sehr verderblich, denn er war vor Allem gegen die deutsche Bevölkerung des Landes gerichtet.“ Der Reichenberger Bezirk. Heimatskunde für Schule und Haus. Hrsg. vom Reichenberger Lehrervereine, Reichenberg 1873, 12. 49 AUK, Kataloge der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 155, Inv. Nr. 448, Hauptkatalog der immatriculirten Hörer der Philosophie im Sommersemester 1857, Fol. 5-6. 50 Monographisch Coelestin Liposlav Frič, První rektor české university v Praze Wácslaw Wladivoj Tomek. Nástin jeho života i práce vědecké, Prag 1882; neuerdings Miloš Řezník, K historiografické práci Václava Vladivoje Tomka, in: Historický obzor 5/5-6 (1994) 137-140. 51 AUK, Kataloge der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 154, Inv. Nr. 449, Hauptkatalog der immatriculirten Hörer der Philosophie im Sommersemester 1858, Fol. 5-6. Von den weiteren Fächern studierte Hallwich die Philosophisch erfasste Natur, Pflanzen-philosophische Demonstration und Kants Kritizismus. 23 J. Kilián Seminar über die Geschichte der Städte,52 in das sich auch Ludwig Schlesinger einschrieb,53 der von diesem Unterricht grundsätzlich in seiner gesamten Forschungskarriere beeinflusst wurde.54 Am Ende des Sommersemesters folgten bereits die Prüfungen, worauf Hermann Hallwich den Magistertitel errang.55 Mit dem Magistergrad waren aber Hallwichs akademische Ambitionen keineswegs zu Ende. Er kehrte nicht nach Hause in den Norden zurück, sondern nahm im Jahre 1860 die Stelle an einer deutschen Schule in Prag an (wobei er weiter als Erzieher beim Grafen Nostitz tätig war), und machte sich ans Doktoratsstudium. Gemeinsam mit seinen damaligen Kommilitonen und einigen weiteren Gesinnungsgenossen rief er den von Höfler unterstützten Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen, VGDB, ins Leben, der im Jahre 1862 amtlich genehmigt wurde.56 Dieser Verein stellte sich programmatisch gegen das Konzept der tschechischen Geschichte, wie es František Palacký vertrat.57 Hallwichs Kollegen bemühten sich, eine österreichische Geschichtsschreibung nach dem Sinn der damaligen zentralistischen Politik der Wiener Regierung zu schaffen, weiters den entscheidenden Einfluss des deutschen Elements auf die Entstehung der böhmischen Städte im Mittelalter aufzuzeigen, um damit auch die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der deutschen Bürgerschaft hervorzuheben.58 Von diesem Ansatz her entstand das Interesse des Vereins an erzählenden Quellen aus urbanem Milieu, und so war auch Hallwichs Forschungsschwerpunkt über die Geschichte der böhmischen Städte vorgezeichnet. Sein Lehrer Höfler wurde erstaunlicherweise nur stellvertretender Vorsitzender des Vereins und Chefredakteur der 52 AUK, Kataloge der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 155, Inv. Nr. 450, Hauptkatalog der immatriculirten Hörer der Philosophie im Wintersemester 1858/59, Fol. 4-5 und Hauptkatalog der immatriculirenden Hörer der Philosophie im Sommersemester 1859, Fol. 5-6. 53 AUK, Kataloge der Hörer der Karl-Ferdinand-Universität 1755-1882 (1892), Karton 155, Inv. Nr. 450, Hauptkatalog der Hörer der Philosophie im Sommersemester 1859, Fol. 20. 54 Ludwig Schlesinger widmete sich sehr intensiv der Geschichte der Städte und der Publikation von schriftlichen Denkwürdigkeiten städtischer Provenienz und hinterließ auf diesem Gebiet ein umfangreiches Werk – so z.B. über die Städte Brüx, Elbogen, Trautenau und Saaz. 55 Vgl. SOkA Liberec, Nachlass von Dr. Hermann Hallwich, Karton Nr. 6, unfoliert, unbearbeitet – Hallwichs Hochschul-Index. 56 Dazu Michael Neumüller, Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Ein deutschliberaler Verein (von der Gründung bis zur Jahrhundertwende), in: Ferdinand Seibt (Hg.), Vereinswesen und Geschichtspflege in den böhmischen Ländern, München 1986, 179-208. 57 Biographisch Jiří Kořalka, František Palacký (1798-1876). Životopis, Praha 1998; Jiří Morava, Palacký. Čech, Rakušan, Evropan, Praha 1994 sowie Jiří Štaif, František Palacký. Život, dílo, mýtus, Praha 2009 und kurz W. Goldinger/K. Kučera, Palacký, Frantíšek (1798-1876), Historiker und Politiker, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, 7. Band, Wien 1978, 294-296. 58 František Kutnar/Jaroslav Marek, Přehledné dějiny českého a slovenského dějepisectví, Praha 1997, 350-351. 24 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen Vereinszeitschrift (Mitteilungen des VGDB, für die Hallwich vor allem seine frühen Aufsätze schrieb), da die doch sehr konservative Einstellung des Universitätslehrers nicht unbedingt den Vorstellungen der im Verein vertretenen Liberalen entsprach. In dem Jahr, in dem der Verein genehmigt wurde, wurde Hallwich zum Doktor promoviert. Zuerst legte er im Februar 1862 das Rigorosum in Geschichte ab, einige Monate später folgten die Prüfungen in Physik und Mathematik, woraufhin er im November das Doktor-Diplom übernahm.59 Auch nach der Promotion blieb er in Prag und widmete sich seinen pädagogischen Pflichten, fuhr aber regelmäßig nach Nordböhmen, wo er in den dortigen Archiven, besonders in Teplitz und Aussig, nach interessanten Themen suchte. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Bergstadt Graupen, Türmitz, das seinem Arbeitsgeber Nostitz gehörte, und seiner Geburtsstadt Teplitz, wo er seinen Aufenthalt zum Besuch seiner Mutter, Geschwister und weiterer Verwandten nutzen konnte. Im Frühjahr 1864 erkrankte er für lange Zeit – ohne dass wir jedoch die Diagnose kennen. Die Heilung dauerte einige Wochen.60 Es drängt sich die Annahme auf, ob diese Krankheit nicht mit seiner Kündigung an der Prager Schule in Zusammenhang stehen könnte,61 und auch, dass er im Zuge dessen den Platz eines Erziehers bei den Nostitz seinem Bekannten Alfred Meissner überließ62 und sich entschied, die Großstadt Prag zu verlassen und in das gesundheitlich günstigere Klima des an den Bergen liegenden Reichenberg zu wechseln. Zeigte sich vielleicht bei ihm die Erkrankung, die seinen Vater so früh ins Grab gebracht hatte? Stand hinter der Ablehnung einer möglichen Habilitation und der Perspektive einer Professorenstelle an der Karl-Ferdinand-Universität wirklich nur der Wunsch, an der neu entstandenen Reichenberger Gewerbeschule zu unterrichten? Wie auch immer, die weiteren Jahre seines Lebens sollte Hermann Hallwich in der stark anwachsenden Stadt im Talkessel zwischen Jeschken und Isergebirge verbringen. 59 SOkA Liberec, Nachlass von Dr. Hermann Hallwich, Karton Nr. 6, unfoliert, unbearbeitet – Unterlagen zum Absolvieren der Doktorprüfungen. 60 SOkA Teplice, Nachlass, Hermann Hallwich – Brief des Bürgermeisters Joseph Kraus aus Graupen an Hermann Hallwich vom 21. Mai 1864. 61 SOkA Liberec, Nachlass von Dr. Hermann Hallwich, Karton Nr. 6, unfoliert, unbearbeitet – Zeugnis über Hallwichs pädagogische Tätigkeit an der Prager Schule vom Juni 1864. 62 Teichl, Hallwich, 1. 25 J. Kilián 4. Frühes Schaffen Hallwichs Arbeiten der ersten Jahre seines sachkundigen Schaffens haben eins gemeinsam, die Teplitz-Aussiger Region. Auch in der Zeit, als er schon in Reichenberg wirkte, beendete er noch mehrere Studien, die seinen Heimatkreis zum Inhalt hatten. Er beschäftigte sich auch noch intensiv mit der Teplitzer Gegend, als er bereits Reichenberger und Wiener Bürger war. Dazu gehörte die eingangs erwähnte präzise Synthese der städtischen Geschichte,63 noch einige Studien zu Aldringen64 (auch wenn diese eher im Zusammenhang mit Wallenstein standen) und umfangreichere Artikel.65 Sein „Haus und Hof “-Periodikum waren dabei – wie bereits erwähnt – die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Das Erstlingswerk des gebürtigen Teplitzers und Prager Absolventen war ein Buch über die Geschichte der Türmitzer Herrschaft und deren Besitzer, die Nostitz. Hallwich bemerkte als Angestellter dieses Adelsgeschlechts, dass es 1862 zu Türmitz ein Jubiläum gab: Seit zweihundert Jahren waren die Nostitz die Herren von Türmitz und gleich im darauffolgenden Jahr durfte man den 200. Jahrestag der Erhebung von Türmitz zur Stadt feiern. Auf diese beiden Anlässe machte der Familienerzieher Albert Franz Graf von Nostitz-Rieneck aufmerksam, worauf dieser den jungen Historiker aufforderte, eine Festschrift zum Jubiläum zu verfassen. Der Graf finanzierte das ganze Buch. Den ersten Teil mit 43 Seiten, welcher der Geschichte der Stadt und Herrschaft gewidmet war, beendete Hallwich während der Ferien im August 1863 während seines Aufenthalts in Graupen; den zweiten Teil, zweimal so umfangreich, über die Schicksale der Familie Nostitz, beendete er im Oktober 1864 bereits in Reichenberg.66 Etwa zur gleichen Zeit erweckte ein Lied über die Schlacht bei Aussig an der Elbe, einem Ort, der Na Běhání/Bihani genannt wurde, wo ein Heer der Kreuzritter von den Hussiten geschlagen wurde, seine Aufmerksamkeit. Es handelte sich um keine authentische Komposition, sondern um eine frühneuzeitliche Handschrift, die 1745 in Prag aufgefunden 63 Siehe seine Geschichte über Töplitz. 64 Gestalten aus Wallensteins Lager II. Johann Aldringen, ein Bruchstück aus seinem Leben, Leipzig 1885 et al., Aldringens letzter Ritt, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen (weiter MVGDB) 45 (1907) 21-38. 65 Zur Geschichte des Teplitzer Tales, in: MVGDB 10 (1872) 97-109 oder auch Böhmen, die Heimat Walthers von der Vogelweide?, in: MVGDB 32 (1894) 93-140 (Hallwich nahm an, dass Dux der Geburtsort Walthers von der Vogelweide ist). 66 Die Herrschafft Türmitz. Eine Denkschrift I-II, Prag 1863-1865. Herausgeber: H. Dominicus, Druck: Rohlíček und Sievers v Praze. 26 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen und später von Jaroslav Schaller publiziert wurde. Hallwich, der sich auf den Spuren seines geschätzten Lehrers Konstantin Höfler bewegte, analysierte im Winter 1862/1863 dieses denkwürdige Schriftstück gründlich und trug seine Schlussfolgerungen bei einer Sitzung des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen am 17. Dezember 1863 vor. Ein Jahr später wurde der Vortrag als erweiterte Studie publiziert.67 Mit der Hussitischen Epoche beschäftigte er sich bald darauf noch bei seiner Arbeit über Jakoubek von Wřesovice, zu dem ihm wohl das Lied über die Aussiger Schlacht führte, an der sich dieser berühmte Hussitenführer, Politiker und nicht zuletzt Biliner Hauptmann beteiligt hatte. Den Vortrag über Jakoubek hielt Hallwich an gleicher Stelle im April 1864 – in den „Mitteilungen“ erschien diese in erweiterter Form etwas später und kam auch als selbständiger separater Druck heraus.68 Damit erschöpften sich im Wesentlichen jedoch Hallwichs Beiträge zur Geschichte des Hussitentums. Sein Interesse richtete sich auf jüngere Geschichtsepochen und vor allem auf die urbane Thematik. Die Ambition, eine Geschichte Graupens, der ältesten böhmischen Zinnstadt mit einer rein deutschen Bevölkerung, die er als kleiner Junge bereits mehrmals besucht hatte, zu verfassen, hatte er zweifellos kurz nach der Formulierung der Ziele des Vereins konzipiert. Hatte er doch schon im Juni 1863 für die „Mitteilungen“ eine kurze Abhandlung aus der Graupener Geschichte vorbereitet, die sich mit den Umständen der Übergabe der Stadt an die Sternbergs und ihrem nachfolgenden Loskauf aus dem Untertanenstand während des Ständeaufstands befasste.69 In Graupen (und nicht nur hier) forschte er während seinen Aufenthalten intensiv – wie das auch die erhaltenen Aufzeichnungen beweisen – u.a. zu Handwerk, Institutionen, Lokalitäten, Obrigkeit, Kirchengebäuden und deren Verwalter. Sorgfältig fertigte er Verzeichnisse der Graupener Bergmeister, Richter und Bürgermeister an, seine Anmerkungen ordnete er chronologisch mit Hinweis auf Quelle und Folio. Sein Hauptaugenmerk richtete er dabei auf das 15. und 16. Jahrhundert. In der Stadt sprach sich offenbar schnell herum, dass ein junger Prager Doktor ein Werk über Graupen schreiben will. So erhielt Hallwich jegliche Unterstützung, die ihm die Arbeit sehr erleichterte. Wenn er wegen seiner pädagogischen Pflichten in Graupen nicht anwesend sein konnte, schickten ihm die Ansässigen die nötigen Informationen.70 Besonders Dechant P. Franz Görbrich und 67 68 69 70 Das Lied von der Schlacht bei Aussig, in: MVGDB 2 (1864) 184-196. Jakaubek von Wřesowitz. Ein Beitrag zur Geschichte der husitischen Bewegung, in: MVGDB 4/2 (1866) 23-51. Aus der Geschichte von Graupen, in: MVGDB 2 (1864) 25-28. Entsprechende Korrespondenzen zu finden in SOkA Teplice, Nachlass, Hermann Hallwich, Karton 1 – Auszüge zur Geschichte Graupens und ein Brief des Bürgermeisters Joseph Kraus aus Graupen an Dr. Hallwich vom 21. Mai 1864. 27 J. Kilián Bürgermeister Joseph Kraus, der sich sehr auf das Ergebnis dieser Arbeit freute und sich auf der Sitzung der Graupener Stadtvertretung um eine finanzielle Unterstützung der geplanten Publikation mit dem Versprechen, einhundert Stück abzunehmen, kümmerte, unterstützten Hallwich.71 Das Buch, das der Autor in Reichenberg im Frühjahr 1868 beendete, erschien bald darauf beim Prager Verlag F. A. Credner, gedruckt wurde es in der Prager Druckerei von Ignaz Fuchs. Das Werk enthält drei Beilagen, darunter auch 29 bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgedruckte Urkunden, vor allem städtische Privilegien sowie Zunft- und Bergordnungen. Der Autor widmete das Buch dem Reichskanzler und Außenminister Friedrich Ferdinand Freiherrn von Beust, der gleichzeitig Abgeordneter im Landesparlament der Reichenberger Handels- und Handwerkskammer war. Der junge Hallwich gab sich im Epilog als treuer Diener seines Kaisers, im dem er sich wünschte, dass das deutsche Element untrennbar von der Habsburger Dynastie bei seiner Ehre erhalten bleibe. Im Vorwort der Arbeit äußerte Hallwich seine Überzeugung, dass in Böhmen ebenso wie auf der ganzen Welt die Geschichte von Recht und Kultur in einem direkten Konnex mit der Geschichte der Städte stehe. Er stellte dabei fest, dass von den tschechischen Städten kaum ein Zehntel ihre Geschichte aufgezeichnet worden wäre, was angeblich durch das Desinteresse der tschechischen Historiker verursacht worden sei, die sich wohl der Tatsache bewusst seien, dass alle Städte in Böhmen (Prag nicht ausgenommen) Städte deutschen Ursprungs sind. Deshalb sei auch der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen entstanden, der sich die spezielle Forschung über Studien „von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt“ zur Aufgabe gestellt habe. Hallwich sah diese Studien als Beitrag zur Sammlung von Quellen zur Geschichte der deutschen Kultur in Böhmen. Er ging dabei vor allem von den Originalquellen im Graupener Stadtarchiv aus, in dem ihm als Primärquelle das sog. Weiner-Protokoll diente, das auch als Chronik bezeichnet wird.72 Er recherchierte ebenfalls in Rosenthal, Mariaschein, Zinnwald, Altenberg und in Teplitz. Mehr als das Teplitzer Stadtarchiv, damals nicht besonders geordnet, bot ihm das Schlossarchiv, in das er dank des Fürsten Edmund Clary-Aldringen Zutritt erlangte. Er Beilage zu diesem Brief sind verschiedene Informationen über die Stadt (Lage, Grundstücke, Bevölkerung, Kirchen) und die Beantwortung einiger spezifischer Fragen zu Gebäuden (dass das Haus von Georg Klippel gleichzeitig die Konskr.Nr. 24 ist, dass das alte Rathaus bis 1841 an Stelle der Nr.18 gewesen ist, weiterhin wo sich das Schützenhaus befindet und wo der Knetl, wo das Hungerkasten war, oder dass die Baderei an der Nr. 21 war, usw.). 71 Geschichte der Bergstadt Graupen, Prag 1868, VIII. 72 Ausführlicher Jan Kilián, Barokní krupské kroniky, in: Ladislav Daniel/Filip Hradil (red.), Město v baroku, baroko ve městě. Suplementum Zpráv Vlastivědného muzea v Olomouci, Nr. 304, Olomouc 2012, 24-28, konkret zu Weiners Protokoll (Chronik) 25-26. 28 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen schaute zudem in die Archive von Karbitz, wobei er das Archiv von Türmitz bereits früher bei seiner vorhergehenden Arbeit ausgeschöpft hatte. Weiters forschte er im Stadtarchiv Aussig und im Schlossarchiv von Tetschen, im Stadtarchiv in Dux, Bilin und Brüx, in den Leitmeritzer Archiven und selbstverständlich auch in denen von Prag. Bedeutende Unterstützung fand er bei seinen ausländischen Recherchen in den Archiven von Dresden und in Leipzig, Meißen sowie Glauchau, ebenso wie in Bautzen, wo Mitte des 19. Jahrhunderts der in Marschen bei Graupen geborene Josef Dittrich (1794-1853) die Mitra trug. Dittrich war ein begeisterter Sammler von Quellen über die Graupener Geschichte. In seinen Aufzählungen finden wir weiters die Bibliotheken und wissenschaftlichen Institutionen in Zittau und Görlitz, wohin er aus Reichenberg leicht gelangen konnte.73 Obwohl Hallwichs Buch über die Geschichte von Graupen sicher ein Produkt seiner Zeit ist, kann durchaus festgestellt werden, dass man es nicht einfach in die Schublade eines deskriptiven Positivismus einordnen kann. Hat doch der Autor selbst es als eine „Welt im Kleinen“ bezeichnet. Und diese Prämisse erfüllt es mit nicht geringem Erfolg. Er hoffte, dass die Monographie fähig sei, auch diejenigen anzusprechen, die bisher über Graupen praktisch keine Kenntnis hatten. Die Geschichte dieser Stadt hielt er für ein kleines Drama, eine Tragödie oder auch ein „bürgerliches Trauerspiel“, das von der Idee der Freiheit wie ein roter Faden durchzogen wird. Zudem versuchte er, an einem konkreten Beispiel die Gesamtheit der geschichtlichen Entwicklung der deutschen Städte in Böhmen zu erhellen.74 All das gerade Erwähnte steht in einer beachtlichen Übereinstimmung mit den Grundsätzen der heute so modernen Mikrohistorie, die freilich erst viel später formuliert wurden.75 Somit ist Hallwichs Synthese über Graupen keinesfalls nur eine reine positivistische Abhandlung, sie trägt bemerkenswerterweise Züge einer modernen mikrohistorischen Studie. Sie hebt ohne Zweifel mit ihrer Konzeption von den zeitgenössischen Trends ab, was auch bei einem Vergleich mit etwas jüngeren (und oftmals auch nicht sehr korrekten) Geschichten über Städte aus den Federn tschechischer Autoren offensichtlich wird.76 Außer dem Vorwort hat 73 Geschichte der Bergstadt Graupen, V-X. 74 Ebenda, XII. 75 Vgl. Giovanni Levi, On Microhistory, in: Peter Burke (red.), New Perspectives on Historical Writing, Oxford 1991, 93-113 oder Carlo Ginzburg, Mikro-Historie. Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß, in: Historische Anthropologie 1 (1993) 169-192; Josef Grulich, Zkoumání „maličkosti“ (Okolnosti vzniku a významu mikrohistorie), in: Český časopis historický 99/3 (2001) 519-547. Als klassische Arbeit gilt Carlo Ginzburg, Sýr a červi, Praha 2000 [deutsch: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600, Frankfurt am Main 1979]. 76 Nur als Beispiel aus der ganzen Menge ähnlicher Werke vgl. z.B. František Augustin Slavík, Dějiny města Vlašimě a jeho statku, Vlašim 1889. 29 J. Kilián das Buch, das 274 Seiten Text und 110 Seiten Beilagen einschließlich Register zählt, fünf Teile, wobei sich jeder Teil in zwei Kapitel teilt. Der erste Teil enthält die älteste Historie von Graupen bis zum Jahre 1487, der zweite den Zeitraum von 1487 bis 1547, der dritte von 1547 bis 1616, der vierte Teil die Zeit der Sternbergschen Regierung (1616-1710) und der fünfte behandelt die Jahre von 1710 bis 1868. Während die ältere Geschichte relativ ausgewogen ist, ist die neuere Zeit eher verharmlost, was grundsätzlich auch für Hallwichs spätere Geschichte von Teplitz gilt. Am Rande sollte noch bemerkt werden, dass weder die Geschichte über Teplitz noch jene über Graupen bisher von neueren Arbeiten übertroffen wurden.77 Als Nebenprodukt der Arbeit an der Graupener Monographie hat Hermann Hallwich gleich einige kürzere Studien publiziert, die mit Graupen eng zu tun haben. Zwischen Januar und März 1867 beschäftigte er sich mit einem Artikel über die Jesuitenresidenz in Mariaschein. Reichlich schöpfte er wiederum aus den Graupener Archivmaterialien, vor allem aus dem bereits erwähnten Weiner-Protokoll. Zudem zog er Archivalien aus dem Bischofsarchiv in Leitmeritz heran. Die Quellenarbeit über 38 Seiten mit einem reichen Apparat an Anmerkungen, in den „Mitteilungen“ als Separatum herausgegeben, beweist, dass Hallwich zumindest Grundkenntnisse der tschechischen Sprache hatte. Der Autor zitiert hier sowohl tschechische Quellen als auch Literatur, u.a. František Palacký.78 Noch etwas früher publizierte er in einem renommierten sächsischen Periodikum eine interessante genealogische Studie über die Kölbels aus Geising, die nachhaltig in die Geschichte von Graupen in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg eingegriffen haben.79 Und im ähnlichen Sinn war später Hallwichs Beitrag über die Glatz von Althof angelegt.80 Graupen war Hallwich ohne Zweifel eine Herzensangelegenheit. So konnte ihm auch das Schicksal der verfallenden Kirche zum Hl. Prokop als letztes Relikt des untergegangenen Ortes Kirchlitz im Vorfeld von Graupen nicht gleichgültig gewesen sein. Aus dem würdevollen Gotteshaus mit kostbarer Innenausstattung und gotischen Malereien blieb bis in die heutige Zeit leider nur eine Ruine an der verkehrsreichen Straße nach Teplitz übrig.81 77 Aus neueren Arbeiten der Geschichte Graupens siehe besonders Rudolf Bervic/Květoslava Kocourková, Krupka. Půl tisíciletí horního města, Krupka 1978 und Ludomír Kocourek/Květoslava Kocourková/Karel Vilím, Krupka z cínu zrozená, Krupka 2005. 78 Die Jesuitenresidenz Mariascheune („Mariaschein“) in Böhmen, in: MVGDB 6 (1868) 33-63 und 89-92. 79 Die Kölbel von Geysing, in: Archiv für die sächsische Geschichte 5 (1866/1867) 337-377. 80 Die Glatz von Althof und ihr Stammhaus, in: MVGDB 38 (1900) 250-273. Vgl. auch Robert Šimůnek, Jirkov – „rezidenční“ město Glaců ze Starého Dvora, Comotovia 2009, 49-72, der Hallwichs Studie gründlich nutzte. 81 Näheres Rudolf Hönigschmid, Gotické nástěnné malby v kostele sv. Prokopa v Krupce, in: Umění 4 (1931) 133-138. 30 Hallwichs Jugend und frühes Schaffen Eine noch erhaltene Korrespondenz beweist, dass sich Hallwich in der Angelegenheit der langsam verkommenden Kirche spätestens schon seit den 1880er Jahren engagiert hat. Im Juli 1899 schrieb man aus Graupen an Hallwich nach Wien, dass das Kreuz und der leicht beschädigte Giebelschlussstein aus der St. Prokopikirche, im Januar 1897 herausgenommen, in zwei Kisten verpackt und auf den Bahnhof in Mariaschein geschafft worden sei.82 Wahrscheinlich hat man diese dann auch an den leidenschaftlichen Sammler historischer Erinnerungsstücke aus Teplitz abgeschickt. Kreuz und Stein am Giebel der Kirche werden auch heute dem aufmerksamen Besucher gleich auf dem ersten Blick fehlen. 82 SOkA Liberec, Nachlass Hermann Hallwichs, Karton Nr. 4, unfoliert, unbearbeitet – Brief aus Graupen an Hallwich vom 4. 7. 1899 und Zeichnung des Kreuzes aus der St. Prokopikirche und zugehörige Dokumente aus dem Jahre 1887. 31 Porträt, Österreichische Nationalbibliothek Pavlína Boušková Hermann Hallwich – Ehemann und Vater Im Familienleben hatte Hermann Hallwich Glück. Nach seiner Ankunft in Reichenberg lernte er die junge Witwe Rosa Demuth, geb. Trenkler, kennen. Rosa war die Tochter von Emma (geb. Appelt) und Anton Trenkler, eines Reichenberger Tuchfabrikanten. In ihrem 18. Lebensjahr heiratete sie 1857 den um zwanzig Jahre älteren Fabrikanten Adolf Demuth. Fünf Jahre nach der Hochzeit wurde ihnen am 19. September 1862 Sohn Adolf geboren, der aber nicht einmal sieben Monate alt war, als Rosa auf tragische Weise ihren Gemahl verlor – er schied freiwillig aus dem Leben, indem er sich erhängte. Zwei Jahre später, am 24. August 1865, fand die Hochzeit von Rosa Demuth und Hermann Hallwich statt. Die Eheschließung erfolgte in der Kirche zum Hl. Kreuz durch den Katecheten Anton Hoffmann, Trauzeugen waren der k.u.k. Rittmeister Ludwig Paul und der Fabrikant Gustav Trenkler. Rosas damals dreijährigen Sohn nahm Hermann wie sein eigenes Kind an und war ihm stets ein guter Vater. In Reichenberg wurden den Eheleuten Hallwich drei weitere Kinder geboren, am 9. November 1866 Sohn Hermann Ludwig Robert, drei Jahre später, am 9. Juli 1869, ein weiterer Sohn, Gustav Adolf Emanuel, und am 16. Juni 1871 Tochter Rosa Johanna Adele. Sie wohnten im Reichenberger Stadtviertel Kristianov.1 Im Jahre 1891 übersiedelten sie dann für immer in eine Villa in der Grillparzerstraße 7 nach Wien. Als politisch exponierte Person war Hermann Hallwich viel auf Reisen, wobei er sich oft in Wien oder Prag aufhielt. Die erhaltene Korrespondenz der Hallwichs, die hier nicht vollends ausgewertet in Hinblick auf Hermanns privates Leben beleuchtet werden soll,2 zeugt von der vertrauensvollen Bindung der Familienmitglieder untereinander. Im Kreisarchiv in Liberec sind 560 Briefe aus den Jahren 1854 bis 1901 und 99 undatierte Briefe erhalten.3 1 2 3 Lindenplatz, später in Franz Liebig-Platz umbenannt, heute Platz der Böhmischen Brüder. Auf Grund einer Analyse eines Teils der erhaltenen Familienkorrespondenz und der Matrikelverzeichnisse versuchte ich, die Beziehungen in der Familie Hermann Hallwichs zu rekonstruieren. Ich muss jedoch betonen, dass es sich nicht um die Aufarbeitung der gesamten überlieferten Korrespondenz handelt, sondern eher um eine Analyse zufällig ausgewählter Briefe. Dieser Beitrag ließe sich in Zukunft um neue Informationen aus den bisher nicht bearbeiteten Unterlagen erweitern. SOA (Staatl. Regionalarchiv) Litoměřice, SOkA (Staatl. Kreisarchiv) Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann, Dr. 33 P. Boušková Hermanns Briefe zeichnen sich durch einen bemerkenswerten Stil aus, dem eine poetische Note nicht fehlt. Nach ihren Abschieden schrieben sich die Eheleute fast täglich, und wenn Hermann Hallwich nicht ausreichend Zeit hatte, schickte er wenigstens ein Telegramm. Dasselbe erwartete er auch von seiner Frau. Mitunter wartete auf Hermann bereits ein Brief von Rosa an einer Destination, noch bevor er dort anlangte. Umgekehrt aber machte er sich sofort Sorgen um seine Familie, wie aus einem Brief von 1869 zu erkennen ist: „Ich werde dir schon ähnlich mit der Zeit! Zum wenigsten, was die Ängstlichkeit betrifft. Weil ich gestern auch wieder keinen Brief bekam, so war ich schon fest überzeugt, daß deine Schlaflosigkeit und immerwährende Sorge dich richtig krank gemacht oder daß den Kindern etwas zugestoßen sei, und die heutige Nacht war keineswegs eine erholsame – Da kam dein lieber herziger Brief und unwillkürlich rief ich „Gott sei Dank“ als mir ihn Hermine brachte.“4 Oftmals äußerte er fast kindlich-freudige Gefühle, wenn er einen Brief von seiner geliebten Rosa in der Hand hielt: „Dein lieber, süßer Brief ist in meiner Hand, tausend tausend Dank! Ja das ist eine prächtige Erfindung, dieses tägliche Schreiben und kann es wirklich keine größere Überraschung geben als wenn ein so heißersehnter Brief nun gar um eine volle viertel Stunde früher ankommt als man ihn erwartet.“5 Auch findet man im Gegensatz dazu Befürchtungen, ob Rosa auch wirklich alle seine Briefe erhalten hatte: „Vergiß nicht, mir genau zu sagen, wie viel du bis jetzt Briefe erhalten hast. Ich habe dir (inklusive heute) siebenmal geschrieben. Ich fürchte, du hast nicht jedes Schreiben bekommen.“6 Mitunter lässt sich eine fast ironische Stichelei erkennen, wenn er einen erwarteten Brief nicht erhalten hatte: „Konntest du nicht schreiben? Und warum?... Es hat unser Jahrhundert ein nützliches Mittel erfunden, das uns zustattenkommt, das heißt in diesem Falle mir telegrafieren!“ bzw. auch Vorwürfe, als Rosa nicht gewillt war, seinen Wunsch zu erfüllen, um zu ihm nach Wien zu kommen: „Warum willst du nicht kommen? Warum weichst du meinen Fragen immer aus? Hatten wir es Weihnachten nicht schon besprochen, daß du nach Weihnachten wieder hierher kommst? Hast du das ganz vergessen? Was gefällt dir hier nicht?“7 Unverzüglich berichtete er seiner Gemahlin über Ankunft und Unterkunft, über sein Programm und sein Auftreten im Stadtrat, über die Arbeit im Parlament und über den Aufenthalt. Er beschrieb, wie fleißig er gearbeitet, an Gesellschafterversammlungen, Sitzungen oder auch Konferenzen der liberalen Ausschussmitglieder teilgenommen hat. Die Grundsät4 5 6 7 34 Ebenda, Brief aus Teplitz, 28.3.1869 Ebenda, Brief aus Wien, 3.2.1872. Ebenda, Brief aus Wien 26.10.1876. Ebenda, Brief aus Wien, 27.2.1875. Hermann Hallwich – Ehemann und Vater ze seiner Arbeit erfasste er mit dem Ausspruch: „Der Mensch muss nur ein Prinzip haben!“8 In Wien wohnte er in den ersten Jahren in Untermiete, 1880 dann tauschte er sein Quartier gegen ein besseres im gleichen Haus – von der ersten Etage zog er in die dritte und lobte, wie groß und schön sein neues Zimmer sei, wie hell und still. Er bat seine Frau, ob sie ihm nicht ein Bild für die Wohnung malen könne.9 Er beschrieb seinen Tagesablauf, der meist völlig ausgefüllt mit Arbeitsangelegenheiten war. Hallwich präsentierte seine Teilnahme am Landtag, war mit dem bedeutenden Verlauf der Verhandlungen und mit der Anerkennung seiner Leistungen zufrieden. Er beschrieb seine Reisen und den herzlichen Empfang in Königsgräz, Trautenau, Hohenelbe/Vrchlaby und Arnau/Hostinné.10 Vom Ausdruck seines innigen Gefühls zeugen auch die Anreden wie: „Mein liebes, liebes Weib, meine liebe Rosa, Mein Schatz, mein liebstes bestes Herz“ und Abschiedszeilen wie „Auf Ewigkeit Dein aufrichtig trauernder Hermann. Tausend Grüße und Küsse Dir und den Kindern. Denk manchmal an mich. Schone Dich wo Du nur kannst.“ Oder auch poetische Sentenzen: „Wenn alles den gewohnten Lauf nimmt,… komme ich spät in der Nacht zu Dir. Bitte wärme inzwischen das Nestchen!“11 oder auch: „Auch wenn ganze Berge von Schnee zwischen uns liegen, mein warmes, treues, sehnsüchtiges Herz wird ihn schmelzen. Auf frohes, gesundes Wiedersehen! Gott mit uns, Dein, nur Dein Hermann.“12 Ein anderer Brief beginnt mit dem Zitat: „... in der Nacht komme ich zu Dir, weil ich so lieb dich habe. So lieb!“ Ein Körnchen Eifersucht keimte wohl in seinen Gedanken, als er seiner Frau vermittelte: „Du bleibst mir doch gut und stehst zu mir, bei Nacht und bei Tage, ob leiblich, ob geistig.“13 Den letzten Brief vor seiner Hochzeit sandte Hermann an Rosa aus Schönau am 6. August 1865; er schrieb vom Besuch bei seiner Mutter und dem gemeinsamen Mittagsmahl (table d’hôte) im „Stadt London“14, über seine Arbeit, über seinen Ausflug nach Graupen zur Wilhelmshöhe und Rosenburg und auch über seine geplante Ankunft mit der Familie in Reichenberg. Im Jahre 1866 schrieb er seiner Frau in einem Brief aus Prag: „Das war eine schöne Nacht! Ich schlief noch nicht um halb Vier – und hatte mich ja doch schon um halb Eins zu Bette ge- 8 9 10 11 12 13 14 Ebenda, Brief aus Wien, 22.2.1883. Ebenda, Brief vom 6.11.1880. Ebenda, Brief aus Grulich/Králík, 22.6.1879. Ebenda, Brief aus Teplitz, 28.3.1869. Ebenda, Brief aus Wien, 14. 3. 1883. Ebenda, Brief aus Wien, 27.2.1875. Hotel Stadt London, ehemals Teplitz in der Langegasse. 35 P. Boušková legt … . Es ist halb Neun, um 9 Uhr soll ich bei Pater Houška, Schreiber des Erzbischofs, sein, dem mich Höfler, den ich mit Grueber, Grohmann u.a. gestern getroffen, empfohlen … Ich bin verschlafen und wollte, ich läge in Reichenberg, in meinem warmen Nest, in deinen weichen Armen!“ Viele Erlebnisse unterwegs erinnerten ihn an seine Lieben zu Hause und in seinen Briefen teilte er ihnen das oft mit. An den kleinen Adolf dachte er bei der Schilderung einer fast symbolischen Begebenheit mit einem Pferd und er bat Rosa, ihm davon zu erzählen: „Erzähle doch dem lieben Adolf, daß ich auf meiner Reise viele, viele Kühe gesehen und eine Menge wilder Pferde und dazu einen kleinen Jungen, gerade so groß wie er, der lief im bloßen Hemde auf freiem Felde herum und seine Mama hat gar nicht gezankt.“15 Die Briefe waren umfangreich, oft vier dicht beschriebene Seiten. Angesichts dessen, dass sie sich fast jeden Tag austauschten, wenn sie voneinander getrennt waren, war ihr Inhalt außer dem Bekenntnis ihrer Liebe auch eine Schilderung alltäglicher Beschäftigungen. So beschreibt Hermann seinen Besuch in Ossegg, wo er sich mit den Geistlichen, seinen alten Lehrern aus Komotau und mit dem „sehr liebenswerten Prälaten“ traf und sich mit ihnen angeregt unterhielt. Er erinnerte daran, dass er hier vor vier Jahren, genau am 15. April, Rosa seinen ersten Brief geschrieben hatte.16 Im August 1871 reiste er bei herrlichem Wetter in Begleitung seines Freundes Hickmann mit einer Kutsche von Teplitz nach Milleschau und auf den Milleschauer, wo sie sich einquartierten, und er erinnerte dabei Rosa an ihren damaligen gemeinsamen Aufenthalt im Jahre 1867: „Das Wetter herrlich, der Weg ganz prächtig und die Unterkunft nicht weniger gut, unvergleichlich besser als bei dem schlechten teuren Wirth, den du vor 4 Jahren mit mir kennen gelernt. … Du darfst mir jedes Wort glauben, daß ich kürzlich sehr an dich gedacht, wie ich dann auch deine, meine und Adolfs Unterschrift in dem Fremdenbuch der Restauration auch glücklich wiederfand. Es war am 5. September 1867, daß wir oben waren. Ich schlief recht gut, aber gar nicht viel. Und früh halb 5 kam der gute Wirth schon wieder, uns auf den Sonnenaufgang aufmerksam zu machen. Er war wunderbar: das herrliche, himmlische Thal im Morgengrauen, eine heilige imposante Ruhe lag über den Bergen und Wasser und Städten und Dörfern – ein leiser Luftzug wurde bemerkbar. Die leichten Nebel sanken wieder und da stand sie, die Sonne, in vollem rothen Golde … . Ich grüßte sie aus vollem Halse … „Ich will! Ich will!“ rief ich mir selber zu. Und du weißt recht gut, was ich meine. Es war die erste Stunde des ersten Tages im neuen Jahr unseres Beisammenseins. Ich werde sie nicht vergessen. Auch Freund Hick15 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief vom 10.2.1866. 16 Ebenda, Brief aus Teplitz, 28.3.1869. 36 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater mann war ganz sentimental geworden … . Um 7 Uhr gings den Berg hinunter. Das Wetter war noch schöner als gestern. Wir wurden bald lebendiger, und Hickmann fing sogar an zu singen, entlang den ganzen Weg bis ins Thal.“ Am Ende des Briefes erfahren wir von der Hochzeit von Hermanns Bruder Otto mit Anna Ulm, der Tochter eines Apothekers.17 Wenn sich Hermann außerhalb auswärts aufhielt, wollte er manchmal für ein paar Tage seine Frau bei sich haben. Er vereinbarte mit seiner Mutter die Aufsicht seiner beiden älteren Kinder, für die beiden jüngeren besorgte er ein Kindermädchen aus Dresden und plante für Rosa einen zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalt in Wien.18 In Wien wohnte Rosa im Hotel Höller auf der Burgstraße 2 in der Nähe der Ringstraße. Dorthin wurden auch die Briefe adressiert, u.a. vom Dezember 1879 oder von seiner Schwester Diela aus dem ungarischen Espériés im Jahre 1886. Bei ihren Wiener Besuchen kaufte sie mit ihrem Mann Luxuswaren. Erhalten sind Rechnungen für eine Kaschmirrobe, Kölnisch Wasser, vergoldete und Perlmuttknöpfe, Broschen, Uhren, echte Bambusstöcke.19 Seine Frau antwortete auf die Briefe ihres Mannes sehr innig, z.B. am 6. November 1872 schrieb sie aus Reichenberg nach Prag: „Mein lieber, mein guter Schatz! Endlich ist es Morgen und die Kinder sind theilweis in der Schule und im Kindergarten, nun kann ich mich ganz ungestört mit dir, mein Schatz, unterhalten. Ach, ich habe mich schon sehr darauf gefreut. Ich habe die Nacht sehr schlecht geschlafen und das alles nur, weil du nicht bei mir bist, mir war es kalt, ja ich habe förmlich gezittert, niemand neben mir an dem ich mich hätte wärmen können. Du warst weit weit fort und das macht mich sehr traurig. Wie ist es dir denn diese Nacht ergangen?, hast du nicht wenigstens von uns geträumt?... Ja, nicht wahr, Ihr werdet euch im Landtag nicht viel streiten, damit ihr bald fertig seid und wieder zu euren Frauen gehen könnt … . Doch sprechen wir nicht von anderen, wir haben genug von uns zu erzählen. Der Himmel ist auch so trübe wie mein Inneres, dort ist es auch gewaltig dunkel und nur ein einziger Stern glüht darin des baldigen Wiedersehens. Er ist es, der mich tröstet, wenn ich mich so recht einsam und verlassen fühle. Meine Gedanken sind stets bei dir, bei allem was ich thue, denke ich immer und immer nur an dich … . So Gott will, dauert es jetzt nur noch drei Tage, dann sind wir wieder beisammen. Ich freue mich schon kindisch darauf, sage es mir nur ganz bestimmt, um welche Zeit du kommst, damit ich dich auch feierlich empfangen kann. Die Kinder sind Gott sei Dank soweit wohl, nur Rosa ist heute sehr verdrießlich, vielleicht bekommt sie wieder Zähne. Gestern 17 Ebenda, Brief aus Teplitz, 25. 8. 1871 18 Ebenda, Brief aus Wien, 3.2.1872 19 Ebenda, Rechnungen vom 10.6.1880, 19.2.1881, 2.4.1881. 37 P. Boušková Nachmittag war ich mit den drei Jungen bei der Großmama. Beim Nachhausgang war ein furchtbares Wetter. Ist das Wetter in Prag auch so schlecht? Dann hüte dich nur vor Verkühlung, überhaupt sei nur sehr bedacht auf deine Gesundheit, du weißt wie ich mich ängstige um dich. Heute bekam ich endlich Brief von der Mutter. Sie ist glücklich in Teplitz angekommen und dankt dir für die Jacke, die du ihr geschickt. Wie gefällt es dir eigentlich im Landtag?... Nun lebe wohl für heute, schreibe recht bald. Sei tausend Mal geküßt von deiner treuen Rosa.“ In ihren Briefen verbarg sie ihre Sorge um Hermanns Gesundheit nicht und bat ihn inständig, auf sich Acht zu geben, sich vor Zugluft und Verkühlung zu schützen. Sie vergewisserte sich, wenn sie ihn fragte: „Hast du auch wirklich unterwegs nur noch eine Zigarre geraucht?“ Mit Freude gab sie ihm Ratschläge, wie er auf sich Acht geben solle, ob er genug warme Kleidung und Schuhe hätte. Selbstverständlich informierte sie ihren Mann auch über das Geschehen in der Familie: „Hermann und Gustav habe ich noch zuhause behalten, da beide noch husten und das Wetter zu schlecht ist, sie wissen dabei manchmal nicht was sie anfangen sollen. An Munterkeit fehlts ihnen Gott sei Dank nicht, nur Rosa war gestern sehr verstimmt, sie mochte wohl gekränkt sein, daß du ohne ihr Lebewohl zu sagen abgereist bist.“ Das Schreiben beschloss sie mit einem Ausdruck liebevollen Gefühls: „Mein lieber bester Mann, wenn ich dich doch so recht herzen und küssen könnte, wie glücklich machte mich das. Ich muss mich leider noch gedulden, aber länger kann ich es nun nicht mehr ertragen, ich sehne mich zu sehr nach dir.“20 Auch Hermann lag Rosas Gesundheit am Herzen und er bat sie, sich zu schonen: „Ich liebe dich himmelhoch, allerliebster Schatz, strenge dich nicht wieder allzu sehr an, bei aller Selbstüberwindung, die ich hochschätze, kannst du dir doch nur schaden. Überlaß die Anstrengung ruhig mir, deiner stärkeren Hälfte.“21 Im Jahre 1875 schrieb Hermann von seinem Teplitzer Aufenthalt über den hervorragenden Empfang bei den Bürgermeistern von Teplitz22, Stöhr und Perutz. Er erwähnte, dass diese Leute ebenso wie sie im Parlament Zielscheibe des hiesigen „Revolverblatts“ seien. Auf dem Wege von der Bahn traf er einen Bekannten: „Auf dem Weg zu Mutter traf ich Perutz, der mich sofort zuerst zu sich und dann in den Schlossgarten schleppte, von wo aus ich in mein Geburtshaus stürzte und in die Mutterarme – meine erste Wiege – ist schon lange her! Kannst dir denken, daß es wieder nicht ohne Tränen abging. Ich saß da zwei Stunden und mußte praktisch deine ganze Krankengeschichte und die Entwicklungsgeschichte unserer Kinder erzählen 20 Ebenda, Brief aus Reichenberg, 29. 11. 1872. 21 Ebenda, Brief aus Wien, 10.3.1883 22 Bürgermeister von Teplitz war in dieser Zeit Karl Uherr. 38 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater von A bis Z. Die Gute schaut nicht schlechter aus als vor einem Jahr, ich denke aber besser. Sie fährt Anfang Juli nach Binsdorf,23 wo sie deinen Besuch erwartet … .Und vergiss auch nicht zu Herrn Siegmund ins „Stadt Mailand“24 zu gehen. ... Abends mit Perutz, Stöhr und Siegmund im Theater: Die Zigeunerin25 von Balfe. Das Theater, das heißt das innere Gebäude gefiel mir überaus26, die Aufführung ließ, wenn auch im Einzelnen nicht übel, doch als Ganzes mancherlei zu wünschen übrig. Hierauf zum Soupér in den Cursalon. Es war 12 Uhr vorbei, als ich nach Hause kam. Heute Vormittag kommen Josel und Jenny von Binsdorf. Otto und Anna und wahrscheinlich auch Camillo mit Familie – fürchte nur nicht gleich, daß ich daraus länger hier bleibe, als unbedingt notwendig… ich kann auch erst morgen früh hier abfahren.“ Es folgt eine Aufzählung von Hermanns Programm: Am Montag früh Abfahrt mit dem Zug von Teplitz mit einem Halt in Aussig (hier ein Treffen mit Wolfrum und Scheffner), Nachmittag von Aussig nach Leitmeritz (hier Hospitieren von Schlessinger auf einer Versammlung des Ausschusses des Gewerbevereins), Dienstag früh Abfahrt von Leitmeritz über Tetschen nach Böhmisch Leipa (hier eine Konferenz), nach Mittag Abfahrt nach Haida (hier ein schneller Besuch bei Bekannten), Reise nach Langenau/Skalice und Steinschönau, Rückkehr spätabends. und danach, falls möglich, noch vor Mitternacht, Ankunft zu Hause in Reichenberg, bzw. am Vormittag des nächsten Tages.27 Hier offenbart sich ein anschauliches Beispiel eines kleinen Teils seines ausgefüllten Programms und es ist bewundernswert, was er alles während dieser zwei Tage bewältigen konnte. In den Briefen an Rosa kann man nicht selten die genaue Beschreibung eines Tages von Hermann finden, aufgeteilt in die einzelnen Phasen nach Stunden. So beschreibt er z.B. im März 1883 seiner Frau einen langen Arbeitstag, wobei er von zehn Uhr früh bis abends um elf Uhr „außer Haus“ war und mindestens fünf bis sechs Reden gehalten hat. Über die nachfolgenden Stunden schreibt er: „Ich schlief ganz ausgezeichnet, aber ich vergaß, den Schlüssel abzuziehen, so daß der Kleiderputzer früh nicht zu mir ins Zimmer kommen konnte … . Heute habe ich bereits drei Konferenzen hinter mir, sechs Briefe beantwortet. Es ist halb 4 Uhr – wie lange die Sitzung 23 In Binsdorf/Bynovec lebte ihr Sohn Josef, es war der Großgrundbesitz der Clary Aldringen. 24 Das Haus Stadt Mailand stand in Teplitz in der Steinbadgasse. 25 Bankier Hieronymus Perutz, Vorstandsmitglied der Sparkasse Teplitz; Karl Stöhr, k.u.k. Postmeister und vorübergehend auch zukünftiger Bürgermeister der Stadt Teplitz, Mitglied des Teplitzer Sparkassenausschusses; Ing. Adolf Siegmund, Architekt, zukünftiger Abgeordneter und Bürgermeister von Teplitz 26 Das neoklassizistische Gebäude des Theaters wurde feierlich am 21.5.1874 eröffnet, am 1.9.1919 brannte es aus, an gleicher Stelle wurde am 20.4.1924 ein neues Theatergebäude feierlich eröffnet. 27 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Teplitz, 20.6.1875. 39 P. Boušková noch dauert, weiß Gott – aber die Schulgesetznovelle scheint wirklich dank unserer Zähigkeit vorläufig abgeschlagen.“28 Im Mai 1879 freute er sich auf die Ankunft seiner Frau in Wien: „Und jetzt Vormittag ist keine einzige Wolke mehr an dem ganzen Wiener Himmel, die schönste Maisonne lacht herunter – nur weil du jetzt ganz sicher kommst! – Ganz sicher!“ Gleichzeitig kehrte er in seinem Brief auf eine Begebenheit mit Adolf zurück, worüber sich wahrscheinlich zuvor Rosa ihm gegenüber geäußert hatte. Sein Stiefsohn hatte etwas getan, was, nach Ansicht der Eltern, eine Bestrafung verdiente. Einerseits verteidigte er Adolf und sein jugendliches Verhalten als nicht ungewöhnlich für junge Leute seines Alters, andererseits hielt er es jedoch für richtig, ihm eine Strafe zu erteilen; konkret schlug er einen Entzug an Vergnügungen vor, ein Tanzverbot. Er ermahnte Rosa, dass sie Adolf streng erklären solle, dass er persönlich von diesem seinem Verhalten, Handeln hinter dem Rücken der Eltern, sehr verwundert sei und die Bestrafung deshalb nur gutheißen könne.29 Die innigen Gefühle zwischen Hermann und Rosa kühlten auch nach vielen Jahren ihrer Ehe nicht ab. Der erste Gedanke nach dem Erwachen bei Trennungen gehörte stets dem anderen. Im Jahre 1880 begann Hermanns Brief mit der Vorstellung seiner erwachenden Frau: „Mein lieber Schatz! Schön guten Morgen! – Ich bilde mir ein, du erwachst soeben zum zweiten oder dritten Male von dem vielen, vielen goldenen Sonnenschein, der durch das Fenster an deinen Kopf auf das Bett fällt – du reibst dir die Augen und machst einen langen Seufzer, wie du gewohnt bist, freust dich aber doch, daß es draußen hübsch ist und denkst einen Augenblick an mich und erwiderst im Geiste meinen „guten Morgen“. Es thut mir so wohl, zu wissen, daß deine „letzten Tage“ in Siebenhäusern nicht durch ein böses Wetter verleidet werden sollen. Du wirst die herrliche frische Luft mit den Kindern noch in vollen Zügen genießen und dich stärken für die folgenden Zeiten – lasst es euch wohlbekommen.“ Weiters beschrieb er den Verlauf seiner Reise mit dem Zug aus Reichenberg nach Prag, wo er sich „in seinem alten Zimmer“ einquartierte. Dort begab er sich auch ins Kasino, wo er die richtige Gesellschaft traf. Am nachfolgenden Morgen plante er die Vorbereitung 28 Ebenda, Brief aus Wien, 10.3.1883. Die Novelle des Schulgesetzes aus dem Jahre 1869 wurde schließlich im Reichsrat am 29. April 1883 verabschiedet, und zwar mit knapper Mehrheit von 170:167 Stimmen. Für die Verabschiedung stimmten der Tschechische Klub, eine politische Gruppierung der tschechischen Abgeordneten des Reichsrates. In Wirklichkeit bedeutete sie einen Rückgang der Bildungsqualität, denn sie verringerte die Schulpflicht von acht auf sechs Jahre, erhöhte die Anzahl von Schülern in der Klasse und beschränkte die Ausbildung der Pädagogen in den Lehrerseminaren. Und nicht zuletzt verbot sie den Lehrern, sich politisch zu engagieren. 29 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Wien, 5.5.1879 40 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater auf die abendliche Sitzung der Kommission betreffs Änderungen der Rechtsordnung im Landtag.30 Ein anderer Brief begann so: „Da wachte ich heute Nacht auf – es mochte gegen 4 Uhr sein – und dachte natürlich an dich und dabei ebenso natürlich an deinen lieben letzten Brief. Ich konnte nicht mehr einschlafen und machte um 5 Uhr Licht, und so bin ich jetzt um 12 Uhr mittags schon volle acht Stunden auf, die ich redlich benutzte.“31 Im Sommer 1883 war das Ehepaar gemeinsam in Teplitz, Rosa reiste etwas früher ab. Gleich nach ihrer Abreise schrieb Hermann diese Zeilen: „Wie hast du die Reise und die letzte Nacht überstanden? ... Nach deiner Abreise besuchte ich, wie beabsichtigt, die Fachschule und noch zwei Herren, denen ich eine Visite längst schuldig war. Um 5 Uhr nach Hause gekommen, fand ich einen großen Pack Correkturen von Stiegel, die letzten, die ich erwartet habe, und du kannst dir denken, womit ich den Rest des Tages beschäftigt war. Als ich mit Allem glücklich zu Ende war und auf die Uhr sah, war es 9 Uhr – du fuhrst eben zu Hause glücklich ein, ich atmete in jeder Beziehung auf. Ich ging nach längerer Überlegung in den „König von Preußen“32, um einen Thee mit Schinken zu mir zu nehmen, was mir sehr wohl bekam (bewundere meine Enthaltsamkeit, Bier wurde keins getrunken) Ich schlief sicherlich sehr spät ein. … Heute schrieb ich bereits 11 Briefe – dieser Zettel ist der zwölfte – und zwei Telegramme. Nun gehe ich zum Fürsten Clary (es ist halb 12). Von der Länge der Audienz hängt es ab, ob ich heute noch nach Brüx fahre.“33 Hermann Hallwich hatte auch einen regen Briefwechsel mit seiner Schwester Emma, den Brüdern Joseph und Otto, Rosa wiederum mit ihrer Mutter und ihren Schwestern Maria und Diela. Erhalten blieben auch Briefe zwischen den Kindern und den Eltern. Die Söhne besuchten Schulen in Dresden, Böhmisch Leipa, Komotau und schickten nicht nur Nachrichten ihres Schulalltages nach Hause, sondern auch Aufstellungen von Ausgaben, die mit dem Studium und den diversen Vergnügungen verbunden waren. Die Jungen brüsteten sich mit ihren Studienerfolgen und beschrieben, wie hart sie arbeiteten. In der Freizeit widmeten sie sich kulturellen (Theatervorstellungen) und sportlichen Aktivitäten (vor allem dem Schwimmen, im Winter dem Schlittschuhlauf – sie waren Mitglieder des Schlittschuh-Klubs), erwähn30 31 32 33 Ebenda, Brief aus Prag, 16.6.1880. Ebenda, Brief aus Wien, 30.11.1881. Hotel zum König von Preußen, ein Gebäude von 1823, heute die Post auf dem Laube-Platz, damals Stephansplatz. SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Teplitz, 1.9.1883. 41 P. Boušková ten aber auch die Geselligkeiten beim Bier. Und wie alle Kinder freuten sie sich auf die Ferien und auf Weihnachten. Außer Briefen wurden zwischen Kindern und Eltern Päckchen ausgetauscht, vor allem mit Kleidung (wenn es kalt wurde, baten die Jungen die Eltern um warme Kleidung, oder eben zur warmen Jahreszeit um Sommerbekleidung) oder Büchern. Manchmal begaben sich die Eltern auch persönlich zu den Söhnen auf Besuch. Immer zum 15. eines Monats forderten die Eltern von den Söhnen die Kostenaufstellung. Die Jungen bekamen ihr Taschengeld, gewöhnlich 40 bis 50 Kreuzer wöchentlich, die übrigen Ausgaben betrafen überwiegend Theater-, Klavier- oder Gesangstunden, FranzösischStunden, Belohnungen für gute Noten, für Briefmarken, Bücher und Hefte, aber auch für Bier und Tabak. Sie benötigten Geld für Tinte, für Petroleum und Dochte für die Lampen. Drei Kindern das Studium zu ermöglichen, musste finanziell sehr aufwändig sein. Die Hallwichs konnten sich das ohne Weiteres leisten und mussten ihre Söhne in ihren Ausgaben nicht sonderlich beschränken. Und diese kosteten ihr Studentenleben offenbar auch in vollen Zügen aus. Allerdings beschwerte sich der junge Hermann einst in einem Brief an seine Schwester über „leere Taschen“: „ ... denn besonders was das Geld in meinen Taschen anbelangt, so steht es damit manchmal sehr schlimm, da ich, öfter wenigstens, weder Pfennig noch Heller darinnen fühlte. Jetzt strotzen allerdings meine Taschen von Kupfer-, Silber- und Papiergeld.“34 Adolf ging in den Jahren 1875 bis 1878 in Dresden in die Schule, dann am Gymnasium in Komotau. Seinen Stiefvater sprach er mit „Papa“ an. Hermann Hallwich machte zwischen Adolf und seinen eigenen Kindern keine Unterschiede. Adolf schrieb 1875 aus Dresden: „Mir geht’s in der Schule soweit gut und gesund bin ich unberufen auch. Ich habe hier sehr viel zu thun ich arbeite Nachmittags von 3-7. Da muß man arbeiten, wenn man auch fertig ist. Ich war schon oft im zoologischen Garten und mir gefällt es dort sehr gut. Wenn ich zu Weihnachten nach Hause komme will ich auch sehr viel erzählen, und ich freue mich schon sehr auf diese schöne Zeit.“35 Einige Jahre später erfahren wir von verschiedenen Ereignissen in der Schule, an denen auch Adolf seinen Anteil hatte, wozu er sich bekannte und wofür er auch bestraft wurde. Adolf jedoch beschwerte sich beim Vater wegen der Ungerechtigkeit – als er freiwillig nach der Unterrichtsstunde zum Lehrer ging, um seinen Anteil an dem Ereignis zu gestehen, wurde ihm eine Strafe auferlegt, die übrigen Mitschuldigen jedoch wurden nicht bestraft. Die Angelegenheit kam bis zum Rektor.36 34 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 10.11.1882. 35 Ebenda, Brief vom 1.11.1875. 36 Ebenda, Brief aus Dresden, 21.11.1876. 42 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater In einem weiteren Brief interessierte er sich, wie in Reichenberg die Situation des Theaters sei, das 1879 total ausgebrannt war, und ob bereits ein neues errichtet wurde.37 Er bat um eine baldige Begleichung der Kosten, deren Aufstellung er beilegte. Es handelte sich um die nicht geringe Summe von 76 Gulden 64 Kreuzer, wir wissen jedoch nicht, für welch langen Zeitraum. Die Höhe des Taschengeldes betrug 8 Gulden, zu den teureren Posten zählten Privatstunden, ein Ausflug nach Kaaden, 3 Paar Schuhe und Wäsche. Zu den kleineren Ausgaben gehörten Bier, Zigarren, Bücher, Bäder, Seife, Briefmarken oder auch Augentropfen aus der Apotheke.38 In der Vorweihnachtszeit schrieb Adolf seiner Mutter und machte sich Gedanken um Geschenke für die Geschwister: „Liebe Mama, ich erhielt deinen lieben Brief heute zu Mittag und freute mich sehr darüber. Liebe Mama ich bitte dich wie teuer die Schlittschuh sein dürfen damit ich mich danach richten kann, Du schriebst mir, Hermann wünsche sich ein Markenbuch. Ihm ein solches zu kaufen hatte ich längst schon im Sinn und habe sich schon eins sogar bestellt. Ich möchte auch gern wissen was sich die anderen Geschwister wünschen. Mir geht es unberufen ganz gut und ich zähle schon die Tage und Wochen bis Weihnachten.“ Zum Abschluss des Briefes legte er einen Wunschzettel für sich selbst bei – er wünschte sich einen neuen Wintermantel, einen Anzug, ein Paar Schlittschuhe, Schreibzeug und Zeichenbedarf, eine Wintermütze (wie sie Hermann hatte) und einen Spazierstock. Und dies alles mit dem unbescheidenen Zusatz: „Liebe Mama, willst du mir noch mehr schenken, so überlaße ich das dir und Deinem guten Willen.“39 In einem anderen undatierten Brief entschuldigte er sich bei den Eltern, dass er sich so lange nicht gemeldet hätte, weil er Thyphusfieber bekommen habe, das ihn eine Woche lang ans Bett gefesselt und ihm jede Kraft genommen hätte. Nach dem Besuch des Gymnasiums trug sich Adolf in die prestigeträchtige Universität in Berlin ein – wie er selbst schrieb „Alma mater Friedrich Wilhelm“.40 Er besuchte Vorlesungen über Allgemeingeschichte, Mittelalter, Geschichte des 19. Jahrhunderts, über Kirche und Staat und weitere. In seiner Freizeit hielt er sich oft im Zoologischen Garten auf und 37 Das Theater brannte am 24.4.1879 ab, das Fundament zum neuen Theater wurde 1881 gelegt und am 29.9.1883 feierlich eröffnet. 38 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., undatierter Brief. 39 Ebenda, undatierter Brief. 40 Die Universität von Berlin wurde 1809 vom liberalen preußischen Reformator des Schulwesens Wilhelm von Humboldt gegründet, nahm 1810 ihren Lehrbetrieb auf, seit 1828 war sie bekannt als Friedrich Wilhelm-Universität, im Jahre 1949 wurde sie zu Ehren ihres Gründers und dessen Bruders, dem Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt, in Humboldt-Universität umbenannt. Zu ihrer Geschichte vgl. Rüdiger vom Bruch/Heinz-Elmar Tenorth (Hgg.), Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010, 6 Bände, Berlin 2010-2013. 43 P. Boušková verbrachte die Abende im Theater oder in der Oper, sah z.B. das Theaterspiel Gasparone, Mozarts Oper Don Giovanni oder Schauspiele im Theater Belle-Alliance.41 Im August 1883 schickte Adolf den Eltern Grüße von seiner Schiffsreise nach Skandinavien, besuchte die dänischen Städte Kopenhagen, Korsør, Helsingør, Tronborg und Frederiksborg, dessen Schloss mit seiner Schönheit alles übersteige, was er bisher gesehen habe. In Schweden hielt er sich in Malmö auf und bemerkte den guten Gesundheitszustand der hiesigen Leute.42 Sohn Hermann besuchte in den Jahren 1879 bis 1883 das Gymnasium in Böhmisch Leipa, ebenso wie sein jüngerer Bruder Gustav. Vielleicht wurde die Wahl des Vaters für diese Schule von der Tatsache beeinflusst, dass das dortige Augustinerkloster und die Lateinschule, woraus das kirchliche Gymnasium bestand, im Jahre 1624 von Albrecht von Wallenstein gegründet worden war. Die Schule befand sich bis 1882 in den Klosterräumen, dann wurde das neue Gebäude des Staatsgymnasiums errichtet. Hermann schrieb über die zeitliche Auslastung, über lateinische und deutsche Übungen, über das Fach Zoologie und Erdkunde, Philosophie und auch über Prüfungen. Er interessierte sich sehr für die Arbeit seines Vaters und ließ sich Abschriften seiner Vorträge schicken, die er studierte und sich mit Ehrfurcht darüber äußerte. Über eine Rede seines Vaters schrieb er: „Sie hat mir sehr gut gefallen. Hatte es denn ohne Zwischenpausen so fort getagt? Ich hätte es nicht ausgehalten, hätte auch eine solche Rede nie zusammengebracht. Ich halte mit Ihm gegen die Czechen und mit den Deutschen.“43 Bald darauf freute er sich über die Ankunft seines Vaters in Böhmisch Leipa und interessierte sich für den Zustand der alten Reichenberger Kirche und ob sie schon renoviert sei.44 Er berichtet über ein großes Fest am Sonntag in Böhmisch Leipa – das Vogelschießen: „Am Sonntag war ein großes Fest, das Königschießen, welchem ich beiwohnte. Es waren einige Buden aufgestellt, in die ich natürlich ging, aber es war lauter Schwindel! O tempora, o mores! ... Dann ging es mit Musik in die Stadt, da die Schießstätte etwas außerhalb der Stadt liegt.“45 Am 8. Mai 1880 wünschte er seinem Vater viel Glück zum Geburtstag und 41 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Berlin, 4.11.1881. 42 Ebenda, Brief vom 24.8.1883. 43 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa nach Wien, 8.5.1880. 44 Wahrscheinlich handelt es sich um die römisch-katholische gotische Kirche St. Antonius des Großen, die 1880 umgebaut wurde. Der ursprünglich niedrige Turm wurde durch einen neuen, höheren ersetzt und die Kirche wurde danach auch im Inneren verändert. 45 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Böhmisch Leipa, 25.5.1880 44 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater erzählte über eine interessante amerikanische Vorstellung mit einer Schlangenbändigerin, die ihren Hals von einem 2 bis 4,5 Meter langen Python umschlingen ließ. In einem Brief vor Weihnachten 1881 bat er seinen Vater um eine baldige Geldsendung46 und Literatur: „In deinen Büchern habe ich schon viel gelesen. Irmela hat mir ausgezeichnet gefallen, ich habe deshalb auch einige Lieder auswendig gelernt. Ich danke dir vielmals dafür, daß du mir solche Bücher schickst, doch bitte ich dich zugleich wiederum ein Buch oder auch einige, nämlich von Wieland47 u. Lessing48 aber nichts poetisches.“49 Seine Mutter bat er, dem Vater seinen Tipp für ein Weihnachtgeschenk auszurichten – er wünschte sich die Zusendung einer Ansichtskarte aus dem Briefmarkengeschäft Adolf F. Gradl aus Budapest.50 Im Februar 1882 schickte Hermann seinen Eltern wie gewöhnlich seine monatliche Abrechnung, aufgeteilt in Ausgaben allgemein und dann im Besonderen für sich selbst, für Adolf und für Gustav. Wir wissen, dass Hermann mit Gustav die gleiche Schule besuchte, warum jedoch hier auch Adolf aufgelistet ist, konnte nicht geklärt werden.51 Wenn Vater, Mutter oder auch die Großmutter Namenstag oder auch Geburtstag hatten, dachten die Söhne immer an sie. Zum Beispiel begann Hermann seinen Brief mit Glückwünschen an den Vater: „Zu deinem morgigen Namenstage schicke ich dir vor allem meine innigste Gratulation. Ich will nicht erst viele Worte machen da du ja selbst schon weißt, was ich dir wünsche. Gern hätte ich dir meine Wünsche poetisch zugesandt, aber ich weiß nicht von dem jetzigen ungeheuren Studieren ist mein Kopf so dick und meine poetische Ader so einfallslos geworden. … Gott verleihe dir nur Gesundheit, Glück und Zufriedenheit, langes Leben und – das Handelsministerportefeuille. Wir hatten jetzt wirklich viel zu thun, sodaß wir keinen Abend zeitig ins Bett, aber oft zeitig aus dem Bett kamen. Vorzüglich ist es Deutsch, Mathematik und Naturgeschichte, die uns endlich in Schweiß gebracht haben. Aus Geometrie haben wir schon mit sinx und cosin.a etc. angefangen, aus Arithmetik mit Logarithmen, aus Deutsch Goethe … und aus Naturgeschichte die höchst merkwürdige und interessante amerikanische Wabenkröte č. Pipa americká, l.Pipa dorsigera. Außerdem hatten wir auch den complizierten Contretanz uns ordentlich einzustudieren, was uns schließlich auch gelang. Herrlich ist es, uns Sextaner 46 „... schicke mir ... frisches Moos“ soll heißen, er bittet um Zusendung von Geld (volkstümlich ausgedrückt). 47 Christoph Martin Wieland (1733-1813), deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Verleger, Vertreter der Aufklärung und der Weimarer Klassik. 48 Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), deutscher Dichter, Schriftsteller und Philosoph, Vertreter der Aufklärung 49 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Böhmisch Leipa, 14.12.1881, unterschrieben als Tuus gratus filius Arminius Hermanus. 50 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 16.12.1881. 51 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 18.2.1882 45 P. Boušková so dahinschweben zu sehen an der Seite eines noch herrlicheren Wesens, das sich geduldig und liebevoll an ihren Tänzer anschmiegt.“52 Hermanns und Gustavs Ausgaben beim Studium bestanden vor allem aus Taschengeld, Ausgaben für Briefmarken, Hefte, Bücher, Kerzen, Petroleum für die Lampen, für Französisch-, Klavier- und Geigenstunden, für Noten, für Theater, Bier, Tabak und Zigarren. Durchschnittlich machte das etwa 30 Gulden monatlich. Es wurde auch den Armen gespendet. Bemerkenswert ist, dass sie Bier und Zigarren bereits mit fünfzehn Jahren konsumierten.53 Im Rahmen ihrer Schulzeit unternahmen beide häufig Ausflüge geologischen und botanischen Charakters in die Hügelwelt um Niemes/Mimoň und Schwabitz/Svébořice, es gab aber auch Ausgaben für den Besuch eines Wachsfigurenkabinetts. Gustav datierte seine Briefe nur ausnahmsweise. In einem solchen Schreiben an die Eltern lesen wir: „Liebe Eltern! Da ich Euch in dem letzten Briefe versprochen habe gern mal zu schreiben, thue ich es auch, da ich Euch nächste Woche wegen der Übersiedlung, wie ich schon sagte, nicht schreiben werde. Ich will Euch diesmal, wenn es Euch recht ist, den Wunschzettel mit schreiben. Ich wünsche mir also: Ein Paar Schlittschuhe, so möglich Scloupscat und wenn dieses nicht, so doch Halifax, da mir meine jetzigen schon zu klein sind, dann sei nur so gut, Papa, und suche mir in Wien ein physikalisches Aparat aus, … aber ein recht hübsches. Dann seid nur so gut und schenkt mir… Bleistifte und Federn, einen Anzug, Hemden, Kravaten, Handschuhe, ein Buch: Wagners deutsche Heldensagen 2. Theil und hübsche, schwere Zeichenvorlagen (Köpfe und Thiere)… . Es grüßt Euch tausendmal Euer dankschuldiger Sohn Gustav.“ Oft beschrieb er im Einzelnen den Unterrichtsverlauf und die Prüfungen: „Liebe Eltern! … In der Schule war ich schon wieder aus Latein dran und zwar aus Lateinischen Vokabeln … . Dann war ich schon wieder dran aus Naturlehre, ich bekam die Frage, was versteht man unter specifischer Wärme, ich sagte die Wärmemenge, welche erforderlich ist, um Kilogramm eines Stoffes um 1oC zu erhöhen, ist gut, antwortete er darauf und zeigt mir einige Körper: ich sage, das Wasser hat die größte spez. Wärme, dann Eisen, Kupfer, Zink und Blei hat die geringste sp.W., ist gut, sagt er und läßt mich setzen. Aus Geographie habe ich mich doch oft gezeigt und bin trotzdem doch nicht dran gekommen… . Beim Geigen habe ich jetzt wieder neue Noten und komme in die dritte Lage, was nicht leicht ist.“54 In der Schule war er ein fleißiger und sehr guter Schüler, er nutzte die Dienste eines Hauslehrers. In den Prüfungen für Latein, Grie- 52 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 6.4.1883. 53 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 14.12.1881. 54 Ebenda, undatierter Brief. 46 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater chisch, Erdkunde, Physik und Mathematik bestand er mit Auszeichnung. Er spielte Geige wie auch Klavier und interessierte sich für Botanik. In einem Brief an seine Mutter verteidigte er seine Ausgaben für das Theater: „Liebe Mama, du wirst es begreiflich finden, daß ich die Wochen wenigstens einmal ins Theater gehen muß, erstens wegen der Trupp, die da ist und ganz gut spielt und zweitens um mich etwas zu zerstreuen.“55 Als einer der wenigen ist auch ein Brief Hermann Hallwichs an seine Tochter Rosa aus dem Jahre 1882 erhalten, worin er für ihr Schreiben mit Nachrichten über die Mutter dankt und wenigstens ein paar Zeilen schickt, obwohl ihm der Finger schrecklich schmerzt und er deshalb nur mit großer Mühe schreibt. Der Brief war aus Prag abgesandt, wo sich Hermann mit Adolf aufhielt. Gemeinsam haben sie sich an Reichenberg erinnert.56 Die kleine Rosa schrieb an ihre Mutter zum Geburtstag aus Wien, wo sie wahrscheinlich beim Vater zu Besuch war: „Lieb Mütterchen, am heutigen frohen Tage Erlaube, daß ich dir mein Wünschlein sage. Zwar ists weitaus der längste nicht, Doch ist er so, wies Herz ihn spricht Gott schenke dir in Zukunft nur das Beste; Vor allem noch recht viele Weihnachtsfeste Und mich, dein liebes Töchterlein, Laß er stets deine Freude sein! Deine dichliebende Rosa Hallwich.“57 Schriftliche Korrespondenz führten auch die Geschwister untereinander. Hermann antwortete seiner Schwester Rosa, die ihm Glückwünsche zum Geburtstag geschickt hatte: „Du fragst, was ich an diesem meinen Tage thun werde. Nach Eula/Jílové konnte ich leider nicht gehen, theils vor Schule, theils vor schlechten Wetterhalber, obwohl meine Kehle lechzend um Bier schreit. Monsieur Gustav befindet sich ganz wohl und wird glaube ich bald seinen dir gegebenen Wunsche nachkommen. Zu meinem Geburtstage wurde ich von einem meiner Kollegen auch mit einigen wunderbaren Rosen beschenkt, deren Duft und Schönheit mich oft an die 55 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 19.1.1883. 56 Ebenda, Brief aus Prag, 22.10.1882. 57 Ebenda, Brief aus Wien, 19.10., ohne Jahresangabe. 47 P. Boušková beiden Rosen in Reichenberg erinnerte und auch noch erinnert.“58 Der Brief endete mit einem Abschied im nationalen Sinne: „… und verbleibe mit deutschem Gruß und Handschlag dein deutscher Freund und Bruder Hermann.“59 Der treue Bruder Gustav schrieb an Adolf, der sich in Prag aufhielt, und schickte ihm etwas zur Freude, was er ihm schon lange schuldete.60 Was die späteren Schicksale von Hermann Hallwichs Kindern betrifft, wissen wir, dass sein Stiefsohn Adolf Demuth und der ältere Sohn Hermann später promoviert wurden. Hermann lebte in Wien und befasste sich mit Geologie. Kommerzienrat Gustav lebte ebenfalls in Wien, seine Gemahlin hieß Ricci, geb. Siegmund. Er war Mitglied der Großdeutschen Volkspartei, die die deutschen Nationalisten und liberal denkende Parlamentarier vereinte, von denen sie finanziell unterstützt wurde, und später bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. 1938 wurde er für die freigewordene Stelle eines Sektionschefs des Wiener Auktionshauses Dorotheum vorgeschlagen. Adolf Demuth blieb mit seiner Frau Adele, ebenfalls eine geborene Siegmund, in Reichenberg und hatte drei Kinder, Christl, Fritz und Adolf. Rosa ging nach Hammerstein bei Reichenberg und heiratete den wohlhabenden Baumwollfabrikanten Felix Schwab. Der einzige blutsverwandte Enkel von Hermann Hallwich war der Sohn von Rosa Hans Schwab. Rosa lebte mit ihrer Familie in Hammerstein bei Machendorf/Machnín in einer schönen Villa, die der Vater ihres Gemahls Adolf Schwab vom Reichenberger Baumeister Gustav Sachers errichten ließ. Die Villa umgibt eine Steinmauer, in die ein Türmchen, genannt Hansl eingebaut ist, vielleicht damals nach ihrem Sohn Hans. Adolf Schwab erwarb die Fabrik in Hammerstein 1874 und richtete hier eine Baumwollspinnerei ein. Den Betrieb führte er mit seinem Sohn Felix, dem Gemahl von Rosa. Sie expandierten auch nach Prag, wo sie eine Wäscherei betrieben, und erweiterten die Firma nach und nach. Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigten sie 600 Arbeiter. Die Familie Schwab übersiedelte 1910 mit Hilfe von Hermann Hallwich nach Wien und ein Jahr später wurde hier die Hammersteinsche Baumwollspinnerei und Wäscherei als Aktiengesellschaft registriert. Vor seiner Abreise nach Wien schrieb Felix Schwab seinem Schwiegervater: „Mein lieber Papa! Entschuldige, aber du bist doch ein echter Rabenschwiegervater, wenn Du meinen, von mir mit geradezu spartanischer Härte erzogenen Sohn ein „Vätersöhnchen“ nennst! Doch 58 In Deutsch „wunderbaren Rosen ... mich oft an die beiden Rosen in Reichenberg erinnerte …“. Hier vergleicht er die gleiche Bezeichnung „Rosen“ für Rose und die Mehrzahl des Namens Rosa, er vergleicht also Schönheit und Duft der Rosen mit seiner Mutter und Schwester. 59 SOA Litoměřice, SOkA Liberec, Fond 850 Hallwich Hermann Dr., Brief aus Böhmisch Leipa, 10.11.1882. 60 Ebenda, Brief aus Böhmisch Leipa, 19.1.1883 48 Hermann Hallwich – Ehemann und Vater kehre zurück, alles ist vergeben und „vergessen“; hast Du Dir doch ganz unsterbliche Verdienste um uns erworben! – Ernster gesagt, können Rosl und ich Dir gar nicht genug danken für Deine Liebe und Güte, und für alle die Mühe, die Du anwenden musstest Wege zu ebnen. … Du hast uns allen einen frohen Tag verschafft und mich von einer Sorge befreit, da ich, bei aller Härte der Erziehung finde, dass Hans nicht mehr jung genug und noch nicht reif genug ist, um schon in diesem Jahre Militärdienst in der Fremde zu thun. Und gefreut hat mich auch, dass es noch solche Großväter giebt, und dass gerade wir so einen haben! Ich bin heute sehr guter Laune, so wie schon lange nicht, und dazu scheint die helle Sonne, in deren Glanz ich Dir unser liebes Hammerstein so gern gezeigt hätte! Allerdings können auch wir uns an dem sonnigen Hammerstein nicht mehr lange freuen; die Fracht ist schon unterwegs und Dienstag Abend hoffen wir in Wien zu sein. Das ist auch angenehm zu denken. Rosl grüßt und lässt Dir auch schön danken. Auch von mir noch tausend Dank und schöne Grüsse! Dein getreuer Sohn Felix. Einen schönen Gruss an Hermann und Gustav u. Ricci.“61. Wie aus dem Brief hervorgeht, besorgte Hermann Hallwich seinem Enkel einen Aufschub des Militärdienstes. Enkel Hans spricht seinem Großvater und auch Onkel Hermann in seinem Brief seinen Dank aus, schreibt über den Abschiedsbesuch bei den Demuths und bestätigt, dass er am 20. September 1910 nach Wien kommt.62 Seit dieser Zeit war die ganze Familie Hermann Hallwichs bis auf Adolf in Wien. Im Jahre 1913 versetzte das Schicksal Hermann Hallwich einen schweren Schlag. In einem Jahr starben zwei Brüder und sein Sohn Hermann, in den er große Hoffnung gesetzt hatte. Noch am 14. März 1913 widmete Hermann Hallwich dem Teplitzer Museum Dutzende Fachbücher aus dem Bereich Geologie und Mineralogie, die aus der Bibliothek seines verstorbenen Sohnes Hermann stammten. Hermann Halwich selbst verstarb in seiner Wohnung in der Grillparzerstraße 7 wenige Wochen vor seinem 75. Geburtstag am 11. April 1913 an Lungenentzündung und wurde auf dem Zentralfriedhof in Wien beigesetzt. Sohn Gustav lebte damals in Wien in der Skodagasse 3. An diese Adresse ließ er sich von einer Wiener Firma für Zeitungsausschnitte und der Bibliographie „Observer“ die Nekrologe zuschicken, die über den Tod seines Vaters in der Presse erschienen waren. Er selbst verstarb am 24. Januar 1940 in Wien, seine Schwester Rosa dortselbst am 8. Mai 1943. 61 Ebenda, Brief aus Hammerstein, September 1910. Ricci Hallwich, geb. Siegmund, war Gustavs Ehefrau, Kinder hatten sie wahrscheinlich keine. 62 Ebenda, Brief aus Hammerstein, 15. 9. 1910 49 Milan Svoboda Hermann Hallwich und Reichenberg Persönlichkeit und Werk des im nordböhmischen Teplitz gebürtigen Hermann Hallwich sind mit Reichenberg und seiner Umgebung mehr als ein Viertel Jahrhundert verbunden. Dabei vermissen wir bisher eine moderne wissenschaftliche Bewertung seines fachlichen Beitrags wie auch seines öffentlichen, lokalen und landesweiten Wirkens.1 Hallwich verewigte seinen Aufenthalt in Reichenberg in einigen regionalen Monographien und Studien und in der gewaltigen Wallenstein-Biographie, bzw. einer Edition der herzoglichen Schriftstücke. Hermann Hallwich war aufgrund seines Universitätsstudiums der Geschichte, Literatur und Volkswirtschaft an der Philosophischen Fakultät der Karl-Ferdinand-Universität in Prag einer der ersten professionellen Historiker in Nordböhmen und der dazugehörigen Reichenberger Region. Der Deutschböhme gehört zu den Zeitgenossen des deutschsprachigen kulturellen und geistigen (nationalen) Kreises. Er studierte bei Konstatin von Höfler (1811-1897). Während sich in Böhmen in Hallwichs Jugendjahren die historische Schule der tschechischen Positivisten erst formte, als deren erster Vertreter der Universitätsprofessor Jaroslav Goll (1846-1929) bezeichnet werden kann, zeigten sich in den deutschen Ländern eine Reihe von Persönlichkeiten, die ein erkennbares theoretisches und methodisches Konzept dieses Fachgebiets entwarfen. Stellvertretend für diese Richtung sollen nur Alexander von Helfert (1820-1910), Theodor von Sickel (1826-1908), Max Büdinger (1828-1902), Julius Weizsäcker (1828-1889) und Ernst Dümmler (1830-1902) genannt werden. Zu Hallwichs Zeitgenossen gehörten ebenso Julius Lippert (1839-1909), Adolf Bachmann (18491914) oder auch Ernst Bernheim (1850-1942). Hallwich tat sich mit seinen Altersgenossen Ludwig Schlesinger (1838-1899), Wiechowský, Kohl, Pickert und Lippert zusammen, als diese im Mai 1861 den Verein zur Erforschung der deutsch-tschechischen Geschichte gründeten.2 Ihr Werk sollte künftig vor allem Golls Schüler und Hallwichs Generationsnachfol1 2 Zu Hallwich kurz Heinz Zatschek, Hermann Hallwich, in: Neue deutsche Biographie 7 (Berlin 1966) 566-567; Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder, Bd. 2, München – Wien 1979, 517-518; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 2, Wien 1993, 161-162. Die Mitglieder der Gründungsgruppe nennt Robert Teichl, Hermann Hallwich, in: Deutsche Arbeit 13/9 (1914) 1. Bemerkenswerte akademische und private Kontakte mit einigen von ihnen schildert z.B. Josef Šusta, Mladá léta 51 M. Svoboda ger beeinflussen. Inwieweit Hallwichs Texte selbst die tschechische Historiographie inspirierten, wurde bisher noch nie untersucht. Das einzige umfangreiche Kompendium über die Entwicklung der tschechischen Historiographie aus den 1970er Jahren bewertet Hallwich lediglich als Herausgeber von Aktenschriftstücken, die Wallenstein betreffen, und würdigt die „Sammlung von Wirtschaftmonographien zur Geschichte der Industrie in Böhmen“. František Kutnar und Jaroslav Marek äußern allerdings gleichzeitig ihr Bedauern darüber, dass „der wichtige Antrieb des Vereins deutlich national gekennzeichnet war vom Bemühen, Bahnbrechertum und Priorität der deutschen Bevölkerung in Böhmen zu beweisen und dass er das kapitalistische Unternehmertum verherrlichte“. Diese Kritik aber hängt nicht direkt mit Hallwichs Arbeiten zusammen.3 Es handelt sich jedoch um die einzige nützliche, wenn auch sehr knappe tschechische Charakteristik der Forschungsleistungen des gebürtigen Teplitzers. Hermann Hallwich legte im Jahre 1861 das Rigorosum nicht nur in Geschichte, Philosophie und Deutsch ab, sondern auch in Mathematik und Physik. Er unterrichtete zuerst Geschichte in Prag. Auf Anraten seines Freundes Alfred Meissner bewarb er sich um die Stelle eines Erziehers in der Familie des Grafen Nostitz und wurde angenommen. In den Jahren 1864 bis 1891 wirkte er im bildungserzieherischen Bereich in demselben Fach in Reichenberg/Liberec an der neu errichteten Handelsakademie. Diese gehört bis heute zu den ältesten ununterbrochen existierenden Schulen mit ökonomischer Ausrichtung in der Tschechischen Republik.4 Seine Karriere beendete Hallwich jedoch nicht als Historiker in Prag oder Wien, sondern als Parlamentarier im dortigen Landtag. Hinsichtlich Reichenberg und Umgebung publizierte er mehrere Artikel, Studien und Monographien, in denen er einen Überblick über die Geschichte der Stadt Reichenberg und dann auch anderer Orte lieferte, auch wenn ausgewählte Themen aus der lokalen Vergangenheit schon teilweise erarbeitet worden waren, wenngleich weniger detailliert und eher amateurhaft.5 Hallwich als Historiker widmete seine Aufmerksamkeit u.a. den nordböhmischen Gemeinden Bohosudov (Mariaschein), Česká Lípa (Böhmisch Leipa), Duchcov (Dux), Frýdlant (Friedland), 3 4 5 52 učňovská a vandrovní. Praha – Vídeň – Řím. Vzpomínky II (edd. Jaroslav Werstadt – Josef Klik), Praha 1963, passim. František Kutnar/Jaroslav Marek, Přehledné dějiny českého a slovenského dějepisectví. Od počátků národní kultury až do sklonku třicátých let 20. století, Praha 2. Aufl. 1997, 355 (auf 456 ist als Autor der Monographie „Firma Franz Leitenberger“ aus d.J. 1893 irrtümlich Hans Hallwich angegeben). Rudolf Anděl/Zuzana Fabiánová/Jaroslav Počer, Obchodní akademie Liberec 1863-2013, Liberec 2013. Der Reichenberger Bezirk. Heimatkunde für Schule und Haus, Reichenberg 1873; auch Reichenberg und Umgebung. Eine Ortsgeschichte mit spezieller Rücksicht auf gewerbliche Entwicklung, Reichenberg 1874 sowie Reichenberg vor dreihundert Jahren, Reichenberg 1868. Hermann Hallwich und Reichenberg Krupka (Graupen), Podmokly (Bodenbach) und Trmice (Türmitz). Außer der Vergangenheit menschlicher Ansiedlungen und deren Besitzer, d.h. adliger Familien, im Norden und Nordwesten des Böhmischen Königreichs, beschäftigte er sich in seinen Studien über Nordböhmen mit der Publikation eines sehr großen Teils der umfangreichen Korrespondenzen des Herzogs Albrecht von Waldstein/Wallenstein (Fünf Bücher Geschichte Wallensteins, 1910), des Besitzers von Gütern, die dem „aufsässigen“ tschechischen Adel nach 1620 konfisziert und von ihm selbst zum Herzogtum (Fürstentum) Friedland in den Jahren 1621 bis 1634 vereinigt worden war. Hallwich publizierte ebenso über das Leben von Wallensteins Mitstreitern (Gestalten aus Wallensteins Lager, 1885) und über dessen Widersacher (Heinrich Mathias Thurn als Zeuge im Prozess Wallensteins, 1883).6 Gleichzeitig beschäftigte er sich mit der Textilindustrie in Österreich und Reichenberg, die er aus eigener Erfahrung kannte, nämlich in seiner Funktion als Sekretär der dortigen Handels- und Gewerbekammer, wozu er am 23. Mai 1869 gewählt worden war.7 Hallwich gehörte ebenfalls zu den bedeutenden Sammlern von Kunstwerken in Nordböhmen.8 Nach dem Zeugnis seines Mitarbeiters Robert Teichl spiegelte die Wohnung des Historikers die Persönlichkeit und Interessen ihres Inhabers wider: Die Wände waren voll von tausenden von Büchern, sie wurden aber auch von Kopien Wallensteinscher Bilder verschiedener Malern geschmückt; auf dem Arbeitstisch stand eine große Bronzebüste des Herzogs von Anton Brenek9 und andere thematisch ähnliche Marmorbüsten von Heinrich Scholz.10 Ebenso hatte der leidenschaftliche Sammler Briefe von Wallenstein, Münzen, Medaillen, angeblich auch mehr als 2400 „kostbare Zeichnungen und grafische Kunstblätter mit Abbildungen von Teplitz und bedeutenden Städten und Schlössern Nordböhmens“. 6 7 Dazu vgl. den ausführlichen Beitrag von Robert Rebitsch in diesem Band. Státní okresní archiv v Liberec (SOkA Liberec), Fond des Nachlasses von H. Hallwich, unbearbeitet, Bescheinigung vom 30. 5. 1869 über eine Jahreseinnahme von 1500 Gulden in der Funktion eines Sekretärs in der „Handels- und Gewerbekammer Reichenberg“. Die Stelle bekam er definitiv ab 1. 6. 1869 (siehe Brief vom 28. 9. 1883, der Hallwichs 15jährige Aktivität in der Handels- und Gewerbekammer in Reichenberg würdigt). Vgl. Zdeněk Brunclík/ Pavel D. Vinklát, 150 let Hospodářské komory v Liberci, Liberec 2000. 8 Dazu vgl. die Beiträge von Bohuslava Chleborádová, Hana Knetlová, Jiří Bureš und Michal B. Soukup in diesem Band. 9 Anton Brenek, in Brünn gebürtig (1848-1908), wirkte nach 1880 in Reichenberg an der Staatl. Gewerbeschule. Für die Stadt schuf er das Denkmal Kaiser Joseph II. Vgl. Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder, Bd. 1, München – Wien 1979, 143. 10 Heinrich Karl Scholz, geboren in Mildenau/Luh bei Raspenava in Nordböhmen, Bildhauer (1880-1937). Vgl. den Artikel W. Aichelburg, Heinrich Karl Scholz, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 11, Wien 1997, 127-128. 53 M. Svoboda Hallwichs Zuhause wurde zu einem kleinen Museum über Wallensteins Persönlichkeit, von dem der Historiker ganz offensichtlich fasziniert war. Diese Gegenstände gelangten nach seinem Tode in verschiedene Museen, z.B. nach Eger, Teplitz und Dux.11 Was beinhaltet Hallwichs Reichenberger Nachlass? Wenn wir Hallwichs Privat- und Arbeitsleben in Reichenberg und Nordböhmen rekonstruieren wollen, lassen sich grundsätzlich zwei Typen von Quellen verwenden, die diese Persönlichkeit aus der Perspektive der tschechischen und deutschen Umwelt betrachten.12 Der erste Typus ist eine Vielzahl von Nekrologen. Der Großteil davon ist deutschsprachig und anonym abgedruckt. Sie beschränken sich auf Mitteilungen über Hallwichs Ableben. Einige Tageszeitungen widmeten dem Verstorbenen eine Spalte, ausnahmsweise auch mehrere. In dieser Hinsicht ist mit ihrem Umfang die Ausgabe des Periodikums „Die Industrie“ außergewöhnlich. Nekrologe als spezifischer Typus von Quellen haben nicht nur unterschiedliche Inhalte, sondern auch ungleiche Informationsqualität und gesellschaftliche Reichweite.13 11 Teichl, Hermann Hallwich, in: Deutsche Arbeit 13/9 (1914) 5-6. 12 An., Dvorní rada Dr. Hallwich zemřel, Národní listy, 11. 4. 1913, Abendausgabe (Übersetzung ins Deutsche als Handschrift erhalten in Hallwichs Nachlass in SOkA Liberec). Kritisch ist in seiner Bewertung Hallwichs als Historiker Josef Pekař in der Rubrik Zprávy v Český časopis historický (= ČČH) 19 (1913) 392-393. 13 Hier die Nekrologe und spätere Bewertung für das regionale heimatkundliche Periodikum besonders in Nordböhmen: W. Feistner, Hofrat Dr. Hermann Hallwich † [starb], in: Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde des Jeschken-Isergaues 7/1, 1913, 58-59; F. Hantschel, Hofrat Dr. H. Hallwich, in: Mitteilungen des Nordböhmischen Exkursions-Klubs 1913, 157-159; Robert Teichl, Hermann Hallwich, in: Deutsche Arbeit 13/9, Prag 1914, 1-6 (Sonderabdruck). Eine Menge Nekrologe sind aufbewahrt in Hallwichs Reichenberger Nachlass. Vgl. M., Hofrat Dr. Hermann Hallwich †, Die Industrie. Zeitschrift für die Interessen der österreichischen Industrie. Ausschließliches Organ des „Zentralverbandes der Industriellen Österreichs“, 20. 4. 1913, Nr. 16 (die ganze Nummer ist der Würdigung d. Persönlickeit von HH gewidmet An. [über das Begräbnis], Prager Abendblatt, 15. 4. 1913; Wilhelm von Wymetal, Hofrat Dr. Hermann Hallwich †, Centralblatt für die österr. ung. Papier-Industrie, 20. 4. 1913 (umfangreicher); An., Hofrat Dr. Hermann Hallwich gestorben, Bund öst. Industrieller 15. 4. 1913; An., Vorarlberger Landes Zeitung Bregenz, 14. 4. 1913; An., Hallwich gestorben, Trautenauer Echo, 18. 4. 1913; An., Hofrat Hallwich †, Gmünder Zeitung Gmünd, 19. 4. 1913; An., Trauerfeier des Zentralverbandes der Industriellen für Hofrat Hallwich, Neues Wiener Tagblatt, 18. 4. 1913 (umfangreicher); An., Hofrat Dr. Hermann Hallwich, Chemiker Zeitung, 19. 4. 1913; An., Hofrat Hallwich, Bohemia, 19. 4. 1913; An., Hofrat Hallwich †, Budweiser Kreisblatt, 16. 4. 1913; An., Hofrat Dr. Hermann Hallwich †, Duxer Zeitung, 16. 4. 1913 (umfangr. Nekrolog); An., Dr. Hallwich, Biela Zeitung, 19. 4. 1913; An., Hofrat Hallwich und das sogenannte „Wallenstein-Porträt“, Reichenberger Zeitung, 14. 4. 1913; An., Hofrat Dr. Hallwich †, Reichenberger Zeitung – Reichenberger Abendblatt, 14. 4. 1913; An., Dr. Hermann Hallwich, Das Leichenbegängnis, Deutsche Zeitung (Töplitz-Schönau), 16. 4. 1913; An., Hofrat Hallwich gestorben, Aussig-Karbitzer Volkszeitung, 12. 4. 1913; An., Ein Wallenstein-Forscher, Strassburger Post, 16. 4. 1913; An., 54 Hermann Hallwich und Reichenberg Der zweite bedeutende und außerordentlich inhaltsreiche Quellentypus stellt Hallwichs Nachlass dar, nämlich der inhaltsreichere Wiener Teil14 und ein kleinerer Reichenberger.15 Während die Materialien zu Hallwichs persönlichem Leben, wissenschaftlichen Arbeiten, politischer Tätigkeit und Vorlieben reichlich im österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv, konzentriert sind, dessen Bestand mehr als vierzig Kartons auch mit sehr allgemeinem Inhalt zählt, beinhaltet der Nachlass im Staatlichen Bezirksarchiv in Liberec/Reichenberg nur sechs Kartons, bisher nur zu zwei Dritteln bearbeitet. Es fehlt ein notwendiges Hilfsmittel (Inventarverzeichnis) und nach dem in der ČR gültigen Archivgesetz ist Hallwichs Reichenberger Nachlass eigentlich unzugänglich.16 Ein Karton verbirgt die umfangreiche Familienkorrespondenz (um die 560 Stück) aus den Jahren 1854 bis 1901, überwiegend aus der Zeit seines Aufenthalts in Reichenberg.17 Besonders als Hallwich in Wien weilte, schrieb er seiner Frau Rosa fast täglich.18 Ein weiterer nicht aufgearbeiteter Karton beinhaltet Hallwichs Anmerkungen zum Verkauf der publizierten Studien, vor allem zur Geschichte des Textilunternehmertums in der Reichenberger Region19, aber auch zum Marienwallfahrtsort Bohosudov/Mariaschein und zum Zisterzienserkloster in Marienthal in der Oberlausitz. Hier findet man eigene Sonderdrucke von Studien (auch anderer 14 15 16 17 18 19 Hofrat Dr. Hallwich †, Deutscher Volksbote, 18. 4. 1913. Zwei Traueranzeigen über Hallwichs Tod wurde untereinander abgedruckt in Fremden-Blatt, 12. 4. 1913, Nr. 99, 27. Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, Fond Nachlass Hallwich, enthielt ursprünglich 98 Kartons. Davon wurden die Kartons 45-60 1922 an Graupen übergeben und die Kartons 61, 65, 6984, 86, 88-89 ab 1929 in das Eigentum des Museums in Teplitz-Schönau überführt. Von den restlichen habe ich bei wiederholten Recherchen im Archiv in den Jahren 2009-2011 die Kartons 33 und 96 nicht gefunden. Zum Nachlass „Hallwich“ im HHStA vgl. den Beitrag von Thomas Just und Zdislava Röhsner in diesem Band. Wertvoll ist auch der schon teilweise bearbeitete Karton mit Arbeitsbestätigungen auf verschiedenen Posten, z.B. von Graf Nostitz, in dessen Familie Hallwich als Erzieher wirkte, weiter ein Zeugnis aus einem niederen Typ Schule und von der Prager Universität über die staatl. Abschlussprüfung, Bescheinigung über den Erwerb des Abgeordnetenmandats, u.a. Für die Möglichkeit, Hallwichs Nachlass zu studieren, bin ich den Archivaren und dem Leiter des Staatl. Regionalarchivs in Liberec Mgr. Robert Filip zu Dank verpflichtet. Staatl. Regionalarchiv in Liberec, Fond Nachlass Hermann Hallwichs, Karton Nr. 1. Die Korrespondenz ist in Mappen abgelegt und in fünf Teile getrennt: 1854-1870, 1871-1874, 1875-1879, 1880-1901 und undatierte Briefe und Blätter der leiblichen Kinder Gustav und Rosa Hallwich und dem nicht leiblichen Sohn Adolf Demuth (insgesamt 99 Stück). Vgl. dazu den Beitrag von Pavlína Boušková in diesem Band. z.B. Handschrift über den Textilunternehmer Johann Liebig, über Leitenberg in Kosmonosy, über die Fabrik von Leopold Abeles in Červený Kostelec, zur Geschichte der Familie Callenberg, Materialien und Auszüge zur Geschichte der Bekleidungsindustrie und zu verschiedenen Firmen, die in Textilzweigen tätig sind. Der Handschrift „Die Bevölkerung des Riesengebirges von der ältesten Zeit bis zur Gestaltung der gegenwärtigen Verhältnisse“ im Umfang von 115 Seiten fehlt die Fortsetzung. 55 M. Svoboda Autoren)20, Abschriften von deutschen und auch tschechischen Archivmaterialien aus dem 16. bis 18. Jahrhundert21, zudem Originale zeitnaher Archivalien22, an denen jedoch der Wiener Nachlass Hallwichs reicher ist. Weiterhin finden wir hier Kopien stenographischer Verzeichnisse, Zeitungen und Zeitungsausschnitte über zeitgenössische Ereignisse (Weltausstellung in Wien 187323, Weltausstellung in Paris 1878, Industrieausstellung 1890, resp. 1891 und ihrer Vorgängerin 1791), gedruckte Reden des Hofrats in Wien (1884, 1895, 1897) einschließlich Handschriften der Anmerkungen von Darlegungen und Meinungen zur damaligen österreichischen Politik, an der er sehr rege teilnahm.24 Es finden sich auch Bemerkungen zu seiner Einstellung gegenüber den Tschechen in den Zeiten des Kampfes um die Sprachgleichberechtigung (Badeni-Reformen). Im Reichenberger Nachlass haben sich außer Handschriften und Drucke auch einzigartige ikonographische Materialien erhalten, nämlich vier hochwertige Atelierfotografien größeren Formats.25 Ein besonderer Karton des Nachlasses enthält viererlei Dokumente über die Erteilung von Ehrenbürgerschaften einiger Städte des seinerzeitigen Böhmens.26 Ein anderer Karton beinhaltet Rezensionen und Reaktionen auf Hallwichs Werke; sehr sorgfältig verfolgte er vor allem die Rezensionen auf sein „chef d’oeuvre“, nämlich die Fünf Bücher der Geschichte Wallensteins, die im deutschen Umfeld bedeutende Beachtung und Anerkennung durch die Rezensenten fanden.27 20 z.B. August Leydhecker, Uiber die Cultur und Aufarbeitung des Leinens, s. d. (etwa 1870); Ludwig Langer, Flachsbau und Flachsbereitung, Wien 1893. 21 z.B. Abschriften von Privilegien für Weber von Dr. Jiří Mehl aus Střelice und Baltazar Mehl aus Střelice (aus d.J. 1515-1588), für Schützen aus Rumburg (1575), Einlage mit Abschrift aus dem Komotauer Privilegienbuch 15761722. 22 z.B. Handschriften, die die Wirtschaftsgeschichte des 18. Jhd. betreffen, Abschriften des Statuts für Bierbrauer von Maria Theresia (1774), Gutachten der Hofkanzlei über den Prager Handelsstand (1792), gedruckte Flugblätter aus der Zeit Josefs II. 23 Im Nachlass erhaltene Internationale Ausstellungs-Zeitung 1873. 24 Erhalten sind auch ganze Ausgaben Landes- oder Regionalperiodika, fachlich und politisch orientierte Druckerzeugnisse, z.B. Neues Wiener Tagblatt, Wiener Abendpost, Oesterreichische Illustrierte Zeitung, Grazer Tagblatt, Neue Freie Presse, Bohemia, Schlesische Zeitung, Reichenberger Zeitung, Trautenauer Wochenblatt, Böhm. Kamnitzer Anzeiger, Arbeiter Zeitung, Fremden-Blatt, Die Industrie, Mittheilungen des Industrie Club, Zeitschrift für Handel und Gewerbe, Oesterreichische Eisenbahn-Zeitung, Das Handels-Museum, Bestes kaufm. Tagblatt, Zeitschrift für Staats- und Volkswirthschaft. 25 Zwei sind verso datiert mit Trutnov 1886 (Ehre den Portraits Maria Theresia und Josefs II.), ein weiteres ohne Beschreibung und klarer Beziehung zu Hallwich. 26 Ehrenbürgerschaften erteilten Hallwich die Stadträte von v Hostinný (1882), Vrchlabí (1890), Trutnov (1894) und Lanškroun (1896). Staatl. Regionalarchiv in Liberec, Fond Nachlass Hermann Hallwich, nicht nummerierter Karton, unbearbeitet. Von weiteren Städten, deren Ehrenbürgerschaft er erhielt, sind aber in dem Reichenberger Nachlass keine Urkunden erhalten, es waren Krupka, Králíky und Teplice. 27 Aufbewahrt im unbearbeiteten Teil des Fonds in Mappen „Besprechungen für Fünf Bücher Geschichte Wallensteins 56 Hermann Hallwich und Reichenberg Es finden sich auch Auszüge zu den Arbeiten über Wallenstein und über den Dreißigjährigen Krieg, besonders aus dem Bestand der Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Die tschechische Historikergemeinde äußerte sich über Hallwichs Opus magnum nur spärlich. Lediglich Josef Pekář, der damals bedeutendste tschechische Forscher zu Waldstein, nahm ausführlicher Stellung und warf Hallwich Falsifikation historischer Fakten und krasse Fehlinterpretation vor.28 Gegen Hallwichs Arbeit trug der Historiker ernsthafte Vorbehalte im bekanntesten tschechischen historischen Periodikum wie auch im Nekrolog vor. Er bezeichnete ihn als „begeisterten Dilettanten“, der „völlig unkritisch“ gewesen sei, und so entspreche sein Werk keinen wissenschaftlichen Maßstäben.29 Er würdigte aber wenigstens Hallwichs außerordentlichen Fleiß und die große Leistung bei der Herausgabe der Korrespondenz des Generalissimus.30 Auch am Ende des Lebens, bei der zweiten Ausgabe des Buchs über Waldstein, blieb Pekář gegenüber Hallwich polemisch und unversöhnlich von der ersten bis zur letzten Seite seiner zweiteiligen Monographie.31 Bedenkt man die Bezie- 28 29 30 31 1910“. Es handelt sich um eine Rezension von Ottocar Weber, Ein neues Buch über Wallenstein, in: Erstes Morgenblatt der Frankfurter Zeitung, 2. 4. 1911; Hugo Pöpperl, (rec.), in: Mitteilungen aus der historischen Literatur, 96-105; Ottokar Weber, Wallensteins Aufstieg, in: Die Zeit, Nr. 2942, 2. 12. 1910; V. Loewe (rec.), in: Literarische Rundschau für das katholische Deutschland, Nr. 2, 1. 2. 1912, sl. 81-82; J. Hirn (rec.), in: Allgemeines Literaturblatt 21, 1912, sl. 44-46, in: Allgemeines Literaturblatt, Nr. 2, 31. 1. 1912; Alexander v. Peez, Wallenstein und die Volkswirtschaft, in: Die Industrie, Nr. 21, 21. 5. 1911, 2-3; R, (rec.), in: Revue Critique d’histoire et de Littérature, N. 33, 19. aout 1911, 132-136; Viktor Bibl (rec.), Beilage der «Neuen Freien Presse», Nr. 16880, 20. 8. 1911, 31-33; Ein neues Monumentalwerk über Wallenstein, in: Teplitz-Schönauer Anzeiger, Nr. 129, 2. 11. 1910, 4-5; Ein Lebenswerk, in: Wiener Montags-Journal, Nr. 1523, 17. 4. 1911, 5-6; K. Siegl, Fünf Bücher Geschichte Wallensteins. Ein neues Monumentalwerk über Wallenstein von Hofrat Dr. Hermann Hallwich in Wien, in: Egerer Zeitung, Nr. 284, 14. 12. 1910, 7; auch gedruckt in: Egerer Neueste Nachrichten, Nr. 99, 14. 12. 1910; auch in: Egerländer Bezirksblatt, Nr. 78, 14. 12. 1910, 1-3; Paul Wiegler, Wallensteins Feinde, in: Bohemia 42, 11. 2. 1911, 1-3, Fortsetzung in: Bohemia, Nr. 45, 14. 2. 1911, 1-4; O., (rec.), in: Literarischer Handmeiler zunächst für alle Katholiken deutscher Zunge, Nr. 4, 1911, sl. 148-149; Ein Lebenswerk, in: Wiener Montags-Journal, Nr. 1528, 17. 4. 1911, 5-6; Siegfried Kornitzer, Wallensteins Rettung, in: Fremden-Blatt, Nr. 126, 9. 5. 1911, 15-16. Listy úcty a přátelství. Vzájemná korespondence Jaroslava Golla a Josefa Pekaře (ed. Josef Klik), Praha 1941, 26, 464, 532. Besonders der Brief auf 26: am 24. 1. 1894 teilt Pekař Goll mit, dass er pročítá a hodnotí die bisher durchforschte Literatur über Waldstein durchliest und auswertet. Zu Hallwich bemerkt er: „Hallwich mimo své advokátské vývody neváhal tu nejneslýchaněji překrucovati a vskutku falšovati historii. A jeho „vývody“ dosud revisi podrobeny nebyly; jsou z části všeobecně uznaným pramenem.“ Pekař kritisierte zwar massiv Hallwichs Auffassung von Wallenstein in ČČH 17 (1911) 130-131, das Werk aber bewertete er als bedeutend hinsichtlich „der Veröffentlichung neuen Materials, deren Sammlung Hallwich in eifriger Ergebenheit fast ein halbes Jahrhundert Arbeit gewidmet hat“. Ähnliche Vorwürfe klangen auch in seinem Nekrolog zu Hallwich in ČČH 19 (1913) 392 durch. Pekař meint hier die 3 Teile der Fünf Bücher Geschichte Wallensteins und die vierbändige Edition Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins in der Reihe Fontes rerum Austriacarum. Vgl. Josef Pekař, Valdštejn 1630-1634. Dějiny valdštejnského spiknutí, 1-2, Praha 1934, 2. Ausgabe. Zum ersten Teil 57 M. Svoboda hung beider Männer, die hinsichtlich Generation, Sprache und Gedankenwelt weit voneinander entfernt waren, spielen vermutlich nicht nur die Unterschiede in der fachspezifischen Methode und die Auffassungen zur Gestalt Wallensteins eine Rolle, sondern möglicherweise auch Konkurrenzspannungen sowie im nicht geringen Maße aber auch Pekářs jugendliche Überheblichkeit und spätere Altersselbstgefälligkeit.32 Was lässt sich über Hallwichs Reichenberger Wirken sagen? Schauen wir nun kurz auf Hallwichs Beitrag für Reichenberg und Umgebung.33 Sein umfangreichstes Buch zur Region beschäftigt sich mit den Anfängen der Stadt und führt bis in den Dreißigjährigen Krieg.34 Weiter setzte er die Arbeit nicht mehr fort. Es handelt sich nicht um die erste umfangreiche Beschreibung der Vergangenheit von Reichenberg. Einige Jahre früher als Hallwich gab der Reichenberger Forscher J. G. Herrmann eine ausführliche Beschreibung dieser Textilstadt heraus.35 Dank ihm war Hallwich die Arbeit erleichtert und er konnte sich mehr auf die städtische Geschichte in Hinblick auf Tuch- und Leinenweberei konzentrieren. Hallwich machte sich mit den Archivquellen gründlich bekannt, die im Rathaus aufbewahrt wurden, und im Unterschied zu seinen Vorgängern ließ er sich nicht auf Spekulationen ein. Im Gegensatz zu Herrmann äußerte er sich nicht zu „verdächtigen“ Quellen vom Typ einer angeblich mittelalterlichen Chronik über Reichenberg von Urban Moder, die sich in ihrer Entstehung auf die Wende des 10. auf das 11. Jahrhundert beruft. Gerade dieses Beispiel einer wissentlichen Verfälschung der ältesten Reichenberger Geschichte führte Hallwich zu einem außerordentlich kritischen Herangehen an das Quellenmaterialien, so dass er irrtümlich auch die ursprüngliche und echte Autobiographie des Joachim Ullrich von Rosenfeld aus den 1580er Jahren, die der erste Hauptmann und Verwalter des Reichenberger Schlosses in der Zeit der Herren von Redern aufgeschrieben 32 33 34 35 58 1, 3, 4, 17-19, 21, 30-35, 39-44, 63, 68-69, 72, 96, 220, 278, 279, 290, 291; zum zweiten Teil 4, 6, 19, 33, 36, 70, 77, 80, 108, 117, 136, 189, 215, 232, 259, 276, 300. Vgl. Pekař, Valdštejn 1630-1634, 1, 39, Anm. 1: „Hallwich, der Tschechisch konnte, erwähnte meine Arbeit, soweit ich weiß, mit keinem Wort.“ Pekař ärgerte es auch, dass Hallwich nicht die Quellen zu Wallenstein aus Jindřichův Hrades nutzte, worauf Pekař „vergebens“ aufmerksam machte. An dieser Stelle sollen Hallwichs kleinere Artikel und Studien über regionale Themen nicht erwähnt werden. Reichenberg und Umgebung. Eine Ortsgeschichte mit spezieller Rücksicht auf gewerbliche Entwicklung, Reichenberg 1874, 548 plus 112 Seiten. Joseph Gottfried Herrmann, Geschichte der Stadt Reichenberg, I-II Lieferung, Reichenberg 1863. Hermann Hallwich und Reichenberg hatte, als Falsifikation erklärte.36 Außer der erwähnten umfangreichen Monographie über Reichenberg, die vielleicht in einem weiteren Band der Geschichte der nordböhmischen Städte bis zur Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert fortgesetzt werden sollte, aber nicht mehr realisiert wurde, schrieb Hallwich kurze Abhandlungen über die Geschichte der Städte Friedland, Reichenberg, deren Historie, über die erste Fabrik in Reichenberg und über die Fachschulen im Norden Böhmens.37 Die Broschüre über Reichenberg im 16. Jahrhundert schöpft reichlich aus dem ältesten erhaltenen „Stadtbuch, Schoeppebuch“, das der ortsansässige Dechant P. Anton Hoffmann auf dem Dachboden des Reichenberger Schlosses gefunden hatte. Die Handschrift enthält Einträge aus den Jahren 1532 bis 1571.38 Hallwich widmete deshalb seine Aufmerksamkeit den Beziehungen zwischen den Besitzern von Reichenberg, namentlich den Bibersteins und den Redern, sowie deren Verwalter und der Stadt.39 Aus verschiedenen Gesichtspunkten, vor allem rechtlichen, interessierten ihn die Bürger selbst. Der Aussagewert der Quelle als Ganzes enttäuschte Hallwich etwas, weil sie keine Informationen über die religiöse und auch wirtschaftliche Situation des Lebens in Reichenberg enthielt. In der genannten Studie verzichtete Hallwich völlig auf Hinweise zu regionalen heimatkundlichen Recherchen, er fügte seinem Text jedoch zahlreiche Zitate zeitgenössischer Quellen und Anmerkungen an. Die Fußnoten zeigen auch, dass er sich bestens in der regionalen Sepulkralkultur auskannte, z.B. bei den Grabsteinen der letzten Herren aus dem böhmischen (friedländischen) Zweig der Bibersteins, die in der Dekanalkirche zur Hl. Kreuzfindung in Friedland beigesetzt waren.40 Seine Abhandlung über die erste Reichenberger Fabrik zur Herstellung von Textilien bewertete die Entwicklung der konzentrierten Textilmanufakturen in Reichenberg und Umgebung. In einem retrospektiven Rückblick würdigte Hallwich die Leinenmanufaktur des Johann B. Fremmrich 1710 bei Klattau. Er berücksichtigte die staatlichen Unterstüt36 Vgl. Milan Svoboda, Jáchym Ulrich z Rosenfeldu: Hejtman v mikrosvětě autobiografie ze 16. století, in: Pax bello potior. Die Sammlung ist Doc. PhDr. Rudolf Anděl, CSc. gewidmet (Red. M. Svoboda), Liberec, TU 2004, 126-154. 37 Friedland vor fünfhundert Jahren, Prag 1905, 72 Seiten (ursprünglich erschienen in Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 43/4, 357n.); Reichenberg vor dreihundert Jahren, Reichenberg 1868, 30 Seiten; Die erste Fabrik in Reichenberg, Reichenberg 1869, 32 Seiten; Gewerbe und gewerbliche Fachschulen im nördlichen Böhmen. Officielle Berichte der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer, Reichenberg 2. Ausgabe 1873, 37 Seiten. Vgl. dazu auch das Werkverzeichnis in diesem Band. 38 Ein weiteres, Hallwich bekanntes Stadtbuch war das „Neue Stadtbuch“ mit Verzeichnissen nach 1588. Offensichtlich war auch, dass das Stadtbuch mit den Einträgen der Jahre 1568 bis 1585 fehlt. 39 Vgl. Milan Svoboda, Redernové v Čechách. Nalézání zapomenutých příběhů 16. a 17. věku, Praha 2011. 40 Dazu František Švejda, Náhrobky Biberštejnů ve frýdlantském kostele, in: Bibersteinowie w dziejach pogranicza śląsko-łużyckiego, (red. Tomasz Jaworski), Zielona Góra 2006, 179-182. 59 M. Svoboda zungen des privaten Unternehmertums einschließlich der Beziehung zu Kaiser Karl VI. Er befasste sich mit den Reichenberger Innungen der Tuch- und Leinenweber vom 16. bis zum 18. Jahrhundert und ihrer Produktionskraft in der Region. Betonung legte er auf die Entwicklung der hiesigen Firma des Johann Georg Berger und Co. (1739-1810), und zwar seit dem Jahre 1775. Er widmete seine Aufmerksamkeit auch weiteren Produzenten im Bereich des Flachsgarns, z.B. Karl Bontéma. Hallwich beschäftigte sich ebenfalls mit den Auseinandersetzungen von Berger mit den konkurrierenden Reichenberger Innungen. Als Sekretär der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer und Forscher auf dem Gebiet der Textilherstellung kannte Hallwich nicht nur die technischen Voraussetzungen, sondern auch die zeitgenössischen Quellen, die er oftmals zitiert. Ganz richtig beschrieb er die Bildung des Bergerschen Wirtschaftsmonopols im Norden Böhmens als einen allmählichen, problematischen und konfliktreichen Prozess, der erst Ende des 18. Jahrhunderts einzelne Textilbetriebe entstehen ließ.41 Dank Berger wurde das Reichenberger Gebiet eine der industriereichsten Regionen im damaligen Österreich. Hallwich berechnete die Menge an Betrieben und Menschen, die darin beschäftigt waren, einschließlich ihrer Jahresproduktion.42 Ohne Zweifel idealisierte Hallwich in seiner Analyse Berger und seine Verdienste und es ist offensichtlich, dass er aus der erhaltenen und verwendeten amtlichen Korrespondenz, den rechtlichen Normen, Protokollen und weiteren offiziellen Quellen die hiesige Industrie und ihre Gründer zwar quellenkritisch, aber im günstigen Licht präsentierte. Die Studie über Friedland im 14. Jahrhundert basiert auf einer Handschrift aus dem Jahre 1409, die Hallwich in Abschrift und später in einer publizierten Ausgabe von Dr. Johann Kiemann erwarb, der diese im Jahre 1893 wiederum von Dr. Edmund Schebek erhalten hatte.43 Es handelt sich um das bekannte Urbar der friedländischen Grundherrschaft aus dem Jahre 1381, aufbewahrt in der Zweigstelle Děčín des Staatlichen Regionalarchivs in Litoměřice.44 Hallwich war der Erste, der dieses herausgab und mit knappen Kommentaren der Öffentlichkeit zugänglich machte. Er würdigte die Bedeutung dieser ältesten ungeteilten regionalen Quelle für die wirtschaftliche Geschichte (der Landwirtschaft, des Gewer- 41 Die erste Fabrik in Reichenberg, 30. 42 Die erste Fabrik in Reichenberg, 31. Die Reichenberger Leinenweberei beschäftigt 1260 Meister, 1830 Hilfsarbeiter und erzeugt jährlich 60.000 Stück Leinen. 43 Friedland vor fünfhundert Jahren, Prag 1905, 2. 44 Vgl. Helena Smíšková, K dataci nejstaršího frýdlantského urbáře, in: Archivní časopis 50/4 (2000) 226-230. Zuletzt zum Thema Lucie Prandnerová, Frýdlantský urbář, in: Památky Libereckého kraje. Sborník Národního památkového ústavu, územního odborného pracoviště v Liberci, Liberec 2009, 113-118. 60 Hermann Hallwich und Reichenberg bes), für die historische Demographie, historische Topographie und weitere Sachgebiete. Er verglich die Angaben aus dem Urbar mit den damaligen Ergebnissen der landesweiten Forschung ( J. Lippert, J. Emler und Fr. Palacký) und auch mit regionalen Recherchen ( Julius Helbig, Anton Ressel) im Zusammenhang mit den Verhältnissen in der nahen Oberlausitz (Hermann Knothe, Richard Jecht). Schließlich ist Hallwichs Abhandlung über die Industrie und die Industriefachschulen in Nordböhmen ein umfangreicher zeitgemäßer Bericht für die offiziellen Stellen des Königreichs. Sie diente als eine Standortbestimmung und Würdigung der bisherigen Arbeit und des Aufstiegs der Region und ihrer Industrieleistungen, die mit staatlichen Subventionen bedacht wurde.45 Die getätigten Investitionen in die Industrie, vor allem in die Textilindustrie, sollten schließlich in die Wirtschaft zurückgeführt werden und der Rentabilität der Region zugutekommen. Für die derzeitige Forschung zur Wirtschaftsgeschichte stellt Hallwichs Werk eine bedeutende Quelle dar, die die industrielle Aufteilung der Regionen im Umfang von 220 Quadratmeilen berücksichtigt und sich nach geographischen Gesichtspunkten in sieben Regionen gliedert: Erzgebirge und Mittelgebirge, nordböhmischer Sandstein, das böhmische „Niederland“, der Bezirk Reichenberg-Friedland, die Region des Iserund Riesengebirges und die sprachlich gemischten Industrie- und Landwirtschaftsbezirke. Er berücksichtigte auch besonders die damals bedeutenden Industrieregionen, in die sich Leitmeritz, Tetschen, Aussig, Teplitz, Reichenberg, Gablonz, Harrachsdorf, Trautenau und Braunau bis nach Grulich einreihen. Zudem würdigte er die Schulen mit Spezialisierung auf kunstgewerbliche Unternehmen, die Textilindustrie, das Fach Zeichnen, Chemie, Modellieren in Graupen, Klostergrab, Bilin, Dux und Mariaschein, Hochstadt und Reichenau bei Gablonz. Hallwich reichte ebenfalls einen Bericht über die Schulen im tschechisch-deutschen Grenzgebiet ein, resp. in den sprachlich gemischten Gebieten, wozu er Königgrätz, Neustadt an der Mettau, Semil, Eisenstadt, Turnau und Böhmisch-Aicha rechnete. Typisch ist, dass Hallwich sich auf die Geschichte des Unternehmertums im 18. Jahrhundert beruft, besonders auf den Zeitraum der Herrschaft Maria Theresias und Josephs II.46 Aus seiner Position heraus empfahl er dem Ministerium weitere Schulen für eine staatliche Unterstützung. Er machte auf die ausgezeichneten Ergebnisse von Schülern aufmerksam, die mit ihren Erzeugnissen bei den Ausstellungen in London, München, Paris und Wien mit dabei 45 Gewerbe und gewerbliche Fachschulen im nördlichen Böhmen, 4. Der Bericht ist klassisch auf Amtsart zum 31. 12. 1872 datiert, es wird aber noch der Bericht der Kammer aus dem Jahre 1869 zugeordnet. Der Autor des Textes macht darauf aufmerksam, dass dieser nach dem Autopsieprinzip entstanden ist. 46 Gewerbe und gewerbliche Fachschulen im nördlichen Böhmen, 35 (Anhang von November 1869). 61 M. Svoboda waren. Ebenso schlug er allgemeine Prinzipien vor, nach denen der Unterricht organisiert werden sollte, noch bevor neue Gewerbeschulen in Böhmen eingerichtet werden. Diese sollten in drei Stufen gebildet werden: Volksgewerbeschulen, Höhere Gewerbeschulen und Fachschulen. Zudem sollte über die Höhe an staatlichen (ministeriellen) Subventionen für bestehende und evtl. neu gegründete Bildungsinstitute diskutiert werden. Die genannte Studie zeigt Hallwich nicht nur als gut informierten Staatsbeamten, sondern auch als rationell denkenden Ökonomen mit historischem Weitblick. So lässt Hallwichs Oeuvre eine tiefe Verbundenheit mit der Region Reichenberg erkennen. Obwohl Hallwich als Historiker faktische Fehler gemacht und sich in einigen seiner Interpretationen gewiss geirrt hat, gehört er zu den bedeutendsten regionalen Forschern, nicht nur in Hinblick auf den Umfang seiner Interessen, sondern auch in Hinblick auf sein Bildungsniveau. Er ist ohne Zweifel der erste Historiker mit Universitätsbildung, der der weiteren Entwicklung der örtlichen Heimatkunde die Richtung wies und nicht nur sorgfältig mit schriftlichen Quellen arbeitete, sondern diese – im Unterschied zu seinen Vorgängern – in der Tat kritisch überprüfte. In der tschechischen Historiographie fehlt bisher ein umfassender Überblick zu Hallwichs lebenslangem Forschungswerk – und hier geht es nicht nur um seine Wallensteinmonographie und um das dazugehörende Editionswerk. Man kann konstatieren, dass sowohl für Nordwestböhmen durch die Bearbeitung der Geschichte von Teplitz, Graupen und Mariaschein, als auch für das nördliche Grenzgebiet des damaligen Böhmischen Königreichs die Werke dieses fleißigen Deutsch-böhmischen Forschers eine enorme Vermehrung der Kenntnisse über die Regionalgeschichte, die er selbst in einen landesweiten Kontext zu stellen wusste, brachte. Und dank der guten Fachkenntnisse Hermann Hallwichs begann sich auch deutlich ein Interesse an der industriellen Geschichte bemerkbar zu machen, besonders an der Entwicklung der Textilindustrie in der Region Reichenberg/Liberec. 62 Lothar Höbelt Hermann Hallwichs politische Karriere 1. „Der Flachs und die Wolle“: Trautenau und Reichenberg Die öffentliche Laufbahn von Hermann Hallwich erinnert ein wenig an englische Vorbilder. Dort war es, fernab vom deutschen „Juristenmonopol“, keineswegs ungewöhnlich, dass klassische Philologen es zum Präsidenten der Notenbank brachten oder Historiker ihren Kriegsdienst als hochrangige Mitglieder des Geheimdienstes ableisteten. Im alten Österreich war es nicht ganz so selbstverständlich, dass ausgerechnet ein Historiker und Gymnasiallehrer 1869 als Sekretär der Reichenberger Handelskammer engagiert wurde.1 Dieser Karrieresprung war die „kopernikanische Wende“ in der Karriere Hallwichs, alles andere ergab sich dann nahezu von selbst: Handelskammer-Sekretäre waren im Zeitalter der Interessensvertretung (und nicht der Volkssouveränität!) geradezu prädestiniert für parlamentarische Karrieren: Von Josef Neuwirth und Otto Lecher in Brünn bis zu Josef Fort in Prag gibt es dafür in den böhmischen Ländern viele Beispiele. So erstaunt es nicht, dass Hallwich bereits im Dezember 1871 zum ersten Mal in den Reichsrat entsandt wurde, dem er über mehr als ein Vierteljahrhundert angehören sollte. Eher schon fragt man sich, wie Hallwich zwischen Kammer und Parlament, Reichenberg und Wien hin- und herpendelnd, sein Arbeitspensum bewältigte – und dabei auch noch Zeit fand für seine Forschungen und Editionen, all das noch dazu in einem Zeitalter ohne Kopierapparat oder Digitalaufnahmen, ja die längste Zeit selbst ohne Schreibmaschine. Mindestens ebenso schwierig dürfte es für Hallwich gewesen sein, zwischen den divergierenden Interessen innerhalb seines Kammerbezirkes zu lavieren. Der Reichenberger Bezirk, der von Komotau im Westen bis Leitomischl im Osten reichte, war die Hochburg der österreichischen Textilindustrie. Doch hinter dieser kompakten Fassade lauerten Risse: 1 Seine erste einschlägige Arbeit war um die Jahreswende 1869/70 eine vom Ministerium angeforderte Studie „Zur Flachsgarnkrise“, die vom Krieg 1866 bis zur Missernte 1867/68 die Leiden der Branche auflistete und für Steuererleichterungen plädierte. Seine erste Interpellation im Reichsrat galt einer Erhöhung der Frachttarife bei der Kettenschifffahrt auf der Elbe; vgl. Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates (StPAH), VIII. Session, 707f. (27.2.1874). 63 L. Höbelt Reichenberg, wo Hallwich auch zum Stadtverordneten gewählt wurde, war das Zentrum der Woll- und Baumwollindustrie; Trautenau-Hohenelbe, sein Wahlkreis für den Reichsrat ab 1873,2 die Hochburg der Leinenweberei. Hallwich selbst vermeldete stolz, sein Kammerbezirk zähle „mehr Flachsgarnspindeln als das gesamte Deutsche Reich“. Nun profilierten sich aber gerade in den siebziger Jahren, als Hallwichs Karriere begann, die Reichenberger (und die Brünner) Kammer und ihre Abgeordneten (wie z.B. Neuwirth in Brünn) als Vorkämpfer des Schutzzolls; die exportorientierten Leinenweber hingegen blieben Anhänger des Freihandels. Bei der ersten großen Zolldebatte im Parlament Anfang 1878 war Hallwich sichtlich hin- und hergerissen zwischen seinen Trautenauer Wählern und seinen Reichenberger Auftraggebern. Er geißelte „die Ohnmacht und Schwäche“ der bisherigen österreichischen Handelspolitik und hieß die Wende zur Schutzzollpolitik im Prinzip gut: „Nationalökonomie ist die Wissenschaft der Vaterlandsliebe“. Doch versprach er, sich selbstverständlich auch für die Interessen der Leinenindustrie einzusetzen, die unter der Aufhebung des zollfreien Garnexports nach Deutschland litt. Hallwichs Gegenredner, der Freihändler Georg Granitsch, machte diese Maßnahme pauschal der Schutzzollbewegung zum Vorwurf, die „Zollkriege“ vom Zaun breche; doch Hallwich argumentierte, dabei handle es sich bloß um einem eklatanten Vertragsbruch der Berliner Regierung.3 Die Rede wurde von einem seiner liberalen Kollegen, dem Agrarier Viktor Ruß, prompt mit mildem Spott bedacht: „Ich habe mit Bangen dem Streit zugesehen, welchen in der Brust meines geehrten Freundes ein streitbares Ehepaar führt: Der Flachs und die Wolle. Er hat uns laut verkündet: Ich, Flachs, bin der Herr, und wenn mir nicht recht geschieht, so werde ich diesem Tarif nicht zustimmen. In der zweiten Lesung wird der Flachs auf den Tisch schlagen, um sich selbst Kraft einzuflößen und wird wieder sagen: Ich bin der Herr und werde nicht für die Position stimmen. Und zu der dritten Lesung fürchte ich, daß – wie es im Leben oft geschieht – die weibliche Hälfte die Oberhand haben wird.“4 Hallwich replizierte, bei ihm werde sehr wohl der Flachs der Herr im Hause bleiben, doch er blieb die Pro- 2 3 4 64 In einem Nachruf wird erzählt, seine Wähler in Hohenelbe hätten 1873 skandiert: „Und wenn aus den Fugen das All wich/Wir wählen den Dr. Hallwich.“ (Trautenauer Wochenblatt, 14.4.1913, 6). Dabei war seine Wahl – bis auf die tschechischen Stimmen aus Politz – nahezu einstimmig vonstattengegangen. StPAH VIII 10896-10901 (9.2.1878); ebd. 11323-6 (1.3.1878). Als stärkster Befürworter des Schutzzolls profilierte sich der Abg. der Brünner Kammer, Josef Neuwirth, der überzeugt war, „jeder Freihändler hat irgendeinen Punkt, wo er sterblich ist ...“. (ebd. 10951). StPAH VIII 11025 (15.2.1878). Hermann Hallwichs politische Karriere be aufs Exempel schuldig. Denn er glänzte bei der 3. Lesung durch Abwesenheit, war „unwohl gemeldet“.5 Eine ähnlich zwiespältige Haltung nahm Hallwich wenige Monate später bei der Behandlung des Handelsvertrags mit dem Deutschen Reich ein, der nur minimale Zugeständnisse an die österreichische Leinenindustrie enthielt. Er empfahl dem Reichsrat namens des Ausschusses zwar die Annahme des Vertrages, „obwohl mit Widerstreben“, wie er ausdrücklich hinzufügte.6 2. Der Linksüberholer: Vom „Herbstzeitlosen“ zum „Deutschen Klub“ Hermann Hallwich zählte nicht zu den „Spitzenpolitikern“ des alten Österreich, den Plener, Herbst und Wolf. Aber er war auch kein Hinterbänkler, sondern stand in der zweiten Reihe ganz vorne; er war einflussreich in seiner Heimat und arbeitsam in den Ausschüssen in Wien, einmal sogar als Minister im Gespräch.7 Innerhalb der Deutschliberalen war er keinem der exponierten Flügel zuzurechnen, sondern bewegte sich in der Mitte, nicht ohne ab und zu etwas stärker in die eine oder andere Richtung zu lenken. Hallwich war kein „Ausbund des Ministerialismus“, er gehörte in den siebziger Jahren nicht zu Pleners „bosnischen Linken“, den Liberalen am rechten Flügel, die dem Ministerium Auersperg noch über sein Ableben hinaus die Treue hielten. Er zählte aber auch nicht zu den „Jungen“, die 1871 auf dem Parteitag in seiner Heimatstadt Teplitz von Herbst aus dem Feld geschlagen worden waren, und nicht zum Fortschrittsklub auf der äußersten Linken, dem sich aus den böhmischen Ländern nur ganz wenige anschlossen, darunter z.B. Hallwichs „Nachbar“, der Arzt Franz Moritz Roser als Abgeordneter für Braunau, der immer wieder durch sozialpolitische Vorstöße auffiel (so trat er z.B. als erster für Arbeitszeitbeschränkungen ein).8 5 6 7 8 Das Abstimmungsergebnis lautete 160 zu 145 (StPAH VIII 11434 f., 7.3.1878); Trautenauer Wochenblatt 11.3.1878, 3. Das ‚Trautenauer Wochenblatt’, das damals schon mit der Opposition gegen das Ministerium Auersperg sympathisierte, verteidigte Hallwich; die ‚Trautenauer Zeitung’ vom 16.2.1878 hingegen überging sein Auftreten mit Schweigen und druckte dafür die Rede des Freihändlers Georg Grantisch ab. StPAH VIII 13204 (21.12.1878). Als Gegenredner und Sprecher der Leinenindustrie fungierte der mährische Abgeordnete Franz Budig (Fortschrittsklub). Lothar Höbelt, Kornblume und Kaiseradler. Die deutschfreiheitlichen Parteien Altösterreichs 1882-1918, Wien 1993, 208. Wilhelm Wadl, Liberalismus und soziale Frage in Österreich. Deutschliberale Reaktionen und Einflüsse auf die frühe österreichische Arbeiterbewegung (1867-1879), Wien 1987, 76-78, 214-220. 65 L. Höbelt Hallwich zählte vielmehr zu den „Herbstzeitlosen“, wie sie Bismarck einmal nannte, den Anhänger des Prager Großmeisters: Er trat 1873 Herbsts „Klub der Linken“ bei, um dann gemeinsam mit ihm im Oktober 1878 zum Neuen Fortschrittsklub zu wechseln,9 ja er war ihm bei seinem Gang in die Opposition vielleicht sogar einen kleinen Schritt voraus. So verwahrte er sich z.B. schon im Februar 1877 – anders als Herbst oder auch die beiden Abgeordneten der Reichenberger Kammer – gegen jede Mehrbelastung der österreichischen Reichshälfte im Rahmen des neu zu verhandelnden Ausgleichs mit Ungarn.10 Ende 1878 stimmte Herbst trotz seines offen ausgesprochenen Misstrauens gegen den neuen Ministerpräsidenten Stremayr noch einmal für das Wehrgesetz, Hallwich jedoch dagegen;11 dafür gehörten kurz darauf beide zu den berühmten „112“, sprich: der Mehrheit der Liberalen, die Anfang 1879 gegen den Berliner Vertrag, Andrassys Außenpolitik und die Okkupation Bosniens und der Herzegovina votierten.12 Hallwich blieb auch nach den Wahlen von 1879, als die Deutschliberalen in die Minderheit geraten waren, seiner Linie treu: Er schloss sich im Reichsrat Herbsts „Liberalen“ an, die 1881 in der „Vereinigten Linken“ aufgingen. Die Versuche Taaffes, sich als überparteilicher „Kaiserminister“ zu präsentieren und zumindest einen Teil der Liberalen zu sich herüberzuziehen, stießen bei ihm auf keinerlei Resonanz. Er stimmte 1879/80 weiterhin konsequent gegen das Wehrgesetz und polemisierte gegen den Cesky Klub, die „Hussiten im Frack“, die erstmals im Abgeordnetenhaus Platz genommen hatten. Dabei bemühte er etwas weit hergeholte historische Parallelen aus dem 15. und 17. Jahrhundert: Den „Nationalitätengesetzen“ – er nannte Beispiele aus den Jahren 1413 und 1615 – sei bisher noch immer ein Fenstersturz gefolgt, um zu schließen: Wer weiß, wie es nach den Fundamentalartikeln gekommen wäre? 13 Hallwich sprach als alter Lehrer im Reichsrat bis in die achtziger Jahre immer wieder auch zum Budgetkapitel Unterricht. Dabei waren in der Regel keine besonders kulturkämpferischen Töne zu hören; sein Anliegen war vielmehr das „merkantile“ Schulwesen. Nur bei der Debatte um die Verkürzung der Schulpflicht von acht auf sechs Jahre im Frühjahr 1883 9 10 11 12 13 66 Deutsche Zeitung (DZ) 28.u.31.10.1878; eine sehr präzise Darstellung der Fraktionsverhältnisse findet sich im Trautenauer Wochenblatt 4.11.1878; vgl. die Graphik bei Lothar Höbelt, Die Fraktionen des Reichsrats, in: Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch (Hgg.), Die Geschichte der Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. VII, Wien 2000, 8951006, hier 926. Neue Freie Presse (NFP), 25.2.1877, 3. StPAH VIII 13183 (20.12.1878). StPAH VIII 13502 (27.1.1879). StPAH IX 2011-2019 (6.4.1880). Die Rede wurde auch als eigene Broschüre in Druck gelegt. Hermann Hallwichs politische Karriere fuhr Hallwich mit schweren Geschützen auf über das „Häuflein Erzklerikaler“, das hinter der Vorlage stehe; den tschechischen Abgeordneten kam bei der Abstimmung die Funktion eines Züngleins an der Waage zu. Ihr Votum für die Rechte kommentierte Hallwich polemisch: „Ihr Haß war immer größer als ihr Liberalismus und ihre Führer sind niemals liberal gewesen.“14 Auch bei dieser Gelegenheit bemühte der Historiker die Geschichte: Maria Theresia und die Kaplitzer Musterschulen des Abtes Kindermann, um bewusst böhmische Beispiele und kirchliche Vorbilder gegen die Novelle ins Treffen zu führen. Jahre später freilich entschlüpfte ihm in einer Kontroverse mit Gregr selbst die Bemerkung: „Geschichtliche Tatsachen müssen immer dann herhalten, wenn man etwas nicht beweisen kann.“15 In Wien waren die Deutschliberalen aller Schattierungen wiederum in einem Klub vereint, doch in Böhmen ging das Duell zwischen Herbst und Plener in den frühen achtziger Jahren in eine neue Runde – wenn es sich auch im Vergleich zu den siebziger Jahren um einen Kampf mit verkehrten Fronten handelte: Damals war Plener der Wortführer der „bosnischen Linken“ gewesen, die mit der Regierung gingen – Herbst jedoch der Anführer der „faktiösen Opposition“, der Geist, der stets verneint und einen Verfassungskonflikt heraufbeschwor. Jetzt war es Herbst, der im Landtag durchaus konstruktiv agierte – und Plener, der von Taaffe enttäuscht worden war und deshalb in seiner Agitation gegen das Ministerium alle Register zog. In den siebziger Jahren hatte der Kaiser einmal geseufzt, man hätte in Österreich die schönste Ruhe, wenn man bloß Clam und Herbst beide einsperren könnte.16 Jetzt hieß es: „Muß denn Österreich zugrunde gerichtet werden, weil Graf Taaffe den Plener nicht mag“ (oder auch umgekehrt).17 In diesem Ringen zwischen den beiden Koryphäen der Liberalen blieb Hallwich seiner oppositionellen Linie treu – und das hieß diesmal, er trennte sich von Herbst. Plener brachte 1883 – nach dem Verlust der deutschen Mehrheit bei den Landtagswahlen – seine Abgrenzungsanträge ein, die weniger auf eine tatsächliche administrative Zweiteilung des Königreiches Böhmen abzielten, sondern einen Anlass für einen Boykott des Landtags bie14 StPAH IX 10130 f. (14.4.1883). Allerdings wurde es in der Novelle den Kronländern freigestellt, die Schulpflicht wiederum zu verlängern; vgl. Friedrich Steinkellner, Georg Lienbacher, Wien 1984, 219. Im Lichte heutiger Kontroversen sticht auch Hallwichs Urteil über den vom „pädagogischen Standpunkt entschieden verwerflichen Halbtagsunterricht“ hervor. 15 StPAH XI 20224 (9.7.1895). 16 Franz Adlgasser/Margret Friedrich (Hgg.), Heinrich Friedjung. Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898-1918, Bd. 1, Wien 1997, 407f. 17 Eduard Heller, Zum Sturz des Ministeriums Taaffe, in: Historische Studien. A.F. Pribram zum 70. Geburtstag dargebracht, Wien 1929, 197-234, hier 233 (Anhang III., Beilage 1, Wien am 24. Oktober 1893). 67 L. Höbelt ten sollten. Ein solcher Exodus der Deutschen war in erster Linie dazu gedacht, Taaffes Anspruch auf Versöhnungspolitik ad absurdum zu führen. Diesen Vorstoß Pleners unterstützte auch Hallwich.18 Offen bleibt, ob er das hintergründige Kalkül Pleners teilte oder auch nur durchschaute – oder einfach nur der Stimmung seiner Wähler folgte. Die Elite der Prager Deutschen stand der Idee einer Zweiteilung des Königreichs mit gemischten Gefühlen gegenüber – zu diesen „Inseldeutschen“ mit ihren spezifischen Interessen zählte Hallwich zweifelsohne nicht. Doch sprach er sich andererseits erwartungsgemäß gegen eine Teilung „seines“ Reichenberger Kammerbezirkes nach nationalen Kriterien aus – wie sie der Logik der administrativen Teilung eigentlich entsprochen hätte.19 Hallwich entwickelte sich in den nächsten Jahren zu einem prominenten Vertreter der nordböhmischen Nationalliberalen, die sich mit den alten Fortschrittlichen vom linken Flügel verbrüderten und schließlich sogar so weit gingen, Herbst 1885 aus seinem alten Wahlkreis in Schluckenau zu vertreiben. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung nach den Reichsratswahlen des Sommers 1885 mit der Gründung des „Deutschen Klubs“ im Abgeordnetenhaus. Bisher hatten sich die Deutschböhmen – mit wenigen Ausnahmen – immer der gemäßigten Mehrheit der Liberalen angeschlossen; diesmal schlossen sie sich – darunter auch Hallwich – der Gruppierung am linken Flügel an.20 Hallwich hatte damit im schwelenden Konflikt zwischen Plener und Herbst eine salomonische Lösung gewählt – und beide links überholt. 3. „All politics is local.“ Der Rechtsabweichler „All politics is local“, heißt es in Amerika. Der „Deutsche Klub“ wies in den Augen Hallwichs von Anfang an einen Schönheitsfehler auf. Er umfasste auch seinen lokalen Rivalen, den frisch gewählten Abgeordneten von Reichenberg, Heinrich Prade.21 Denn in Reichen18 Nl. Plener 16, Ernst an Ignaz, 7.7.1883; Lothar Höbelt, Staatssprache oder Zweiteilung? Der Wendepunkt der deutschen Politik in Böhmen 1883-86, in: Helmut Rumpler/Lubos Velek (Hgg.), 150 Jahre moderner Parlamentarimus in Mitteleuropa (in Druck); zu Herbst, Plener und Schmeykal vgl. die Artikel von Lothar Höbelt, in: Josef Tomeš a kolektiv, Tváře našich parlamentů. 150 let parlamentarismu v českých zemích 1861-2011, Praha 2012, 187-189, 369371, 391-393. 19 StPAH IX 9985 (7.4.1883). Hallwich hielt Chrudim für industriell unterentwickelt; wenn man schon eine neue Handelskammer schaffen wolle, müsste sie im Elbetal und im Brüx-Teplitzer Kohlenrevier eingerichtet werden. 20 NFP 23.9.1885. 21 Zu Prade vgl. Lothar Höbelt, Heinrich Prade, in: Tomes a kolektiv, Tváře našich parlamentů, 372-4. 68 Hermann Hallwichs politische Karriere berg hatte ein Konflikt um die Konstituierung des Wahlkomitees weitere Kreise gezogen. Die Deutschnationalen, die in Reichenberg das bisherige städtische Establishment bekämpften, hatten nicht bloß ihren Kandidaten Prade durchgesetzt, sondern nach der Wahl auch Hallwich und einige weitere führende Liberale aus dem lokalen „Nationalverein“ ausgeschlossen. Das sei „ein öffentlicher Skandal“, wetterte die ‚Reichenberger Zeitung’.22 Als am 9. November, bloß zwei Wochen nach der Gründung des Deutschen Klubs in Wien, Prade prompt auch noch zum Landtagsabgeordneten gewählt wurde, legten die Liberalen aus Protest alle ihre Stellen im Gemeinderat nieder und lehnten jede Kandidatur bei den Ergänzungswahlen ab.23 Diese Demonstration erwies sich als Fehlschlag. Die Deutschnationalen behielten die Stadtverwaltung bis zum Ende der Monarchie in der Hand, ja Prade sollte es schließlich sogar noch zum Minister bringen, als Franz Josephs liebster „Deutschnationaler“. Unter diesen Umständen konnte die Zusammenarbeit der Anführer der beiden verfeindeten Reichenberger Cliquen innerhalb des Deutschen Klubs kaum reibungslos vor sich gehen. In gewisser Weise entspannte sich die Lage, als Prade zusammen mit Steinwender und einem Dutzend anderer Abgeordneter der „schärferen Tonart“ im Februar 1887 aus dem Deutschen Klub austrat und die „Deutschnationale Vereinigung“ gründeten.24 Doch die Schubumkehr hatte nun einmal eingesetzt. Als prominenter Vertreter der Reichenberger liberalen Minderheit, die sich gegen die lokale Dominanz der Deutschnationalen zur Wehr setzte, wurde Hallwich nach rechts gedrängt. Er spielte deshalb eine führende Rolle, als sich die Reste des Deutschen Klubs mit den übrigen Liberalen im November 1888 unter Pleners Führung zur „Vereinigten deutschen Linken“ zusammenschlossen.25 Zusammen mit Plener und Herbst saß er als einer von drei Deutschböhmen im Vorstand der VDL und zählte zu den Unterhändlern, die mit Taaffe um die Jahreswende 1889/90 die sogenannten „Wiener Punktationen“ vereinbarten, den „böhmischen Ausgleich“. Mehr noch: Hallwich spielte innerhalb des Führungszirkels der Vereinigten Deutschen Linken keineswegs die Rolle des „Linksaußen“, sondern wechselte auch innerhalb der Li- 22 Reichenberger Zeitung 5.7.1885; Reichenberg in der Zeit der Selbstverwaltung (Reichenberg 1902) 26ff., 59. 23 Reichenberger Zeitung 11.11. und 3.12.1885; im ersten Wahlkörper, wo die Liberalen unbestreitbar über die Mehrheit verfügten, bewusst selbst die Gegenkandidaten gewählt! Unter den Enthüllungen im Zuge des Wahlkampfs war auch, dass einer der Anführer der Deutschnationalen in seiner Jugend Anhänger der tschechischen „Deklaranten“ gewesen sei (ebd. 14.11.1885). 24 Deutsche Zeitung 15.2.1887 (Abendausgabe). 25 NFP 7.11.1888. 69 L. Höbelt beralen auf den rechten Flügel. Bei den Verhandlungen zwischen Statthalter Franz Thun und den Deutschböhmen zeigte sich Hallwich viel nachgiebiger als Plener und Schmeykal. Dabei ging es um die Beschickung der böhmischen Landesausstellung im Sommer 1891, hundert Jahre nach der Krönung Leopolds II. Die Deutschen erblickten darin eine staatsrechtliche Demonstration und lehnten die Teilnahme ab. Vielleicht war es auch seine Position als Vertreter der Industrie, die Hallwich für eine Beteiligung der Deutschen plädieren ließ.26 In Reichenberg ging inzwischen der Kampf gegen Prade weiter. Schmeykal als Obmann des deutschen Landtagsklubs in Prag zählte zwar zu den Liberalen; doch er war in erster Linie um die Einheit der Deutschen in Böhmen bemüht und beschwerte sich über das „Dreinfahren“ Hallwichs, der Prade unbedingt auch bei den Reichsratswahlen 1891 einen Gegenkandidaten entgegenstellen wollte, obwohl sich die Deutschnationalen diesmal an alle Vorgaben des Prager Zentralwahlkomitees gehalten hatten. 27 Schlimmer noch: Als Statthalter Thun im Oktober 1892 die Reichenberger Stadtverwaltung auflöste,28 ergab sich ein Dilemma für die Deutschliberalen. Schmeykal wollte mit den Deutschnationalen zu einem modus vivendi kommen. Man dürfe sich nicht von der Regierung gegeneinander ausspielen lassen. Die Verhältnisse in Reichenberg hielt er für ein „öffentliches Unglück“: Der „Gegensatz der Meinungen /zwischen den Parteien Prades und Hallwichs / sei in den pathologischen Zustand persönlichen Hasses übergegangen.“29 Doch die Reichenberger Liberalen kümmerten sich nicht um Schmeykals Warnungen. Sie kandidierten und verloren, wenn auch knapp – und legten gegen das Resultat der Wahl dann zu allem Überfluss auch noch eine Reklamation bei der Statthalterei ein. Damit brachten Hallwichs Freunde ihre Partei erneut in Schwierigkeiten. Nach den Wahlen 1891 hatte Taaffe einen liberalen Minister in sein Kabinett aufgenommen. Doch inzwischen war die Annäherung zwischen Plener und Taaffe ein weiteres Mal gescheitert. Am 3. Dezember 1892 kehrte die Vereinigte Deutsche Linke deshalb zur Opposition zu- 26 Arthur Skedl (Hg.), Der politische Nachlaß des Grafen Eduard Taaffe, Wien 1922, 511 (Thun an Taaffe, 13.1.1891); Lothar Höbelt, Ausgleich und Ausstellung – Wirtschaft und Politik in Böhmen um 1890, in: Bohemia 29 (1988) 141-147, hier 144. Doch zeigte die Textilindustrie kein besonderes Interesse an der Ausstellung. 27 Nl. Plener 34, fol. 74 / Feb. 1891/; vgl. Lothar Höbelt, Die Linke und die Wahlen von 1891, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 40 (1987) 270-301, hier 278. 28 Im Reichsrat brachten die Deutschnationalen am 5. November 1892 deshalb einen Dringlichkeitsantrag ein; die Jungtschechen schlossen sich an, „um die beispiellose Unterdrückung der böhmischen Minorität in Reichenberg klar zu legen“; Plener und die Liberalen unterstützten den Antrag nicht, äußerten sich aber ebenfalls kritisch über das Vorgehen der Regierung; vgl. auch Otto Urban, Die tschechische Gesellschaft 1848 bis 1918, Wien 1994, 604, 608. 29 Nl. Plener 19, fol. 375, 28.10.1892. 70 Hermann Hallwichs politische Karriere rück und stimmte geschlossen gegen den Dispositionsfond. Unter diesen Umständen, so Schmeykal, sei der Appell der Reichenberger Liberalen an die Regierung ein „arger Mißgriff “, der sie „vollständig in der Gefolgschaft Thuns erscheinen läßt“; die Statthalterei „setzt alles daran, die Liberalen in Reichenberg ins Schlepptau zu nehmen und sie dadurch zu kompromittieren.“30 Für die Prager Parteileitung galten die hartnäckigen Reichenberger Liberalen in dieser Situation nicht als Beispiele besonderer Prinzipientreue, sondern als Peinlichkeit. 4. Der Wechsel nach Wien Zu den Reichenberger Liberalen zählte Hallwich allerdings schon nur mehr indirekt, denn er hatte 1891/92 auch beruflich einen Standortwechsel vollzogen.31 Nach über zwanzig Jahren sagte er der Reichenberger Kammer Adieu, um seine bisherige Tätigkeit in einem größeren Rahmen fortzusetzen. Er widmete sich der Gründung des „Centralverbands der Industriellen Österreichs“ (CVI), eines Dachverbandes der schutzzöllnerischen Industrie, „seiner ureigensten Schöpfung“.32 Anlass dafür war das „handelspolitische Kometenjahr“, wie es Hallwich später einmal ausdrückte: Denn 1891 war eine Reihe von Handelsverträgen neu verhandelt, eine Reihe von Zollpositionen gesenkt worden. Diese Gefährdung ihrer Interessen rief die Industrie auf den Plan, auch wenn sie mit dem Ergebnis letztendlich recht zufrieden war.33 Treibende Kraft und „Keimzelle“ bei diesen Bemühungen war der im Mai 1891 gegründete Verband der Baumwollindustrie unter dem Reichenberger Baron Friedrich Leitenberger, dem es erstmals gelang, Spinner und Weber in einer Organisation zusammenzufassen. Ein Rundschreiben vom 5. März 1892 gab dann den Startschuss zur Bildung des CVI. 34 Der CVI nahm in den ersten Jahren seines Bestandes keine Einzelmitglieder auf, sondern setzte 30 Nl. Plener 19, fol. 32, 31.12.1892; vgl. Zeit der Selbstverwaltung 33 f. 31 Hallwich wohnte in Wien im neuerbauten Rathausviertel, hinter der Universität, in der Grillparzerstraße 7. 32 Robert Teichl, Hermann Hallwich. Ein Nachruf. Sonderabdruck aus der Monatsschrift „Deutsche Arbeit“ 13/1914, Prag 1914, 2. 33 Vgl. Hallwichs Auftritte im Reichsrat StPAH XI 4596-4609 (19.1.1892). Die vorübergehende Annäherung zwischen Regierung und Liberalen in diesen Monaten war für die Interessen der Industrie zweifellos von Vorteil. 34 Gerald Sturmayr, Industrielle Interessenpolitik in der Donaumonarchie (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien 22), Wien 1996, 72ff.; Rückblick Hallwichs auf die Gründungsphase des CVI in: Die Industrie, 28.11.1902, Die Industrie, Festnummer 1892-1912, 5f. 71 L. Höbelt sich aus Branchenverbänden zusammen. Vor allem die Schwerindustrie und die Papierbranche sammelten sich unter seiner Fahne. Doch als „geschäftsführender Verband“ fungierten die Baumwollindustriellen: Erster Präsident war Leitenberger,35 Hallwich fungierte als „amtierender Beirat“ und war auch der Sekretär des Centralverbandes (notabene: Die Trautenauer „Flachs- und Leineninteressenten“ gründeten zur selben Zeit unter Karl Faltis ihren eigenen Verein).36 Es war kein Wunder, dass Hallwich – ab 1892 Hofrat Hallwich – als „Sprecher der Industrie“ und prominenter Vertreter des „gouvernmentalen“ Flügels der Liberalen auch als Minister im Gespräch war, sobald sich im Herbst 1893 gegen Taaffes Wahlrechtsvorlage eine „Große Koalition“ aus Deutschliberalen, Polen und Konservativen bildete, das Kabinett Windisch-Graetz. Vielleicht lag es aber auch an seiner prominenten Position, wenn sich diese Hoffnungen schließlich zerschlugen. Zumindest schrieb Plener in seinen Erinnerungen, Hallwich sei denn doch „zu sehr in den Kreis der großen Fabrikanten gebannt.“37 Man wollte einen Handelsminister, dem man im Ringen der diversen Interessengruppen eine gewisse Unabhängigkeit zutraute. Außerdem hatten die Liberalen nur zwei Portefeuilles zu vergeben. Es sei deshalb schwer möglich gewesen, beide mit Deutschböhmen zu besetzen. Neben Plener als Finanzminister wurde deshalb ein Vertreter der Alpenländer, der untersteirische Graf Gundacker Wurmbrand, ins Kabinett berufen, der auch inhaltlich eine andere Linie vertrat: Ein Bekannter beschrieb ihn kurz zuvor „als weit entfernt von jenem starren Zentralismus, an dem die Regierungskunst der Deutschen gescheitert ist“, und zudem als „offenen Gegner des Manchestertums.“38 Der „Großen Koalition“ war freilich keine lange Lebensdauer beschieden. Sie zerbrach binnen anderthalb Jahren an dem berühmt-berüchtigten Streit über die slowenischen Parallelklassen am deutschen Gymnasium der Stadt Cilli. Nun hätte sich über Cilli vielleicht eher 35 Kurt Lorber, Friedrich Freiherr von Leitenberger, Wien 1981. Hallwich veröffentlichte 1891 auch eine Studie über die Anfänge der Firma Leitenberger. Baron Leitenberger kaufte 1890 in Wien das Palais Klein-Wiesenberg; in der Wiener Politik bezog er mit der Gründung des Vereins gegen den Antisemitismus prononciert gegen Lueger Stellung; 1892 wurde er in das Herrenhaus berufen. 36 Industrie, Festnummer 40f. 37 Ernst von Plener, Erinnerungen, Bd. 3, Stuttgart 1921, 110. 38 Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 58, Wien 1889, 311. Gundacker Wurmbrand war der Neffe des Grafen Wilhelm Wurmbrand (1806-84), der vor 1848 in Böhmen zur ständischen Opposition gezählt hatte. Als Minister sei er „alles nur nicht normalspurig“ gewesen; vgl. Alois von Czedik, Zur Geschichte der k.k. Ministerien 1861-1916, Bd. 2, Teschen 1917, 8, 33f. Das Schloss Wurmbrands, Ankenstein, unweit der kroatischen Grenze, wurde in Tito-Ära eine Zeitlang als Schlosshotel geführt, steht inzwischen aber wieder leer. 72 Hermann Hallwichs politische Karriere der Steirer Wurmbrand den Kopf zerbrechen müssen. Aber zumindest wenn man Plener glaubt, so war es ausgerechnet Hallwich, der aus enttäuschtem Ehrgeiz die „ganze Agitation entfesselt“ habe, als er öffentlich erklärte, kein einziger Liberaler werde für Cilli stimmen.39 Im Reichsrat sprach Hallwich sich auch mit Blick auf Böhmen gegen „utraquistische Schulen in deutschen Gemeinden“ aus und warf den „deutschen sogenannten Konservativen, richtiger vielleicht sogenannt deutschen Konservativen“ nationalen Verrat vor.40 Auf alle Fälle verfolgte Hallwich in dieser Sache einen undurchsichtigen Kurs. Denn bei der Abstimmung über das Budget am 20. Juli 1895, wenige Tage nach dem Zerfall der Koalition, gab er eine von nur vier deutschböhmischen Pro-Stimmen ab.41 An seiner in den neunziger Jahren grundsätzlich gouvernmentalen Haltung hatte sich also nichts geändert. Damit hatte Hallwich sich bis zu einem gewissen Grad zwischen alle Stühle gesetzt: Plener hielt ihn für den Totengräber der Regierung; die oppositionellen Deutschnationalen aber interpretierten sein Verhalten so, dass er letzten Endes doch für Cilli gestimmt habe. Zwar wurde Hallwich im Herbst 1895 vom Städtebezirk Hohenelbe-Arnau noch einmal in den Landtag gewählt, doch erst im zweiten Wahlgang; ein für einen so prominenten Kandidaten blamables Resultat. Daran war zunächst die Sonderkandidatur eines Lokalfavoriten in Arnau schuld; doch auch in der Stichwahl stellte sich heraus, dass Hallwichs Vorsprung äußerst gering ausgefallen war. Das deutschfortschrittliche ‚Trautenauer Wochenblatt’ reagierte empört: Das sei „ein sehr bedenkliches Zeichen – nicht für Hofrat Hallwich, sondern für die Wähler selbst.“42 Ihre Rivalin hingegen, die ‚Trautenauer Zeitung’, die sich damals politisch gerade umorientierte, kommentierte schnippisch: „Sein Mandat hing immer an einem seidenen Faden, für den Fall, als ein Gegenkandidat aufgestellt worden wäre.“43 Es war herauszulesen: Hallwich agierte zu „abgehoben“, hatte sich seit seiner 39 Plener, Erinnerungen 3, 190, 274. Ähnliche Vorwürfe richtete Plener auch an Baernreither, der sich ebenfalls Hoffnungen auf den Ministerposten gemacht hatte; gemeinsam hätten beide auch gegen die Eisenbahn-Verstaatlichungspläne Wurmbrands Stellung bezogen; in den StPAH (XI 18578) findet sich außerdem eine Interpellation Hallwichs, die k.k. Regierung möge für die Wahrung der österreichischen Interessen beim Abschluss des Friedens nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg 1895 sorgen. 40 StPAH XI 20224, 20226 (9.7.1895). 41 StPAH XI 20985 (20.7.1895). 42 Trautenauer Wochenblatt. 9.12.1895, 5. Der Arnauern warf das Blatt grobe Undankbarkeit vor, verdankten sie Hallwich doch die Errichtung des Gymnasiums in ihrer Stadt. 43 Trautenauer Zeitung, 7.12.1895. Das ursprüngliche Stimmenverhältnis lautete 443 Stimmen für Hallwich, 231 für Wolf; 266 entfielen auf den Arnauer Theodor Eichmann, der im zweiten Wahlgang nicht mehr antrat und sich für Hallwich aussprach; in der Stichwahl entfielen auf Hallwich 505 gegen 483 für Wolf, der stark aufgeholt und in allen Wahlorten – bis auf Trautenau – eine Mehrheit erzielt hatte. 73 L. Höbelt Übersiedlung nach Wien wohl nicht bloß räumlich von seinem Wahlkreis entfernt. Sein Gegenkandidat, der angehende Volkstribun Karl Hermann Wolf, von den Altliberalen in Anspielung auf die „Jungen“ ihrer Generation spöttisch als „Jüngstdeutscher“ bezeichnet, bezeichnete sich damals immer noch als Liberalen, hielt der liberalen Partei jedoch Taaffes Zitat entgegen, die eine Hälfte seien Aktionäre, die andere Reaktionäre. Er hatte es leicht, im Falle Hallwichs die Polemik gegen die Liberalen als „Verwaltungsratspartei“ wieder aufzuwärmen. Ein echter Volksvertreter müsse frei sein, nach oben und unten.44 1888 war es Hallwich gewesen, der nach allgemeinem Dafürhalten die deutschböhmischen Liberalen in den Hafen der Vereinigten Deutschen Linken steuerte. Als sich die Deutschböhmen 1896 wiederum von der Vereinigten Deutschen Linken lösten, ging Hallwich diesen Weg zwar mit, galt aber nur mehr als Mitläufer, nicht länger als Anführer. Als am 29. Juni 1896 im Spiegelsaal des Prager Casinos die Fortschrittspartei aus der Taufe gehoben wurde, war Hallwich in ihrem zehnköpfigen Leitungs-Ausschuss nicht mehr vertreten: Angeführt wurde die Fortschrittspartei vom Nachfolger Schmeykals als Obmann des deutschen Landtagsklubs, von Ludwig Schlesinger (einem Historiker, der seinem Beruf als Gymnasiallehrer treu geblieben war); prominent vertreten waren die Lokalgrößen und Bürgermeister, die sich von den Fährnissen der Reichspolitik abkoppeln wollten. Unter den zehn Mitgliedern befand sich bezeichnenderweise nur ein einziger Reichsratsabgeordneter (Anton Pergelt).45 Das Ende der parlamentarischen Karriere Hallwichs war symbolträchtig: Der WahlReichenberger mit seiner Verankerung im Establishment wurde von dem gebürtigen Reichenberger Karl Hermann Wolf im zweiten Anlauf, bei den Reichsratswahlen 1897, doch noch geschlagen. Diese Niederlage war allerdings nicht ohne ironische Komponente: Denn die Wahlkreise waren vor 1907 noch nicht ethnisch abgegrenzt. Die Wahl des Radikalnationalen, mit nur wenigen Stimmen Vorsprung, erfolgte dank der einhelligen Unterstützung des einzigen tschechischen Ortes im Wahlkreis Hallwichs, von Politz. Wolf revanchierte sich auch ganz offen mit einem Danktelegramm an den Bürgermeister von Politz.46 Offenbar gab es im Hintergrund weiterhin Bemühungen, Hallwich über die Handelskammer den Wiedereinzug in den Reichsrat zu ermöglichen, doch es hieß: „Hallwich traut sich offenbar 44 Trautenauer Zeitung, 16.11.1895. 45 Lothar Höbelt, Die deutsche Fortschrittspartei im alten Österreich (1896-1918), in: Etudes Danubiennes 20 (2004) 111-120. 46 Clemens Weber, Karl Hermann Wolf (1862-1941), phil. Diss. Wien 1975, 118. 74 Hermann Hallwichs politische Karriere nicht, das Kammermandat anzunehmen.“47 Die Badeni-Krise mochte ein solches Angebot vielleicht auch nicht allzu verlockend erscheinen lassen. Im Jahre 1901 ist Hallwich dann auch bei den Landtagswahlen nicht mehr angetreten: Sein Wahlkreis Hohenelbe-Arnau fiel an den alldeutschen Arbeiterführer Franko Stein, ein Kontrast, wie er größer kaum sein konnte, vom berufenen Wortführer des kapitalistischen Establishments zum Kumpan des Irredentisten Schönerer, vom promovierten Historiker zum bekennenden Verächter des akademischen Lebens.48 5. Der abgeklärte Lobbyist: Politik ohne Politik Der Rückzug aus dem Parlament stellte freilich keineswegs das Ende von Hallwichs politischer Karriere dar. Auf dem seit 1891 eingeschlagenen Weg als „spiritus rector“ des „Centralverbandes der Industriellen“ stand ihm sogar noch ein Aufstieg bevor. Bereits kurz nach seiner Wahlniederlage in Trautenau rückte er im Mai 1897 als Vizepräsident des CVI für Wittgenstein nach, 1900 wurde er zum geschäftsführenden Vizepräsidenten ernannt und amtierte ab 1904 schließlich als einer der zwei Präsidenten des CVI.49 Damit nahm er im altösterreichischen „Establishment“ zweifellos eine wichtige Stellung ein, allerdings fast ausschließlich hinter den Kulissen, oder wie er selbst bei Gelegenheit betonte: „Ich bin absolut dagegen, daß industriellerseits in Politik gemacht werde... .“50 Damit war zweifelsohne kein Verzicht auf schlagkräftige Interessensvertretungen gemeint, wohl aber Zurückhaltung bei vollmundigen Auftritten in der Öffentlichkeit. Dafür hatte die Sache mit den Stellen, die Hallwich in diversen „Verwaltungsräten“ bekleidete, sehr wohl ihre Richtigkeit. Schon 1894 trug ihm Graf Oswald Thun-Salm den „Eintritt“ in den Wiener Bankverein (wo Thun-Salm selbst als Präsident fungierte).51 Zwar 47 Ernst von Rutkowski (Hg.), Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, Teil I: Der Verfassungstreue Großgrundbesitz 1880-1899, München – Wien 1983, 382 (Stürgkh an Plener, 30.8.1897). 48 Zu Stein vgl. Ferdinand Burschofsky, Beiträge zur Geschichte der deutschnationalen Arbeiterbewegung in Österreich, Bd. 2, Hohenstadt 1914, 24, 33, 48f.; Michael Wladika, Hitlers Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k.u.k. Monarchie, Wien 2005, 263-266. 49 Sturmayr, Interessenpolitik 82. 50 Ernst von Rutkowski (Hg.), Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, Teil III: Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1905-1908, München – Wien 2011, 93 (Hallwich an Baernreither, 28.7.1905). 51 Rutkowski, Briefe und Dokumente I, 42 (Tagebuch Oswald Thun-Salm 28.9.1894); Die Industrie, 12.4.1902. 75 L. Höbelt scheint aus der Sache nichts geworden zu sein, dafür war Hallwich jedoch zum Beispiel in seiner engeren Heimat zum Präsidenten der Brüxer Kohlenbergbau-Gesellschaft gewählt worden, ein Konzern, der in den neunziger Jahren mit Hilfe der Anglo-Bank die Gruben des Grafen Westphalen aufgekauft hatte und den Ausgangspunkt für den Aufstieg des Hauses Petschek bildete.52 Als Hallwich am 10. April 1913 starb, hielt ein weiterer Kohlenbaron, sein Ko-Präsident im CVI, Max von Gutmann, die Grabrede; am Begräbnis nahm ein beindruckendes Aufgebot von Größen aus Wirtschaft und Verwaltung teil, auch mehrere ehemalige Handelsminister ließen es sich nicht nehmen, Hallwich ihre Reverenz zu erweisen; schütter vertreten waren bloß die Kollegen aus dem Parlament und der Parteipolitik. Das lag zum Teil an einem Generationenwechsel: Die Politiker, die ihr Handwerk noch unter Herbst gelernt hatten, waren zumeist schon lange vor Hallwich abgetreten. Es war aber auch nicht ganz zufällig, wenn Hallwich den Kontakt zur nächsten Generation nicht so leicht gefunden hatte. Die Fortschrittspartei, deren Gründung er zumindest begleitet hatte, war nur durch Stephan Licht und Otto Günther vertreten, beide wie Hallwich auch beruflich Vertreter der Industrie.53 52 Industrie, Festnummer 85. 53 Neue Freie Presse, 14.4.1913, 8. Außerdem kamen aus den Reihen der Abgeordneten der Reichenberger Hans Hartl (Volkspartei) und der „wilde“ Wiener Industrielle Max Friedmann. 76 Philipp Strobl Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist „So selten diese Personalunion eines Organisators der Industrie mit dem in stiller Geisteswerkstatt schaffenden Gelehrten sich findet, bei Hallwich griffen diese beiden Wirkungskreise eng in einander.“ (Robert Teichl über Hallwich)1 Die Wirtschaftsgeschichte bildete sich in der Donaumonarchie gegen Ende des 19. Jahrhunderts allmählich als eigene Wissenschaftsdisziplin heraus. Sie steckte zu dieser Zeit jedoch noch in den Kinderschuhen und baute bis 1914 auf unterschiedlichen Grundlagen auf.2 Historische Analysen wurden häufig als Hilfsmittel für wirtschaftstheoretische Fragen verwandt.3 Wissenschaft und Wirtschaft waren in diesem Bereich daher meistens eng miteinander verbunden. Diese Arbeit beschäftigt sich mit einem Menschen, der die Verbindung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sehr deutlich verkörperte. Sie analysiert das wirtschaftshistorische Schaffen des böhmischen Lehrers, Kammerfunktionärs, Politikers und Historikers Hermann Joseph Hallwich (1838-1913). Als Historiker hatte dieser drei hauptsächliche Interessensgebiete: Wirtschaftsgeschichte, Regionalgeschichte Böhmens, sowie den Dreißigjährigen Krieg unter besonderer Berücksichtigung des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein.4 1 2 3 4 Robert Teichl, Hermann Hallwich, in: Deutsche Arbeit. Monatsschrift für das Geistige Leben der Deutschen in Böhmen XIII (1914) 565-571, hier 567. Alois Brusatti, Betrachtungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Berlin 1979, 38. Vgl. im Überblick auch Alois Brusatti, Die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftsgeschichte, in: ders. (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Band I, Wien 1973, 605-624, sowie zur Wirtschaftsgeschichte des Habsburgerreiches im Allgemeinen die darin enthaltenen Beiträge und neuerdings in einer Gesamtsynthese Felix Butschek, Österreichische Wirtschaftsgeschichte. Von der Antike bis zur Gegenwart, Wien 2011. Brusatti, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 37. Dazu vgl. den Beitrag von Robert Rebitsch in diesem Band. 77 Ph. Strobl Ziel dieser Analyse ist die Darstellung von Hallwichs wirtschaftshistorischem Schaffen unter besonderer Berücksichtigung seiner wichtigsten Schriften. Seine Werke sollen dabei in einen historischen Kontext gesetzt und bewertet werden, um so die Frage nach der Bedeutung Hallwichs für die Wirtschaftsgeschichte zu beantworten. Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel, die im Wesentlichen den wichtigsten Abschnitten in Hallwichs Leben entsprechen. Hallwichs Jugend- und Ausbildungszeit Die Stadt Teplitz/Teplice war zur Zeit der Geburt Hallwichs ein blühender Kurort und Anziehungspunkt für tausende Erholungssuchende aus der gesamten Habsburgermonarchie. Zumeist wurde sie in einer Reihe mit den anderen, bedeutenden böhmischen Kurorten wie Karlsbad/Karlovy Vary, Marienbad/Mariánské Lázně und Franzensbad/Františkových Lázní genannt. Ein nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung war zu dieser Zeit im Fremdenverkehr tätig, so auch Hallwichs Eltern Joseph und Josefa Aloisia, die Pächter des Kaffeehauses Schlossgartensaal.5 In seiner Jugend erlebte Hallwich die Industrialisierung seiner Heimatstadt, bedingt durch den zunehmenden Braunkohlebergbau, und kam so bereits sehr früh mit Industrie und Gewerbe in Berührung, die ihn Zeit seines Lebens faszinierten. In späteren Schriften betonte er immer wieder die Bedeutung des „gewerblichen und merkantilen Fortschritts“, und dass dieser großteils „vor seinen Augen abgelaufen“ ist.6 Während der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs I. erfolgte die politische, soziale und wirtschaftliche Modernisierung Österreichs. Neue Gewerbeordnungen beseitigten nahezu alle Schranken für die Ausübung eines Gewerbes und führten zu einer regelrechten Flut an Firmenneugründungen.7 Durch das Aufbrechen feudaler Ordnungen setzte in Böhmen zudem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine massive Industrialisierungswelle ein, die alle Lebensbereiche nachhaltig verändern sollte, und von Karl Brousek zurecht als „revolutionäre Phase“ bezeichnet wurde.8 Dies galt in besonderem Maße für die nordböhmischen Industriestädte 5 6 7 8 78 Dr. Hermann Hallwich, Erster Geschichtsschreiber von Türmitz, in: Aussiger Bote, 27. Jahrgang/12. Folge (Dezember 1975) 373. Reichenberg und Umgebung. Eine Ortsgeschichte mit spezieller Rücksicht auf gewerbliche Entwicklung, Reichenberg 1872, 497. Philipp Strobl, Innsbrucker Wirtschaftsgeschichte, Innsbruck 2013, 47. Karl Brousek, Die Großindustrie Böhmens 1848-1918, München 1987, 15. Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist und Kohlereviere, in denen sich auch Hallwichs Heimatstadt befand.9 Ab dem Jahr 1849 besuchte der junge Hallwich das Jesuitengymnasium in der Industrie- und Bergbaustadt Komotau/Chomutov.10 Nach dem Schulabschluss studierte er Geschichte und Rechtswissenschaften an der Karls-Universität in Prag.11 Im Jahr 1862 wurde er schließlich zum Doktor der Philosophie promoviert.12 Als Schüler Constantin von Höflers, „dem Begründer der deutschen Geschichtswissenschaft in Böhmen“13, entwickelte Hallwich allmählich ein zunehmend deutsch-freiheitliches Gedankengut, sowie Begeisterung für seine böhmische Heimat, welche sein gesamtes späteres Wirken entscheidend mitprägten. Zu dieser Zeit erlebte Böhmen eine vermehrte Spaltung des Landes zwischen den beiden Sprachgruppen der Tschechen und Deutschböhmen,14 die auch am jungen Hallwich nicht spurlos vorüberging. Der Gegensatz wurde zunächst vor allem auf kultureller Ebene ausgetragen. Nationalsprachliche Eigenheiten wurden durch das Wachsen eines historischen Bewusstseins intensiviert, beispielsweise durch die Pflege der Landesgeschichte und die Errichtung von Landesmuseen, durch die damals eingerichteten Lesevereine mit überregionalen Zentren (z.B.: die matice ceska).15 In diesem Zusammenhang stand ebenso die Gründung des „Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen“ im Jahr 1862, an der Hallwich maßgeblich beteiligt war. Dieser strebte eine Verbindung von Volksbildung, historischer Forschung und Politik an.16 Während seines Studiums verdingte sich Hallwich unter anderem als Erzieher für die Familie von Albert Franz Graf von Nostiz-Rieneck, einem Politiker und Präsidenten des Central-Vereins der Rübenzuckerindustrie. Nostiz-Rieneck trat als erster Auftraggeber Hallwichs in Erscheinung, in dem er ihn mit der Verfassung einer zweiteiligen Jubiläumsschrift zur „Herrschaft Türmitz,“ beauftragte,17 die in den Jahren 1863 bzw. 1865 erschien. 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Ernst Bruckmüller, Ein „deutsches“ Bürgertum? Zu Fragen nationaler Differenzierung der bürgerlichen Schichten in der Habsburger Monarchie vom Vormärz bis um 1860, in: Geschichte und Gesellschaft 16 (1990) 345-354, hier 347. Heinz Zatschek, Hallwich, Hermann, in: Neue Deutsche Biographie 7 (Berlin 1966) 566; Onlinefassung http:// www.deutsche-biographie.de/pnd139873708.html. Teichl, Hallwich, 567. Artikel „Hermann Hallwich“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band 2, Wien 1958, 161. Josef Hemmerle, Höfler, Konstantin Ritter von, in: Neue Deutsche Biographie 9 (Berlin 1972) 313-314; Onlinefassung URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118774654.html. Für mehr Informationen zum Thema siehe Wilhelm J. Wagner, Geschichte Österreichs. Daten, Fakten, Karten, St.Pölten 2002, 268f. Bruckmüller, deutsches Bürgertum, 350. Peter Urbanitsch, Schlesinger, Ludwig, in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007) 4; Onlinefassung URL: http:// www.deutsche-biographie.de/pnd138214379.html. Dr. Hermann Hallwich, Erster Geschichtsschreiber von Türmitz, in: Aussiger Bote, 27.Jahrgang/12. Folge (De- 79 Ph. Strobl Insbesondere der zweite Teil widmete sich bereits intensiv wirtschaftshistorischen Darstellungen.18 Diese Auftragsarbeit bildete den Anfang einer Reihe von weiteren Arbeiten, die an den Privatgelehrten Hallwich herangetragen wurden. Hallwich als Lehrer und Kammerfunktionär Während seiner Jugend entwickelte Hallwich eine rege Begeisterung für den industriellen Fortschritt, den er später zu den wichtigsten „Heldenthaten der civilen Entwicklung“ zählte.19 Seine Studienjahre in Prag sowie sein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse ließen ihn immer näher an das damals aufkommende deutsch-liberale Gedankengut rücken. In dieser Zeit wurden seine Begeisterung für seine Böhmische Heimat sowie ein deutsch-böhmischer Nationalismus entfacht, die in zahlreichen späteren Büchern zum Ausdruck kommen sollten. Der „frischgebackene“ Historiker Hallwich hatte bereits zwei Jahre vor Abschluss seiner Dissertation eine Stelle als Lehrer an einer deutschen Schule in Prag angenommen. Im Jahr 1864 begann er als Lehrer an der neuerrichteten Handelslehranstalt in Reichenberg/ Liberec.20 Zu dieser Zeit erlebte das Gebiet um Reichenberg eine vorläufige Hochblüte der industriellen Entwicklung. Diese sogenannten „Gründerjahre“ waren eine Zeit hektischer Wirtschaftsentwicklung, die vor allem auch einen verstärkten Einsatz neuer Technologien brachte.21 Durch seine Arbeit an der Handelslehranstalt Reichenberg kam Hallwich verstärkt mit wirtschaftshistorischen Themen in Berührung. Und so verlagerte sich auch seine publizistische Tätigkeit zunehmend in diese Richtung. Im Jahr 1868 verfasste er eine Monographie über die Geschichte der böhmischen Bergbaustadt Graupen. Mit dieser Publikation stieß er erstmals über die Landesgrenzen hinaus auf Interesse. So würdigte das Leipziger „Literarische Centralblatt für Deutschland“ Hallwichs Werk als ein „erfreuliches Zeichen wissenschaftlicher Thätigkeit“, bei dem der Verfasser ein „reiches historisches Material benützt habe.“22 Die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ berichtete über ein Werk, das „fern von dem lauten Lärm des Marktes nach jahrelangem Sammeln entstanden ist und [...] in der 18 19 20 21 22 80 zember 1975) 373. Die Herrschaft Türmitz. Eine Denkschrift I/II, Prag 1863/1865. Reichenberg und Umgebung. Teichl, Hallwich, 565. Brousek, Großindustrie Böhmens, 46. Teplitz-Schönauer Anzeiger Nr. 50, 12. Dezember 1868, 370. Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist Behandlung des Kleinen als mustergültig anzusehen ist.“23 Noch im selben Jahr erschien eine erste, kurze Abhandlung über die Geschichte der Stadt Reichenberg im 17. Jahrhundert,24 in dem Hallwich neu aufgefundene stadtgeschichtliche Quellen auswertete. Ein eigenes Kapitel widmete er dabei auch der wirtschaftlichen Entwicklung der frühneuzeitlichen Stadt und ließ es sich nicht nehmen, Vermutungen über die ökonomische Vergangenheit Reichenbergs anzustellen, obwohl die Quelle die gewerblichen Verhältnisse der Stadt „mit keinem Worte erwähnt.“25 Im Jahr 1869 verfasste Hallwich eine erste, ausschließlich wirtschaftshistorische Arbeit. In einem 32 Seiten umfassenden Text mit dem Namen „die erste Fabrik in Reichenberg“26 traten sein Fortschrittsglaube sowie seine wirtschaftsliberale Gesinnung bereits deutlich in den Vordergrund. So beschrieb Hallwich darin nicht etwa die Tuchfabrik selbst, die ab dem Jahr 1796 in der Stadt Reichenberg ihre Produktion aufnahm, sondern er konzentrierte sich vielmehr auf den langen Kampf, den der Errichter der Fabrik mit den Zünften austragen musste, um seine Produktion aufnehmen zu können. Im Grunde ging es Hallwich um die Beschreibung der Anfänge des ab dieser Zeit allmählich aufkommenden Wirtschaftsliberalismus.27 So formulierte Hallwich in der Einleitung, die „Periode des Übergangs der heimischen Industrie aus dem alten, starren Zunftwesen zur neuen Zeit [...] des freien Gewerbes“ beschreiben zu wollen.28 Im gesamten Text selbst fehlte es schließlich auch nicht an Vergleichen mit Hallwichs eigener Zeit, dem ausgehenden 19. Jahrhundert. So wies er darauf hin, dass der Fortschritt nicht aufgehalten werden könne und dass sich nur der, welcher „sich ihm [dem Fortschritt] anschließt [...] zum Ziel gelangen“ könne,29 und dass „jeder einzelne von uns“ berufen ist, „bei diesem Werke mitzuschaffen.“30 In der gesamten Donaumonarchie fand ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ein massiver wirtschaftlicher Umbruch statt. So wurde das seit Jahrhunderten existierende Zunftsystem 23 24 25 26 27 Teplitz-Schönauer Anzeiger Nr. 50, 12. Dezember 1868, 370. Reichenberg vor dreihundert Jahren, Reichenberg 1868. Reichenberg, 29. Die erste Fabrik in Reichenberg, Reichenberg 1869. Als Basis des Wirtschaftsliberalismus wird häufig Adam Smiths 1776 erscheinendes Buch „Untersuchung über die Natur und die Ursachen des Wohlstandes der Nationen“ betrachtet, für mehr Informationen siehe Heinz D. Kurz, Das System der natürlichen Freiheit, in: Nikolaus Piper (Hg.), Die großen Ökonomen. Leben und Werk der wirtschaftswissenschaftlichen Vordenker, Stuttgart 1996, 29-36. 28 Erste Fabrik, 1. 29 Erste Fabrik, 31. 30 Erste Fabrik, 32. 81 Ph. Strobl von einer neuen, liberalen Gewerbeordnung abgelöst.31 Als ihre Nachfolger traten die Innungen oder Fachgruppen bei den im Jahre 1851 gegründeten Handels- und Gewerbekammern in Erscheinung.32 Die Kammer in Reichenberg galt dabei als die Bedeutendste in Böhmen, da der Kammerbezirk Reichenberg die höchste Industriedichte Böhmens aufwies.33 Gegen Ende der 1860er Jahre engagierte sich Hallwich bereits intensiv im Reichenberger Geistes- und Vereinsleben. „Historische und Volkswirtschaftliche Vorträge, die er für den Industriellen Bildungsverein der Stadt hielt“, lenkten schließlich „die Aufmerksamkeit maßgebender Persönlichkeiten der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer auf ihn“,34 die ihn schließlich auch zum Sekretär bestellten.35 Zeitgleich begann sich der überzeugte Wirtschaftsliberale auch zunehmend politisch zu engagieren. So wurde er noch im selben Jahr Vorstand des neugegründeten „politischen Vereins für Stadt und Bezirk Reichenberg.“ Im Herbst 1871 zog er als Abgeordneter in den böhmischen Landtag ein.36 Drei Monate später entsandte ihn der Bezirk Reichenberg in den Wiener Reichsrat,37 wo er sich der Liberalen Partei anschloss und bald zu einer ihrer führenden Personen wurde. Hallwich als Politiker und Industrielobbyist Neben seinem politischen Engagement und seiner beruflichen Karriere trat Hallwich weiterhin auch als Autor wirtschaftshistorischer Schriften in Erscheinung. Zwischen 1872 und 1874 erschien sein nächstes, umfangreiches wirtschaftshistorisches Werk mit dem Titel „Reichenberg und Umgebung. Eine Ortsgeschichte mit spezieller Rücksicht auf gewerbliche Entwicklung,“38 in dem Hallwich beabsichtigte, so viele Informationen wie möglich zur Geschichte der Stadt zusammenzutragen. Dies entsprach auch ganz seinen Aufgaben in der Handels- und Gewerbekammer, zu deren wesentlichen Funktionen das Sammeln von Informationen und die Herausgabe von Publikationen gehörten.39 In seinem Vorwort 31 32 33 34 35 36 37 38 39 82 Strobl, Wirtschaftsgeschichte, 47. Strobl, Wirtschaftsgeschichte, 47. Brousek, Großindustrie Böhmens, 97. Teichl, Hallwich, 565. Zatschek, Hallwich, 566. Teichl, Hallwich, 566. Neue Freie Presse, 18. Dezember 1871, 5. Reichenberg und Umgebung. Bousek, Großindustrie Böhmens, 95. Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist erhebt er selbst den Anspruch, „das vollständige Material zur Erschöpfung dieses Stoffes“ gesammelt zu haben.40 Und in der Tat wurde Hallwich diesem Anspruch auch gerecht. Bei den Recherchen für sein 548 Seiten (plus Anhang) umfassendes Werk trug er zahlreiche Informationen aus diversen privaten Archiven und Stadtarchiven, dem ehemaligen Gubernialarchiv in Prag, dem k.k Hofkammerarchiv in Wien sowie dem Hauptstaatsarchiv in Dresden zusammen. Das Buch bot schließlich eine umfangreiche Darstellung der Stadtgeschichte sowie der Entwicklung der für Reichenberg so bedeutenden Industrie und des Gewerbes. Zeitgenössische Rezensionen bewerteten es durchwegs positiv. So schrieb die Wiener Zeitung im Jänner 1875: „Überhaupt tritt in dem ganzen Verlaufe des Werkes die Sachkenntnis zu Tage, mit welcher der Verfasser seinem Gegenstande in jeder Beziehung gerecht wird.“41 Im Buch selbst wird jedoch auch sehr schnell Hallwichs politische Gesinnung deutlich und er wurde seinem Vorsatz des reinen „wissenschaftlichen Sammelns von Thatsachen“42, den er für sich in Anspruch nahm, nicht immer gerecht. So beschrieb er die vorindustrielle Vergangenheit des Ortes mit folgenden Worten: „Beschränktheit, nichts als geistige und materielle Beschränktheit, wohin wir schauen mögen, auf Markt und Straße, in Haus und Hütte, an allen Ecken und Enden.“43 Auf der anderen Seite beschrieb er die jüngste Vergangenheit wie folgt: „Fünfzig Jahre einer aufgeklärten, liberalen Regierung waren, wie wir gezeigt zu haben glauben, nicht spurlos an unseren Gemeinden vorüber gegangen. Die Bevölkerung, wenn wir so sagen dürfen, war sich selbst, das heißt der ihr allein zusagenden, naturgemäßen Thätigkeit, dem Handel und Gewerbe wiedergegeben.“44 Die Auflösung der Zünfte kommentierte er mit den Worten: „Auch in Reichenberg hatte die Stunde der Erlösung von dem alten, starren Zunftzwange bereits geschlagen.“45 Diese Aussagen sind freilich im Kontext der Zeit zu verstehen, da sich die Donaumonarchie bis zum Börsenkrach vom 8. Mai 1873 noch in einer sehr liberalen Phase der wirtschaftlichen Entwicklung befand,46 in der der Staat nur geringfügig in das Marktgeschehen eingriff. Hallwich verstand sich gut in seiner Rolle als Abgeordneter und Industrielobbyist. Bis zum Jahr 1897 war er im Prager Landtag bzw. im Reichsrat in Wien tätig. Als führendes 40 41 42 43 44 45 46 Reichenberg und Umgebung. Wiener Zeitung, 27. Jänner 1875, 6. Firma Franz Leitenberger 1793 bis 1893, Prag 1893, 2. Reichenberg und Umgebung, 393. Reichenberg und Umgebung, 462. Reichenberg und Umgebung, 477. Wagner, Österreich, 265; Brousek, Großindustrie Böhmens, 46. 83 Ph. Strobl Mitglied der Liberalen Partei fiel er zudem besonders durch seine Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftspolitik auf. Ab 1878 wurde er Referent für Handels- und Zollverträge und vertrat im Jahr 1891 die einschlägigen Verträge mit Deutschland, der Schweiz, Belgien und Italien,47 die am Anfang einer immer restriktiver werdenden Handelspolitik in der Donaumonarchie standen.48 Der sich ständig weiter radikalisierende Gegensatz zwischen Tschechen und Deutschen in Böhmen wirkte sich außerdem immer stärker auf Hallwich aus und wurde in dessen Werken immer offensichtlicher. So setzte er sich zwar für einen Ausgleich zwischen Tschechen und Deutschen ein, forderte aber auch eine stärkere Trennung zwischen den beiden Sprachgruppen. Seiner Meinung nach sollten beispielsweise die administrativen Verwaltungsgrenzen der Bezirke nach „nationalem Schlüssel“ abgegrenzt werden.49 Diese Abgrenzung spiegelte sich zunehmend in seinem literarischen Schaffen wider. Sein im Jahr 1886 erschienenes Werk zur Geschichte seiner Heimatstadt Teplitz/Teplice50 war beispielsweise bereits sehr stark von dem Gegensatz zwischen Deutschen und Tschechen beeinflusst. In einem zeitgenössischen Literaturbericht wurde er schließlich sogar für seinen Versuch kritisiert, den als slawisch geltenden Namen seiner Heimatstadt deutsche Wurzeln anzudichten.51 Zwischen 1871 und 1891 führte Hallwich ein sehr hektisches und mobiles Leben. Sein ehemaliger Mitarbeiter und Freund Robert Teichl schrieb später, dass es nicht selten war, dass Hallwich „heute in der Kammer amtierte, während der Nachtfahrt an seinem Referate arbeitete, im Hause [Reichsrat] das Wort ergriff und am nächsten Tag wieder an seinem Schreibtisch in Reichenberg saß.“52 Während seiner Jahre im Prager und Wiener Repräsentantenhaus setzte sich der Deutschliberale vor allem für die Belange der Wirtschaft ein. Zu seinen größten Errungenschaften zählt beispielsweise der Ausbau der Infrastruktur in Böhmen, vor allem in den Bereichen Eisenbahnbau, Schifffahrt auf der Elbe sowie bei der Erweiterung des gewerblichen Unterrichts.53 1890 beendete Hallwich seine Tätigkeit in der Rei- 47 Artikel „Hermann Hallwich“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band 2, Wien 1958,161f. 48 Alfred Hoffmann, Österreich-Ungarn als Agrarstaat. Wirtschaftliches Wachstum und Agrarverhältnisse in Österreich im 19. Jahrhundert, Wien 1978, 196. 49 Teichl, Hallwich, 566. 50 Töplitz. Eine deutschböhmische Stadtgeschichte von Hermann Hallwich, Leipzig 1886. 51 H.W. zu Töplitz, Eine deutschböhmische Stadtgeschichte von Hermann Hallwich, in: Historische Zeitschrift 58 (1887) 164-166, hier 165. 52 Teichl, Hallwich, 566. 53 Zatschek, Hallwich, 566. 84 Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist chenberger Handels- und Gewerbekammer54 und übersiedelte kurz darauf dauerhaft nach Wien. Im Jahr 1891 verfasste er eine Abhandlung über Otto Ludwig von Loscani (17001757), der von der Regierung in Wien als Repräsentations- und Kammerrat für Wirtschaftsfragen nach Prag entsandt wurde und im Jahr 1755 einen umfangreichen Bericht über die gewerblichen Verhältnisse in Böhmen abgab. In seinem Aufsatz beschrieb Hallwich das Leben eines historischen Akteurs, der nicht zu den Eliten gezählt werden konnte, deren Geschichte und Taten bereits gut dokumentiert waren. So schreibt Hallwich selbst: „Hier aber soll das Leben nicht etwa eines und des anderen Ministers, sondern sozusagen nur eines Sekretärs geschildert werden; das Schicksal nicht eines Mannes, der im Staate eine große, führende Rolle gespielt, vielmehr nur eines solchen, der zeitlebens für andere gearbeitet“ hat.55 Trotz einer sehr schwierigen Quellenlage gelang es Hallwich in dieser Kurzbiographie, sehr viele Informationen zum Wirken Loscanis zusammenzutragen. Unter anderem recherchierte er im Adelsarchiv, im Hofkammerarchiv sowie in der Hofbibliothek in Wien, in Statthaltereiarchiv in Prag und im Nationalmuseum in Budapest. Mit seiner Übersiedlung in die Hauptstadt der Monarchie intensivierte Hallwich seine Lobbyingarbeit für die Industrie. Noch im Jahr 1891 gründete er zusammen mit einem alten Bekannten aus Reichenberg, dem Baron und Textilunternehmer Friedrich Franz Joseph Leitenberger, den „Verband der Baumwollindustriellen Österreichs“. Bereits ein Jahr darauf war er maßgeblich an der Gründung des „Zentralverbandes der Industriellen Österreichs“ beteiligt. Dieser vereinte alle damals unabhängigen industriellen Interessensvertretungen und trat in weiterer Folge als Dachverband aller Industrieverbände auf.56 Der Zentralverband arbeitete außerdem sehr eng mit den Handels- und Gewerbekammern zusammen. Dabei wird ebenfalls die Handschrift des ehemaligen Kammersekretärs Hallwich erkennbar. Auf seine Initiative ging beispielsweise die Gründung der Handelspolitischen Zentralstelle zurück,57 die in weiterer Folge als maßgebliches Forum die österreichische Handelspolitik zwischen Kammern und Industriellenverband koordinieren sollte.58 Alle späteren wirtschaftshistorischen Schriften Hallwichs lassen sich in diesem Kontext erklären. So verfasste er im Jahr 1893 eine umfangreiche Firmengeschichte für seinen Freund Leitenberger. Bei dieser Beschreibung holte er weitläufig aus und befasste sich in den ers54 55 56 57 58 Michael Navratil, Almanach sněmu království Českého 1895-1901, Prag, 481. Otto Ludwig von Loscani, in: Oesterreichisch-Ungarische Revue XII (1891) 1-30, hier 6. Theodor Pütz, Verbände und Wirtschaftspolitik in Österreich, Berlin 1966, 589. Teichl, Hallwich, 566. Pütz, Verbände und Wirtschaftspolitik, 589. 85 Ph. Strobl ten Kapiteln beispielsweise mit der Geschichte der Baumwollspinnerei in Europa, Böhmen und dem Ort Cosmanos, in dem sich die Fabrik der Familie Leitenberger befand. In der Einleitung betonte Hallwich nochmals, lediglich den Standpunkt des „Sammelns von Thatsachen“ einnehmen zu wollen. Hallwich dürfte diesen Wunsch jedoch streckenweise außer Acht gelassen haben. So fehlt es im Werk nicht an Lob für Leitenberger und dessen Familie. Kapitel III beginnt beispielsweise mit einem Loblied auf den Firmengründer Johann Josef Leitenberger, der als „Urbild eines aus eigenster Kraft herausgewachsenen Charakters“ und als „ein Mann der Arbeit in dieses Wortes bester und edelster Bedeutung“ bezeichnet wurde. Kurz darauf beschreibt Hallwich, dass „Generationen arbeitsfreudiger, rüstig schaffender Männer von ihm ausgingen“59. Auch treten im Werk Hallwichs politische Ansichten immer wieder unverblümt zu Tage, wenn er beispielsweise ironisierend schreibt, dass der Ort „Lewin anderthalb Jahrhunderte die Segnungen einer Jesuitenherrschaft genoss“.60 Er bemühte sich in diesem Werk ebenso, die Vorrangstellung der Deutschen vor den Tschechen als Wirtschaftstreibende in Böhmen zu bekunden und beschreibt bereits in der Einleitung, dass „die Industrie Böhmens von Anfang an vorzugsweise in deutschen Händen lag“ und „von deutschen Händen gehegt und gepflegt wurde.“61 Insgesamt darf Hallwichs Werk eher als Familiengeschichte der Firmenbesitzer bezeichnet werden. So ging Hallwich weniger auf die Entwicklung des Unternehmens (z.B.: auf Umsatz-, Personal- und Produktionsentwicklungen) ein, sondern mehr auf die Taten der Familie Leitenberger. Das gesamte Werk gliedert sich anhand der jeweiligen Leiter der Firma. Nichtsdestotrotz wurden in der Firmengeschichte zahlreiche Informationen zusammengetragen. Hallwich recherchierte dafür im Wiener Hofkammerarchiv, im Archiv des Ministeriums des Innern und des Adels-Archivs (Wien) und durchstöberte zahlreiche lokale, böhmische Gemeinde- und Kirchenarchive, sowie das Prager Gubernial-Archiv. Als Grundlage für das gesamte Werk stand ihm zudem die Chronik der Familie Leitenberger zur Verfügung.62 Dies erklärt seinen starken Fokus auf die Firmenbesitzer. Auf das Werk selbst griffen bereits zeitgenössische Wirtschaftshistoriker häufig zurück. In einer umfangreichen Arbeit zur Böhmischen Industrie in der Neuzeit, die im Jahr 1913 erschien, wurden ganze Passagen aus Hallwichs Firmengeschichte übernommen, um so exemplarisch die Entwicklungen innerhalb der böhmischen Textilbranche zu 59 60 61 62 86 Leitenberger, 39. Leitenberger, 41. Leitenberger, 1. Leitenberger, 3. Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist skizzieren.63 Annähernd 86 Jahre später wurde Hallwichs Werk noch als die „erste und bis zum heutigen Tage gültige Firmengeschichte“ der Habsburgermonarchie gelobt.64 Als große Besonderheit in Hallwichs publizistischem Schaffen darf sein nächster wirtschaftshistorischer Beitrag gewertet werden. Im Jahr 1896 verfasste er ein umfangreiches Kapitel über Industrie und Handel in Böhmen im vierzehnten Band des von Kronprinz Rudolf organisierten Kompendiums des Habsburgerreiches mit dem Titel „die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild.“ Das so genannte Kronprinzenwerk umfasste 24 Bände und erschien von 1885 bis 1902. Es war somit das größte Werk, das je in der k.k. Hof- und Staatsdruckerei erschienen ist. An das Werk waren große Hoffnungen geknüpft. Es wurde insgesamt als großes „völkerverbindendes, gegen alle separatistischen Kräfte gerichtetes Friedensprojekt“ gesehen, „das durch die Vermittlung von Wissen, Versöhnung schaffen und die Solidarität in der Donaumonarchie stärken wollte.“65 Dieser Anspruch schlug sich auch in Hallwichs Kapitel nieder. So finden sich darin beispielsweise keine Hinweise auf den deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikt. Er verzichtete auch weitestgehend auf wertende politische Aussagen. Wie in seinen anderen Werken wartete Hallwich mit zahlreichen Fakten und Daten auf, die den Aufstieg Böhmes als „unbestritten gewerbereichstes Kronland“ vom 12. Jahrhundert an belegen sollten. Im Text werden die Interessen des ehemaligen Reichenberger Kammerfunktionärs jedoch auch schnell sichtbar. So geht Hallwich überdurchschnittlich oft auf die Entwicklung der Textilindustrie ein, die nach seinen Angaben in Böhmen „den höchsten Grad an Vervollkommnung“ aufzuweisen hat,66 obwohl die Textilindustrie zu dieser Zeit nicht mehr die tragende Rolle spielte, die sie noch bis kurz nach der Jahrhundertmitte eingenommen hatte.67 Weiters wird Hallwichs Fokus auf die nordböhmische Textilindustrie unter anderem auch durch den erstaunlichen Umstand deutlich, dass in dem Kapitel über Industrie und Handel nahezu gar nicht auf den Handel in Böhmen eingegangen wurde. Der liberale Erfolgspolitiker Hallwich, der im Lauf seiner politischen Kariere sogar „zweimal ein Ministerportfeuille ausschlug,“68 erlebte im Wien der späten 1880er und 63 Arthur Salz, Geschichte der böhmischen Industrie in der Neuzeit, München 1913, 360-364. 64 Brusatti, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 37. 65 Für weitere Informationen siehe Christiane Zintzen, Vorwort, in: Christiane Zintzen (Hg.), Die österreichischungarische Monarchie in Wort und Bild. Aus dem Kronprinzenwerk des Erzherzog Rudolf, Wien 1999, 9-20. 66 Industrie und Handel, in: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Wien 1896, 600-666, hier 600. 67 Brousek, Großindustrie Böhmens, 155. 68 Teichl, Hallwich, 566, wobei „ausschlug“ eine Beschönigung der Sachlage darstellt. Vgl. dazu den Beitrag von Lothar Höbelt in diesem Band. 87 Ph. Strobl 1890er zunehmend eine Krise seiner Partei mit. Mit dem Börsenkrach von 1873 schwand das Vertrauen in die freie Wirtschaft zunehmend. Konservative und radikale Kräfte machten viele Liberalisierungschritte wieder rückgängig.69 Seit dieser Zeit radikalisierten sich die Liberalen zunehmend und es wurden sowohl antisemitische als auch deutschnationale Töne immer lauter. Hallwich, der einen gemäßigten Kurs innerhalb der Partei vertrat, wurde immer häufiger kritisiert. Nicht nur einmal wurde ihm vorgeworfen, lediglich die Interessen einiger weniger wohlhabender Gruppen zu vertreten. Karl Kraus beschuldigte ihn beispielsweise im Jahr 1900 als „Speculant“ die Interessen der Anleger vor die der Bergarbeiter einer Kohlegrube70 gestellt und so indirekt ein verheerendes Grubenunglück mit 80 Toten verursacht zu haben.71 Nach einer Wahlniederlage in seinem Heimatbezirk gegen den aus Eger stammenden radikalen Deutschnationalen Karl Hermann Wolf zog sich Hallwich schließlich im Jahr 1897 aus der Politik zurück. Dank seiner ausgezeichneten Kontakte zur Industrie bekleidete er in den folgenden Jahren zahlreiche Leitungs- und Aufsichtspositionen in verschiedenen Unternehmen. So war er bis zu seinem Tod in der Leitung des „Zentralverbandes der Industriellen Österreichs“, seit 1904 war er sogar dessen Präsident. Zudem führte er den Vorsitz in der Brüxer Kohlenbergbaugesellschaft,72 der zweitgrößten böhmischen Aktiengesellschaft jener Tage,73 vertrat den Präsidenten des Aussiger chemischen Vereins und gehörte noch weiteren „angesehenen Gesellschaften als Verwaltungsrat an“.74 Anlässlich einer Industrieausstellung in Wien im Jahr 1898 erschien eine sechsbändige Festschrift über die Großindustrie Österreichs. Zu dieser steuerte Hallwich, als einer der führenden Köpfe im Zentralverband der Industriellen, ein umfangreiches einleitendes Kapitel zu den Anfängen der Industrie in der Habsburger Monarchie bei. In diesem Werk ging er sehr weit in die Vergangenheit zurück. Er begann seine Erzählung in der Antike, wo das Gewerbe seines Erachtens nach „allgemein verachtet“ wurde und „deshalb nicht gedeihen konnte.“75 In weiterer Folge beschrieb er die Entstehung von Handel und Gewerbe im Mittelalter. In dieser äußerst aufwendigen, aus Anlass zum 50jährigen Regierungsjubi69 Johannes Letschgo et. al. (Hg.), Österreichische Industriegeschichte 1848-1955. Die verpasste Chance, Wien 2004, 14. 70 Hallwich war zu dieser Zeit Präsident der Brüxer Kohlebergbaugesellschaft. 71 Karl Kraus, Die Fackel, September 1900, 11. 72 Teichl, Hallwich, 566. 73 Brousek, Großindustrie Böhmens, 117. 74 Teichl, Hallwich, 566. 75 Anfänge der Groß-Industrie in Oesterreich. Separat-Abdruck, Wien 1898, 3. 88 Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – Hermann Hallwich als Wirtschaftshistoriker, Politiker und Industrielobbyist läum von Kaiser Franz Josef herausgegebenen Publikation ging der Deutschböhme ebenfalls auf den Kriegsunternehmer Wallenstein als „Nationalökonom“ ein. Die „gewerbliche Massenproduction“ hatte durch den Feldherrn im nördlichen Böhmen, so die Feststellung des Wallenstein-Biographen, eine Heimstätte gefunden.76 Er sah Wallenstein somit als „geistigen und materiellen Urheber der nordböhmischen Industrie“,77 was er hauptsächlich mit dem enorm gestiegenen Bedarf der Rüstung erklärte, durch den „alle Gewerbe vollauf beschäftigt“ wurden.78 Hallwichs Erzählung endet mit der Beschreibung der Entwicklung einer Groß-Industrie unter den Habsburgern Maria-Theresia und Joseph II., bei der bereits „enorme Summen“ investiert wurden und der daher das „Capital bereits das Gepräge“ gab.79 Das Werk gliedert sich anhand der Politik der jeweiligen Habsburger Kaiser. Seine Ausführungen konzentrierten sich somit stark auf die Darstellung der politischen Förderung oder Behinderung von Gewerbe und Industrie. Zahlen und Fakten, anhand derer eine Entwicklung veranschaulicht werden hätte können, findet man darin jedoch eher selten. In dem Werk werden außerdem Hallwichs persönliche Interessen ganz klar sichtbar. So lag sein Hauptaugenmerk eindeutig auf der Entwicklung des Kronlands Böhmen. Deutschnationale Töne, obgleich seltener als in anderen Werken, wurden ebenfalls wieder laut. So schrieb er beispielsweise, dass besonders die slawischen Städte in Böhmen mit denen in Deutschland „nicht verglichen werden konnten.“80 Hallwichs Werk über die Anfänge der österreichischen Großindustrie bildete zugleich auch den Abschluss seiner Tätigkeit als Wirtschaftshistoriker. So widmete er sich im letzten Jahrzehnt seines Lebens intensiv seinem Hobby und drittem großen Forschungsschwerpunkt, der Geschichte Wallensteins, über den er bis zu seinem Tod im Jahr 1913 mehrere Bücher, Quellensammlungen und Artikel verfasste. 76 77 78 79 80 Großindustrie, 11. Großindustrie, 14. Großindustrie, 16 Großindustrie, 74. Großindustrie, 12 89 Ph. Strobl Was blieb – ein kurzes Fazit Ziel dieser Darstellung war die Beschreibung des wirtschaftshistorischen Schaffens Hermann Hallwichs. Dazu wurde versucht, dessen Werke in einen historischen Kontext zu setzen und zu bewerten. Insgesamt kann man festhalten, dass der Wirtschaftshistoriker Hermann Hallwich wertvolle Arbeit für die Wirtschafts- und Industriegeschichte Böhmens leistete. Sein Hauptverdienst lag im Sammeln zahlreicher Informationen, welche er in diversen Publikationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machte. Noch zu Lebzeiten Hallwichs beschrieb der in Böhmen geborene, deutsch-amerikanische Wirtschaftshistoriker Arthur Salz, dessen Leistung für die Wirtschaftsgeschichte wie folgt: „Was Historiker wie Hallwich [...] an Material zusammengetragen und gesichtet haben, besitzt dauernden Wert.“81 Hallwich erwies sich in seinen diversen Werken als gewissenhafter Sammler. So wurde er in vielen zeitgenössischen Rezensionen für seine aufwändigen Recherchen gelobt. Seine umfangreichen Nachforschungen sollten sich zudem für die spätere wirtschaftshistorische Forschung als überaus wichtig erweisen, da er einerseits auf Quellen zurückgreifen konnte, die heute verloren sind, andererseits konnte er durch seine Funktion als Kammersekretär, Industrielobbyist und Politiker auch „aus dem unmittelbaren Bereich der Erlebnisse selbst schürfen,“ wie der Wirtschaftshistoriker Alois Brusatti nahezu 70 Jahre nach Hallwichs Tod schrieb.82 Auch heute noch verweisen zahlreiche Publikationen zur Böhmischen Geschichte und Wirtschaftsgeschichte auf diverse Werke Hallwichs. Dabei wurden Hallwichs Publikationen sehr oft jedoch von seinen persönlichen Interessen beeinflusst. So scheint der damals brennende deutsch-tschechische Gegensatz in nahezu jedem wirtschafts- und regionalgeschichtlichen Werk Hallwichs auf. Der Deutschböhme benutzte seine Werke häufig, um die von ihm vermutete, wirtschaftliche und kulturelle Vormachtstellung der Deutschen in Böhmen unter Beweis zu stellen. Ebenso wenig gelang es ihm, seine politische wirtschaftsliberale Gesinnung sowie seine Rolle als Lobbyist der (Textil)Industrie in seinen Werken auszublenden. Die wichtigste, nachhaltige Leistung des Wirtschaftshistorikers Hermann Hallwich lag daher im Sammeln, Archivieren und Veröffentlichen von Informationen, einer Tätigkeit, die er als äußerst wichtig empfand und die er sich in seinen Werken zum Ziel setzte.83 81 Salz, Böhmische Industrie, III. 82 Brusatti, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 38. 83 Leitenberger, 2. 90 Robert Rebitsch Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg 1. Das Werk Der Volkswirtschaftler und Politiker Hermann Hallwich,1 ein studierter Historiker und Germanist, hinterließ ein reiches historisches Oeuvre. Neben seinen Werken zur Industrie- und Regionalgeschichte Böhmens war der Dreißigjährige Krieg sein Forschungsschwerpunkt. Hier wiederum stand ganz klar eine Person im Mittelpunkt seines Interesses: der böhmische Feldherr und Kriegsunternehmer Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein (1583-1634).2 Als Nebenprodukte seiner intensiven Beschäftigung mit den Quellen des Dreißigjährigen Krieges und vor allem mit den Korrespondenzen Wallensteins publizierte er weitere Studien zu anderen Militärs und Staatsmännern dieser Epoche. 1.1. Die Quelleneditionen Das 19. Jahrhundert war für die geschichtswissenschaftliche Forschung das Jahrhundert der großen Quelleneditionsprojekte. Erinnert sei nur an die Monumenta Germaniae Historica, deren erster Band im Jahr 1826 erschien, oder an die lange Reihe der Reichstagsakten, deren erster Band im Jahr 1867 publiziert wurde.3 Auch der aus Böhmen stammende kaiser1 2 3 Zu Hermann Hallwich vgl. die anderen Beiträge in diesem Band sowie kurz im Überblick Heinz Zatschek, Hallwich Hermann, in: Neue Deutsche Biographie 7 (Berlin 1966) 566f. Zum militärischen Großunternehmer des Dreißigjährigen Krieges vgl. nur die beiden rezenten Arbeiten von Robert Rebitsch, Wallenstein. Biografie eines Machtmenschen, Wien – Köln – Weimar 2010 und Geoff Mortimer, Wallenstein. The Enigma of the Thirty Years War, Basingstoke 2010 [deutsche Übersetzung: Wallenstein. Rätselhaftes Genie des Dreißigjährigen Krieges, Darmstadt 2012] (in den Literaturverzeichnissen dieser Studien findet man die ältere relevante Literatur zu Wallenstein). Zu diesen Quelleneditionen vgl. den Band von Lothar Gall und Rudolf Schieffer (Hgg.), Quelleneditionen und kein Ende? Symposium der Monumenta Germaniae Historica und der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, 22./23. Mai 1998 (= Historische Zeitschrift, Beiheft N.F. Band 28), München 1999 und Eike Wolgast, Deutsche Reichstagsakten, in: Lothar Gall (Hg.), ... für deutsche Geschichts- und 91 R. Rebitsch liche Generalissimus Wallenstein wurde zum Gegenstand editorischen Schaffens: Friedrich Christoph Förster,4 Karl Maria von Aretin,5 Peter von Chlumecký6 oder Beda Dudík,7 um nur einige bekannte Namen zu nennen, publizierten wichtige Quellenbände bzw. Schriftstücke zu Wallenstein.8 Hermann Hallwich reihte sich in diese Tradition der Publikation von Quellen ein und leistete – wohlgemerkt als Einzelforscher – einen beträchtlichen Beitrag zur Wallensteinforschung. Seine erste große Veröffentlichung über Albrecht von Wallenstein war keine Monographie, sondern eine Quellenedition. Das zweibändige Werk „Wallenstein’s Ende – Ungedruckte Briefe und Acten“ erschien 1879 im Verlag Duncker & Humblot, Leipzig. Die beiden Bände enthalten nicht weniger als 1350 Schriftstücke auf 634 und 565 Seiten versehen mit Kopfregesten (der Vollständigkeit halber sei nur erwähnt: ohne Nennung des Hauptgegenstandes der Korrespondenz) zu den vierzehn letzten Lebensmonaten des Generalissimus (plus einigen Aktenschriftstücken zur Causa Wallenstein nach dessen Liquidierung). Damit hat Hallwich zahlreiche wichtige Korrespondenzen zur sogenannten Wallensteinfrage – ist der Generalissimus des Verrats schuldig oder wäre er gar ein Friedensbringer gewesen – ediert. Die von ihm publizierten Akten stammen aus dem damaligen k.u.k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, vornehmlich der Bestand der sogenannten „Wallensteiniana“ und der „Kriegsakten“, sowie aus dem damaligen Archiv des k.u.k. Reichskriegsministeriums. Neben weiteren staatlichen Archiven in Wien (k.k. Hofkammerarchiv und k.k. Hofkanzleiarchiv) suchte Hallwich ebenfalls Privatarchive in Böhmen (Archiv Waldstein, Piccolomini, Clam-Gallas, Clary-Aldringen) auf, in denen er jedoch für diese Bände nur zum Teil fündig 4 5 6 7 8 92 Quellenforschung. 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2008, 79-120. Friedrich Förster, Albrechts von Wallenstein, des Herzogs von Friedland und Mecklenburg, ungedruckte, eigenhändige vertrauliche Briefe und amtliche Schreiben aus dem Jahre 1627 bis 1634. 3 Bände, Berlin 1828/29. Karl Maria von Aretin, Wallenstein. Beiträge zur näheren Kenntniß seines Charakters, seiner Pläne, seines Verhältnisses zu Bayern. Aus urkundlichen Quellen, München 1845. Peter Ritter von Chlumecky, Die Regesten oder die chronologischen Verzeichnisse der Urkunden in den Archiven zu Iglau, Trebitsch, Triesch, Gross-Bietsch, Gross-Meseritsch und Pirnitz, sammt der noch ungedruckten Briefe Kaiser Ferdinands II., Albrechts von Waldstein und Romboalds Grafen Collalto. I. Band/I. Abtheilung (= Die Regesten der Archive im Markgrafenthum Mähren 1), Brünn 1856. Beda DudÍk, Waldstein von seiner Enthebung bis zur abermaligen Übernahme des Armee-Ober-Commando, vom 13. August 1630 bis 13. April 1632, Wien 1858. Zu diesen Quelleneditionen vgl. Norbert Kersken, Die Wallensteineditionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Auswahlprinzipien und Geschichtsbild, in: Joachim Bahlcke und Christoph Kampmann (Hgg.), Wallensteinbilder im Widerstreit. Eine historische Symbolfigur in Geschichtsschreibung und Literatur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Köln – Weimar – Wien 2011, 263-278. Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg wurde,9 und druckte Akten aus dem Hauptstaatsarchiv Dresden ab. Die Münchner Archive hingegen blieben ihm verwehrt. Hallwich editierte im Zuge dieser groß angelegten Arbeit auch Korrespondenzen an Wallenstein und Schreiben anderer Militärs und Amtsträger, die nicht an Wallensteins Adresse gingen. Inhaltlich handelt es sich bei den Aktenschriftstücken vorrangig um militärische und politische Korrespondenzen und weniger um wirtschaftliche Aufzeichnungen oder landesfürstliche Akten. Zusätzlich zu den Aktenstücken verfasste der Deutschböhme eine Einleitung von über 160 Seiten, die im zweiten Band abgedruckt wurde und die seine Bewunderung für den Feldherrn Wallenstein nicht verbergen kann. In seiner Interpretation wollte der Deutschböhme der Wallenstein-Biographie Leopold von Rankes,10 den er sehr verehrte,11 folgen. Es blieb allerdings nur beim Wunsch. Dazu stellte Holger Mannigel in seiner umfassenden Dissertation zum Wallensteinbild in der deutschen Historiographie des 19. Jahrhunderts fest: „Hallwichs Schrift ist eine Apologie des Friedländers und zielt an Rankes Bemühen um eine abgewogene Darstellung der komplexen Zusammenhänge vorbei. Hallwich wirft die Wallenstein-Historiographie wieder in ein Stadium zurück, in dem sich Anklage und Verteidigung, Schuldzuweisungen und Freisprüche unversöhnlich gegenüberstehen.“12 In der Tat war Ranke in seiner Darstellung und differenzierten Wertung der Causa Wallenstein seinen Zeitgenossen weit voraus und sollte es noch lange bleiben. Der Nestor der deutschen Historiographie versuchte die historische Figur Wallenstein jenseits der Schuldfrage nüchtern in den historischen Kontext zu stellen und die Fakten, Ursachen, Intentionen und Motive der Wallenstein-Problematik emotionslos zu analysieren. Hallwich betonte zwar auch, er wolle „nichts weiter als ein Sammler von Thatsachen“13 sein, doch unvoreingenommen und neutral ging der fleißige Quellensammler nicht an die Sache. Der Generalissimus und Großunternehmer des Krieges sollte durch die Quelle selbst zu Wort kommen, die Quelle 9 Wallenstein’s Ende I, L-LII. 10 Zum deutschen Historiker Ranke vgl. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Leopold von Ranke und die moderne Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1988; und seine Wallenstein-Biographie in Rankes Meisterwerke. 9. Band: Geschichte Wallensteins, München – Leipzig 1915; zur dieser Biographie vgl. die Ausführungen von Gerrit Walther, Biographie als Experiment. Leopold von Rankes „Geschichte Wallensteins“: Aufbau und Absicht, in: Bahlcke/Kampmann, Wallensteinbilder im Widerstreit, 245-261 sowie Holger Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin. Das Urteil über Albrecht von Wallenstein in der deutschen Historiographie von Friedrich von Schiller bis Leopold von Ranke, Husum 2003, 449-541. 11 Hallwich drückte öfter seine Bewunderung für das Werk Rankes aus: So z.B. in den Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXIX; sowie auch in Briefe und Akten I, XXIV; Geschichte Wallenstein’s im Jahre 1633, 290. 12 Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 528. 13 Wallenstein’s Ende I, X. 93 R. Rebitsch sollte für sich selbst sprechen. Der Unschuldsbeweis sollte sozusagen dadurch erbracht werden, möglichst viele Quellen zu bringen, die eben keine Schuld bezeugen. Als „Retter“ oder „Richter“, so stellte er im Vorwort fest, wolle er nicht auftreten, aber dass er einen Beitrag zur „Werthbeurtheilung“ nicht nur des Menschen Wallenstein, sondern auch des „Rätsels“ Wallenstein liefern werde, war ihm wohl bewusst.14 Wie auch bei vielen anderen Quellenpublikationen des 19. Jahrhunderts zu Wallenstein war nicht nur der Gedanke Rankes zu „zeigen, wie es eigentlich gewesen“ die Intention des Werkes, also die Zurverfügungstellung der Quelle zur objektiven Bewertung und Interpretation, sondern sehr wohl auch eine Entlastung des Vorwurfs des Verrates an seinen Helden zu erreichen: „Sie (die Quellen, Anm. d. Verf.) haben auch diesen ihren Hauptzweck erfüllt, wenn sie ein Scherflein beigetragen, einem unstreitig bedeutenden Manne Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“15 Hallwich nahm daher keineswegs die Rolle eines neutralen Herausgebers ein, sondern bemühte sich um die Unschuldserklärung seines „Helden“. Schließlich, so Hallwich, wurde der Herzog von Friedland das Opfer der Kriegspartei am Wiener Hof, seiner bayerischen Gegner und der spanischen Partei. Er sah im Generalissimus und Kriegsunternehmer das Bemühen um den Frieden, nicht nur in Übereinstimmung mit dem Reichsoberhaupt, sondern 1633 zunächst im Auftrag des Kaisers.16 Dieser Ansicht kann man anhand neuester Forschungen durchaus folgen.17 Die Gründe für Wallensteins Sturz sind nicht vorrangig in den Friedensverhandlungen von 1633 zu suchen. Nach über dreißig Jahren, 1910, publizierte der engagierte „Hobbyhistoriker“ bei Duncker & Humblot, Leipzig, eine groß angelegte Biographie zu Wallenstein, auf die noch zu kommen sein wird. Diese „Fünf Bücher Geschichte Wallensteins“, die in drei Bänden untergliedert sind, umfassen im dritten Band einen reinen Quellenband mit 475 Aktenschriftstücken aus den Jahren von 1625 bis 1630 auf 444 Seiten. Immer wieder fand der umtriebige Quellensammler bei seinen unzähligen Archivbesuchen in den Wiener Staatsarchiven (k.u.k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, k.u.k. Kriegsarchiv, Hofkammerarchiv, Archiv der k.k. Hofkanzlei, Adelsarchiv) und in anderen Archiven des Kaiserreichs Österreich 14 Wallenstein’s Ende I, XI. 15 Wallenstein’s Ende I, LVII. 16 Zur Friedenspolitik des Friedländers und seinen Gegnern vgl. die Ausführungen in Wallenstein’s Ende II, XXIIf., LXXXf., XCIV-XCVII wie überhaupt LXXVIII-CIV; und Über „Wallensteins Verrath“, 6 sowie Wallenstein und Arnim, 143, 147 und 152. 17 Eine differenzierte Betrachtung der kaiserlichen und Wallensteinischen Friedensabsichten bei Rebitsch, Wallenstein, 190-200. 94 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg neue Quellen zur Geschichte Wallensteins. Hallwich profitierte nach eigener Aussage von der Professionalisierung der Aktenverwaltung: „Das Archivwesen in Österreich hat während der letzten dreißig Jahre einen im höchsten Grade anerkennenswerten Aufschwung genommen.“18 Hallwich fand nicht nur durch die bessere Archivorganisation in Österreich mehr Material, sondern auch durch ein offenbar sehr gutes Netzwerk, das er sich durch seine historischen Arbeiten geschaffen hatte – der Name Hallwich war unter Historikern, Archivaren, Quellensammlern und Archivbesitzern bekannt. Die hier abgedruckten Korrespondenzen stammten aus den staatlichen Archiven Wiens, Prags, Dresdens, weiters aus Landes-, Stadt- und Schlossarchiven sowie aus privaten Adelsarchiven. In diesen dreißig Jahren, so bekundete Hallwich, sammelte er „weit über dreiundzwanzigtausend bisher ungedruckter Briefe und Akten“.19 Nur zwei Jahre später, und ein Jahr vor seinem Tod, kam sein monumentalstes Werk auf den Markt. Die „Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins“ enthalten nicht weniger als 2436 Aktenschriftstücke auf 3248 Seiten aus den Jahren 1630 bis (genau genommen) 1653, wenngleich der größte Teil der Quellen die Jahre von 1630 bis 1634 betrifft. Schon alleine die Auswahl der Jahre zeigt wiederum, dass es Hallwich besonders um die Frage der Motive und Intentionen Wallensteins in der Phase des zweiten Generalats ging. Hallwich wollte nochmals einen entscheidenden Beitrag zur viel diskutierten Causa Wallenstein – Friedensstifter oder Verräter – leisten. Dieses vierbändige Quellenwerk wurde in den Fontes Rerum Austriacarum von der Historischen Kommission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien publiziert. Hallwich betonte in seiner Einführung, dass es sich um eine Selektion wichtiger Korrespondenzen und anderer Akten aus seiner Sammlung handelt.20 Bereits gedruckte Archivalien nahm er nur in Ausnahmefällen auf. Hermann Hallwich sah es dabei als seine Mission an, bereits an anderer Stelle gedruckte Schriftstücke zu korrigieren und „Fehlurteile“ auszuräumen. So schrieb er über die Edition Beda Dudíks: „Die Veröffentlichungen namentlich Dudíks wimmeln – ein milderer Ausdruck wäre kaum zutreffend – nicht nur von leicht entschuldbaren Lesefehlern und dergleichen, sondern auch von unverantwortlichen Mißverständnissen, Übersehen und Entstellungen der bedauerlichsten Art.“21 18 19 20 21 Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XX. Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXV. Briefe und Akten I, XXVIIf. Briefe und Akten I, XXXII. 95 R. Rebitsch Die Aktenbestände stammten aus den von Hallwich gerne aufgesuchten Archiven Wiens, Prags, Dresdens, Münchens, Breslaus und aus privaten Archiven wie jenen in Friedland, Teplitz und Nachod. Freilich war auch der geübte Quellenleser Hallwich nicht selten vor transkriptorische Probleme gestellt: „Trotz aller peinlichen Sorgfalt blieben in manchen Aufschreibungen, wie z.B. in solchen vom Schlage eines Don Balthasar Marradas, etliche Schnörkel schließlich ungelöst. Das spanisch-italienische Kauderwelsch der Schreibweise dieses Mannes gab um so häufiger geradezu trostlose Rätsel auf, als viele seiner – leider fast durchgehends eigenhändigen – Epistel, auch jener an den Kaiser, eine ganz unglaubliche Formlosigkeit zur Schau tragen, daß man vermuten könnte, sie seien von einem zu Pferde sitzenden Knaben während des Reitens aufs Papier geworfen worden.“22 Ungeachtet dieser selbstverständlichen Schwierigkeiten jedoch darf man Hallwich als absoluten Spezialisten für die Korrespondenzen der kaiserlichen Armee und des habsburgischen Staatsapparates jener Zeit titulieren. Kommen wir auf die Beurteilung Mannigels zurück, wonach Hermann Hallwich die Wallensteinforschung ein Stadium zurückgeworfen hat. Kann man dieser Aussage zustimmen? Aus einer rein interpretativ-analytischen Sicht der Causa Wallenstein ist sie auf alle Fälle diskussionswürdig, Ranke war in der Auslegung dieser Frage wahrlich weiter, nüchterner, objektiver. Vom allgemeinen Objektivitätsgedanken eines Rankes war Hallwich weit entfernt. Aus rein positivistisch-faktenbasierter Sicht sind die Werke Hallwichs als gewaltiger Schritt vorwärts zu werten. Keiner stellte einen so umfassenden Korpus an Quellen zur Geschichte Wallensteins zusammen und brachte dermaßen viele Fakten hervor als Hallwich. Diese Publikationen zur Geschichte des Herzogs von Friedland waren für jede weitere Wallensteinbiographie unerlässlich und stellen insgesamt einen reichen wie auch beeindruckenden Fundus zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges dar. Eine Beschäftigung mit der Person und der Epoche Wallensteins ist ohne Hallwichs engagiertes, wie auch akribisch gearbeitetes Werk schlicht nicht vorstellbar. Hallwich publizierte auf einem editorisch sehr professionellen und hohen Niveau. So kam es nicht selten vor, dass er mit seinen Editionen ältere Publikationen korrigieren musste. Seine Quellenkommentare sind indes nicht frei von apologetischen Untertönen, er stand seinem Exponenten, den er so manches Mal als „Held“23 titulierte, gewiss nicht neutral gegenüber. Zum einen gelang es Hermann Hallwich nicht, wie eben seinem großen Vorbild Ranke, über die Schuldfrage hinwegzukommen und 22 Briefe und Akten I, LXVI. 23 Vgl. zum Beispiel Briefe und Akten I, LXII. 96 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg die Ereignisse des Jahres 1633 und 1634 nüchtern und objektiv zu analysieren. Es ging ja keineswegs um die nicht vom Kaiserhof sanktionierten Friedensverhandlungen, um die Frage vermeintlicher Kriegstreiber in Wien und Friedensaposteln im kaiserlichen Hauptquartier, um einen von langer Hand geplanten Hochverrat, um die geplante Vernichtung des Hauses Habsburg oder um das Streben nach der böhmischen Königskrone,24 sondern um eine komplexe Abfolge von Ereignissen, Verhaltensweisen, mehr oder weniger gerechtfertigter Unterlassungen, Kommunikationsstörungen und Befehlsverweigerung sowie fatal hochgeschaukelter und geschürter Befürchtungen und Ängste, die den Fall des Herzogs von Friedland bewirkten.25 Zum anderen konnte er sich in mehrerlei Hinsicht nicht vom anachronistisch nationalen Kontext lösen, wenn er schrieb: „Ein Träger der Idee des Einheitsstaates, kämpfte er zielbewußt gegen die alte deutsche Erbsünde der Viel- und Kleinstaaterei.“ Und weiters schrieb Hallwich – in Anspielung auf die Politik des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck – zur Intention des Reichsoberhauptes Ferdinand II.: „Vor die Entscheidung gestellt, erklärte er unbedingt für ausgeschlossen, daß die monarchischen Bestrebungen seines Generals, zunächst den Kurfürsten gegenüber, eventuell mit Militärgewalt – daher, wenn es sein mußte, auch mit Blut und Eisen26 – zur Durchführung gelangen; er wollte sie durchaus nur ‘auf gütlichem Wege durchsetzen’ – ‘con dolce maniera’ .“27 Diese und weitere Bemerkungen zeichnen das Bild eines Feldherrn, der den Frieden zum Zweck der Reichseinigung mehr und entschlossener wollte als sein Reichsoberhaupt. Es waren wohl diese Anspielungen, die die tschechischen Historiker Josef Polišenský und Josef Kollmann in ihrer Wallenstein-Biographie zur Bemerkung veranlasste: „… H. Hallwich, der im Generalissimus einen Vorläufer der Bewegungen ‘Los von Rom’ und ‘Los von Habsburg’ im 19. Jahrhundert 24 So Josef Pekař, Wallenstein 1630-1634. Tragödie einer Verschwörung. 2 Bände, Berlin 1937 (tschechisch: Valdštejn, 1630-1634. Dějiny Valdštejnského spiknutí, Praha 1895, 21934), 25 Zu neuen Interpretationen jenseits von Verrat und Meuchelmord vgl. Rebitsch, Wallenstein, 201-225 wie auch Mortimer, Wallenstein, 199-253; ein neuer Ansatz zur kaiserlichen juristischen Begründung von Christoph Kampmann, Reichsrebellion und kaiserliche Acht. Politische Strafjustiz im Dreißigjährigen Krieg und das Verfahren gegen Wallenstein 1634 (= Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 21), Münster 1993; ausführlich zu den Ereignissen, aber zum Teil noch in älteren Denkmustern verhaftet vgl. Golo Mann, Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann. Frankfurt/M. 41971, 789-1126; Heinrich (Ritter von) Srbik, Wallensteins Ende. Ursachen, Verlauf und Folgen der Katastrophe. Salzburg 21952. 26 Rede Otto von Bismarcks vor der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses am 30. September 1860, in der der preußische Ministerpräsident sagte, „nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut“. In seinen Memoiren schrieb Bismarck dann „Blut und Eisen“. Vgl. dazu Ernst Engelberg, Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer, Berlin 1998, 527f. 27 Die Zitate in Fünf Bücher Geschichte Wallensteins II, 582 und 585. 97 R. Rebitsch sah.“28 Neben diesen Äußerungen zur deutsch-österreichischen Reichspolitik kam freilich noch der Zusatz des erbitterten Sprachenstreits innerhalb der habsburgischen Länder hinzu, auf den noch einzugehen sein wird. 1.2. Monographien und Aufsätze Die größte Monographie zum Dreißigjährigen Krieg schrieb Hallwich – wie könnte es anders sein – zu Albrecht von Wallenstein. In den „Fünf Büchern Geschichte Wallensteins“ behandelte der Deutschböhme in den ersten zwei Bänden auf 1279 Seiten die Zeit von Wallensteins Geburt bis zum Lübecker Frieden 1629. Der dritte Band war – wie bereits erwähnt – den Quellen dieser Zeit gewidmet. Auf den ersten Seiten seiner Abhandlung stellt Hallwich eine umstrittene These von der deutschen Abstammung Wallensteins in den Raum. So referierte der seit 1897 politisch nicht mehr aktive Hallwich ganz allgemein vom deutschen Gepräge des böhmischen Adels und schrieb in kurzen Zügen nieder, dass der Name einer Burg „Waldenstein“, also deutsch geschrieben, das erste Mal in der Steiermark, dann in Schlesien und zuletzt erst in Böhmen urkundlich nachweisbar ist.29 „Doch ist die Annahme“, so Hallwich weiters, „absolut nicht ausgeschlossen, ihr Name sei aus Steiermark nach Böhmen gekommen.“ Eine der polarisierenden Fragen bezüglich des Herzogs von Friedland war ja auch die Schreibweise seines Namens: Die deutsche Form „Wallenstein“, die freilich zeitgenössisch ist,30 oder eben „Waldstein“ vom Tschechischen „Valdštejn“. „Nach dem Gesagten wäre nichts verfehlter,“ so Hallwich, „als mit Rücksicht auf seine Herkunft von einem ‘Tschechen Wallenstein’ zu sprechen, … .“ Diese Andeutungen des Deutschböhmen zur Abstammung bzw. Volkszugehörigkeit Wallensteins stehen in einem Widerspruch zu früheren Ausführungen, auf die noch zurückzukommen sein wird. Der fleißige Quellensammler musste sich in seiner monographischen Darstellung freilich auch mit dem aktuellen Stand der Forschung auseinandersetzen: „Bei dieser Darstel- 28 Josef Polišenský/Josef Kollmann, Wallenstein. Feldherr des Dreißigjährigen Krieges. Aus dem Tschechischen übersetzt von Herbert Langer, Köln – Weimar – Wien 1997, 5 (tschechisch: Valdštejn. Ani císař, ani král. Praha 2 2001). Vgl. dazu auch Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 537f. 29 Fünf Bücher Geschichte Wallensteins I, 3-5, Zitate auf Seite 4 und 5. 30 Neben den zeitgenössischen Korrespondenzen an den General Wallenstein, heißt auch das von ihm entworfene „Kriegs Regolament“ das Wallensteinische Reiter Recht, Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Alte Feldakten 1616-1617, Karton 46. 98 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg lung aber durfte ich mich selbstverständlich durchaus nicht darauf beschränken, nur bisher Ungedrucktes zu benützen. War mir ja ohnehin von vornherein kein Geheimnis: nicht alles Wissenswerte über mein Thema hatte im Staube der Archive und Bibliotheken darauf gewartet, just von mir entdeckt zu werden.“ Und weiters lässt der damals bereits sehr renommierte Wallensteinforscher seine LeserInnen nicht ohne Selbstbewusstsein wissen: „Ich nehme keinen Anstand zu erklären, daß ich aus diesem Anlasse viele, sehr viele Vorarbeiten mit großem Nutzen verwendete. Davon schließe ich auch Publikationen gewisser Autoren nicht aus, mit deren Deduktionen ich sonst ganz und gar nicht übereinstimme.“31 Der Problematik des biographischen Ansatzes war er sich bewusst: „Bruchstücke einer Biographie haben stets ihr Missliches. Ist ja doch alles Menschenleben eine zusammenhängende, untrennbare Einheit, und über diese Einheit, dieses Lebensganze, auf Grund meist immerhin zufälliger Einzelfunde aburteilen zu wollen, kann fast stets nur als ein Beginnen von zweifelhaftem Werte betrachtet werden.“32 Er selbst trennte diese Einheit, dieses Lebensganze Wallensteins, und schrieb die Biographie vorerst nur bis zum Jahr 1629. Den restlichen Lebenslauf deckte er mit den beiden Quelleneditionen und den dazugehörigen einleitenden Bemerkungen sowie seinen schon Jahrzehnte zuvor publizierten, sehr ausführlichen Aufsätzen ab. Die Monographie zu Wallenstein entsprach dem Stil der Zeit und war natürlich mit umfangreichen Quellenzitaten durchsetzt. Er ging vor allem meist streng chronologisch ausgerichtet auf die politischen und militärhistorischen Ereignisse ein, die wirtschafts- und sozialhistorische Komponente stand – wie damals üblich – nicht im Vordergrund,33 wenngleich sich in Hallwichs faktenreichem Werk viele wertvolle Informationen dafür finden lassen. Zur Bewertung der politischen Figur Wallenstein resümierte Hallwich im dritten Band der „Fünf Bücher Geschichte Wallensteins“ scheinbar diplomatisch ausgewogen: „Eine dämonische, ja eine diabolische Erscheinung führten uns die meisten vor, eine Schreckgestalt ohne Herz und Gemüt, ohne Sinn für etwas Höheres, als höchstens für sich selbst. Die es am besten mit ihm meinten, seine sogenannten Retter waren beflissen, einen Übermenschen aus ihm 31 Die beiden Zitate in Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXVIII. 32 Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXVI. 33 Hier hat vor allem Anton Ernstberger, Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland (= Prager Studien aus dem Gebiet der Geschichtswissenschaft 19), Reichenberg im Böhmerwald 1929 und ders., Hans de Witte, Finanzmann Wallensteins (=Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 38), Wiesbaden 1954 einen vorzüglichen Beitrag geleistet. Hermann Hallwich hat Wallenstein als „Nationalökonom“ in seinem Beitrag Anfänge der Gross-Industrie in Österreich, in: Die Gross-Industrie Österreichs. Festgabe dargebracht von den Industriellen Österreichs ihrem gnädigen Monarchen … zu dessen glorreichen fünfzigjährigen Regierungsjubiläum, I. Band, Wien 1898, 3-42, hier 11-17 kurz gewürdigt. Vgl. dazu auch den Beitrag von Philipp Strobl in diesem Band. 99 R. Rebitsch zu machen. Ich habe, wie ich nicht leugnen kann, derartiges nicht an ihm entdeckt: nicht ein Dämonisches, noch weniger ein Diabolisches, aber auch nicht ein Übermenschliches.“34 Hermann Hallwich hatte mit diesem Ansatz ohne Zweifel die richtige Richtung in einer biographischen Studie eingeschlagen, dennoch gelang es ihm nicht, die damals akute nationale Frage zwischen Deutschen und Tschechen im Sinne des wissenschaftlichen Kriteriums der Objektivität auszublenden und ebenso Wallenstein jenseits einer wie immer ausgerichteten Schuldfrage zu sehen. Wallenstein war für den Deutschböhmen keineswegs der Verräter, sondern vielmehr ein potentieller Friedensbringer mit hohen ideellen Zielen. So durchbrach auch Hallwich den von Holger Mannigel trefflich umrissenen Kategorisierungsrahmen „Verräter, Justizopfer, Zerstörer des Alten Reiches, Friedensgeneral oder verhinderter Nationalheld“ der Wallenstein-Historiographie des 19. Jahrhunderts nicht.35 Neben dieser mehrbändigen Biographie zum kaiserlichen Generalissimus war es Hallwichs Absicht, in einzelnen Bänden monographische Darstellungen zu Johann Merode, Johann Aldringen, Don Baltasar Marradas, Christian Ilow, Heinrich Holk und Ottavio Piccolomini vorzulegen.36 Diese sechs Bände sollten ein Ensemble mit abschließendem gemeinsamen Orts- und Personenregister bilden, um die Geschichte Wallensteins durch die Lebensläufe seiner nächsten Umgebung, der „Freunde“ und „Feinde“ wie er sie nannte, zu erhellen – nicht umsonst hieß die Reihe „Gestalten aus Wallenstein’s Lager“. Es blieb bei der Veröffentlichung der biographischen Skizzen der Generäle Johann Merodes und Johann Aldringens, wiederum bei Duncker & Humblot, Leipzig. In der Einleitung kündigte er zudem ein größeres Werk über „Wallenstein’s Verrath“ an. Anstatt der Monographie zur Schuldfrage publizierte der Wallenstein-Spezialist dann Jahrzehnte später die bereits betrachteten Quelleneditionen zu den letzten vier Lebensjahren des Herzogs. Die beiden biographischen Abhandlungen zu Merode und Aldringen sind konventionelle, ereignishistorisch konzipierte und chronologisch aufgebaute Arbeiten, methodisch keineswegs innovativ, aber durchaus faktenreich wie auch quellennahe und darum selbst heute noch mit Gewinn zu lesen – zumal es weder zu Johann Merode noch zum bekannteren Johann Aldringen moderne Biographien gibt. Über den Wallonen urteilte Hallwich: „… nächst Johann von Werth hatte das ligistisch-kaiserliche Heer kaum einen besseren Reiter-General als Johann von Merode. 34 Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXXIf. 35 Vgl. dazu vor allem die Schlussbemerkungen von Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 542-555. 36 Vgl. die Einleitung in Gestalten aus Wallensteins Lager. Teil I: Johann Merode, V-VII und die Rezension von Ernst Fischer zu Hermann Hallwich, Gestalten aus Wallenstein’s Lager I, in: Historische Zeitschrift 54 (1885) 493f. 100 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg Weit hinter ihm steht der über Gebühr gerühmte Giovanni Ludovico Isolano.“37 Aldringen hingegen sah der Abgeordnete des Reichsrats als Erzintriganten der ersten Stunde: „Bereits im ersten Jahre des ersten Generalats Wallenstein’s bestand in seinem eigenen Heere eine förmliche, mehr oder minder weitverzweigte Militärverschwörung mit der ausgesprochenen Tendenz der Beseitigung des Herzogs von Friedland vom Commando und dessen Ersetzung durch Collalto. Die Seele dieser Verschwörung war Aldringen.“38 Aldringen, so Hallwich, stand im regelmäßigen Austausch mit Hofräten in Wien und wartete nur auf die Gelegenheit, seinen Vorgesetzten zu Fall zu bringen. Dabei bewies er über die Jahre hinweg erstaunliche Geduld. Merkwürdigerweise endet die Darstellung im Jahr 1626, obwohl der kaiserliche General noch acht Jahre lebte, 1634 bei Landshut fiel.39 Die spannenden Jahre der Causa Wallenstein aus der Sicht seines Unterführers legte Hallwich also gar nicht mehr vor. In der Tat bildete Aldringen mit Matthias Gallas und Ottavio Piccolomini das relevante Dreigestirn der Generäle bei der Liquidierung des Herzog-Generalissimus.40 In seinen Ausführungen deutet der Wallensteinforscher zwar einen Grund für den Sturz des Friedländers in seiner Anfangsphase als Oberbefehlshaber an (intrigante Offiziere in den eigenen Reihen), führte die äußerst abwechslungsreiche und zum Teil gespannte Beziehung zwischen dem Luxemburger und dem Generalissimus jedoch nicht mehr aus. Ich möchte an dieser Stelle nur auf zwei seiner Aufsätze etwas genauer eingehen: Zunächst auf den im Archiv für sächsische Geschichte 1877 – also noch vor der ersten großen Quellenedition – publizierten Artikel „Zur Geschichte Wallenstein’s im Jahre 1633“ und sodann auf den in den „Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen“ gedruckten Vortrag „Über ‘Wallensteins Verrath’“. Der erste Aufsatz befasst sich vornehmlich mit den Friedensverhandlungen mit Sachsen, den beiden zwischen Wallenstein und Hans Georg von Arnim vereinbarten Waffenstillständen und dem geplatzten Treffen in Breslau im Jahr 1633. Hermann Hallwich kam hier auf einen in der Forschung nicht selbstverständ37 Gestalten aus Wallensteins Lager. Teil I: Johann Merode, 99. 38 Gestalten aus Wallensteins Lager. Teil II: Johann Aldringen, 145. 39 Zu Feldmarschall Johann von Aldringen vgl. neben Hallwich die mangelhafte, nur an Quelleneditionen orientierte Darstellung von Ernst Brohm, Johann von Aldringen (= Hallesche Abhandlungen zur neueren Geschichte), Halle 1882; als kurze Übersicht Jörg-Peter Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg. Eine Epoche in Lebensbildern, Graz – Wien – Köln 1998, 303-308 sowie Arno Duch, Aldringen (Aldringer) Johann Frhr., in: Neue Deutsche Biographie 1 (Berlin 1953) 188-190. 40 Vgl. dazu Robert Rebitsch, Matthias Gallas und die Liquidierung Albrechts von Wallenstein, in: Innsbrucker Historische Studien 23/24 (2005) 325-378. 101 R. Rebitsch lichen Zwischenbefund: „Kaiser Ferdinand und der Herzog von Friedland handelten bisher in voller Uebereinstimmung und Beide waren, wie zahllose Andere in den höchsten Kreisen, allerdings zum Frieden geneigt.“41 Hallwich gelang es in dieser ausführlichen Darstellung durch den Einbau wichtiger Korrespondenzen Wallensteins und seiner Generäle an den Kaiser und an kaiserliche Amtsträger, die sehr häufig vollständig und im Wortlaut im Textteil zu finden sind, zu beweisen, dass Ferdinand II. durchgehend über die Friedensverhandlungen mit Sachsen und Brandenburg informiert war. Von geheimen, nicht legitimierten Verhandlungen mit dem Feind und verräterischen Machenschaften des Generalissimus – so wollte es der Wallensteinverteidiger auch darlegen – kann daher nicht die Rede sein. In der Tat war der Herzog von Friedland neben Kursachsen mit Arnim und dem Feldmarschall Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg (sein Stiefbruder Franz Julius von SachsenLauenburg, kaiserlicher Obrist, folgte später als Friedensvermittler), Vertreter Kurbrandenburgs, des Kaiserhofes, des dänischen Königshofes, dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt und anderen Akteuren, ein Teil des Netzwerkes, das Friedensverhandlungen anzubahnen versuchte.42 Hallwich beendet seine Ausführungen mit jenem Ereignis, bei dem die Situation sowohl dem Kaiserhof als auch dem Generalissimus tatsächlich zu entgleiten begann – bei der Einnahme Regensburgs durch Bernhard von Weimar. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen kritisierte er den sogenannten Reichshistoriographen Friedrich Emanuel von Hurter, der im Zuge seines umfassenden Werkes zu Ferdinand II. zwei Monographien über Wallenstein43 verfasste, heftig. Für den katholisch-konservativen Legitimisten und Konvertiten Hurter war der Generalissimus ein amoralischer, selbstherrlicher „Empörer“ und „Rebell“ gegen das gottgewollte habsburgische Kaisertum, das der vom Staatskanzler Klemens Wenzel von Metternich engagierte Historiker zu verteidigen trachtete.44 Schon in seinen frühen Werken wollte Hallwich also Wallensteins Image als Verräter, oder wie es eben Hurter schrieb, als „Empörer“ und „Rebell“ korrigieren. Der aus Schaffhausen stammende Hurter war für den Reichsratsabgeordneten der rücksichtsloseste und gehässigste aller Biographen Wallensteins.45 Zudem dürfte der konservativ-katholische Schweizer dem deutschliberalen Hallwich, der sich als Abgeordneter dem „Klub der Linken“ anschloss, 41 Geschichte Wallenstein’s im Jahre 1633, 298. 42 Vgl. dazu Rebitsch, Wallenstein, 190-200. 43 Friedrich Emanuel von Hurter, Zur Geschichte Wallensteins, Schaffhausen – Wien 1855 und ders., Wallenstein’s vier letzte Lebensjahre, Wien 1862. 44 Zu Hurters Werk über Wallenstein vgl. ausführlich Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 273-317. 45 So Geschichte Wallenstein’s im Jahre 1633, 289. 102 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg auch weltanschaulich ein Dorn im Auge gewesen sein. So resümierte der Quellenforscher selbstbewusst über die methodischen Unzulänglichkeiten seiner „Konkurrenz“: „In einer wissenschaftlichen Streitfrage wie der nach Wallenstein’s Schuld oder Nichtschuld wird, wie wenig allerdings in solchen Verhältnissen ‘Worte die wirkliche Gesinnung ausdrücken’, doch demjenigen bedingt das größere Vertrauen zugewendet werden müssen, welcher jedes seiner Urtheile mit Kundgebungen unmittelbar Betheiligter zu belegen sich verpflichtet fühlt und thatsächlich auch belegt.“46 Allerdings war bei Hallwich wiederum der Hang zur Quellengläubigkeit höher ausgeprägt, als die Intention zur methodischen Quellenkritik. Hallwichs zwei Jahre später erschienene Abhandlung über „Wallensteins Verrath“ ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zunächst aus inhaltlicher Perspektive: In diesem sehr patriotisch angehauchten Vortrag führt er die Ereignisse ab der Eroberung der strategisch enorm wichtigen Stadt Regensburg im November des Jahres 1633 durch Bernhard von Weimar weiter fort. Wiederum geht es um eine massive Entlastung Wallensteins: Der Kaiserhof war zu jeder Zeit von Friedlands Verhandlungen mit den Gegnern unterrichtet, wobei der Plan zu den Friedensverhandlungen am Kaiserhof selbst entworfen wurde.47 Doch mit der Eroberung Regensburgs begann die Intrige gegen den Oberbefehlshaber, der eigentlich nur die Erblande, respektive Böhmen, beschützen wollte und deshalb nicht an die Donau marschierte, wie es Maximilian von Bayern urgierte und der Kaiser daraufhin befahl. So kam die große Stunde seiner Gegner, des Jesuiten Wilhelm Germain Lamormaini, Beichtvater des Kaisers und „moralische[r] Urheber des Mordbefehls“,48 und des bayerischen Kurfürst, den Hallwich als rücksichtslos, selbstsüchtig, „schamlos“ und als „unselige[n] Kurfürst[en]“ titulierte.49 Zu diesen beiden erbitterten Gegner des Herzogs und zu ihren Sekundanten, den spanischen Gesandten, gesellte sich „ein Heer von verworfenen Creaturen“, die mit Ferdinand und seinen Räten Wallenstein „nicht ehrlich und offen sondern heimlich und hinterlistig seines Dienstes enthoben“.50 Hier klingt das Motiv des in der Causa Wallenstein hinterlistig, unehrenhaft und moralisch verwerflich agierenden Hauses Habsburgs durch, wie es unmittelbar nach der Liquidierung des Feldherrn häufig in der protestanti46 47 48 49 50 Geschichte Wallenstein’s im Jahre 1633, 364. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 5-7. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 12. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 5 und 9. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 10. Vgl. dazu auch seine Ausführungen in Wallenstein’s Ende II, CLXVII-CLXXI, wonach man am Hof sehr schlau und rücksichtslos gegen Wallenstein handelte, der fromme, gottesfürchtige Kaiser aber nicht leichtsinnig und nicht in „gemeiner Mordlust sondern vielmehr nach schwerem, ungeheuerem Gewissenskampfe“ handelte. 103 R. Rebitsch schen Propaganda gebraucht wurde.51 Allerdings, so räumt Hallwich ein wenig später ein, fiel es dem frommen, gottesfürchtigen Kaiser nicht leicht, das Todesurteil auszusprechen. Erst nach „schwerem, ungeheuerem Gewissenskampfe und in dem unerschütterlichen Wahne, um der ‘heiligen Kirche’ – wie der Beichtvater sagte – und um der ‘Autorität des Thrones’ willen nicht anders handeln zu können“, erließ Ferdinand den Mordbefehl. „Das war ein kurzer Prozeß“, konstatierte der Vortragende.52 Mag sein, dass der Prozess kurz war, aber er war komplex:53 Hallwich schildert dabei die Weigerung des Oberbefehlshabers, den Befehlen seines Kriegsherrn nachzukommen, kaum, er kennt das Gutachten des kaiserlichen Rates Gundacker von Liechtenstein, der zum klaren Tatbefund der „Befehlsverweigerung“ kommt, nicht, er erwähnt die verhängnisvollen Pilsner Reverse nur kurz, geht dafür umso mehr auf die intriganten Umtriebe der kaiserlichen Generalität und Räte ein, die den „fromme[n], gottesfürchtige[n] Kaiser Ferdinand II.“54 zum Mordbefehl bewogen haben. So kam der Wallensteinverteidiger zu folgendem Schluss: „Wallenstein’s Verrath ist nie und nimmer der, den er verübt, sondern der Verrath, den man an ihm geübt hat.“55 Wallenstein ist demnach kein Verräter, er wurde verraten. Zudem ist der Vortrag zu „Wallenstein’s Verrath“ auch aus politisch-zeitgenössischer Perspektive von erheblichem Interesse. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis hin zum Beginn des Ersten Weltkriegs war vom Sprachen- und Nationalitätenkonflikt im multinationalen Habsburgerreich geprägt, wovon natürlich auch die Länder der böhmischen Krone nicht unberührt blieben. Der sich bereits im Gang befindliche „Schritt vom Sprachnationalismus zum politischen Nationalismus“56 verstärkte sich nach dem sogenannten Ausgleich mit Ungarn von 1867, der für die Tschechen geradezu eine Provokation darstellte. Die politische Debatte wurde vom „böhmischen Staatsrecht“ beherrscht, nachdem die tschechischböhmische Nationalbewegung, seit 1868 eine wirkliche demokratische Massenbewegung (die sogenannten „tábory“), nach einer gleichen oder zumindest ähnlichen Stellung wie 51 52 53 54 55 56 104 Vgl. Srbik, Wallensteins Ende, 210-245. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 10. Kurz zu den Vorgängen vgl. Rebitsch, Wallenstein, 201-225. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 12. Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 13. So Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (= Österreichische Geschichte 1804-1914, hg. von Herwig Wolfram), Wien 2005, 182, sowie zur Thematik kurz 178-187, 292-296, 382-384 und 426-428; wie auch Lothar Höbelt, Böhmen. Eine Geschichte, Wien – Leipzig 2012, 133-164; zusammenfassend Manfred Alexander, Kleine Geschichte der böhmischen Länder, Stuttgart 2008, 340-351 und Jiří Kořalka und R. J. Crampton, Die Tschechen, in: Adam Wandruszka/Peter Urbanitsch (Hgg.), Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Band III/1: Die Völker des Reiches, Wien 1980, 489-521. Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg Ungarn strebte – also nach einer größtmöglichen Unabhängigkeit der böhmischen Länder unter dem Dach der habsburgischen Monarchie als eine „Staatsnation“ nach ungarischem Vorbild. Die tschechischen Forderungen eines „böhmischen Staatsrechts“ wurden von den deutschsprachigen Böhmen kategorisch abgelehnt. Unter dem als konservativen Sozialreformer bekannten Eduard Graf Taaffe, Ministerpräsident von 1869 bis 1870 sowie von 1879 bis 1893, gab es – gestützt auf österreichische, tschechische und polnische Konservative – Versuche, die nationalen Gegensätze zu überwinden. Die altehrwürdige Karls-Universität Prag wurde 1882 in eine tschechische und deutsche Hochschule geteilt, ein „Landsmannminister“ (sozusagen ein Ombudsmann für die eigene nationale Gruppe) wurde für die tschechischsprachige Bevölkerung ernannt sowie Unterricht in der zweiten Landessprache an den Gymnasien eingeführt. Viel Staub wirbelte die Stremayrsche Sprachverordnung (benannt nach dem deutschliberalen Justizminister Karl von Stremayr) von 1880 auf, die Zugeständnisse für die tschechischsprachige Bevölkerung im Amtsverkehr brachte. Amtssprache jedoch blieb weiterhin Deutsch. Helmut Rumpler stellt dazu fest: „Die Deutschen Böhmens fühlten sich trotzdem in ihrem ‘nationalen Besitzstand’ bedroht.“57 Noch dazu wurde der Antrag Deutsch als „Staatssprache“ zu deklarieren vom Parlament in Wien abgelehnt. Die Teilung des Königreichs Böhmen in einen deutschen und einen tschechischen Teil stand für die große deutsche Minderheit (37% der Bevölkerung Böhmens) ernsthaft zur Diskussion. So müssen die historischen Ausführungen des liberalen Politikers Hallwich auch unter dem Aspekt des sich immer mehr zuspitzenden Nationalitätenkonflikts zwischen Deutschböhmen und Tschechen betrachtet werden. Die historische Figur Wallenstein stand – gleich Jan Hus – unversehens im Spannungsfeld des nationalistischen Diskurses. Der Vortrag „Über Wallenstein’s Verrath“ wurde in den „Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen“ publiziert. Hermann Hallwich gehörte zu den Mitbegründern des 1862 durch Prager Studenten ins Leben gerufenen Vereins, der auch in der Folge von deutschliberalen Studenten und Akademikern getragen und vom deutschliberalen Bürgertum reichlich mit Geldmitteln versehen wurde. Der Vereinszweck wurde wie folgt festgelegt: „§ 1. Dieser Verein hat zum Zwecke die Aufhellung der Geschichte der Deutschen in Böhmen und Verbreitung der Kenntniß derselben, sowie die Sammlung und Erhaltung der bezüglichen Quellen.“58 So war die Verquickung politischer Aktivitäten im Zuge des Na57 Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa, 505. 58 Zu diesem Verein vgl. Michael Neumüller, Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Ein deutschliberaler Verein (von der Gründung bis zur Jahrhundertwende), in: Ferdinand Seibt (Hg.), Vereinswesen und Geschichtspflege in den böhmischen Ländern (= Vorträge der Tagungen des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 105 R. Rebitsch tionalitätenkonflikts mit Lehr-, Editions- und Forschungstätigkeiten seiner Mitglieder in den Statuten eingeschrieben. Die Geschichtswissenschaft war freilich eine starke Waffe im Nationalitätenkonflikt der habsburgischen Völker. Hallwich, ein Schüler des langjährigen, jedoch ob seiner großdeutsch-katholischen Einstellung nicht unumstrittenen Vizepräsidenten Constantin von Höfler,59 gehörte allerdings nicht zum ersten Ausschuss des Vereins, sondern wurde erst später dortselbst Funktionär. Seine nordböhmische Herkunft spielte wohl zudem eine Rolle bei seinem politischen Engagement für die deutschen Anliegen, fühlte man sich im mehrheitlich deutschsprachigen Norden als „Sprachenklave“ ohnehin mehr und mehr isoliert. Den Vortrag über Wallensteins Verrat hielt der Abgeordnete zum Reichsrat auf einer der sogenannten „Wandersammlungen“ des „Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen“ in Eger/Cheb am 1. Juni 1879. Bei diesen nicht selten feuchtfröhlichen Wanderversammlungen kam die nationalpolitische Intention des Vereins besonders gut zum Ausdruck, so dass von der besagten Versammlung in Eger auch schon von einem „deutschböhmischen Parteitag“ gesprochen wurde.60 Dementsprechend geizte selbst Hallwich nicht mit politischen Aussagen in den Schlussanmerkungen seines Vortrags:61 In Anspielung auf den Ausspruch eines tschechischen Dichters, der Tscheche Wallenstein sei zu wenig Tscheche gewesen, erwiderte der Deutschböhme: „Das ist des Pudels Kern! – malý Čech – zu wenig Čeche, das heißt nicht genug exclusiv-national in gewissem Sinne war der Held, und das genügte seinen eigenen Landsleuten, ihn zu verdammen.“ Nach dem Vorwurf gegenüber den tschechisch-nationalen Ressentiments fuhr er fort: „Es ist vollkommen richtig: Wallenstein, obwohl von Geburt ein Čeche, war doch ein Verehrer des Deutschtums.“ Und weiters: „Und doch liebte er seine čechische Muttersprache. […]; in seinem Innersten war er also kein ‘schlechter Čeche’, im Gegentheil.“ Wallenstein erkannte, so Hallwich in typischer nationalistischer Diktion vor dem versammelten Verein, die kulturelle Bedeutung der zweiten Landessprache, „der er vor Allem seine hohe geistige Bildung dankte“. Die Idee 25. bis 27. November 1983 und vom 23. bis 25. November 1984), München 1986, 179-208, § 1 der Statuten auf 185, zum ersten Ausschuss des Vereins vgl. 188. 59 Höfler war seit 1851 ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Prag und publizierte ebenfalls zu Wallenstein. So zum Beispiel Constantin von Höfler, Beiträge zur Katastrophe des Herzogs von Friedland. Aus den Korrespondenzen des Grafen Matthias Gallas, in: Österreichische Revue 5 (1867) 77-100; zu Höfler vgl. Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 318-323. 60 Diese Aussage stammt vom deutschliberalen Politiker Ernst von Plener, der in den 90er Jahren k.k. Finanzminister wurde und im Sprachenstreit für eine administrative Teilung des Kronlandes eintrat. Vgl. dazu Neumüller, Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 184. 61 Dazu vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 15. 106 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg der kulturellen Überlegenheit des Deutschtums, „dem eigentlich treibenden Elemente im Lande“, schwang hier freilich mit. Hallwich schloss seinen Vortrag in appellativ-nationalistischer Weise: „Er bewies dadurch – und das kann ihn uns, die wir versammelt sind im Namen des Deutschthums in Böhmen, nur näher bringen – er bewies in glänzender Weise: Man kann allerdings von ganzem Herzen ein Sohn, ein treuer Sohn der čechischen Nation seyn und doch ein Freund, ein armer, werkthätiger Freund des Deutschen und der Deutschen in Böhmen.“ Hier stellte der Deutschböhme Wallensteins „tschechische“ Volkszugehörigkeit nicht in Frage. Über dreißig Jahre später jedoch schloss er eine Abstammung aus der Steiermark – wie bereits dargelegt – nicht aus.62 Die Aufsätze Hallwichs, in denen er auch gerne Zitate von Friedrich von Schiller einbaute, sind, so darf zusammenfassend konstatiert werden, ebenso gehaltvoll wie seine übrigen Arbeiten – quellennahe, informativ, chronologisch und stark ereignishistorisch konzipiert. Seine Intention brachte Hallwich im Vortrag zu „Wallenstein’s Verrath“ einmal mehr und dort ganz klar zum Ausdruck: „Es ist eine schöne Pflicht der unbefangenen Geschichtsforschung, dem wahrhaft Großen und Edlen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Edel und groß war Wallenstein’s Seele; nicht frei von Irrthum, wie das Edelste und Größte.“63 Die hier genannte Unbefangenheit sowie Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit, anzustrebende Kriterien des wissenschaftlichen Arbeitens, gehörten jedoch nicht zu Hermann Hallwichs Maxime des historischen Wirkens. 1.3. Die Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) Hallwich war außerdem ein eifriger Autor für die Allgemeine Deutsche Biographie, die unter der Redaktion von Rochus Freiherr von Liliencron64 von der Historischen Kommission der königlichen Akademie der Wissenschaften zu München herausgegeben und im Verlag Duncker & Humblot, Leipzig, verlegt wurde. Dieses epochale biographische Nachschlagewerk, das von 1875 bis 1912 in 56 Bänden erschienen ist, umfasst mehr als 26.000 biografische Skizzen aus der deutschen Geschichte.65 Mit 20 Artikeln rangiert der Abgeord62 Vgl. Fünf Bücher Geschichte Wallensteins I, 3-5. 63 Vgl. Über „Wallenstein’s Verrath“, 14. 64 Zum Germanisten, Musikhistoriker und alleinigen Redakteur der ADB vgl. Hans Jürgen Rieckenberg, Liliencron, Rochus Freiherr von, in: Neue Deutsche Biographie 14 (Berlin 1985) 553-556. 65 Vgl. dazu Hans Günter Hockerts, Vom nationalen Denkmal zum biographischen Portal: ADB und NDB, in: 107 R. Rebitsch nete zum Reichsrat zwar nicht an der Spitze der Vielschreiber – es gibt auch Autoren, die über 100 Artikel geschrieben haben – er hatte jedoch bei Liliencron bestimmt einen guten Ruf und galt als Spezialist zu Personen des Dreißigjährigen Krieges. So verfasste Hallwich größtenteils sehr ausführliche biographische Artikel zu Johann von Biberstein (keine Person aus dem Dreißigjährigen Krieg), Hieronymus Graf von Clary und Aldringen (kaiserlicher General), Matthias Gallas (kaiserlicher Generalleutnant und kurzzeitig Nachfolger Wallensteins im Oberkommando des kaiserlichen Heeres, nach Ferdinand III. Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armada), Johann Wenzel Graf von Gallas (Enkel von Matthias Gallas und am Ende einer ausgewöhnlichen Karriere im diplomatischen Dienst des Kaisers Vizekönig des Königreichs Neapel), Henrik Holk (kaiserlicher General und Stellvertreter Wallensteins), Christian Freiherr von Illow (kaiserlicher General und einer der letzten Getreuen Wallensteins), Johann Ludwig von Isolano (kaiserlicher General der Kavallerie, bekannt als Kommandant der kroatischen Völker), Wilhelm Kinsky (böhmischer Adeliger, der im Zuge der Liquidierung Wallensteins ebenfalls ermordet wurde), Wilhelm Graf von Lamboy (kaiserlicher General), Walter Leslie (kaiserlicher General schottischer Abstammung, bekannt aus der Causa Wallenstein und 1637 zum Reichsgrafen erhoben), Johann Freiherr von Liebieg (Industrieller des 19. Jahrhunderts), Balthasar Marradas (kaiserlicher General), Johann II. Merode (kaiserlicher General), Wolf Adam Pachelbel (Bürgermeister der Stadt Eger/Cheb), Gabriel von Pechmann (kaiserlicher Offizier), Ottavio Piccolomini (kaiserlicher Generalleutnant in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges), Gerhard von Questenberg (kaiserlicher Geheimer Rat und Vizepräsident des Hofkriegsrates), Matthias Graf von Thurn-Valsassina (Hauptanführer des böhmischen Aufstandes), Rudolf Freiherr von Teuffenbach (kaiserlicher General), Adam Erdmann Graf Trcka von Lipa (kaiserlicher General und einer der letzten Getreuen Wallensteins, dessen Rolle in der Causa Wallenstein genauer zu untersuchen Wert wäre).66 Bemerkenswerterweise stammt der Artikel über http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft2/06_Hockerts.pdf (Zugriff: 02.08.2013); die Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) vorbildlich digitalisiert und aufbereitet unter http://de.wikisource.org/wiki/ Allgemeine_Deutsche_Biographie (Zugriff: 03.07.2013); dort auch statistische Auswertungen, Autoren- und Artikelverzeichnis. 66 Alle Artikellinks der ADB von Hermann Hallwich leicht zu finden unter: http://de.wikisource.org/wiki/ Kategorie:ADB:Autor:Hermann_Hallwich (Zugriff: 03.07.2013); bei den einzelnen Artikeln auch die Originalzitate der gedruckten ADB; moderne biographische Skizzen zu Persönlichkeiten des Dreißigjährigen Krieges leicht zugänglich bei Jörg-Peter Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg. Eine Epoche in Lebensbildern, Graz – Wien – Köln 1998. 108 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg Wallenstein nicht von ihm, sondern von Karl Wittich.67 Hallwich nahm in einer späteren Quellenedition dazu Stellung: „Dem Wunsche der Redaktion, auch Wallensteins Biographie zu liefern, konnte ich leider nicht nachkommen. Meine Studien just über diese Hauptperson der aufgeführten Reihe mehr oder minder stattlicher Gestalten waren zur Zeit, als der fragliche Artikel abgeliefert werden sollte, trotz aller umfassenden Vorarbeiten, doch noch nicht völlig abgeschlossen.“68 Weiters, so der Wallenstein-Spezialist, bot er in seiner Wallensteininterpretation dermaßen neue Ansätze, dass er zur wissenschaftlichen Beweisführung einen umfassenden Anmerkungsapparat hätte anführen müssen, der allerdings für die ADB-Artikel freilich nicht vorgesehen war. Von den 20 Skizzen sind also nur 3 Artikel Personen gewidmet, die nichts mit der Epoche des Dreißigjährigen Krieges zu tun gehabt haben. Unschwer ist zu erkennen, dass die in der ADB porträtierten Offiziere und Politiker des Dreißigjährigen Krieges eine unmittelbare Verbindung zu Albrecht von Wallenstein hatten. Hallwich konnte natürlich durch seine intensive Quellenforschung zum Herzog von Friedland auch zu den anderen Personen wertvolle Daten ausheben. Fast bei allen Artikeln schöpfte der Quellenforscher aus den von ihm gesammelten Archivalien, zumeist natürlich aus den Korrespondenzen der Feldkanzleien, und zitierte aus diesen. Er musste wohl auch ad fontes gehen, da zu einigen der zu beschreibenden Militärs und Politikern noch keine Standardwerke existierten. Da sich Hallwich zu einem großen Teil auf die Feldkorrespondenzen und Familienurkunden stützen musste, wirken die Personenbeschreibungen naturgemäß nicht immer stringent und sind keineswegs nur auf die Person selbst fokussiert. Oft findet man neben den – auch manchmal spärlichen – biographischen Daten Einschübe ereignishistorischer Momentaufnahmen und Details, die zwar nicht immer ein abgerundetes Bild zur Person ergeben, jedoch größtenteils sehr informativ sind. Um nur drei Beispiele zu nennen: Der vornehmlich aus Akten der Wiener Archive, des damals sogenannten Gubernial-Archivs zu Prag und anderen Archiven geschöpfte Artikel zu Adam Erdmann Graf Trcka von Lipa umfasst beachtliche 13 Seiten und beleuchtet – wie es die verwendeten Quellen eben zugelassen haben – nur gewisse Tätigkeiten oder Lebensabschnitte des Vertrauten Wallensteins genauer.69 Da eine umfangreiche historische Auseinandersetzung mit Adam Erdmann Trčka von Lípa fehlt, 67 Karl Wittich, Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius von, in: ADB 45 (1900 ) 582-641. Der Historiker Karl Wittich publizierte ebenfalls zu Wallenstein – so zum Beispiel: Wallensteins Katastrophe, in: Historische Zeitschrift 72 (1893) 385-440 und 73 (1894) 211-283. 68 So Briefe und Akten I, XXV. 69 Vgl. Adam Erdmann Graf Trcka von Lipa, in: ADB 38 (1894) 537-549. 109 R. Rebitsch der Militär bislang ein wissenschaftliches Schattendasein neben dem großen Generalissimus führt, muss immer noch auf den informativen Beitrag Hallwichs zurückgegriffen werden. Der Beitrag zum kaiserlichen Generalleutnant Matthias Gallas70 ist ebenso ausführlich, jedoch weniger informativ und nicht frei von Lücken und Fehlern. Zudem nutzte Hallwich in seiner Biographie zu Gallas die Gelegenheit, Fakten zum kaiserlichen General Johann von Aldringen, den er sogar ausführlicher behandelte als die Hauptfigur des Artikels selbst, nachzutragen, so dass die Skizze streckenweise eine etwas merkwürdige Doppelbiographie geworden ist. Mit völlig unhaltbaren Aussagen gegen Gallas,71 den er als reinen Nutznießer der Liquidierung Wallensteins sah, zeichnete der ansonsten an Quellen orientierte Historiker ein zu negatives Bild des kaiserlichen Generalleutnants, der in der Tat schwere Fehler beging, und verfestigte damit das Image des „Heerverderbers“. Sein nicht gerade als gelungen zu bezeichnender ADB-Artikel über Matthias Gallas bot auf keinen Fall den gleichen Informationsgehalt als jener des Vorarlberger Historikers und Philologen Josef (Ritter von) Bergmann (1796-1872),72 seit 1828 Direktor im Münz- und Antikenkabinett der Ambraser Sammlung, Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien sowie der königlichen Akademie in München und von 1831 bis 1844 Lehrer der Söhne von Erzherzog Albrecht, der bereits 1858 – also 30 Jahre früher – publiziert wurde.73 Obgleich Hallwich in Ottavio Piccolomini den großen Intriganten gegen Wallenstein sah, behandelte er den italienischen Offizier in seiner biographischen Skizze wohlwollender als Gallas.74 Großartige militärische Fähigkeiten jedoch sprach er auch dem späteren Ober70 Vgl. Matthias Graf von Gallas, in: ADB 8 (1878) 320-331; die erste moderne Biographie zum kaiserlichen Generalleutnant von Robert Rebitsch, Matthias Gallas (1588-1647). Generalleutnant des Kaisers zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Eine militärische Biographie (= Geschichte in der Epoche Karls V. Band 7), Münster 2006. 71 Aussagen wie „In einem verschanzten Lager zu Elsaß-Zabern vergeudete er in Saus und Braus, jedem sinnlichen Genuß im Übermaß ergeben, kostbare Zeit, während seine Mannschaft allgemeiner äußerster Mangel und die Pest decimirte.“ und „… während G. ohne Zechgelage, Spielleute und Weibervolk nicht leben konnte und besonders in seinen letzten Lebensjahren dem Trunke vollständig ergeben war.“ dürfen selbst bei Gallas’ Vorliebe für Wein als reine Polemik gewertet werden. 72 Zu Bergmann vgl. die kurzen Informationen in Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Leo Santifaller, bearb. von Eva ObermayerMarnach, I. Band, Graz – Köln 1957, 74 und ausführlicher Alfons Bechter, Joseph Ritter von Bergmann – ein Lebensbild, in: Elmar Vonbank, Joseph Ritter v. Bergmann zum 100. Todestag am 29. Juli 1972 (= Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums 55), Bregenz 1972, 15-29. 73 Vgl. dazu Josef Bergmann, Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates, vom XVI. bis zum XIX. Jahrhundert, Wien 1858, 278-313. 74 Zu dem 1645 mit dem Goldenen Vlies ausgezeichneten, durch den König von Spanien zum Herzog von Amalfi (Duca di Amalfi) und 1650 durch den Kaiser in den erblichen Reichsfürstenstand (mit der böhmischen Herrschaft Náchod) erhobenen Berufssoldaten Ottavio Piccolomini d’Aragona (1599-1656) aus der auf Adoption der Kinder 110 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg befehlshaber des kaiserlichen Heeres nicht zu: „Seine Schüler hatten ihm (Wallenstein, Anm. d. Verf.) allerdings manchen taktischen Kunstgriff abgelernt, der sie befähigte, zuweilen einen größeren oder geringeren Augenblickserfolg zu erringen: strategisches Genie, politischen Scharfblick besaß nicht Einer, auch nicht P., zu allerletzt aber derjenige, der als Generallieutenant zunächst mit der obersten Heeresleitung betraut war, Matthias Gallas.“ Gelang es dem Wallensteinforscher für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges noch ein punktuelles Datengerüst zum Italiener zu vermitteln, so erfährt man über seine Tätigkeit nach dem blutigen Konflikt nichts mehr.75 Unser Wissen über General Piccolomini nach dem Dreißigjährigen Krieg hat sich jedoch bis heute nicht sonderlich vermehrt.76 So darf man allgemein konstatieren, dass die biographischen Skizzen in der ADB nach wie vor wertvolle Fundgruben für verschiedene Details zu den Lebensläufen der von Hermann Hallwich dargestellten Persönlichkeiten sind. Bei einigen hat sich unser Wissen über ihren Werdegang nicht sonderlich erweitert, Militärs wie Matthias Gallas und Ottavio Piccolomini erfuhren im Laufe der Geschichte doch eine differenziertere Beurteilung. Und freilich stehen auch HistorikerInnen der heutigen Zeit oftmals vor dem Problem, weniger persönlich-biographische Quellen – ob diese nun als Ego-Dokumente oder Selbstzeugnisse bezeichnet werden müssen soll hier einmal dahingestellt bleiben77 – als vielmehr allgemein berichtende Korrespondenzen zu ihren Exponenten vorzufinden. seiner Nichte Antonia Pieri durch Papst Pius II. (Enea Silvio de‘ Piccolomini) begründeten Linie Piccolomini-Pieri, die (nach der Herrschaft Sticciano zubenannt) 1757 im Mannesstamm erloschen ist, vgl. Otto Elster, PiccolominiStudien, Leipzig 1911; Alfred A. Strnad, Piccolomini, in: Volker Reinhardt (Hg.), Die großen Familien Italiens (= Kröners Taschenausgabe 485), Stuttgart 1992, 425. Weiters vgl. die ausführliche biographische Skizze von Thomas M. Barker, Generalleutnant Ottavio Fürst Piccolomini. Zur Korrektur eines ungerechten historischen Urteils, in: Österreichische Osthefte 22 (1980) 322-369 sowie zusammenfassend Kathrin Bierther, Piccolomini, Ottavio (Octavio), Herzog von Amalfi, in: Neue Deutsche Biographie 20 (Berlin 2001) 408-410 bzw. Findeisen, Der Dreißigjährige Krieg, 318-323. Das Familienarchiv der Piccolomini findet man in Státní oblastní archiv v Zámrsku (Staatliches Regionalarchiv Zamrsk). 75 Piccolomini, Octavio Fürst, in: ADB 26 (1888) 95-103. 76 Eine Ausnahme bildet hier seine Tätigkeit als Principal-Kommissarius auf dem Nürnberger Exekutionstag. Dazu vgl. die informative Dissertation von Antje Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges (= Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 17), Münster 1991, passim. 77 Zu dieser Quellenart vgl. Winfried Schulze, Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte?, in: Bea Lundt/Helma Reimöller (Hgg.), Von Aufbruch und Utopie. Perspektiven einer neuen Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters. Für und mit Ferdinand Seibt aus Anlass seines 65. Geburtstages, Köln – Weimar – Wien 1992, 417-450 und Benigna von Krusenstjern, Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Beschreibendes Verzeichnis (= Selbstzeugnisse der Neuzeit. Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte 6), Berlin 1997. 111 R. Rebitsch 2. Die Rezeption 2.1. Der „akademische“ Disput mit Anton Gindely Im Jahr 1887 lieferte sich Hallwich eine heftige Kontroverse mit dem bekannten Historiker Anton Gindely. Gindely (1829-1892)78 studierte in Prag Theologie, Rechtswissenschaften und Philosophie, war pikanterweise ebenso wie Hallwich Schüler von Constantin von Höfler, besuchte im Laufe seiner akademischen Karriere europaweit Archive und wurde 1867 ordentlicher Professor an der Universität Prag. Durch die Fürsprache František Palackýs wurde Gindely, der einen deutschen Vater und eine tschechische Mutter hatte, zum Landesarchivar von Böhmen ernannt. Als solcher gab er die Landtagsakten (ab dem Jahr 1526) heraus und arbeitete an den „Monumenta Historica Bohemica“ mit. Gindely war also ein ausgewiesener Quellenexperte. Einer seiner Forschungsschwerpunkte war der Dreißigjährige Krieg und die Person Wallensteins.79 Der Disput80 begann mit der Rezension Hallwichs zu Gindelys Monographie über Wallenstein, besser gesagt zu Waldstein, wie ihn Gindely ganz bewusst nannte, und seinem ersten Generalat.81 Schon das Anliegen Gindelys, eine Quellenpublikation zu den Jahren 1600 bis 1648 herauszugeben, nannte Hallwich „eine Naivetät so haarsträubender Art“ und fand damit einen Einstieg, der eine Konfrontation der besonderen Art erahnen ließ. Der eifrige Verteidiger Wallensteins stieß damit auf den Ankläger, der zu beweisen suchte, dass der Generalissimus sich bereits im ersten Generalat zum Verräter entwickelte. Zunächst kritisierte der Quellenherausgeber Hallwich die Quellenbasis seines Kontrahenten, der seiner Meinung nach kaum auf Quelleneditionen zurückgriff und keine neu entdeckten Briefe Wallensteins, sondern nur offizielle Aktenstücke und Gesandtschaftsberichte verwendet hat, um Wallensteins Person zu rekonstruieren. Dann folgte eine schar78 Vgl. den Artikel „Gindely, Anton“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band 1, Wien – Graz , 1957, 441f. und im Biographischen Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Hg. im Auftrag des Collegium Carolinum von Heribert Sturm, Band I, München – Wien 1979, 437. 79 Anton Gindely, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. 3 Abtheilungen, Leipzig 1882-1884; ders., Waldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen Quellen 1625-1630. Bd. 1.2. Prag – Leipzig 1886 und ders., Beiträge zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Aus den nachgelassenen Schriften Anton Gindely’s. Hg. von Josef Hirn (= Archiv für österreichische Geschichte 89,1), Wien 1901. 80 Vgl. dazu auch Steffan Davies, The Wallenstein Figure in German Literature and Historiography 1790-1920 (= MHRA Texts and Dissertations volume 76), London 2010, 153-159. 81 Vgl. Gindely’s „Waldstein“. Rezension zu Gindely, Waldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen Quellen 1625-1630. 112 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg fe Kritik an den angeblichen faktischen Fehlern, Unterlassungen, Widersprüchlichkeiten, Unzulänglichkeiten, der darin zu findenden Hilflosigkeit sowie Verdrehungen und Irreführungen in Gindelys Werk, das Hallwich sehr ausführlich mit eigenen Quellenbeispielen auf über 40 Seiten sezierte. Mit den Attributen „leichtsinnig“, „erbärmlich“, „lächerlich“ und „widerlich“ wertete der Deutschböhme die Arbeit des Prager Ordinarius, dem er darüber hinaus nur ein „Halbwissen“ attestierte. So Hallwich: „In Wirklichkeit gibt es in seinem Buche keine Seite Text, auf der ihm nicht eine Anzahl grober und allergröbster Verstöße nach einer und der anderen Richtung nachgewiesen werden könnte.“82 Die durchgehend heftige und angriffige Kritik wurde sodann persönlich: „Unsere böhmischen Gelehrten tschechischer Herkunft verlernen allmälig die Fertigkeit, ein richtiges, gutes Deutsch zu schreiben. […] In seinem letzten Werke wimmelt es von Tschechismen.“83 So glaubte Hallwich auch bei Gindely eine eklatante Verschlechterung der deutschen Sprache konstatieren zu dürfen. Gindelys Antwort – fast gleich ausführlich wie die Kritik Hallwichs – ließ nicht lange auf sich warten.84 Gindely fühlte sich einer Beschuldigung ausgesetzt, „deren man sich gegen einen überwiesenen Verbrecher, nicht aber gegen einen Mann bedient, der sich durch seine bisherigen Arbeiten einen ehrenhaften Namen erworben hat.“85 Gindely wies die von Hallwich kritisierten Punkte eindringlich zurück, führte seine Gedanken nochmals ausführlich vor, räumte aber auch einige wenige Fehler ein. Obwohl Gindely der sarkastische Ton nicht fremd war, forderte er im Resümee Hallwich auf: „Jedenfalls ersuche ich Herrn Hallwich, daß, wenn er die Polemik mit mir fortsetzen will, er sich eines anständigeren Tones befleiße.“86 Und tatsächlich ging der Streit in die zweite Runde, Hallwich konterte.87 Wieder einmal verlieh der Abgeordnete zum Reichsrat seiner großen Bewunderung gegenüber Leopold von Ranke Ausdruck, in dem er dessen Wallenstein-Biographie als das Standardwerk schlechthin lobte, an dem nur noch aufgrund neuer Quellenfunde – womit er bestimmt auch seine Publikationen meinte – ein gewisser Feinschliff durchgeführt werden musste. Gindelys Waldstein war für Hallwich der Anti-Ranke: „Es gilt die Entscheidung für Ranke’s Wallenstein oder – Gindely’s ‘Waldstein’“. Der Titel „Wallenstein und Waldstein“ 82 Gindely’s „Waldstein“, 32. 83 Gindely’s „Waldstein“, 37f. 84 Anton Gindely, Zur Beurtheilung des kaiserlichen Generals im 30-jährigen Kriege Albrechts von Waldstein. Eine Antwort an Dr. Hallwich, Prag – Leipzig 1887. 85 Gindely, Zur Beurtheilung des kaiserlichen Generals, 4. 86 Gindely, Zur Beurtheilung des kaiserlichen Generals, 38. 87 Vgl. Wallenstein und Waldstein. Ein offener Brief an Dr. Gindely, Leipzig 1887. 113 R. Rebitsch bezog sich also nicht auf den Sprach- und Nationalitätenkonflikt, sondern es ging um eine Normsetzung in der Wallensteinliteratur; das scheinbare Problem der Volkszugehörigkeit Wallensteins wurde mit keinem Satz thematisiert. In seiner neuerlichen Kritik, die noch umfangreicher, nämlich 68 Seiten stark ist, wählte der Reichsratsabgeordnete die Form des offenen Briefes, womit der Ton noch direkter, konfrontativer, ja aggressiver wurde. Hallwich bemühte zu Gindelys Werk bereits erschienene Rezensionen, um ihm in der direkten Anrede die Urteile über sein Werk vorzuhalten. Hallwich resümierte: „[…]: die deutsche Kritik ist über Sie bereits zur Tagesordnung übergegangen.“88 Die feine englische Art, wie man so schön sagt, war das freilich nicht mehr. Er wollte dabei auch keinen Zweifel über seine Kompetenz aufkommen lassen: „[…], und ich lese grundsätzlich und regelmäßig alle namhaften kritischen Fachblätter, […].“89 Für den Vorwurf Gindelys, er wäre beleidigend gewesen, hatte Hallwich kein Verständnis, seine scharfe erste Kritik an den Prager Professor empfand der Abgeordnete zum Reichsrat keineswegs als überzogen, sondern als angemessen. Als neutraler „Beobachter“ dieses heftigen Streits allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als fühlte sich Hallwich bei Gindelys Vorwürfen gegenüber Wallenstein selbst beleidigt und persönlich angegriffen.90 So Hallwich: „Glauben Sie etwa: von einem bedeutenden, trotz Ihres Widerspruchs für alle Zeit bedeutenden Feldherrn und Staatsmann lässt sich das Niedrigste, das Schmachvollste behaupten – Sie aber, Herr Professor, sind unantastbar? Oder gelten etwa die Regeln des ‘Anstandes’ nur gegen Lebende und nicht auch den Todten gegenüber?“ Die Polemik, in der Hallwich die bereits erwähnten, sehr heftigen Vorwürfe gegenüber Gindely wiederholte, ließe sich problemlos fortführen: „Es ist ein altes Recept, das Sie (Gindely, Anm. d. Verf.) befolgen: entweder Sie leugnen geradezu, was Sie früher behauptet haben, oder Sie modificiren es halb und halb oder Sie thun genau dasselbe an mir und legen mir Worte in den Mund, die ich niemals gebraucht, um sodann zu beweisen, was zu beweisen war.“91 Einer der Hauptpunkte Hallwichscher Kritik war die „unehrliche“ Methode Gindelys. Und so resümierte der vermutlich zutiefst Betroffene: „Vor einem Schwurgericht gestellt, für Ihre zahllosen Beschuldigungen den Beweis der Wahrheit anzutreten, würden Sie sachfällig, Herr Doctor. Jeder Gerichtshof spräche Sie zweifellos schuldig – schuldig der Ehrenkränkung eines großen Todten.“92 Wiederum konterte der Prager 88 89 90 91 92 114 Wallenstein und Waldstein, 13. Wallenstein und Waldstein, 9. Wallenstein und Waldstein, 14f. Wallenstein und Waldstein, 46. Wallenstein und Waldstein, 68. Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg Ordinarius und brachte seine Argumente, diesmal durch mehr Quellenbeispiele unterlegt, in Stellung. Das Muster blieb dasselbe. Abschließend stellte Gindely die Beurteilung des Streits der Nachwelt anheim: „Seine Angriffe und meine Antwort werden vielleicht in der polemischen Literatur Oesterreichs, einige Beachtung erlangen: zu wessen Ehre das Endurtheil ausfallen wird, das überlasse ich getrost der Zukunft.“93 Das will ich kurz tun: Auf die einzelnen Pro- und Kontraargumente soll hier nicht weiter eingegangen werden. Die hier diskutierten, nur ansatzweise wichtigen Fragen gingen zu sehr ins Detail, als dass eine fachlich befriedigende Analyse auf kurzem Raum geboten werden könnte. Beide hatten gute und weniger gute Ansätze, lagen einmal falsch und auch wieder richtig, bezogen sich auf Einzelbeispiele, konnten jeweils einzelne Korrespondenzen zur Untermauerung der eigenen Argumente vorweisen, argumentierten streckenweise aneinander vorbei, operierten methodisch zum Teil vollkommen unzureichend, bezichtigten sich gegenseitig der Unwahrheit und schlugen zuweilen argumentativ weit über die Stränge – Hallwich wesentlich mehr als Gindely. Denn eines fällt auf: Gindely, der den Zorn Hallwichs gereizt zu haben glaubte, argumentierte wesentlich maßvoller, eleganter und weit weniger gehässig und beleidigend als Hallwich. Auf den Vorwurf des schlechten Sprachstils ging der publikationserfahrene Gindely nur kurz in seiner zweiten Antwort ein, in dem er seine Fachsprache als sperrig bezeichnete. Auf alle Fälle spielte sich die Polemik größtenteils unter akademischem Niveau ab.94 In Hinblick auf die Person Hermann Hallwichs kann man jedoch festhalten, dass ihn die Beurteilung des Generalissimus durch Gindely schwer getroffen hat. Der apologetische Unterton des Quelleneditors wandelte sich in diesen Streitschriften zur reinen Apologetik. 2.2. Wallenstein-Biographen über Hallwichs Werk Es gibt kein ernst zu nehmendes Werk über Wallenstein, in dessen Literaturverzeichnis nicht die Quelleneditionen und zumindest einige Abhandlungen von Hermann Hallwich zu finden sind. So wird Hallwich zwar sehr häufig zitiert, viel seltener jedoch kommentiert. 93 Anton Gindely, Zur Beurtheilung des kaiserlichen Generals im 30-jährigen Kriege, Albrechts von Waldstein. Zweite Antwort an Dr. Hallwich, Prag – Wien – Leipzig 1887, 50. 94 Holger Mannigel sprach in seiner Dissertation zu Recht von einer „zänkischen Kontroverse, deren wissenschaftlicher Wert als äußerst gering einzustufen ist.“ Vgl. Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 528. 115 R. Rebitsch Der aus Kleinrohosetza/Malý Rohozek stammende Josef Pekař (1870-1937),95 seit 1897 für das Fach Österreichische Geschichte an der tschechischen Karls-Universität in Prag habilitiert und dort seit 1905 als Ordentlicher Professor wirkend, ging nicht ohne Grund recht ausführlich auf Hallwich ein. Nach Pekař plante Wallenstein die Vernichtung des Hauses Habsburg, einen Umsturz der Reichsverfassung, er strebte nach der Wenzelskrone und betrieb somit reinen Hochverrat.96 Der „törichte“ Wallenstein wollte bereits seit 1631 aus bloßem Eigennutzen, von Hassgefühlen und Rachsucht getrieben, einen Aufstand gegen Kaiser Ferdinand II. initiieren, wobei er den „gerechten und erstrebenswerten“ Frieden nur als Fassade vorgetäuscht hat. Die These vom Streben des kaiserlichen Generalissimus nach der böhmischen Königskrone wurde von Friedrich Hermann Schubert unterstrichen, der dieses Motiv als zwangsinhärente Logik des wallensteinischen Denkens und Handels darstellte.97 Der bedingungslose Schuldspruch Pekař über den kaiserlichen Generalissimus wurde im Übrigen – aber auf diesen Disput sei hier nur in aller Kürze hingewiesen – vom Wiener Historiker Heinrich (Ritter von) Srbik (1878-1951) mit großem Nachdruck zurückgewiesen.98 In seiner Einführung zu Wallenstein reihte Pekař Hallwichs Werk in die 95 Zu diesem maßgebenden Kritiker von František Palacký ebenso wie von Tomáš Garrigue Masaryk, einem der führenden Vertreter der tschechischen Historiographie im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert, der 1935 die ihm angebotene Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten der Tschechoslowakischen Republik zurückwies, vgl. Zdeněk Kalista, Josef Pekař, Praha 1994 und Josef Hanzal, Josef Pekař. Život a dílo, Praha 2002, weiters Joachim Bahlcke, Geschichtsdeutung in nationaler Konkurrenz. Das Wallensteinbild von Josef Pekař (1870-1937) und seine Rezeption in Böhmen und der Tschechoslowakei, in: Bahlcke/Kampmann, Wallensteinbilder im Widerstreit, 279-312. 96 Vgl. Josef Pekař, Wallenstein 1630-1634. Tragödie einer Verschwörung, 2 Bände, Berlin 1937 (im tschechischen Original: Valdštejn, 1630-1634. Dĕjiny valdštejnského spiknutí (= Geschichte der wallensteinschen Verschwörung 1630-1634) erstmals Praha 1895 und in einer völlig umgearbeiteten Auflage Praha 21934. Zu Wallenstein und dem Streben nach der böhmischen Krone vgl. ebd. 646-651 und 701f., seine Ausführungen zu Hallwichs Werk 34-36 sowie 43-45. Nach der Auflage von 1934 wurde die deutsche Übersetzung angefertigt, nach der hier zitiert wird. Vgl. auch Emil Schieche, Josef Pekař und die Wallensteinforschung, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 72 (1938) 380-392. 97 Dazu vgl. Friedrich Hermann Schubert, Wallenstein und der Staat des 17. Jahrhunderts, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 16 (1965) 597-611. 98 Vgl. dazu Heinrich Ritter von Srbik, Besprechung von Pekařs Wallenstein, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 51 (1937) 497-503, vor allem aber in der zweiten Auflage seines Werkes: Wallensteins Ende. Ursachen, Verlauf und Folgen der Katastrophe, Salzburg 21952 (die erste Auflage erschien Wien 1920). Zur politischen und ideologischen Bewertung Srbiks vgl. kurz Hermann Weiss, Srbik, Heinrich Ritter v., in: Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Hg. von Hermann Weiss, Frankfurt am Main 21998, 437, wie auch die kritische Skizze von Helmut Reinalter, Heinrich Ritter von Srbik, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Deutsche Historiker VIII (= Kleine Vandenhoeck-Reihe 1478), Göttingen 1982, 78-95 sowie die Würdigung von Fritz Fellner, Geschichtsschreibung und nationale Identität. Probleme und Leistungen der österreichischen Geschichtswissenschaft, Wien – Köln – Weimar 2002, 330-345, interessant und aufschlussreich auch der freundschaftliche Nachruf des Akademiekollegen Wilhelm Bauer, Heinrich Srbik, wiederabgedruckt in: Neue Österreichische Biographie ab 116 Hermann Hallwich und sein Werk zum Dreißigjährigen Krieg Verteidigungsschriften in der Tradition Friedrich Christoph Försters99 ein. Mit „einer gewissen Ostentation und großem Selbstbewußtsein“ wurde durch Hallwich eine „grundsätzliche Defensivaktion eingeleitet“. Wenngleich er das Werk aus handwerklich-editorischer und quantitativer Perspektive als „große Leistung“ lobte, warf der Ordinarius für Österreichische Geschichte Hermann Hallwich in dessen Interpretation der Wallensteinfrage reine Apologetik und krasse methodische Unzulänglichkeiten vor. Den Vorwurf der „Geschichtsfälschung“ brachte er zwar nicht wortwörtlich ein, meinte es aber wohl so. Weiters, so Pekař, hat es Hallwich „überhaupt nicht gewagt […] systematisch den Ergebnissen der Wallensteinforschung der achtziger und neunziger Jahre (des 19. Jahrhunderts, Anm. d. Verf.) entgegenzutreten.“ So ging, seiner Meinung nach, Hallwich gar nicht mehr auf neue, vor allem konträre Argumente ein. Die Frage ob „Friedensstifter“ oder „Verräter“ wurde durch diese Diskussion im 20. Jahrhundert prolongiert. Der eben erwähnte Kontrahent von Josef Pekař, Heinrich Srbik, sah sich in der Tradition Hallwichs: „Ich glaube, auch Hallwichs letzte große Veröffentlichung, der Abschluß eines bewundernswerten, durch nahezu ein halbes Jahrhundert bestätigten Forschungseifers, gestattet keine grundsätzlich andere Beantwortung des ‘Schuldproblems’, als sie seit den Veröffentlichungen aus den sächsischen und schwedischen Archiven, seit Gaedeke, Hildebrand und Irmer geraten mußte und zuletzt von Moritz (sic!) Ritter mit Scharfsinn und Sorgfalt geformt wurde.“100 1815. Große Österreicher XII, Zürich – Leipzig – Wien 1957, 171-193. Zum Geschichtsbild Srbiks vgl. Michael Derndarsky, Österreich und die „Deutsche Einheit“. Studien zu Heinrich von Srbik und seiner gesamtdeutschen Geschichtsauffassung, Habilitationsschrift Universität Klagenfurt 1989; sowie auch Winfried Schulze, Heinrich von Srbik und sein Wallensteinbild, in: Bahlcke/Kampmann, Wallensteinbilder im Widerstreit, 313-329 (mit weiteren Literaturangaben). Heinrich von Srbik war Zeit seines akademischen Lebens bemüht, die kleindeutsche und großdeutsche Geschichtsbetrachtung durch eine gesamtdeutsche zu versöhnen. Sein tiefes deutsches Kulturbewusstsein ließ ihn zum überzeugten Nationalsozialisten werden. Während des Dritten Reiches wurde Srbik Präsident der Akademie der Wissenschaften in Wien (ab 1947 „Österreichische Akademie der Wissenschaften“), erlaubte sich am totalitären System durchaus Kritik, versuchte zudem eine sehr eigenständige österreichische Linie zu betonen, ohne sich jedoch von der nationalsozialistischen Partei und Regierung zu distanzieren. Schließlich geriet er gegen Ende der Diktatur wie auch in der Zweiten Republik in die politische und akademische Isolation. Nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur wurde er aus der Akademie entlassen. Srbiks ohne Zweifel beachtliches wissenschaftliches Werk wurde so von seiner politischen Haltung und Tätigkeit diskreditiert 99 Zu Försters Werk vgl. Mannigel, Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin, 153-177. Der deutsche Historiker Förster, der während der Napoleonischen Kriege im Lützowschen Freikorps und in der Schlacht von Waterloo kämpfte, war ein leidenschaftlicher Verteidiger Wallensteins, wobei er auch gerne über damals schon geltende wissenschaftliche Standards hinwegsah und methodisch äußerst naiv bis problematisch arbeitete. 100 Srbik, Wallensteins Ende, 20. 117 R. Rebitsch 3. Fazit Das Werk Hermann Hallwichs zum Dreißigjährigen Krieg hat einen klaren Kristallisationspunkt: Albrecht von Wallenstein. Alle anderen von ihm historisch aufgearbeiteten Personen sind sozusagen „Trabanten“ des Feldherrn, ihre Geschichte berührt die ihres Vorgesetzten und die Erkenntnisse sind vorwiegend aus dem Wallensteinischen Quellenkorpus geschöpft.101 Selbst durch die Betrachtung der Personen aus Wallensteins näherem Umfeld wollte Hallwich zum besseren Verständnis der Person des Herzogs von Friedland beitragen. Abgesehen von anachronistischen politischen Konnotationen, vom groben Fauxpas gegen Gindely, vom grundsätzlichen Mangel der Unparteilichkeit und der fehlenden Objektivität zum Untersuchungsgegenstand ist das Gesamtwerk äußerst beachtlich. Bedenkt man, dass Hermann Hallwich kein Historiker von Berufswegen, sondern Lehrer, Funktionär und Politiker war, so ist seine Leistung nochmals beeindruckender als dies die monumentalen Quellenbände, die aus den Quellen recherchierten, faktengesättigten Monographien und Aufsätze ohnehin demonstrieren. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie es diesem Mann möglich war, neben einem ausgefüllten Berufsleben und neben seiner politischen Tätigkeit ein derart umfangreiches historisches Oeuvre zu hinterlassen. Sein Werk zu Wallenstein, so der Historiker und Quellensammler selbst, sei das Resultat „einer intensiven Sammelarbeit, der allein ich durch nun fast zwei Menschenalter jedweden mir von meinen sonstigen Berufsgeschäften erübrigenden freien Augenblick geopfert.“102 Hallwich opferte offenbar wirklich jede freie Minute für seine historische Arbeit. Nur in gewissen Belangen konnte er dabei auf Unterstützung zurückgreifen: Er bekam Abschriften von Archiven und Quellensammlern, so dass er nicht jedes Schriftstück selbst transkribieren musste. Ferner erfuhr der Wallenstein-Spezialist professionelle Unterstützung bei italienischen und spanischen Texten. Als seinen Mitarbeiter nannte er Dr. Robert Teichl, Assistent der k.k. Hofbibliothek in Wien, der bei den Fünf Büchern Geschichte Wallensteins sowie bei den Briefen und Akten das Personen- und Ortsnamensverzeichnis erstellt hat.103 Hermann Hallwichs Werk zum Dreißigjährigen Krieg bleibt für die Forschung unverzichtbar. 101 Selbst wenn Wallenstein nicht im Titel genannt wird, wie im Aufsatz von Hermann Hallwich, Hans Georg von Arnim in den Jahren 1627-29, in: Archiv für die Sächsische Geschichte 8 (1870) 380-412, spielt der kaiserliche Feldherr freilich keine unerhebliche Rolle in der Abhandlung. 102 Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXVI. 103 Fünf Bücher Geschichte Wallensteins III, XXIX und Briefe und Akten I, LXVf.: „Das Zustandekommen dieses zeitraubenden, mühevollen Elaborates ist in erster Linie meinem langjährigen jungen Mitarbeiter Herrn Dr. Robert Teichl, Assistenten der k.k. Hofbibliothek in Wien, zu verdanken, dessen besonderem, ausdauerndem Fleiße ich die volle Anerkennung nicht versagen kann.“ 118 Bohuslava Chleborádová Tausend und ein Blick auf Teplitz Die Sammlung von Grafiken und Zeichnungen von Hermann Hallwich Am 8. Mai 1913 brachte der Teplitz-Schönauer Anzeiger eine kurze Nachricht: „Die Söhne des in Wien verstorbenen Sohns und Ehrenbürgers der Stadt, des Hofrats H. Hallwich gaben dem hiesigen Amt zu Kenntnis, dass sie im Geiste des letzten Willens ihres verstorbenen Vaters die reiche Sammlung Tepliciana dem Stadtamt von Teplitz-Schönau eventuell zur Einverleibung in das hiesige Museum übergeben. Die genannte Sammlung enthält 2000 verschiedene Ansichten auf das alte Teplitz, eine wertvolle Sammlung von Gläsern mit eingravierten Ansichten von Teplitz, altes Porzellan Meißener und tschechischer Provenienz, eine Sammlung prähistorischer Funde und schließlich vieler historischer Fundstücke“. Über das Geschenk informierten nachfolgend die Tageszeitungen in Asch, Leitmeritz, Reichenberg, Rumburg, Gablonz, aber auch in Prag, und am 14. Mai brachte ebenfalls der Dresdener Anzeiger eine kurze Nachricht. Am 28. Mai 1913 wurde die Sammlung in das Geschenkbuch des Teplitzer Museums eingetragen: „ … Herr Direktor Gustav Hallwich und die Frau Gemahlin des Großindustriellen, Rosa Schwab, widmeten auf Intervention von Herrn kaiserlichem Rat Reginald Czermack, Kommerzienrat, die Sammlung des Hofrats Dr. Hermann Hallwich: Stiche, Karten und Lithografien, Originale – Aquarelle, Tusche- und Bleistiftzeichnungen u.a. Diese Stiche und Originale sind in 12 kleinen und 3 großen Kartons in Form von Büchern abgelegt. Diese sind wiederum in einem dazu eingerichteten Schrank aufbewahrt. Nummeriert sind sie nach einem Zettelkatalog mit 1689 Nummern.“ Der Eintrag informierte weiters über die Schenkung einer Kollektion von 232 Gläsern, Porzellan, einem Tuch mit Blick in den Kurgarten, einem Gipsmodell von Brauns Pestsäule der Hl. Dreifaltigkeit und des SeumeDenkmals, zudem über gerahmte Bilder mit Ansichten von Teplitz und Umgebung. Heinrich Bank und Josef Meindl verzeichnet, einem grafischen Quodlibet mit 25 Teplitz-Ansichten, von Gustav Täubert in Dresden herausgegeben, weiters ein Ölgemälde mit Hallwichs Portrait und die Sepiazeichnung eines Autoportraits von A. Sacchetti. Die Gegenstände wurden in die III. Abteilung des Museums, der Kollektion Tepliciana, aufgenom- 119 Bohuslava Chleborádová men. Nach dem Jahre 1945 wurden sie in die kunsthistorische Abteilung, die prähistorische und historische Abteilung eingegliedert. Dieser Beitrag ist der grafischen Sammlung gewidmet, die bis 1945 vollzählig erhalten war. In den Jahren 1913 bis 1945 wurde sie um weitere 60 grafische Blätter und Zeichnungen erweitert. Die Grafiken wurden größtenteils mit Duplikaten der Blätter in die Sammlung aufgenommen. Neu wurden Zeichnungen von zeitgenössischen Teplitzer Künstler eingegliedert, deren Arbeiten bereits 1913 fehlende grafische Blätter ersetzten, die in die Hallwichsche Wallensteinsammlung überführt worden waren. Im Herbst 1947, nach dem Umzug in die Räumlichkeiten des Schlosses, begann das Museum seine Tätigkeit mit der Ausstellung „Teplitz in der Vergangenheit“, vor allem mit grafischen Blättern und Zeichnungen aus der Hallwichschen Sammlung. Im Ausstellungskatalog wurde allerdings dieser Ursprung nicht erwähnt. Auf den Zusammenhang der Museumssammlung Teplitzer Veduten mit Hallwich machte erst Jitka Budinská im Jahre 1974 in ihrer Publikation Geschichte des Teplitzer Museums aufmerksam. Nach 1954 verwendete man die Sammlung, vor allem die grafischen Blätter, in der historischen Exposition des Museums, leider ohne gebührende Kontrolle, und deshalb kam es nach Einführung einer Erfassungsdatei des Museums im Jahre 1962 zum Einordnen grafischer Blätter anderer Provenienz in die Hallwich-Sammlung und zur Erteilung neuer Nummern für die ursprünglichen Grafiken und Zeichnungen. Dank der Aufbewahrung des ursprünglichen Zettelkatalogs und einer gründlichen, gegenwärtig erfolgenden Inventarisierung der gesamten Sammlung von Grafiken und Zeichnungen des Regionalmuseums (über 20.000 Drucke und Zeichnungen) werden allmählich diese Mängel beseitigt. Erhalten blieb ebenfalls die Aufbewahrung in den ursprünglichen Kartons und zum größten Teil auch die ursprünglichen Unterlagen mit Hallwichs schriftlichen Anmerkungen. Ebenso blieb der in diesem Jahr restaurierte Ablageschrank erhalten, der – wie das Ölgemälde mit Hallwichs Portrait – wieder korrekt verzeichnet und zugeordnet werden konnte. Das aufkeimende Interesse an Hallwichs Persönlichkeit hat ihm nun in diesem Jahr eine alte bzw. nun neue Identität gegeben. Die Sammlung von Grafiken und Zeichnungen Hermann Hallwichs war in drei Teile geteilt: 957 der ersten Positionen, getrennt nach topografischen Kriterien, enthielten nicht nur grafische Blätter, sondern auch Fotografien und Reproduktionen. Die nachfolgenden 277 Positionen bildeten eine Kollektion von Zeichnungen 60 alphabetisch geordneter Künstler und anonyme Zeichnungen. Die verbleibenden 455 Positionen enthielten sowohl grafische Blätter als auch Originalzeichnungen, vor allem größeren Formats. Der Eintrag im Ge- 120 Tausend und ein Blick auf Teplitz schenkbuch untergliederte thematisch in „Teplitzer Ansichten“, Stiche, Pläne, Lithografien, Reproduktionen, mit denen Hallwich die ersten 384 Nummern besetzte. In der Zahlenreihe folgten „Ansichten auf die nähere Umgebung von Teplitz“ – Dux/Duchcov, Kremusch/ Křemýž, Schwaz/Světec, Boreslau/Bořislav, Milleschau/Milešov mit dem Milleschauer, Ossegg/Osek, Turn/Trnovany, Tischau/Mstišov und Ausflugsorte wie Weißkirchlitz/Novosedlice oder Eichwald/Dubí. Eine umfangreiche Kollektion war Graupen/Krupka und Mariaschein/Bohosudov gewidmet. Grafische Blätter und Pläne mit „Blick aus Kulm und die Schlacht bei Kulm/Chlumec“ enthielten dem Jahre 1813 nachgebildete Ereignisse, vor allem aber Ansichten der Denkmäler, die auf den Schlachtfeldern zwischen den Jahren 1817 bis 1837 errichtet wurden. Eine Kollektion mit „Ansichten fremder Städte“ enthält außer den Veduten von Komotau/Chomutov, Aussig/Ústí nad Labem, Leitmeritz/Litoměřice, Raudnitz/Roudnice, Libochowitz auch Blicke auf die Burgen und Schlösser Eisenberg/ Jezeří, Rotenhaus/Červený Hrádek, Kamaik/Kamýk nad Labem, Hasenburg/Hazmburk. Die rein topografische Reihe beendet eine große Kollektion von 134 grafischen Blättern mit Blicken auf Tetschen-Bodenbach/Děčín, die Böhmische und Sächsische Schweiz. Beim Anlegen und Organisieren der Sammlung war Hallwich ganz Historiker. Das Bildmaterial diente ihm als historische Quelle, um eine möglichst detaillierte Ortsbeschreibung zu erhalten. Das Ordnen der Sammlung vermittelte ihm den Eindruck, dass Teplitz, seine Umgebung und auch das Gebiet des nordwestlichen Böhmens zu den am meisten abgebildeten Regionen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte. Das erwachende Interesse an der Vergangenheit lenkte die Aufmerksamkeit auf architektonische Sehenswürdigkeiten und der wachsende Bedarf, diese auch zu nutzen, brachte eine Blütezeit von Landschaftsgenres und topografischen Veduten. Das Bestreben, eine möglichst breite grafische Produktion zu erfassen, bedeutete aber auch eine schwankende Qualität der Blätter. Jedoch beweist die Sammlung Hallwichs tiefe Kenntnis dieser Quellen. In seine Sammlung reihte er nicht nur Grafiken des 19. Jahrhunderts ein, sondern z.B. auch eine Vedute des Klosters Ossegg, die Bestandteil von 45 Stichen ist und zum Werk von Johann Georg Vogt „Das Jetzt-lebende Königreich Böhmen“ gehört, herausgegeben im Jahre 1712. Weiters gehörte die bekannte Abbildung Komotaus aus einem topografischen Atlas des 17. Jahrhunderts zu seiner Sammlung. Bestandteil der Sammlung waren ebenfalls Stiche, die aus Fachpublikationen herausgenommen wurden – z.B. die drei Panoramablicke auf Teplitz aus dem Jahre 1794 des Dresdener Graveurs Johann Adolph Darnstedt (1769-1844), Teil des Buches von W. C. Ambrozzi „Physischchemische Untersuchung der warmen Mineralquellen zu und bey Teplitz“, erschienen 1797 121 Bohuslava Chleborádová in Leipzig, oder fünf Kupferstiche von Josef Geidl aus dem Buch von Franz Ambrosius Reuss (1761-1830) „Naturgeschichte des Biliner Sauerbrunnens in Böhmen“, herausgegeben 1801 in Prag, wie auch die grafische Illustration des Reussschen „Taschenbuch für Badegäste von Teplitz“ aus dem Jahre 1823, erschienen im Verlag Sprengler, Helms und Gerzabek in Teplitz. Lithografien aus der Publikation von Anton Anschiringer „Album der Industrie des Reichenberger Handelskammerbezirks“, erschienen in Reichenberg im Jahre 1858 mit ausgesuchten Ansichten der neu entstehenden Industriearchitektur, belegen Hallwichs Vorhaben, eine Sammlung zu schaffen, die ein wahrheitsgetreues Bild von der Geschichte der nordböhmischen Industrielandschaft wiedergibt. Die Ansichten von Teplitz und Umgebung wurden in den bekanntesten Prager, Wiener und Dresdener Verlagen ihrer Zeit herausgegeben und waren ein Bestandteil der heute legendären Kollektionen und topografischen Alben. Die Gesellschaft Artaria & Compani in Wien verlegte in den Jahren 1803 bis 1807 eine Kollektion von 29 kolorierten Radierungen „Collection de vues les plus interessantes et pittoresques de la Bohême“, für die Karel Postel (1774-1818) die Teplitzer Veduten mit den Nummern 23 und 28 nach Vorlagen von Laurenc Jansch (1743-1811), einem Professor der Landschaftsmalerei an der Wiener Akademie, gravierte. In die Sammlung sind auch Blätter aus dem berühmten Album Teplitzer grafischer Veduten „Dreyzehn Romantische Ansichten von Töplitz und Umgebung“ aufgenommen, die Antonín Pucherna (1776-1862) in der kombinierten Technik der Aquatinta-Radierung nach einer Zeichnungsvorlage von Franz Karl Wolf (1764-1836) anfertigte. Das Album wurde vom Buchhändler Franz Haase in Wien, Prag und Karlsbad um das Jahr 1808 herausgegeben. Aus einem weiteren Hauptwerk grafischer Veduten zu Beginn des 19. Jahrhunderts „Abbildungen sämtlicher alten und neuen Schlösser in Böhmen“, herausgegeben vom Verlag F. K. Wolf in den Jahren 1809 bis 1812, nahm Hallwich in seine Sammlung die Ansicht auf die Ruine der Burg auf dem Daubersberg des Graveurs W. A. Berger (1775-1824) auf. Die Prager Verleger Michelotto und Barth publizierten in der Zeit von 1800 bis 1810 eine Serie künsterlisch wertvoller Ansichten von Teplitz und Umgebung, die Anton Balzer (1771-1807) nach Vorlagen von Ludwig Graf Buquoy (1783-1834) in Aquatinta-Technik übertrug. In Hallwichs Sammlung sind ebenfalls Stiche mit Teplitzer Motiven von Antonín Herzinger (1763-1826) nach Vorlagen von Buquoy zu finden. Die Gründergeneration der Dresdener Landschaftsmaler und Grafiker wurde von Adrian Zingg, Professor des Kupferstichs an der Dresdener Akademie, beeinflusst. Seine charakteristischen, mit Sepia kolorierten Radierungslinien zeigt Hallwichs Sammlung in den 122 Tausend und ein Blick auf Teplitz Ansichten auf Herrenkretschen und Schreckenstein. Allgemein bekannt waren die Teplitzer Veduten, die mit den Namen des Malers Simon Klotz (1795-1830) und des Dresdener Graveurs Johann Friedrich Wizani (1770-1835) verbunden sind. In Hallwichs Sammlung sind ebenfalls Blätter mit dem Blick auf Teplitz aus Richtung Süden auf das Schlachtfeld bei Kulm und auf Herrenkretschen aus der Kollektion „70 mahlerische An- und Aussichten der Umgegend von Dresden in einem Kreise von sechs bis acht Meilen“ enthalten. Diese wurden von C. A. Richter und Ludwig Richter (der als Kind seinem Vater bei der Realisierung dieser Kollektion für den bekannten Dresdener Arnold-Verlag geholfen hat, der diese im Jahre 1820 herausgab) gezeichnet und graviert. Ein Gedenkalbum mit kolorierten Stichen aus Teplitz und Umgebung publizierten die Dresdener Verlage C. G. Schulze, F. R. Neumann, C. F. Meser und auch dessen Zweigstelle Helm und Sprengler in Teplitz. In einer weiteren bekannten Kollektion von Veduten des 19. Jahrhunderts, koloriert mit Aquatinta von Eduard Gurk (1801-1841), „Mahlerische Ansichten aus Carlsbad, Töplitz, Marienbad, Franzensbrunn und den Umgebungen“ (herausgegeben 1825 und 1835 durch den Verlag Tranquillo Mollo in Wien) wird Teplitz und Umgebung durch folgende Ansichten dargestellt: Das Colloredo-Denkmal in Arbesau, Graupen, Aufnahmen aus dem Schlossgarten, Blick auf Schönau vom Daubersberg, ein durch Teplitzer Amateurzeichner oft kopierter Blick ins Männerbad der Teplitzer Urquelle und eine Aufnahme vom Schlossplatz beim Besuch der drei Kaiser im Jahre 1835. Hermann Hallwich hatte auch lithografische Kollektionen in seiner Sammlung, die vor allem in Wien herausgegeben wurden. Schon im Jahre 1817 gründete hier Adolf Kunike (1775-1838) ein lithografisches Institut, in welchem er Ende der 1820er Jahre mit F. K. Wolf eine Serie von Ansichten von Teplitz, Schönau und dem Daubersberg herausgab. In Hallwichs Sammlung ist ein weiterer Wiener Verlag vertreten, das Lithografische Institut der Brüder Josef (1792-1839) und Matthias (1790-1839) Trentsenský, gegründet 1819. Zu den bedeutendsten lithografischen Werkstätten der österreichischen Monarchie gehörte die Druckerei, Buch- und Kunsthandel von Carl Wilhelm Medau (1791-1866) in Leitmeritz, seit Beginn der 1840er Jahre auch mit einer Zweigstelle in Teplitz. Hallwich nahm außer anderen Lithografien mit Teplitzer Veduten die Ansicht auf die Burg auf dem Daubersberg aus der Werkstatt von F. A. Heber „Böhmens Burgen, Vesten und Bergschlösser“ in seine Sammlung auf. Diese wurde in Medaus Verlag in sieben Bänden in den Jahren 1843 bis 1849 herausgegeben. Auch an die Dresdener lithografischen Werkstätten sollte erinnert werden. Eine Kollektion von Ansichten auf Bad Teplitz gaben Adler und Dietze heraus, für die der Maler und Lithograf Carl Wilhelm Arldt (1809-1868) und der Lithograf Jacob Fleismann 123 Bohuslava Chleborádová arbeiteten. Nach 1843 gab Gustav Täubert nach eigenen Vorlagen ein lithografisches Album mit Ansichten von Teplitz und Umgebung heraus. Nicht fehlen durften natürlich in Hallwichs Sammlung die farbigen Lithografien aus der Kollektion romantischer Ansichten von Burgen und Schlössern aus dem „Album der herrschaftlichen Landsitze und Schlösser in Kaiserthum Oesterreich“ des Lithografen Woldemar Rau (1827-1899) und des Teplitzer Verlegers J. W. Pohlig aus dem Jahre 1854 (im Reprint übrigens vor nicht langer Zeit erschienen). Im Rahmen dieser knappen Übersicht sollte ebenfalls an den Bestand einiger grafischer Portraits von bedeutenden, mit Teplitz verbundenen Persönlichkeiten erinnert werden – an den Dichter Johann Gottfried Seume, an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. und an Persönlichkeiten mit regionaler Bedeutung wie den in Graupen gebürtigen Schriftsteller und Lehrer Franz Ferdinand Effenberger (1795-1880) oder den Ossegger Abt Krügner. In seine Sammlung reihte Hallwich die Fotoreproduktion von K. Röhling mit der Abbildung des Teplitzer Treffens von Beethoven mit Goethe ein, und die Reproduktion eines Fotos mit dem Portrait Edmund Clary-Aldringens, das einst im berühmten Fotoatelier Karl Pietzner in Teplitz aufgenommen wurde. Nach topografischen Gesichtspunkten reihte Hermann Hallwich auch eine Kollektion von „Originalen“ in seine Sammlung ein. Ein Großteil der Zeichnungen korrespondierte mit dem Inhalt der Kollektion grafischer Blätter. Die Sammlung ist nicht homogen, der angenommene künstlerische Wert wurde in vielen Fällen dem dokumentarischen Wert untergeordnet. In seine Sammlung nahm Hallwich auch die Zeichnungen von Amateuren auf, und wie aus der erhaltenen Korrespondenz mit Josef Hammer, einem Teplitzer Amateurzeichner hervorgeht, geschah dies auf Hallwichs Bestellung. Nicht nur den Zeichnungen von J. Hammer, sondern auch jener von Hermann Langs oder Franz Laube fehlen der künstlerische Wert, für die Teplitzer historische Topografie sind es jedoch wertvolle Dokumente. Sie fangen zum Beispiel einen Teil der städtischen Bebauung vor dem Brand 1793 ein, das ursprünglich im Renaissancestil errichtete Rathaus oder die Umgebung des Teplitzer Schlosses der Clary-Aldringen vor seiner „Modernisierung“ in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Unter den erwähnten Laienkünstlern finden wir auch zwei Aquarelle, die Otto und Wilhelm, zwei Brüder von Hallwich anfertigten. Otto Hallwich widmete im Jahre 1877 seine größte Aufmerksamkeit dem gemeinsamen Geburtshaus, wobei die eingefangene Umgebung ein einmaliges Zeugnis für die Dispositionsgliederung dieses heute radikal veränderten Platzes bietet. Ebenso wie die Darstellung Wilhelms, dessen Zeichnung ein Bild vom Aussehen des Garten- und Ballhauses und auch des Eingangs 124 Tausend und ein Blick auf Teplitz in den Schlossgarten vor den baulichen Anpassungen an der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts bietet. Dem wahren Kriterium einer Kunstsammlung entspricht die Kollektion von Zeichnungen Dresdener Autoren. Die nordböhmische Landschaft zeigte sich in den Skizzen der dortigen Maler und Zeichner schon vor der Schaffung des Ateliers der Landschaftsmalerei im Jahre 1766 an der kurz zuvor gegründeten Akademie der bildenden Künste (1764). Auch wenn es nicht Hallwichs erklärtes Ziel war, finden sich in seiner Sammlung viele der Arbeiten der Gründer und ihrer nächsten Nachfolger der Dresdener Schule für Landschaftsmalerei. Für seine Sammlung erwarb er eine Zeichnung mit Blick auf die Landschaft zwischen Teplitz und Dux von Christian Benjamin Müller (1690-1758), eines Porträtisten, Miniaturen-Malers, Graveurs und Zeichners, datiert vom 26. Juni 1733. Es gelang ihm auch, eine kleinere Kollektion wertvoller Arbeiten von Adrian Zingg (1734-1816), eines Schweizer Malers und Graveurs, der an der Dresdener Akademie seit ihrer Gründung wirkte, zu erwerben. Zingg war einer der ersten Maler, der die Anziehungskraft der nordböhmischen Landschaft entdeckte und von der Fachwelt als Wegbereiter der Dresdener romantischen Malerei bezeichnet wurde. In Hallwichs Sammlung wurde eine Tuschzeichnung mit Blick auf Teplitz, Gouache-Zeichnungen der Burgen Blansko, Ossegg, Schreckenstein und eine Sepia-Zeichnung mit Blick auf Skalka bei Bilin aufgenommen. Zu den Schülern von Zingg gehörten Carl August Richter (1770-1843), der in Nordwestböhmen vor allem als Zeichner von Vorlagen für den Dresdener Grafikverlag J. C. Berger und Ernst Arnold beschäftigt war. So entdeckte er die Landschaft für seinen Sohn Ludwig (1803-1884), einen weiteren Schüler von Zingg und einen der Hauptvertreter der Dresdener Landschaftsmalerei, der die nordböhmische Landschaft mit der italienischen verglich. Hallwich erwarb für seine Sammlung drei Bleistiftzeichnungen mit einer Ansicht der Kalvarie bei Mariaschein, eines Dorfes unter dem Schreckenstein und Blick auf dem Borschen bei Bilin. Weiters kaufte er im Jahr 1906 in Dresden aus der Sammlung von Eduard Cichori, eines bekannten Sammlers, undatierte und nicht signierte Skizzen, die L. Richter zugeschrieben werden. Hallwichs Sammlung enthält ebenfalls Zeichnungen und grafische Blätter von Christian Gottlieb Hammer (1779-1864), einem Maler, Graveur und Schüler des Gravierkabinetts von A. Zingg und Vertreter der Dresdener romantischen Malerei, der einen Teil seines Werkes der böhmischen Landschaft widmete. Mit Zeichnungen sind auch die Dresdener Maler, Zeichner und Inhaber bekannter lithografischer Werkstätten, Otto Wagner (1801-1861) und Gustav Täubert (1817-1913), ein Schüler C. A. Richters, vertreten, der seit dem Jahre 1843 als selbständiger Zeichner von Landschaften und Architektur 125 Bohuslava Chleborádová wirkte. Für G. Täubert arbeitete der Dresdener Landschaftsmaler und Lithograf Hans Williard (1832-1867), der in seinen Zeichnungen die Region an der Elbe bis nach Teplitz und das Vorerzgebirge festhielt. Hallwich nahm in seine Sammlung dessen 8 Aquarell- und mit Tusche lavierte Zeichnungen auf, die Teplitz, den Daubersberg, Graupen, Bilin, den Schreckenstein, Tetschen-Bodenbach sowie Herrenkretschen darstellen. In Hallwichs Sammlung gab es in Zusammenhang mit Teplitz ebenfalls Zeichnungen aus Teplitz und Umgebung von Autoren der böhmischen Schule der Landschaftsmalerei des angehenden 19. Jahrhunderts. So zum Beispiel die als Paradevertreter der grafischen Veduten geltenden Antonín Pucherna (1776-1862) und der klassizistische Maler und Graveur Karl Postl (1774-1818), der in den Jahren 1806 bis 1817 als Lehrer für Landschaftsmalerei und grafische Veduten an der Akademie in Prag wirkte. Wegen seiner Bädertradition lockte Teplitz die Maler nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt an, sondern die Stadt wurde zeitweilig auch zu ihrer Wirkungsstätte. Im Jahre 1824 ließ sich Carl Robert Croll (18001833) in Teplitz nieder. Hallwich erwarb für seine Sammlung 4 Zeichnungen, ein signiertes Aquarell mit dem Schlossplatz aus dem Jahre 1834 und eine Bleistiftzeichnung mit gleichem Sujet von Croll. Demselben Künstler wird die Tuschzeichnung des Baus vom Stadtbad aus dem Jahre 1838 zugeschrieben und eine Zeichnung antiker Ruinen über dem Meer. Das war ein eher ungewöhnliches Sujet für Hallwichs Sammlung, nicht aber für C. R. Croll, der in den Jahren 1831 bis 1834 Studienzeichnungen von Carl Joseph Clary-Aldringens (1777-1831) Reisen durch Italien nachzeichnete. Als Zeichenlehrer wirkte Antonín Liehm (1817-1860) in Teplitz, der, in Janegg bei Teplitz gebürtig, ein Landschaftsmaler und in den Jahren 1836 bis 1837 Schüler von Antonín Mánes an der Prager Akademie der bildenden Künste war. Der heute vergessene Künstler war zu seiner Zeit ein anerkannter Maler von Landschaften der Teplitzer Umgebung, der im Jahre 1908 auch auf der Jubiläumsausstellung des Kunstvereins für Böhmen (Krasoumná jednota pro Čechy) im Prager Rudolfinum ausstellte. In Hallwichs Sammlung ist eine signierte und datierte Zeichnung einer Linde bei Ossegg enthalten. Zu Beginn der 1850er Jahre hielt sich Ernst Gustav Doerell (1832-1877) vorübergehend in Teplitz auf, dessen 82 Aquarelle und Bleistiftzeichnungen aus den Jahren 1853 bis 1865 die größte Künstlerkollektion in Hallwichs Sammlung bildet. Es handelt sich um Studien von Partien aus Teplitz, dem Mittelgebirge, aus Dux, Leitmeritz, Aussig und eine Kollektion von Studienzeichnungen von Bäumen, deren Darstellung eine Aufnahmebedingung für die akademischen Studien war, die Doerell an der Prager Akademie in den Jahren 1856 bis 1858 absolvieren sollte. Nach dem Jahre 1860 wirkte Julius Theodor Gruss (1825-1864) in Teplitz. Er war Mitglied einer bekannten Künstlerfamilie. In seine Samm- 126 Tausend und ein Blick auf Teplitz lung nahm Hallwich nicht nur dessen Bleistiftzeichnung von Mariaschein und der Teplitzer Umgebung auf, sondern auch das Grusssche Autoportrait. 1882 wohnte Anton Josef Lewý (1845-1897) in Teplitz, der als Zeichenprofessor am hiesigen Realgymnasium wirkte und nach der Gründung der Teplitzer Museumsgesellschaft Mitglied des Vorstands wurde. Als Absolvent der Prager und später Münchener Akademie der bildenden Künste war er zu seiner Zeit ein anerkannter Landschaftsmaler. Ein Konvolut seiner 42 Aquarelle und Zeichnungen war die zweitgrößte Kollektion eines Künstlers in der Hallwichschen Sammlung. Es handelt sich um Skizzen und vorbereitende Zeichnungen zu Illustrationen eines großen Werks, herausgegeben von Jan Otto Čech, zum Teil X „Erzgebirge und Egergebiet“ und zum Teil VII „Mittelgebirge“. Illustrationen nach Lewýs Zeichnungen sind auch in Hallwichs Werk „Auf den Spuren der Wallensteins“ zu sehen. Zwischen beiden Männern fand eine lebhafte Korrespondenz statt und im Nachlass von A. J. Lewý (im Staatlichen Kreisarchiv von Teplice) blieb eine Sammlung von Hallwichs Briefen erhalten. Ein dritter großer Bereich in Hallwichs Sammlung sind Aquarelle von Heinrich Bank (1834-1923), einem Maler und Zeichner, der in Dux geboren wurde. Von ihm wurden 34 Aquarelle aus Teplitz und Umgebung und Zeichnungen der Teplitzer Stadttore im Zustand vor 1793 aus den Jahren 1854 bis 1867 und auch eine Kollektion von Genre-Szenen der Jahre 1866 bis 1872 aufgenommen. Zudem befinden sich Arbeiten, die Bank während seines Studiums an der Prager Akademie der bildenden Künste (1855-1862) anfertigte und auch Zeichnungen aus seiner Zeit in Graz, wo er in den Jahren 1865 bis 1906 als Zeichenprofessor an der dortigen Technischen Hochschule wirkte. Ein weiterer Künstler, der ab den 1880er Jahren in Teplitz lebte, ist der heute völlig vergessene Maler und Porträtist Josef Meindl (1862), dessen Zeichnungen von Teplitz und Umgebung Bestandteil der Hallwichschen Sammlung waren, ebenso wie Zeichnungen von Professoren der Teplitzer Keramikschule, die 1874 von Richard Baron von Riese (†1895) und Max von Jungwirth (*1865) gegründet wurde. Hallwich nahm in seine Sammlung auch Zeichnungen junger, in Teplitz oder Umgebung geborener Künstler auf. Der seit Jahrzehnten vergessene Otto Herschel (1871-1937) ist Schöpfer einer Aquarellzeichnung mit Blick in das jüdische Ghetto von Teplitz und einer Zeichnung, die die restaurierten Statuen der Braunschen Pestsäule in Teplitz im Jahre 1895 festhält. Diese Zeichnung wurde erst nach 1913 in die Sammlung Hallwich integriert. Auf eine Würdigung wartet bisher der in Ossegg geborene Wilhelm Pleyer (1884-1944), Architekt, Kustode des Teplitzer Museums und Konservator des Denkmalschutzes in Teplitz. In Hallwichs Sammlung befindet sich eine bisher unbekannte Kollektion von Zeichnungen aus den Jahren 1907 bis 1908, der Zeit seines Architekturstudiums in Wien, wo er als Architekt vor dem Ersten 127 Bohuslava Chleborádová Weltkrieg wirkte, in dem er im April 1918 für seine Verletzungen mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet wurde. Nach dem Krieg kehrte er im Juli 1919 nach Ossegg zurück. Im Jahre 1921 wurde er zum Kustoden des Teplitzer Museums ernannt. In dieser Funktion wirkte er bis 1939. Er setzte sich für die Propagierung der Kunst deutsch sprechender Autoren ein und war 1932 einer der Gründer der Abteilung der bildenden Kunst bei der Museumsgesellschaft Teplitz. Konflikte zwischen der Führung der Sektion und Bürgermeister Czermack im Frühjahr 1939 führten dazu, dass W. J. Pleyer das Museum verließ. Danach wirkte er bis 1944 in Bilin und widmete sich vor allem dem Denkmalschutz. Besonders für das Teplitzer Museumswesen ist seine Bedeutung vergleichbar mit der von Hermann Hallwich. Von den Arbeiten sächsischer Maler, die in Nordböhmen an der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts wirkten, reihte Hallwich in seine Sammlung die Gouache-Zeichnungen des Dresdener Malers und Grafikers Karl Quarck (1869-1949) ein. Auch wenn dieser Beitrag der Sammlung grafischer Blätter und Zeichnungen gewidmet ist, sollte doch ein Hauptwerk der Teplitzer Veduten und der Hallwichschen Sammlung Tepliciana nicht vergessen werden – Der Blick auf Teplitz von der Königshöhe (der heutigen Letná) – ein großflächiges Gemälde des italienischen Malers Antonio Sacchetti (17901880), das er anlässlich seines Aufenthalts in Teplitz im Jahre 1828 geschaffen hat. Ziel meines Beitrags sollte es nicht sein, Sie mit Namen und Bezeichnungen zu übersättigen, sondern, Sie auf die Vielfältigkeit der Sammlung des Historikers und Politikers Hermann Hallwich aufmerksam zu machen, die nicht nur symbolisch „Tausend und einen Blick“ auf Teplitz, Nordwestböhmen und das anliegende Sachsen gewährt. Mit meinem Beitrag wollte ich auf Hallwichs Außergewöhnlichkeit als Sammler hinweisen, die durch die großzügige Überlassung seiner mehr als beachtlichen Kollektion an Teplitz unterstrichen wird. Zum Glück wurde sie bewahrt, da im Unterschied zu den übrigen großen Teplitzer Sammlern, vor allem Kunstsammlern, wie Albert Dasch, Reginald Czermack oder Josef Max Mühlig, die Hallwichsche Sammlung nicht ausverkauft oder geplündert wurde. Und sie bildet heute die Hauptkollektion des Regionalmuseums in Teplice, aus der nicht nur aus der Sicht verschiedener historischer Wissenschaften geschöpft werden kann. 128 Jiří Bureš, Michal B. Soukup Hermann Hallwich und das Duxer Museum 1. Dux und Hermann Hallwich Das Museum in Duchcov/Dux entstand 1896 auf Initiative von Franz Xaver Reidl, dem späteren Bürgermeister von Dux. Die bedeutendste Persönlichkeit, die in die Geschichte des Duxer Museums einging, ist zweifellos der Historiker Hermann Hallwich. Seine Mitgliedschaft und Zusammenarbeit mit den Vertretern des Museums war nicht zufällig; Hallwich hatte sich langfristig nicht nur mit der Regionalgeschichte der Vorerzgebirgsregion befasst, die in seinen Werken zur Geschichte der Städte (Teplitz, Graupen) zum Ausdruck kommt, sondern er widmete sich ebenfalls intensiv dem Studium der Historie der Waldsteins. Hallwichs Arbeiten, die der Geschichte der vorerzgebirgischen Städte gewidmet waren, können ebenfalls im breiteren Kontext einer Nationalisierung der deutschen Regionalhistoriographie an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert eingeordnet werden.1 In Dux entstand das Museum in einer Zeit eines zugespitzten tschechisch-deutschen Antagonismus, in der Ära des Kampfes gegen die Badenische Sprachenverordnung. Der Charakter des Museums profilierte sich deshalb auch als national defensiv, dessen Aufgabe es war, das deutsche Gepräge der Stadt und seine Geschichte zu akzentuieren. Dieser Absicht entsprach der Charakter der Hallwichschen Arbeiten. Laut Aufzeichnungen begann Hermann Hallwich seine Tätigkeit im Museum im Jahre 1906, als er Ehrenmitglied des Verwaltungsrates wurde – bei dieser Gelegenheit stellte man ihm eine Ehrenkarte aus.2 Im ersten Jahr zahlte er einen Beitrag von 100 Kr. in die Kasse der Museumsgesellschaft. Und in den weiteren Jahren erhöhte er seinen Beitrag. Im Jahre 1907 waren es 250 Kr., ein Jahr später 200 Kr. und im Jahre 1909 250 Kr. Aus dem Jahr 1910 fehlen dem Museum die Aufzeichnungen, 1911 beträgt der Beitrag 1 2 Zur Situation in der Aussiger Region siehe Václav Houfek, Regionální dějepisectví a nacionalizace společnosti do roku 1918 na příkladě Ústecka, in: Kristina Kaiserová/Jiří Rak (Hgg.), Nacionalizace společnosti v Čechách 18481918, Ústí nad Labem 2008, 64-104. Museum der Stadt Duchcov, Tätigkeitsbericht für das 5te Verwaltungsjahr. 10tes Bestandjahr. 1906, von Albin Krisch, Museum zu Dux, Jahresbericht 1906, unpaginiert. 129 J. Bureš, M. B. Soukup schon 300 Kr.3 Im gleichen Jahr (mit dem Datum 6. Dezember) wurde zum zehnjährigen Jubiläum des Verwaltungsrats des Museums eine Gedenktafel mit den Fotografien seiner Mitglieder angefertigt – hier ist Hallwich auf dem Ehrenplatz an der Seite des Gründers des Museums Franz Xaver Reidl als Ehrenvorsitzender zu finden.4 Eine außergewöhnliche Arbeit, womit sich Hallwich für immer in die Geschichte von Dux eingetragen hat, ist seine Studie Böhmen die Heimat Walthers von der Vogelweide?5 Nach Einträgen in den alten Stadtbüchern, geführt seit dem Jahre 1389, formulierte Hallwich die Hypothese über einen möglichen Ursprung dieses mittelalterlichen Minnesängers in Dux. Er leitete diese von in den Stadtbüchern zu findenden Einträgen ab, die den Namen Vogelweide oder auch Vogelweider anführen (die jedoch erst in den Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert auftauchen). Entgegen der Tatsache, dass Hallwichs Vermutung nur auf der oben angegebenen Ähnlichkeit der Namen beruht, fand sie in Duxer Kreisen ein gewaltiges Echo, dessen Folge die Errichtung eines Parks „Walther von der Vogelweide“ am westlichen Ufer des Barbara-Sees war. Dort wurde im Jahre 1911 ein Bronzedenkmal enthüllt, das der Bildhauer Heinrich Scholz angefertigt hatte. Die feierliche Enthüllung des Denkmals fand im Rahmen der in Dux beginnenden Gewerbe- und Industrie-Ausstellung statt. Nach der Enthüllung des Denkmals folgte die Premiere eines Schauspiels aus dem Leben Walthers von der Vogelweide, das der hiesige Unternehmer und Heimatforscher Bernhard Marr verfasst hatte. Als Dankesbezeugung der Stadt für die Verbreitung des Bewusstseins um ihre Geschichte und der Entdeckung Vogelweides wurde Hallwich im April 1911 zum Ehrenbürger der Stadt Dux ernannt. An seinen Beitrag bei der Identifizierung von Dux als Vogelweides Geburtsort wurde erneut bei den Feierlichkeiten erinnert, die 1933 dem Sänger aus dem Mittelalter gewidmet waren. Nähere Einzelheiten zu Hallwichs angeblichen Plänen, die Geschichte der Stadt Dux zu erarbeiten, die im Vorwort zur Ausgabe des Duxer Stadtbuchs von Karl Kochmann angedeutet wurden, sind nicht bekannt. Vermutlich hat Hallwich an der Ausarbeitung der Ge3 4 5 130 Museum der Stadt Duchcov: Stadt Museum zu Dux, Jahresberichte 1906-1911, handschriftliche Jahresberichte, Inv. Nr. N 1714/1906-1911, Jahrgang 1910 nicht erhalten. Das Bild wird aufbewahrt im Museum der Stadt Duchcov unter der Inv.N. N 139. Böhmen die Heimat Walthers von der Vogelweide?, in: MVGD 32 (1893) 93-140. Diese Problematik wird erneut thematisiert im Mittelalter-Kapitel des in Kürze erscheinenden Werkes zu Duchcov (in Druck, Verlag Lidové Noviny) – der Duxer Ursprung Walthers von der Vogelweide erweist sich als höchst unwahrscheinlich. Im Übrigen beanspruchen mehrere Regionen Mitteleuropas die Heimat Walthers von der Vogelweide zu sein, da es viele sogenannte „Vogelweiden“ gab/gibt – u.a. auch in Südtirol. Vgl. dazu Georg Mühlberger, Stammt Walther von der Vogelweide aus Südtirol?, in: Der Schlern 81/2 (2007) 24-37. Hermann Hallwich und das Duxer Museum schichte von Dux sein vorzeitiger Tod gehindert.6 Als Hallwich am 11. April 1913 verstarb, reagierte das Duxer Periodikum „Duxer Zeitung“ sehr schnell darauf. Die kurze Nachricht über seinen Tod erschien bereits am nachfolgenden Tag, dem 12. April 1913,7 die Todesanzeige veröffentlichte ebenfalls der Verwaltungsrat der Brüxer Kohlengesellschaft, in der er gewirkt hatte. Ein ausführlicherer Nachruf war Hallwich in der Duxer Zeitung vom 16. April 1913 gewidmet, worin unter anderem erwähnt wurde, dass nach seinem Tod schwarze Flaggen nicht nur am Duxer Rathaus, sondern auch am hiesigen Museum gehisst wurden. Nachfolgend wurde eine Sondersitzung des Museumskuratoriums einberufen, in dessen Namen Albin Krisch ein Kondolenztelegramm nach Wien sandte.8 Als ideeller Höhepunkt der Danksagung für seine langjährige Gewogenheit wurde am 10. Mai 1914 eine Gedenktafel im Gebäude des Museums enthüllt. Dem feierlichen Akt wohnten der Bürgermeister J. G. Krisch, die Stadträte, die Mitglieder des Museumskuratoriums, der Bezirkshauptmann Dr. Frank und der Reichstagsabgeordnete Hans Knirsch bei. Ehrengäste waren die Angehörigen, Frau und Fräulein Hallwich und Sohn Gustav Hallwich aus Wien. Autor der Gedenktafel war der Wiener Bildhauer Hans Schaefer.9 Als Vorlage des Reliefs diente eine Plakette, die Schaefer im Jahre 1906 anlässlich Hallwichs siebzigsten Geburtstags auf Bestellung des Zentralverbands der Industriellen Österreichs geschaffen hatte, einer Organisation, die Hallwich mitbegründet hatte und deren Vorsitzender er lange Jahre gewesen war.10 Die Duxer Gedenktafel bestand aus einem runden Bronzerelief, das auf einer Marmorplatte befestigt war. Unter dem Relief war die goldene Aufschrift zu lesen: „Dem hochverdienten Ehrenvorsitzenden Herrn k. k. Hofrat Dr. Hermann Hallwich. Die dankbare Museumsverwaltung 1914.“11 6 7 8 9 10 Karl Kochmann (Hg.), Das Stadtbuch von Dux 1389, Prag 1941, unpaginiertes Vorwort von Karl Kochmann. Duxer Zeitung, Nr. 29, Jg. 41, 12. 4. 1913, 17. Hofrat Dr. Hermann Hallwich †, Duxer Zeitung, Nr. 30, Jg. 41, 16. 4. 1913, 3-4. Enthüllung der Gedenktafel für Hofrat Dr. H. Hallwich, Duxer Zeitung, Nr. 36, Jg. 42, 13. 5. 1913, 1-2. Enthüllung der Gedenktafel für Hofrat Dr. H. Hallwich, Duxer Zeitung, Nr. 36, Jg. 42, 1-2; Duxer Zeitung, Nr. 39, Jg. 36, 16. 5. 1908, 5. 11 Enthüllung der Gedenktafel für Hofrat Dr. H. Hallwich, Duxer Zeitung, Nr. 36, Jg. 42, 1-2. 131 J. Bureš, M. B. Soukup 2. Die archäologische Sammlung von Hermann Hallwich Die hinterbliebenen Nachkommen – Sohn Gustav und Tochter Rosa –, waren sich wohl der Sympathie bewusst, die ihr Vater gegenüber dem Duxer Museum empfand. Ein beredter Beweis dafür ist ein Geschenk von Anfang August 1913, das die Museumssammlungen bedeutend bereicherte.12 Es handelte sich um eine Kollektion von archäologischen Funden von annähernd fünfhundert Stück. Vor nicht allzu langer Zeit wurde unter den Archivalien des Museums der Stadt Duchcov die originale Zusammenstellung der archäologischen Sammlung Hermann Hallwichs gefunden, genauer gesagt, ihr „Duxer“ Teil (vgl. unten).13 Dank dieser Zusammenstellung können wir sehr genau den Umfang von Hallwichs Sammlertätigkeit im Bereich der „prähistorischen Artefakte“ rekonstruieren. In der nachfolgenden Tabelle ist eine Abschrift nach Nummern vorgelegt. Bei unsicheren Angaben ist ein Fragezeichen gesetzt. Nr. Beschreibung St. Fundort Fundjahr 001 Tragring mit figuraler Verzierung 1 Chotějovice 002 Bronzenadel (Knovíz-Kultur) 1 Hostomice 003 004012 013. Bronzehaken 1 Ledvice – Schacht Caroli Okt./1897 Sommer1885 15.6.1898 Verschiedene Bronzefibeln 9 Lahošť – Riesenquelle1 1882 Bronzering 1 Lahošť – Riesenquelle 1882 12 A.K. [Albin Krisch], (Eine wertvolle Spende für unser Stadtmuseum aus dem Nachlasse unseres † Ehrenbürgers Herrn k.k. Hofrat Dr. Hermann Hallwich in Wien.), Duxer Zeitung 41, Nr. 64 vom 16.8.1913, 5. 13 Museum der Stadt Duchcov, unpaginierte Handschrift „Stadtmuseum Dux, Prähistorische Abteilung, Inventar der Hallwich-Sammlung“. Eine Reihe von Informationen erhielten wir aus einem Artikel in der Duxer Zeitung – vgl. A.K. [Albin Krisch], (Eine wertvolle Spende für unser Stadtmuseum aus dem Nachlasse unseres † Ehrenbürgers Herrn k.k. Hofrat Dr. Hermann Hallwich in Wien.), Duxer Zeitung 41, Nr. 64 vom 16.8.1913, 5. Ergänzende Angaben stammen aus drei weiteren Quellen. Die erste ist ein handschriftliches Inventarverzeichnis „Katalog der Prähistor. Abtheilung des Duxer Stadtmuseum“, das von 1896 bis 1913 geführt wurde und an dessen Ende (ab Nr. 1700) mit Bleistift „Hallwichs Sammlung“ geschrieben steht. Die zweite Quelle ist eine auf Maschine geschriebene Abschrift der heute verloren gegangenen Handschrift „Deutsches Heimatmuseum Dux – Einlaufsprotokoll der prähistorischen Abteilung“, geführt ab Dezember 1932 (die Abschrift fertigten 1972 A. Benák, V. Waldhauser und J. Waldhauser an). Als dritte Quelle sind die originalen Registrierkarten der Duxer Museumssammlung zu nennen, geführt ab den 1930er bis 1950er Jahren. Die handschriftlichen Inventarverzeichnisse sind im Museum der Stadt Duchcov aufbewahrt, die Registrierkarten in der archäologischen Abteilung des Regionalmuseums in Teplice. 132 Hermann Hallwich und das Duxer Museum 014021 022023 024. 025. 026027 028029 030. 031032 033036 037042 043. 044. 045. 046048 049050 051. 052053 054. 055. 056058 059061 062063 064. Verschiedene Armspangen 8 Lahošť – Riesenquelle Große Bronzespiralen 2 ? Lahošť – Riesenquelle 1 ? Lahošť – Riesenquelle 1 ? Lahošť – Riesenquelle2 2 ? Lahošť – Riesenquelle ? ? Lahošť – Riesenquelle 1 ? Lahošť – Riesenquelle Bronzene Schläfenringe 2 ? Lahošť – Riesenquelle Bronzene Ringe und Fingerringe 4 ? Lahošť – Riesenquelle Bronzering mit Scharnieren bestehend aus 3 Teilen Verzierte Bronzespange (römische Ära?) Lanzenspitzen aus Bronze Bronzenadeln oder zwei Bruchstücke eines Halsrings Bronzespirale Bronzesicheln und ihre Bruchstücke Gegenstand aus Bronzedraht (Spange?) Flache Bronzeaxt, verziert Fragment eines Bronzeschwerts mit zungenförmigem Heft 1882 6 1 1 1 Verschiedene Bronzeringe 3 Flache Bronzeäxte 2 Teil einer Bronzetülle? (Bronzerohr) 1 Teile von Bronzedolchen 2 Breiter Bronzering, verziert 1 Bronzebruchstück mit Henkel Bronzeäxte (bezeichnet als Balstab/Lappenkelt) 1 Bronzeäxte 3 Teile von Bronzegeschirr 2 Bronzebruchstück 1 ? Duchcov 3 133 J. Bureš, M. B. Soukup 065. Teil einer Bronzespitze 1 066. Bronzebruchstücke ? 067. Nadel einer Bronzespange 1 068. Figur aus Bronze 1 069 Steinerne Streitaxt 1 Jeníšův Újezd 070 Steinerne Streitaxt 1 Zabrušany – Büschelfeld 23.3.1900 071 072078 079 Steinerne Streitaxt 1 Zabrušany – Büschelfeld 18.4.1900 Steinerne Streitäxte 7 Steinbeil (Keil) 1 Lahošť 1903 080 Steinbeil 1 081 Steinbeil 1 Zabrušany – Hoffeld 1903 082 Steinbeil 1 Lahošť 1903 083 084085 086 Steinbeil 1 Steinbeil 2 Zabrušany – Schwedenschanze 1903 Steinbeile 1 087 Teil eines Steinbeils 1 088 Teil einer steinernen Streitaxt 1 089093 Steinerne Streitaxt 5 094 Steinerne Streitaxt 1 095096 097 102 Steinstreitaxt und Beil aus Serpentin Beil aus Serpentin Bruchstück einer Steinstreitaxt (Hammer) aus graugrünem Schiefer Steinbeil aus hellgrünem Serpentin Bruchstück eines Steinbeils aus dunkelgrünem Serpentin Keramikgefäß mit einem Zeichen am Boden Gefäß mit Schnurmuster 103 Gefäß (Napf ) 098 099 100 101 134 2 Bílina Bílina/Břežánky – Schacht Emeran Ledvice – Schacht Wilhelm Zabrušany – Fund des Oberlehrers Walter 1910 April 1901 1898 1 1 1 1 1 1 1 ? Zabrušany – Hoffeld (schenkte Herr Totzauer) Zabrušany – Schacht Hermann 10.6.1903 20.6.1900 Hermann Hallwich und das Duxer Museum 104 1 106 Gefäß mit Henkeln Gefäß mit angebrannten Resten innen Gefäß mit abgebrochenem Henkel 1 Bílina 1910 107 Gefäß mit Henkel 1 Hostomice 1888 108 109110 Schwarzes Gefäß mit Henkel 1 Gefäß und Keramikflasche 2 105 111 112 113114 115 Große Urne, aus Scherben zusammengesetzt Eisenschwerter 1 Libkovice – Dekanatsfeld Nr.76 1 2 Eisenbeile 2 Eisenstern (aus einem Sporn?) 1 Osek – Riesenburg 116 117119 120121 122 Hufeisen 1 Osek – Riesenburg Hufeisen 3 Eiserne Lanzenspitze 2 Eisennagel 1 123 Stück Eisen 1 127 125126 Eisenspitze 1 Eisenringe 2 128 Verschiedene Stücke von Eisenringen Eiserne Lanzenspitze 129 Schlüssel (aus Eisen?) 1 130 Eisenkugel 1 131 Hufeisen 1 132 Eisenzange 1 133 Eisenmesser 1 134 Stück eines Eisengeräts 1 135 Ausgeschnittenes Amulett 1 136 Brennofen (?) (Kamin) 1 127 1870 ? 1 Jankov (Kr. Benešov) – Fund vom Schlachtfeld 1645 (6.3.) Zabrušany Zabrušany Mai1897 135 J. Bureš, M. B. Soukup 137141 142144 Knöcherne Geräte 5 Knöcherne Geräte 3 145 Unterkiefer eines Wildrinds (Ur) 1 146 Zahn eines Wildrinds 1 147150 151152 153154 155156 Beinerner Untersatz aus Ziegenoder Rinderhorn (?) 4 Bearbeitete Tierknochen 2 Knöcherne Geräte 2 Kleine (Tier-?) Zähne 2 157 Bearbeiteter Knochen 1 158 Geweihstück 1 (Tier-?) Knochen 4 (Tier-?)Zähne 3 Römische Lampe 1 1 171 Durchbohrter Zahn Scherben einer keramischen Ofenkachel Keramisches löffelartiges Bruchstück Eisenkugel 172 Kleines Steinmesser 159162 163165 166 167 168169 170 173 174 175 176 136 Stück eines kl. Steinmessers aus Rieselschiefer Rückenteil einer steinernen Streitaxt aus hellgrünem Serpentin (Neolithikum) Neolithisches Steinbeil aus Rieselschiefer Geschliffener Stein aus graugrünem Schiefer (Neolithikum) Hostomice Ledvice – Schacht Wilhelm ? Libkovice – Ziegelei Kominik ? Libkovice – Ziegelei Kominik September 1897 1887 16.9.1899 ? Ledvice – Schacht Wilhelm ? Ledvice – Schacht Wilhelm ? Ledvice – Schacht Wilhelm Ledvice – Schacht Wilhelm ? Ledvice – Schacht Wilhelm ? Ledvice – Schacht Wilhelm ? Ledvice – Schacht Wilhelm 2 Zabrušany 1899 1 Hostomice 1897 1 Ledvice 1 Ledvice – Schacht Rudolf 1885 September 1898 1 Zabrušany Juni1899 1 Zabrušany Juni1899 1 Zabrušany Juni/1899 1 Zabrušany Juni/1899 Hermann Hallwich und das Duxer Museum 177 178187 Neolithischer Klopfstein oder Kern 1 Zabrušany Verschiedene Spindelrollen 10 Zabrušany 188 Gezackte Spindelrolle 1 Lahošť/Všechlapy – Feld bei Luschmühle Gezackte Spindelrollen 2 Libkovice – Dekanatsfeld Verschiedene Spindelrollen 10 Zabrušany 189190 191200 201 Juni/1899 1900 Steinkugel durchbohrt 1 Zabrušany 202 203207 208 209211 212 213215 216217 218 219229 230236 237 Steinschaber 1 Hostomice Verschiedene Spindelrollen 5 Zabrušany Kleines Steinmesser 1 Ledvice Verschiedene Spindelrollen 3 Hostomice 1897 Knöchernes Gerät Gewichte für Fischernetz (aus Stein?) 1 Hostomice 1897 3 Zabrušany Geschliffene Steine 2 ? Duchcov Teil eines Steinhammers 1 ? Duchcov Feuersteine 11 Steinmesser 7 Steinschaber 26 238 Feuersteine Scherben von Keramikgefäßen (Tonstücke) 1 Kieselsteine? 3 Spindelrolle Scherben von Keramikgefäßen, verziert (Urnenstücke mit Ornament) Scherben von Keramikgefäßen (Urnenstücke) 1 Kupfer- oder Bronzemünzen 68 239 240242 243 244256 257400 401468 9.6.1898 6 13 144 ?Lahošť – Riesenquelle ? 137 J. Bureš, M. B. Soukup Ein Artikel aus der Duxer Zeitung vom 16. August 1913 nennt detaillierte Angaben, die sich von der o.g. Inventarliste in Details unterscheiden. Im Text ist geschrieben, dass die Kollektion „8 komplette Urnen“ enthält, die in Hostomitz/Hostomice, im Schacht Hermann in Sobrusan/Zabrušany, in Schellenken/Želénky und Bilin/Bílina gefunden wurden. Weiters werden „mehrere Teile einer großen Urne“ und „zahlreiche Teile von Urnen mit Ornamenten“ angegeben, die durchwegs aus Sobrusan, Hostomitz und Schellenken stammen. Unter anderem wird auch über einen Mühlstein oder Handmühlstein, über 40 Funde in Liquitz/Libkovice, 35 steinerne „Hammer und Äxte“ aus Sobrusan, Loosch/Lahošť ind Ladowitz/Ledvice oder auch über 68 Bronzegegenstände gesprochen, von denen ein Teil aus Gräbern stammen soll. Als „besonders wertvoll“ wird auch eine Sammlung von 68 Kupfermünzen der römischen Kaiser gehalten, die angeblich in der Riesenquelle in Loosch gefunden wurde.14 Zwecks sofortiger Ausstellung dieses wertvollen Geschenks im Museum wurden zwei „moderne“ Glasvitrinen aufgestellt, um die ganze Kollektion noch im September 1913 zugänglich zu machen. Nach Dux kam jedoch die Hallwichsche Sammlung archäologischer Funde nicht vollständig. Einen kleinen Teil davon hatten die Hinterbliebenen separiert, um diesen dem Museum in Teplitz zu schenken.15 Siehe folgendes Verzeichnis:16 Beschreibung Anzahl Steinhammer 1 Schmuckring aus Bronze 1 Fundort Soběchleby – gefunden im Bach am Herrschaftshof Ústí nad Labem – Střekov Fundjahr 11.7.1899 1900 14 Es handelt sich um einen weiteren Beitrag zur Diskussion über die Mythen, die sich um den Fund römischer Münzen aus der Riesenquelle ranken. Im Museum der Stadt Duchcov ist ein handschriftliches Verzeichnis „Münzen aus der Riesenquelle“ aufbewahrt, das insgesamt 75 Stück angibt. Die Münzen werden verschiedenen römischen Herrschern zugeordnet. Die Aufstellung wurde von Hermine David-May nach dem Zweiten Weltkrieg angefertigt. Sie ist allerdings in Tschechisch angefertigt, das H. David-May vor 1945 nicht verwendete. Es stellt sich daher die Frage, ob wenigstens einige davon aus der damaligen Hallwichschen Sammlung stammen, weil wir außerdem von weiteren 109 römischen Münzen aus der Riesenquelle wissen, die angeblich im Jahre 1926 im Besitz der Nachkommen des Finders Josef Walter waren. Weitere römische Münzen aus der Riesenquelle sollten auch die Brüxer Kohlengesellschaft und das Teplitzer Museum besitzen – vgl. Archiv nálezových zpráv Archeologického ústavu AV ČR, Praha, Einlage Duchcov, Az. 235/26; Az. 5187/46; Az. 138/26; Az. 5712/58. 15 Das Teplitzer Museum erhielt aus Hallwichs Nachlass eine umfassende Kollektion von Gegenständen historischen und kunsthistorischen Charakters, so dass es entschieden „nicht zu kurz“ kam. 16 Karl Karafiat, Tätigkeitsbericht für das Jahr 1913/1914, in: Tätigkeits-Bericht der Museums-Gesellschaft in Teplitz-Schönau für das Verwaltungsjahr 1913-1914, Mai bis Mai, 3-27, Teplitz 1914, das Verzeichnis ist auf 22. 138 Hermann Hallwich und das Duxer Museum Armspangen und Armreifen aus Bronze Bronzebarren, Schlacken 3 Ústí nad Labem – Střekov 1900 5 Ústí nad Labem – Střekov 1900 Steinerne Bohrkerne 2 Ústí nad Labem – Střekov 1900 Grab-Urnen 7 Ústí nad Labem – Střekov 1900 Fragmente von Bronzenadeln 1 Ústí nad Labem – Střekov 1900 Armspangen aus Bronze 11 Lahošť – Riesenquelle 1882 Fingerring aus Bronze Gefäßscherben, Lausitzer Kultur 1 Lahošť – Riesenquelle Vyklice – Ziegelei von Herrn Watzke 1882 ? 1899 3. Schluss Die Bedeutung von Hermann Hallwich im Duxer Museum ist vor allem in seiner Rolle als Mentor und Fürsprecher zu sehen, als welcher er die Schirmherrschaft über diese sich entfaltende Museumsinstitution übernommen hat. An der Leitung des Museums hatte Hallwich – so kann im Licht zugänglicher Quellen und mit gutem Grund angenommen werden – keinen großen Anteil; seine Rolle in den Verwaltungsorganen des Museums spielte sich nur auf der Ebene einer Ehrenfunktion ab. Neben der bereits erwähnten Ehrenbürgerschaft wurde der Persönlichkeit Hermann Hallwichs auch in der Zeit zwischen beiden Weltkriegen gedacht, als eine Straße nach ihm in Dux benannt wurde. Die oben beschriebene archäologische Sammlung ist der materielle Beweis einer breiten Skala von Interessen, denen sich Hermann Hallwich widmete. Ein Großteil der Sammlungsgegenstände stammt aus dem Gebiet um Dux, es fehlen Gegenstände aus dem Gebiet Teplitz, mit dessen Historie sich Hallwich intensiv befasste. Diese Disproportion kann wahrscheinlich einer leichten Zugänglichkeit von Funden zugeschrieben werden, die in der fortschreitenden Braunkohlenförderung im Tagebau möglich war, bei der eine Reihe von archäologischen Funden zum Vorschein kamen und die sich im Raum Teplitz nur um das an Funden arme Gebiet von Kosten/Košťany konzentrierte. Den Großteil seiner Sammlung erwarb Hallwich durch Kauf, obwohl in einigen Fällen nicht ausgeschlossen werden kann, dass er auch selbst der Finder war; z.B. beim „Hufeisen von der Riesenburg“ (das im Jahre 1870 gefunden wurde). Es darf gehofft werden, dass eine nähere Aufklärung der Umstände, wie die archäologische Sammlung Hallwichs entstand, auf Grund weiterer Studien des schriftlichen Wiener Nachlasses von Hallwich möglich sein wird. 139 Hermann Hallwich, Ex libris, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Hana Knetlová Wallensteinsche Sehenswürdigkeiten in Cheb/Eger aus den Sammlungen Hermann Hallwichs Seit den tragischen Ereignissen in Eger, die das Schicksal Albrecht von Wallensteins/Waldsteins1 besiegelten, vergingen annähernd hundert Jahre, und schon damals zeigten die Ratsherrn von Eger bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt das Zimmer, das Zeuge der letzten Augenblicke des Generalissimus war, auch die Blutflecken an den Wänden. Nach dem Erscheinen von Schillers Wallenstein-Trilogie steigerte sich noch das Interesse der Öffentlichkeit, den Schauplatz dieses historischen Dramas zu sehen, und es dauert bis heute an. Um den Interessierten und Schaulustigen, die sich auf den Spuren Albrecht von Wallensteins bis nach Eger begaben, etwas zeigen zu können, begann der Magistrat Erinnerungsstücke an das tragische Ereignis und den Generalissimus selbst zu sammeln. Gerade in dem Haus, wo es zur Ermordung des berühmten Feldherrn kam, wurde im Jahre 1873 ein Museum eröffnet. Damals aber hatte es gerade einmal vier Gegenstände in Besitz, die als Erinnerungsstücke an Wallenstein gelten konnten: zwei Abbildungen mit Szenen von Wallensteins Ermordung und Niedermetzlung seiner Offiziere auf der Burg von Eger, die die Stadt bereits im Jahre 1736 anfertigen ließ; dann ein Portrait des Generalissimus, allerdings erst 1805 in Eger gemalt, und schließlich die Partisane, mit der angeblich Wallenstein durchbohrt worden war und die bis heute eine der Hauptattraktionen des Museums ist. Seit Ende des 19. Jahrhun1 Aus der reichhaltigen Literatur über Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland, Mecklenburg und Sagan, seien hier nur genannt: Hellmut Diwald, Wallenstein, München Esslingen 11969; Golo Mann, Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann, Frankfurt am Main 41971 (mit der älteren Literatur im Anhang); Fritz Baier/ Peter Broucek (Hgg.), Wallensteins Werden und Streben, Wirken und Sterben (Materialien zum Vortragszyklus/ Gesellschaft für Österreichische Heereskunde), Wien 1984; Josef Polišenský/Josef Kollmann, Wallenstein. Feldherr des Dreißigjährigen Krieges. Aus dem Tschechischen übersetzt von Herbert Langer, Köln – Weimar – Wien 1997 (tschechisch: Valdštejn. Ani císař, ani král, Praha 22001); ausführlicher in tschechischer Sprache Josef Kollmann, Valdštejn. Band 1: A evropská politika. Historie 1. generalátu 1625-1630, Praha 1999 und Band 2: Valdštejnuv Konec. Historie 2. generalátu 1631-1634, Praha 2001 (mit einer deutschsprachigen Zusammenfassung) und die instruktiven Aufsätze in Eliška Fučiková/Ladislav Čepička (Hgg.), Waldstein. Albrecht von Waldstein – Inter arma silent musae? Prag 2007 (Ausstellungskatalog mit ausgezeichnetem Bildteil); sowie Robert Rebitsch, Wallenstein. Biografie eines Machtmenschen. Wien –Köln – Weimar 2010 und die neueste englischsprachige Biographie von Geoff Mortimer, Wallenstein. The Enigma of the Thirty Years War. Basingstoke, Hampshire 2010. 141 H. Knetlová derts bemühte sich die Stadt tatkräftig, ihre Wallensteinsche Sammlung zu erweitern, und so kamen eine ganze Reihe Werke von hiesigen Meistern hinzu. Seit Mitte der 1890er bis zu den 1930er Jahren betreute Dr. Karl Siegl das Museum und Archiv in Eger. Karl Siegl erweiterte dank seiner Freundschaft mit Hofrat Hallwich die Wallensteinschen Sammlungen um die wertvollsten Trophäen. Karl Siegl gilt als einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber von Eger. Er wurde am 6. November 1851 in Joachimsthal/Jáchymov geboren, war also um nicht ganz 13 Jahre jünger als Hallwich. An der Karls-Universität studierte er nicht nur Rechte, sondern auch Geschichte und historische Hilfswissenschaften. Nach den Studien trat er als Untersuchungsrichter in Eger in juristische Dienste. Diese Tätigkeit musste er nach zwanzig Jahren aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und ging 1895 in Pension. Auf Bitte des Bürgermeisters von Eger übernahm er aber bald darauf das Stadtarchiv und Museum, um dort während seines vierzigjährigen Wirkens ein enormes Arbeitspensum zu leisten. Er sortierte die städtischen Urkunden, Bücher und Akten bis zum Jahre 1800, gab für diesen Teil des Archivs einen Katalog heraus und fertigte umfangreiche handschriftliche Regesten an. Daneben, oder gerade deswegen schrieb er eine große Anzahl von geschichtlichen Abhandlungen über die Historie von Eger. Neben seiner Publikationstätigkeit beteiligte er sich auch daran, die Wallenstein-Festspiele in Eger zu organisieren. Siegl ging Ende des Jahres 1931 in den Ruhestand, aber seine Arbeit gab er auch damals nicht völlig auf. Schon zu Lebzeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Er wurde zum Kaiserlichen Rat und Regierungsrat ernannt, aber auch zum Ehrenbürger von Joachimsthal (1931) und Eger (1932). Er erlebte noch die Verleihung der Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft zu seinem 90. Geburtstag und verstarb dann im Alter von 92 Jahren am 18. März 1943. Mit Hallwich war Siegl vor allem durch das professionelle Interesse an Albrecht von Wallenstein verbunden. Beide Wissenschaftler korrespondierten regelmäßig, und ein Bruchstück von Hallwichs Briefen, mit Juli 1902 beginnend und Dezember 1912 endend, blieb in Siegls Nachlass erhalten. Auch aus diesem Wenigen ist zu erkennen, dass aus dem gemeinsamen tiefen Interesse an „Wallensteins Geschichte“ eine Freundschaft erwachsen war. Karl Siegl schickte Hallwich regelmäßig seine neusten Studien, zum Beispiel im Juli 1902 über die Geschichte der Lateinschule in Eger (Materialien zur Geschichte der Egerer Lateinschule), ein Jahr später die Abhandlung über ein Achtbuch des Gerichts zu Eger (Das Achtbuch II des Egerer Schöffenrichters vom Jahre 1391 bis 1668), bald darauf folgten weitere Arbeiten. Im Jahre 1903 arbeitete Siegl an einer Abhandlung über zeitgenössische französische Zeitungsmitteilungen über Wallenstein (Französische Zeitungsberichte über 142 Wallensteinsche Sehenswürdigkeiten in Cheb/Eger aus den Sammlungen Hermann Hallwichs Wallenstein) und korrespondierte darüber mit Hallwich. Hallwich konnte Siegl dank seiner Kenntnisse und auch umfangreichen Sammlungen eine Reihe wertvoller Einsichten und Informationen geben. Im März des Jahres 1904 erhielt Hallwich weitere von Siegls Arbeiten mit Wallensteinscher Thematik, wahrscheinlich „Wallenstein in den Ausgabsbüchern“ und – wie bereits erwähnt – „Französische Zeitungsberichte über Wallenstein“. Während Siegl unermüdlich den Hofrat in Wien mit „Werken seiner klugen Feder“ versorgte, wie das Hallwich einmal in einem seiner Briefe äußerte2, quittierte Hallwich all das nicht nur mit lobenden Bemerkungen, sondern gleichzeitig auch durch Zusendung eigener Arbeiten. Bis heute finden wir in der Deutschen Bibliothek des Archivs von Cheb Hallwichs „Fünf Bücher Geschichte Wallensteins“ mit einer Widmung für Dr. Karl Siegl auf dem Titelblatt seines ersten Bandes.3 Hallwich bat in einem beiliegenden Brief Siegl, er möge doch die Rezension dieses Buches übernehmen, falls dies vom Egerer Tageblatt oder der Egerer Zeitung angefordert würde.4 Die Frage des Schicksals seiner Wallensteinschen Sammlungen hatte Hallwich auf Anregung von Karl Siegl bereits im September 1903 angeschnitten. Siegls Brief haben wir nicht überliefert, und so können wir nur ahnen, dass er vielleicht einige von Hallwichs Arbeiten über Wallenstein zugeschickt bekommen wollte und dass er sich dabei auch über die Sammlungen äußerte oder sogar direkt um einige Exponate bat. Aus Hallwichs Antwort geht hervor, dass er bereits das Schicksal der Sammlungen erwogen habe und sich bewusst sei, dass es unter seinen gesetzlichen Erben keinen einzigen Historiker gibt, der diese übernehmen und weiter verwalten könnte. Er antwortete jedoch als Sammler dem Sammler, der sicher begreifen würde, dass er, solange er lebt und arbeitet, kein einziges Stück seiner Sammlung missen könne.5 Beide Wissenschaftler arbeiteten zuletzt im Jahre 1912 zusammen, als sich Karl Siegl der Rezension von Hallwichs Werk „Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins (1630- 2 3 4 5 Zumindest schickte er Hallwich sein Werk aus d. J. 1908 – Wallenstein’sche Quartierlisten vom J. 1632 im Egerer Stadtarchiv; Die Überrumpelung der Stadt Eger durch die Sachsen i. J. 1632 und Befreiung durch Wallenstein’sche Truppen i. J. 1632: ein Beitrag zur Geschichte der Wallenstein-Festspiele in Eger. Aus d. .J. 1909 Wallenstein’sche Quartierlisten vom J. 1630 im Egerer Stadtarchiv; Die Wallensteinfestspiele in Eger am 17. u. 18. Juli 1909 und aus d. J. 1910 Wallenstein „auf der Hohen Schul“ zu Altdorf. Státní okresní archiv v Chebu (SOkA Cheb), Deutsche Bibliothek, Sig. A 311/1, Hermann Hallwich, Fünf Bücher Geschichte Wallensteins. 1. Band, Leipzig 1910. Widmung: S. m. lieben, verehrten Freunde Herrn Kaiserl. Rat Dr. Karl Siegl, Stadtarchivar in Eger, 25. 11. 1910. SOkA Cheb, Fond Nr. 4 – Siegl Karl, Dr. jur., Kart. 2, Inv. Nr. 7, Brief Hallwichs an Siegl, Wien 25. 11. 1910. Ebenda, Brief Hallwichs an Siegl, Wien 25. 9. 1903. 143 H. Knetlová 1634)“ annahm. Auf Siegls Brief mit dem Konzept der Rezension antwortete Anfang Dezember anstelle Hallwichs jedoch sein Mitautor Robert Teichl, weil es dem Hofrat angeblich nicht „ganz gut“ gehe.6 Ein paar Monate danach verstarb Hofrat Hallwich. Darüber, wie es gelang, einen Teil seiner Sammlung für Eger zu gewinnen, erzählt uns am besten Dr. Karl Siegl selbst. Auf Antrag des Bürgermeisters von Eger schrieb er über die ganze Angelegenheit ein beredtes Zeugnis, woraus ein Teil zitiert werden soll (Rückübersetzung aus dem Tschechischen): „… Gelegentlich eines Besuches bei Hallwich in Wien, am 16. April 1909, zeigte mir dieser auch seine reiche Bibliothek und Sammlung von Wallensteinreliquien, besonders einen der Schränke mit Elfenbeinfiguren. Als er mir die einzelnen, besonders wertvollen Stücke herausnahm und erklärte, äußerte ich, wie sehr ich ihm dankbar wäre, wenn er einmal etwas für unser Museum übrig hätte, und trug im Scherz vor: „Was ist wohl dieser Schrank, wenn nicht Schmuck unseres Museums.“ Hofrat Hallwich nahm das alles nur mit Lachen hin. Während eines zweiten Besuches, am 28. November 1911, führte mich Hallwich erneut zu jenem Schrank und sagte: „Also die Sache ist erledigt, der Schrank wird einmal der Stadt Eger gehören, und der hier,“ damit zeigte er auf einen anderen Schrank, „der Stadt Teplitz und dieser der Stadt N.N.“ Den Namen dieser dritten Stadt kann ich hier aus gewissen Gründen nicht angeben. Dieselbe Äußerung betreffs Geschenk der Stadt Eger wiederholte Hallwich auch vor meinem Sohn, Dr. Karl Siegl (…). Am 11. April verstarb Hallwich plötzlich, ohne dass er, wie ich von einer vertrauenswürdigen Person erfuhr, ein Testament oder wenigstens eine Aufzeichnung hinterließ. Ich ließ einige Wochen vergehen, und erst als ich aus der Zeitung erfuhr, dass die Stadt Teplitz ihr Geschenk erhalten hatte, wandte ich mich an den Vertreter der Erben, Herrn Direktor Gustav Hallwich in Wien und machte ihn mit dem Versprechen seines Vaters bekannt. Im Verlauf von etwa vier Wochen schrieb ich ihm noch ein zweites und ein drittes Mal; im zweiten Brief führte ich auch die Mitteilung meines Sohnes an und erst auf den dritten Brief antwortete mir Herr Direktor Hallwich, dass keinerlei Aufzeichnung zur Verfügung stehe, dass sich die Erben zu keinem Geschenk verpflichtet fühlten, dass sie aber nach einer persönlichen Un6 144 Ebenda, Brief Robert Teichls an Siegl, Wien 7. 12. 1912. Wallensteinsche Sehenswürdigkeiten in Cheb/Eger aus den Sammlungen Hermann Hallwichs terredung bereit wären, „einem eventuell erfüllbaren Wunsch zu entsprechen“. Deshalb besuchte ich ihm am 17. September7 und Direktor Hallwich brachte seine Bereitwilligkeit zum Ausdruck, die Kunstwerke, die in meinem Bericht dem hochwürdigen Gemeindeausschuss benannt worden waren, dem Egerer Museum zu überlassen. Allerdings hinsichtlich des ersehnten Schrankes, der ein Kapital bedeutete, erbat er sich Zeit zum Überlegen, um alles noch mit seiner Schwester zu besprechen. In einem Brief vom 7. Oktober teilte er mir schließlich mit, dass er und seine Schwester sich entschlossen hätten und „ebenfalls den viel diskutierten schwarzen Schrank auch mit Inhalt dem Archiv (richtig Museum) in Eger übergeben“. Herr Professor Pohl, mit dem ich über diese Dinge bereits in Wien gesprochen hatte, war so liebenswürdig, Übernahme, Verpackung und Versand zu vermitteln. Am 18. Oktober 1913 kamen die Sachen in Eger an.“ 8 Was genau Siegl aus der Hallwichschen Sammlung erhielt, führte er selbst in einer kurzen Aufstellung für den Egerer Magistrat an, und ein etwas detaillierteres Verzeichnis lässt sich in Siegls Inventarverzeichnis des Egerer Museums finden. Es handelt sich um 22 gerahmte Bilder, darunter ist eine Ölmalerei auf Holz, die Wallenstein in jungen Jahren darstellt, und ein in Tusche gemaltes Portrait seiner Gemahlin Isabella Katharina Gräfin von Harrach. Sehr wertvoll sind auch zwei alte Federzeichnungen, die Ermordung Wallensteins und seiner Offiziere darstellend, die Hallwich für die Vorlagen zu beiden Bildern hielt, die das Egerer Museum bereits besaß. Den Rest der Sammlung bilden Stiche. Wir finden hier den Prager Fenstersturz im Jahre 1618, das Gebet Gustav Adolfs vor der Schlacht bei Lützen, Seni vor Wallenstein nach einem Gemälde von Karl Theodor von Piloty, Wallensteins Reiterportrait und dann Portraits von Wallensteins Zeitgenossen (die Kaiser von Rudolph II. bis Ferdinand III., den Feldherrn Heinrich Graf von Holk, den Grafen Johann von Aldringen, Matthias Graf von Gallas, Ottavio Piccolomini, Balthasar Marradas, …). Weiterhin erhielt das Museum den ersehnten schwarzen Schrank mit 58 ElfenbeinSchnitzereien, 56 Portraits, teilweise Halbfiguren, teilweise Vollfiguren von Herrschern, Generälen und anderen Zeitgenossen von Wallenstein sowie zwei Reliefs vom Einzug des Generalissimus, eines davon der Einzug nach Prag. Außerdem enthielt der Schrank eine 7 8 Dr. Karl Siegl erbat sich beim Egerer Magistrat für diese Tätigkeit einen vierwöchigen Urlaub. SOkA Cheb, AMCH, Buch Nr. 458 – Protokolle des Stadtrates, 25. 10. 1913, 94-95. SOkA Cheb, Fond 4 – Siegl Karl, Kart. 14, Inv. Nr. 64: Direktor des Stadtarchivs und Museums: ein Geschenk an das Museum aus dem Nachlass von. H. Hallwich, 1916. 145 H. Knetlová ovale Medaille mit Rudolph II., eine große vergoldete ovale Medaille mit dem thronenden Kaiser Ferdinand II., einen Silberring mit drei Steinen, eine kleine ovale Medaille mit einer Miniaturzeichnung (offensichtlich Wallenstein), ein paar Knöpfe mit Wallensteinschen Münzen und eine ovale Bronzemedaille mit der Büste Gustav Adolfs und der Aufschrift „Deo et victricibus armis“ und einem Löwen. Das Museum erhielt auch zwei Statuen des Generalissimus, eine aus Bronze und eine aus Gips.9 Das Archiv von Eger wurde durch zwei Mappen mit insgesamt 457 Originalstichen von Portraits der Herrscher aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und überhaupt aller bekannten Zeitgenossen Wallensteins bereichert. Zu diesem wertvollen Zuwachs zu den Archivsammlungen kehren wir noch einmal zurück. Für diesen genannten Sammlererfolg sprach der Magistrat von Eger Dr. Siegl seinen Dank aus, vermutlich in Form eines Dankesbriefs (dagegen keine finanziellen Anerkennung). Mit diesem Erfolg endete jedoch Siegls Bemühen, für Eger Erinnerungsstücke von Wallenstein aus dem Nachlass Hallwichs zu erwerben, noch keineswegs. Am 31. Januar 1914 fand in Berlin (bei der Firma K. E. Henrici) eine Auktion von Schriftstücken aus Hallwichs Nachlass statt. Am verlockendsten waren für die Sammler natürlich Handschriften Albrecht von Wallensteins. Auch Karl Siegl hielt den Auktionskatalog in der Hand, erkannte allerdings realistisch, dass die Briefe des Generalissimus, die zum großen Teil nicht einmal Eger betrafen, preislich zu hoch lagen. Sein Interesse erweckten damit Flugblätter, die sich mit Wallensteins angeblichen Verrat und dessen Bestrafung in Eger beschäftigen (Nr. 596-600) und ersuchte deshalb den Magistrat von Eger, um die Freistellung von etwa 200 Mk. Keinen der Drucke konnte er jedoch schließlich für das Egerer Archiv erwerben und brachte von der Auktion 6 Handschriften mit (Nr. 43 [18. 7. 1623, Markgraf Christian von Brandenburg an den Bischof Georg von Bamberg10], Nr. 310 [23. 3. 1642, Ottavio Piccolomini11], Nr. 327 [12. 2. 1644, Gerhard von Questenberg12], Nr. 352 [28. 4. 1651, Herzog Julius Heinrich von Sachsen-Lauenburg, ein näherer Freund Wallensteins13], Nr. 388 [Eger, 7. 9. 9 10 11 12 13 146 Museum Cheb, „Inventar des Museums der Stadt Eger“, Inventarverzeichnis des Egerer Museums von Karl Siegl, Aus dem Nachlass des Hofrats Dr. Hermann Hallwich (verst. 11. 4. 1913) in Wien, seinen Erben geschenkt: Direktor Gustav Hallwich und (seine Schwester) Frau Anna Schwab in Wien, 353-355. SOkA Cheb, Fond 1 – Archiv der Stadt Cheb (weiterhin AMCH), Fas. 45, dem Markgrafen Christian von Brandenburg wegen Versorgung des Heeres, aus dem Egerland kommend, Bayreuth, 18. 7. 1623. Ebenda, Fas. 63, Ottavio Piccolomini beteuert dem Fürsten von Anhalt den Rückzug der Armee, sobald sich die Stellung des Feindes ändert. Zeitz, 23. 3. 1642. Ebenda, Fas. 64, Quittung Gerhard von Questenbergs auf 1000 Zl, Wien 12. 2. 1644. Ebenda, Fas. 67, Julius Heinrich Herzog von Sachsen dankt Ottavio Piccolomini für die Wünsche einer glücklichen Wallensteinsche Sehenswürdigkeiten in Cheb/Eger aus den Sammlungen Hermann Hallwichs 1647, Hans Heinrich Schorr14] und Nr. 509 [7. 8. 1662, Karl Gustav Wrangel15] im Wert von 237,60 K. Nur eines der Blätter ist in Eger datiert und im ersten wird Eger erwähnt, die übrigen beziehen sich weder auf Eger, noch direkt auf Wallenstein und bis auf das erste Blatt stammen alle aus der Zeit nach dessen Tod.16 Kehren wir nun zur Sammlung von Kupferstichen zurück, die im Staatlichen Kreisarchiv in Cheb aufbewahrt werden. Ursprünglich hatten Hallwichs Erben diese seltene Sammlung von 462 Portraits, die Zeitgenossen Wallensteins aus allen Ländern Europas darstellen, dem Antiquariat Gilhofer und Ranschburg für 8000 Kr. zum Kauf angeboten. Diese Sammlung bekam aber schließlich Karl Siegl, und kurz danach machte er sich bereits das Ordnen. Ursprünglich war die Sammlung in zwei umfangreichen und sperrigen Mappen enthalten und nach Eger überführt worden, die mehr als 20 kg wogen, wie Siegl beschreibt. Diejenigen, die sich die Sammlung zuvor angesehen hatten, hatten diese unordentlich mit geknickten und beschmutzten Seiten zurückgelassen. Siegl erbat sich vom Egerer Magistrat einen Zuschuss für sieben neue Kartons mit Lederrücken, mit Leinwand bezogen und mit goldenem Aufdruck versehen. Der Buchbinder Jos. Becker bezifferte den Preis eines solchen Kartons mit 15 Kr., insgesamt sollte der Gesamtpreis 105 Kr. sein.17 Bis heute ist diese Sammlung in den ursprünglichen Kartons des Buchbinders Becker aufbewahrt, so wie sie Siegl dem Magistrat beschrieben hat und anfertigen ließ. Im Kreisarchiv gibt es nur sechs Kartons (Fond Nr. 778), sie enden mit Siegls Nummer 387; der letzte Karton mit Nr. 388-462 befindet sich (laut zugänglicher Information) im Museum von Cheb. Die Stiche selbst sind auf hartem Papier aufgeklebt und unter der ursprünglichen, von Siegl vorgenommenen Einteilung in seinen handbeschrifteten Ordnern aufbewahrt: 1. Karton – Persönlichkeiten des österreichischen Hofes (60 Drucke), 2. Karton – Portraits kirchlicher Vertreter (63 Drucke), 3. Karton – Portraits von Personen der Fürstenhöfe Frankreich – Pfalz (67 Drucke), 4. Karton – Portraits von Personen der Fürstenhöfe PoReise. Hof, 28. 4. 1651. 14 Ebenda, Fas. 65, Hans Heinrich Schorr an die Fürsten aus Anhalt, dass sie bei Wrangel ein gutes Wort für eine Minderung einiger Belastungen einlegen, Eger, 7. 9. 1647. 15 Ebenda, Fas. 74 Carl Gustav Wrangel entschuldigt sich bei einem ungenannten Fürsten, dass er nicht zur Audienz kommen kann, Frankfurt, 7. 8. 1662. Im SOkA nicht gefunden. 16 SOkA Cheb, Fond 4 – Siegl Karl, JUDr., Kart. 2, Inv. Nr. 7, Korrespondenz – Dr. Hallwich Hofrat, Karl Siegl an den Egerer Rat, 14. 1. 1914; AMCH, Buch Nr. 3070 – Buch Allgemeinausgaben, S. 193, 3. 2. 1914; Autographen u. Flugschriften aus der Zeit des dreissigjährigen Krieges. Wallenstein, in: Auktions-Katalog XXI, aus dem Nachlass des verstorbenen Wallensteinforschers Hofrats Dr. Hallwich in Wien, Berlin, Karl Ernst Henrici, 1914. 17 SOkA Cheb, Fond 4 – Siegl Karl, JUDr., Kart. 14, Inv. Nr. 64, Siegls Antrag beim Egerer Magistrat um einen Beitrag zur Anschaffung von Kartons, 18. 5. 1916. 147 H. Knetlová len – Türkei (65 Drucke, ursprünglich 69), 5. Karton – Andere Zeitgenossen Wallensteins, Alba – Hoe (72 Drucke), 6. Karton – Andere Zeitgenossen Wallensteins, Hohenems-Piccolomini (55 Drucke, ursprünglich 56). Zum Schluss soll noch ergänzt werden, das die Sammlertätigkeit auf dem Gebiet der Wallensteinschen Erinnerungsstücke natürlich mit dem Erwerb eines Teils von Hallwichs Nachlass nicht endete. Ein weiterer bedeutender Zuwachs zu den Wallensteinschen Sammlungen bildet eine Kollektion authentischer Sehenswürdigkeiten aus dem Waldstein-Palais, die das Museum erworben und vom Dachboden des Palais im Jahre 1978 buchstäblich gerettet hat. Hier ist die Rede von dem vor allem beim Publikum sehr beliebten Wallensteinschen Pferd, und auch von Einzelgegenständen, wie Kragen, Sporen, Schuhe, eine Truhe, eine feldmäßige Waschgarnitur und ein Reitersattel. Aus dem Waldstein-Palais stammt ebenfalls die Galerie von Portraits des Geschlechts der Waldsteins. 148 Thomas Just, Zdislava Röhsner Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Erwerbungsgeschichte und Archivinventar Das im Jahr 1749 von Kaiserin Maria Theresia gegründete Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien (HHStA) hatte von Anfang an auch die Aufgabe Nachlässe von in der hohen Politik tätigen Personen zu verwahren.1 In diesen befanden sich häufig Archivalien, die eigentlich Eigentum des Staates waren, durch die Geschäftstätigkeit der jeweiligen Beamten aber in deren Nachlass gelangt waren. Ludwig Bittner weist in seiner Einleitung zum Gesamtinventar des Haus-, Hof- und Staatsarchivs darauf hin, dass sich das Archiv bereits in seiner Frühzeit dieser Angelegenheit annahm und wichtige Erwerbungen aus den Nachlässen bedeutender Persönlichkeiten machen konnte.2 Die am 15. April 1920 und am 30. Dezember 1925 erlassenen Dienstordnungen des Archivs regelten die Übernahme von Privatarchiven. In Punkt III 2 heißt es dort: „Das Archiv ist berechtigt, Privatarchive von geschichtlichem Wert zu übernehmen; es ist anzustreben, dass die wissenschaftliche Benützung solcher Privatarchive ermöglicht werde“. Ein wichtiger Durchbruch auf dem Weg zu verstärktem Archivalienschutz war dann die Installierung des österreichischen Archivamtes im Jahr 1928, das mit der Durchführung des Denkmalschutzgesetzes vom 15. September 1923 (BGBl. 1923, Nr. 5335) betraut wurde.3 Die Schaffung des Archivamtes war besonders in den 1930er Jahren von eminenter Bedeutung, drohte doch damals die Gefahr des Verkaufes zahlreicher Adelsarchive aus wirtschaftlichen Gründen.4 Diese Denkmalschutzfunktion des Staatsar1 2 3 4 Vgl. dazu HHStA/SB (= Sonderbestände) KA (= Kurrentakten) 4 1⁄2 aus 1749. Fritz Reinöhl, Politische Nachlässe des 19. Jahrhunderts in den staatlichen Archiven Österreichs, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 74 (1926) 210-219, hier 210 und Rudolf Neck, Privatarchive und Archivalienschutz in Österreich, in: Scrinium 22/23 (1980) 51-55. Ludwig Bittner (Hg.), Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 5 Bde., Wien 1936-1940, Bd. 1, 54*. Bittner, Gesamtinventar, 59*. Vgl. dazu Michael Hochedlinger, Von Schlössern, Käsestechern und Gesetzen. Zur Geschichte von (Adels-) Archivpflege und Archivalienschutz in Österreich, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 56 (2011) 43-176 und ders., Österreichische Archivgeschichte. Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Papierzeitalters, Wien 2013. 149 Th. Just, Z. Röhsner chives war damals auch von besonderer Bedeutung, da kaum ein anderes österreichisches Archiv die Räumlichkeiten besaß, um große Adelsarchive aufzunehmen. So kam es, dass das Österreichische Staatsarchiv umfangreiche Archive adeliger Familien übernahm und bis heute verwahrt. Wie erst vor kurzem dargelegt, muss man bei der Benützung von Familienarchiven und Nachlässen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv beachten, dass in „der heutigen Tektonik des Archivs zwei Bestandsgruppen mit der Bezeichnung „Nachlässe“ bestehen. Einerseits die Nachlässe der Kabinettskanzlei, andererseits diejenigen Bestände, die sich in der heute „Sonderbestände“ genannten Bestandsgroßgruppe befinden. Darüber hinaus finden sich auch in der Bestandsgroßgruppe „Hausarchiv“ einige Nachlässe.5 Unter den Historikernachlässen, die das Archiv heute besitzt, finden sich u. a. jene von Alfred Ritter von Arneth6, Egon Caesar Conte Corti7, Onno Klopp8, Leo Santifaller9, Paul Kletler10, Lothar Gross11, Ludwig Bittner12, Heinrich Friedjung13 und seit kurzem auch die Nachlässe von Fritz Fellner14 und Elisabeth Kovacs. In diese Kategorie ist auch der Nachlass von Hermann Hallwich einzureihen.15 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 150 Thomas Just, Die Nachlässe und Privat- und Familienarchive im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, in: MÖStA 56 (2011) 203-238 und Anton Eggendorfer, Herrschafts- und Adelsarchive im Österreichischen Staatsarchiv, in: MÖStA 55 (2011) 125-147. Zu Arneth vgl. den biographischen Artikel in Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 1, Wien 1957, 29, online unter http://www.biographien.ac.at/oebl_1/29.pdf (abgerufen am 4.5.2014). Zu Conte Corti gibt es kaum neuere Literatur, immer noch gültig Friedrich Wallisch, Die Wahrheit spricht das Urteil. Egon Caesar Conti Corti. Leben und Werk, Graz 1957. Zu Klopp vgl. Lorenz Matzinger, Onno Klopp (1822-1903). Leben und Werk, Aurich 1993. Zu Leo Santifaller jetzt Hannes Obermair, Leo Santifaller (1890-1974). Von Archiven, Domkapiteln und Biografien, in: Karel Hruza (Hg.), Österreichische Historiker 1900-1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, Wien 2008, 597-617. Zu Kletler vgl. die Kurzbiographie von Franz Hutter, Paul Kletler, in: Bittner, Gesamtinventar, 68. Michael Hochedlinger, Lothar Groß (1887-1944). Zur Geschichte des österreichischen Archivwesens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Archivalische Zeitschrift 89 (2007) 45-118. Zu Bittner vgl. Thomas Just, Ludwig Bittner (1877-1945). Ein politischer Archivar, in: Hruza, Österreichische Historiker 1900-1945, 283-305. Fritz Fellner, Heinrich Friedjung, in: ders., Geschichtsschreibung und nationale Identität, Wien 2002, 293-322 und Heinrich Friedjung, Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1899-1919, 2 Bde., hg. und eingeleitet von Franz Adlgasser und Margret Friedrich, Wien 1997. Brigitte Mazohl, Fritz Fellner †, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 121 (2013) 262-263 . Zum Nachlass Hallwich vgl. Průvodce po Rakouském státním archivu ve Vídni pro ceského návštĕvníka, Praha 2013, 263 und Fritz von Reinöhl, Nachlaß Hallwich, in: Bittner, Gesamtinventar, 422-423. Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Hermann Hallwich war ein Mensch mit vielen Facetten. Als Historiker promovierte er 1862 in Prag, danach wirkte er als Lehrer in Reichenberg.16 Er engagierte sich in der dortigen Politik, wurde 1871 in den böhmischen Landtag gewählt und erhielt bald danach einen Sitz im Reichsrat in Wien. Hier gehörten vor allem Zoll- und Handelsfragen zu seinen Hauptbetätigungsfeldern.17 Er gründete in Wien 1892 den „Zentralverband der Industriellen Österreichs“18, eine Vorläuferorganisation der heutigen Industriellenvereinigung. Sein wissenschaftliches Lebenswerk stand im Zeichen der Erforschung der Geschichte Wallensteins und der Heimatkunde Böhmens. Als sein wichtigstes und bis heute oft benütztes Werk gilt die Aktenedition der Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins.19 Nach dem Tode Hallwichs im Jahr 1913 bestand großes Interesse an der Übernahme seines Nachlasses in ein öffentliches Archiv. Sein Sohn Gustav wollte das Lebenswerk seines Vaters auch nach dessen Tod der Forschung zur Verfügung stellen und hinterlegte daher dessen wissenschaftlichen Nachlass zunächst unter Vorbehalt seines Eigentumsrechts im Staatsarchiv.20 Er betonte bei der Übergabe, dass es ihm wichtig sei, auch nach dem Tode seines Vaters dessen Tätigkeit der interessierten Öffentlichkeit zu erschließen. Leider ist der Nachlass im Haus-, Hof- und Staatsarchiv heute nicht mehr vollständig erhalten. Im Jahre 1926 wurden, wie damals gängige Praxis, 21 Faszikel aus dem Nachlass Hallwich zur leihweisen Benützung an das Museum Teplitz-Schönau/Teplice ausgeliehen. Die Rückstellung dieser entlehnten Archivalien wurde zwischen 1926 und 1929 erfolglos betrieben und urgiert.21 Das Archiv wurde immer wieder vertröstet, die Rückgabe verzögert. Schließlich machte Gustav Hallwich 1929 diese Archivalien dem Museum in Teplitz zum Geschenk.22 Da es in jener Zeit auch noch üblich war, Archivmaterial zur Bearbeitung an die jeweiligen Forscher zu verleihen, hatte Hermann Hallwich verschiedene Leihgaben aus Archiven in seiner Obhut. Nach seinem Tode bemühten sich die Archive diese Leihgaben wieder zurückzuerhalten, wie aus einem Schreiben des Stadtrats von Hohenelbe an Gustav Hallwich zu ent16 Vgl. zu seinem Lebenslauf den biographischen Artikel von Heinz Zatschek, Hallwich, Hermann, in: Neue Deutsche Biographie 7 (Berlin 1966) 566f. Online unter der URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd139873708.html (abgerufen am 4.4.2014) 17 Vgl. dazu bspw. Parlamentsarchiv Wien, Abgeordnetenhaus 8b-5-1-55: 1883, Antrag des Abgeordneten Dr. Hallwich und Genossen betreffend die Revision der Zoll- und Staatsmonopolordnung vom 11. Juli 1883. 18 Wie Anm. 16. 19 Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins (= FRA II/63-66), Wien 1912 und Fünf Bücher zur Geschichte Wallensteins, Leipzig 1910. Vgl. dazu den Beitrag von Robert Rebitsch in diesem Band. 20 HHStA/ SB KA 902/1913. 21 HHStA/SB KA 871/1926, 2753/1926, 3050/1926 und 3150/1926. 22 HHStA/SB KA 2773/1929. 151 Th. Just, Z. Röhsner nehmen ist. Diese hatten die Chronik der Stadt Hohenelbe verliehen, im Zuge der Recherche nach dem Verbleib dieses Werkes wurde im Haus-, Hof- und Staatsarchiv nachgeforscht, ob dieses Buch im Nachlass sein könnte, allerdings befand es sich nicht unter den in Wien verwahrten Archivalien.23 Im Jahr 1922 retournierte das Haus-, Hof- und Staatsarchiv 16 Bücher, die Hallwich aus dem Stadtarchiv Graupen/Krupka entliehen hatte. Darunter befanden sich u.a. Gerichtsbücher ab dem Jahr 1558, städtische Testamentsinventare und Bergbücher.24 Ergänzungen zu dem bereits übergebenen Nachlass durch die Familie erfolgten 1940.25 Darüber hinaus schenkte Marie Hallwich in diesem Jahr dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv noch eine Urkunde Herzog Albrechts IV. von Österreich, mit welchem dieser dem Domkapitel von St. Stephan zu Wien bestätigt, dass es von den Brüdern Rudolf und Ludwig von Tyrna Gülten, Güter und Zehente zu Gramatneusiedl gekauft hat. Das Sekretsiegel dieser Urkunde zeigt eine Gemme. Dieses Stück wurde in die Allgemeine Urkundenreihe des Haus-, Hof- und Staatsarchivs eingereiht und trägt heute die Signatur „AUR 1398 II 9“. Bereits zum Zeitpunkt der Übergabe dieser Akten im Jahr 1940 wurde anscheinend darüber nachgedacht, das Depot Hallwich in eine Schenkung umzuwandeln.26 Nach dem Tode von Gustav Hallwich und dessen Schwester Rosa Schwab, geborene Hallwich, schenkte seine Witwe Marie auf Betreiben des damaligen Vizedirektors der Nationalbibliothek Dr. Robert Teichl den Nachlass dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv.27 Der Nachlass Hermann Hallwich ist ein rein wissenschaftlicher Nachlass. Es finden sich darin Unterlagen, die aus seinen Forschungen zum Dreißigjährigen Krieg und zu Wallenstein, aber auch zur Heimatkunde Böhmens, stammen. Den Hauptteil, die ersten 21 Kartons, bilden Materialien (Literatur- und Aktenexzerpte) zu seinen zahlreichen Publikationen zu Wallenstein und zur Familie Waldstein und Personen des Dreißigjährigen Krieges. Darunter befinden sich zahlreiche Biographien, die auch mit Bildmaterial ergänzt sind. Diese sind alphabetisch geordnet und beginnend mit Aldringen finden sich Beschreibungen zu 23 24 25 26 27 152 HHStA/SB KA 195/1920. HHStA/SB KA 1443/1922. HHStA/SB KA 1368/1940. Wie Anm. 25. HHStA/SB KA 251/1944. Robert Teichl (1883-1970) war von 1907 bis 1913 als Sekretär von Hermann Hallwich tätig. Vgl. dazu die kurze Bestandsbeschreibung zu seinem in der Österreichischen Nationalbibliothek befindlichen Nachlass unter http://data.onb.ac.at/nlv_lex/perslex/TV/Teichl_Robert.htm (abgerufen am 3.5.2014). Vgl. weiters zu Teichl Murray G. Hall und Christina Köstner, „... Allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern...“. Eine österreichische Institution in der NS Zeit, Wien 2006, v.a. 86. Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Butler, Gordon, Deveroux, Carretto de Grana, Collalto, Colloredo bis Walmerode.28 Die Konzepte zu seinen Büchern werden durch geschenktes Archivmaterial aus dem Besitz der Familie Clary-Aldringen und durch Materialien zur Regionalgeschichte Böhmens ergänzt. Ein vollständig eigenständiges Material bildet der sogenannte Nachlass F. J. Böhm, der 2 Kartons umfasst.29 Hermann Hallwich besaß nicht nur Abschriften von Urkunden und Akten aus verschiedensten Archiven Europas, es befinden sich auch immer wieder Originaldokumente zwischen diesen Sammlungen. Zu nennen sind hier insbesondere Briefprotokolle aus der Bibliothek Clary in Teplitz, Briefe aus Mantua30, das alte Weisse Stadtbuch (Grundbuch) von Dux (Duchcov)31, Kaufbücher der fürstlich Lobkowitz’schen Herrschaft Dux32 und die Zunftbücher von Friedland33. Die Herkunft dieser Originale ist nicht eindeutig zu klären. Als Herkunft ist mehrmals der Nachlass Riedler genannt, einmal „Privatbesitz Wien“, ein Akt lässt sich eindeutig den Beständen des Hofkammerarchivs zuordnen. Ob die Anmerkung Hallwichs, dass es sich bei diesem Material ausschließlich um Skartmaterial handelte, ob es Geschenke der Familie Clary-Alringen waren, oder ob es auf andere Weise in den Besitz des Forschers gelangte, wird sich nicht mehr feststellen lassen.34 Auf Grund der im Archiv vorliegenden Korrespondenz lässt sich das Interesse an Aktenmaterial aus Privatbesitz feststellen, so schreibt etwa Wilhelm Kunzel aus Leipzig, dass er 50 bis 80 Stück Briefe von Piccolomini besitzt.35 Auch erhielt Hallwich von anderen Wissenschaftlern Berichte über neu aufgetauchte Briefe. Edmund Schebek teilt ihm mit, dass Briefe, die in einer Autographenauktion am 29. Oktober 1869 aus dem Khevenhüllerarchiv aufgetaucht waren, gerettet wurden. Schebeck machte Gindely darauf aufmerksam und dieser konnte sie für das Haus-, Hof- und Staatsarchiv erwerben.36 In diesem Brief wird ebenso erwähnt, dass Hallwich Flugschriften in einer Auktion erwarb. 28 29 30 31 32 33 34 HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 14 und 15. HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 34 und 35. HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 16-2. HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 23. HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 24, 25. HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 28, 30. Pergamenturkunde von Aldringen, Aktenverzeichnis der Akten zu Wallenstein etc. Zu Georg Waldstein aus dem Hofkammerarchiv: HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 11-14, Konvolut Originalurkunden HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 11-25. 35 HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 10-1, Mappe Quellenkunde. 36 HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 10-1, Brief vom 29. April 1880. 153 Th. Just, Z. Röhsner Die Korrespondenz, die im Nachlass verwahrt wird, behandelt vor allem die Nachfragen nach Archivmaterial und ist nicht sehr umfangreich. Hallwich hat nicht immer persönlich die Archive Europas besucht, er ersuchte auch Archivare oder Studenten, ihm Abschriften zu erstellen.37 Sehr viele gesammelte Zeitungen und Zeitungsausschnitte dokumentieren seine Forschung und die wissenschaftliche Diskussion zu Themen wie Wallensteins Verrat, die Nationalität Wallensteins oder den Unterschied zwischen den Namen Waldstein und Wallenstein. An Bildmaterial sind vor allem die Bilder zu Wallenstein und seiner Familie hervorzuheben. Hier sind ca. 60 Bilder, Stiche und Fotografien von Ölbildern und Büsten gesammelt. Zur Heimatkunde Böhmens sind ebenso interessante Fotobeilagen zu finden, so bspw. 4 Fotos aus Bruch/Lom u Mostu vom Kaiser Josef-Denkmal38, dem Johannschacht, dem Postgebäude und dem Hotel Centrale, der deutschen Schule und Fotos aus Krumau/Cesky Krumlov, die einen Blick auf die Stadt und Schloss Krumau, die Gozauer Brücke, die Vorstadt Flößberg, die Kapelle auf dem Kalvarienberg, den Kalvarienberg und den Rabenstein an der Moldau zeigen.39 Der gesamte Nachlass wurde 2013 neu geordnet und verzeichnet, die alten Faszikel mit dem Inlibris des Besitzers Hermann Hallwich durch säurefreie Kartons ersetzt. Das in den Kartons befindliche Archivgut wurde ebenfalls in säurefreie Umschläge umgelegt. Die Abbildungen, Stiche und Fotografien wurden komplett digitalisiert und mit den dazu gehörigen Verzeichnungseinheiten in der Archivdatenbank des Österreichischen Staatsarchivs verknüpft. Das detaillierte Verzeichnis ist nun über die Archivdatenbank des Österreichischen Staatsarchivs einsehbar. An dieser Stelle wird im Druck eine Übersicht über das im Nachlass Hermann Hallwich vorhandene Material geboten. 37 So z. B. in Kopenhagen, wo er einen Studenten, F. Jessen, mit Abschriften beauftragte: HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 10-1. 38 HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 26-5. 39 HHStA/SB Nl Hermann Hallwich 29-4. 154 Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Archivinventar Nachlass Hermann Hallwich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Signatur 1: Aktenexzerpte zu Wallenstein. Signatur 2: Aktenexzerpte zu Wallenstein. Darin: Fotografien von Akten. Signatur 3: Aktenexzerpte zu Wallenstein. Signatur 4: Aktenexzerpte zu Wallenstein. Signatur 5: Aktenexzerpte zu Wallenstein und Aldringen. Signatur 6: Manuskript zu „Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins 1630-1634“, Band I. Erschienen als 63. Band in der Reihe der „Fontes rerum Austriacarum II“. Signatur 7: Manuskript zu „Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins 1630-1634“, Band II. Erschienen als 63. Band in der Reihe der „Fontes rerum Austriacarum II“. Signatur 8: Manuskript zu „Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins 1630-1634“, Band III. Erschienen als 63. Band in der Reihe der „Fontes rerum Austriacarum II“. Signatur 9: Manuskript zu „Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins 1630-1634“, Band IV. Erschienen als 63. Band in der Reihe der „Fontes rerum Austriacarum II“. Signatur 10: Wallenstein Varia. Darin Unterlagen zu einer Quellenkunde Wallensteins, Personalien (Gallas, Piccolomini, Aldringen), gedruckter Vortrag zu „Wallensteins Tod“, Rezensionen, Konzept zu „Pappenheims Tod“ (Beilage zur Bohemia Nr. 221 und 222), Zeitungsausschnitt „Wallenstein und die Sprachenfrage“ (erschienen in der „Deutsche Zeitung“ vom 29.01.1881), Beitrag „Der Revers zu Pilsen, 12. Jänner 1634. Ein Beitrag zur Lösung der Wallensteinfrage“, erschienen in „Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen 18 (1882)“; Abschrift von „Sonderbare Nachricht über Wallensteins Grab, Leitfaden der Geschichte des Königreiches Böhmen, von einem Anonymus, im Jahre 1674 verfasst: „Also verhält es sich mit der Leiche Wallensteins“, datiert mit 1883.06.27; „Wallenstein oder Waldstein?“ – Abschrift von Stellungnahmen verschiedener Forscher zu diesem Thema (Palacký, Dudík, Gindely..., Abschrift von František Palacký, Einiges über die ältesten Familiennamen des böhmischen Adels“, Artikel „Waldstein oder Wallenstein“ in Politik, Nr. 61, (Prag, 07.03.1884); Abschriften der Hundt’schen Sammlung, Museum der Breslauer Stadtbibliothek (Biographien zu Lotharius Conti, Wolmar Graf zu Fahrensbach, Heinrich Wilhelm Graf zu Solms, Friedrich Freiherr zu Oppersdorf, Johann Merode, Graf zu Veroux, Kardinal Ernst Albert (Adalbert) Harrach, Adam Erdmann Terzky, Johann Heinrich Freiherr von Reinach, Otto Friedrich Freiherr von Schönburg, Ulrich Prinz in Dänemark und Norwegen, Franz Albrecht 155 Th. Just, Z. Röhsner Herzog von Sachsen, Hannibal Graf zu Schaumburg und Inigus M. Velez de Guevara, Graf zu Ognate und Villamediana, Abschrift einer Instruktion Kaiser Ferdinands II. für Wallenstein, diverse Briefe aus verschiedenen Archiven; gedruckte Zeitungsartikel zu Wallenstein; verschieden Exzerpte. Signatur 11: Wallenstein Varia. Darin: K. G. Helbig, Die Resultate der neuesten Forschungen über Wallensteins Verrat, Abschrift aus: Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur, Jg. 1853, Braunschweig 1853, S. 715-725; Abschrift von Friedrich von Hurter, „Wallensteins angebliche Gegner“, Österreichische militärische Zeitschrift, 2. Jg., 4. Band, Wien 1861; Abschrift von Friedrich von Hurter, „Hat Kaiser Ferdinand befohlen, Wallenstein todt einzuliefern?“, Österreichische militärische Zeitschrift, 3. Jg., 2. Band, Wien 1862; Artikel und Aufsatzabschriften zu Johann Aldringen; Rezensionen zu Hallwichs Arbeit über Aldringen; Abschriften von Briefen von Fahrenbach an Wallenstein; Georg Waldstein – Originalakten Georg von Waldstein und den Trauttenauischen Wald betreffend aus dem Hofkammerarchiv; Abschrift aus den Tagebüchern des Grafen Adam von Waldstein; Zur Genealogie der Familie Waldstein; Schlacht bei Lützen, Abschrift: “Kurtzer und Wahafftiger Bericht wass nemblichen vor und nach Belagerung der Stadt Leipzig vorgangen“; Aktenabschriften zur Schlacht bei Nördlingen; Villingen im dreißigjährigen Krieg; Abschrift zur Geschichte der Herren von Schwanberg; ausgeschnittener Zeitungsartikel aus der Reichenberger Zeitung, 06.01.1898, Nr. 4: „Die Eisenhammer in Raspenau und Friedland von Julius Helbig“, Originalakt: Wöchentlicher Hammerzettel des Eyssenhammers der Herrschaft Fridtlandt“ vom 14.02.1632 (Wochenzettel); Die Türken vor Wien, 1683, in: Daheim, 19. Jg, 1883, Nr. 49; Druck: „Belegeringe en Onset Der Stadt Weenen, Kopie: Plan der Belagerung und Entsetzung Wiens, gestochen von E. Decker, 1683 in Amsterdam erschienen bei Jan Bouman in de Kalverstraet“; Konvolut: Originalurkunden: Elenchus ad Faszikulum I., betreffend die Bergstadt Graupen, Brief des Granz Joseph Holfeld an das Teplitzer Wirtschaftsamt und den Fürsten Clary-Aldringen, Brief an das Kamnitzer Wirtschaftsamt, Adam Zylwewr von und auf Silberstein und Pilnikar, Schreiben des Hannß Hantschke, Gerichtsverwalter vom Niedergericht Langenau betreffend Schulden auf dem Gut des Jacob Weissen, Schreiben von Ferdinand Cloe (?) an Daniel Alberth Wagner in der Stadt Trauttenau, Kauf-Stadtbuch Richter Vaclav (Wenzel) Hanousek; Zeitungsausschnitte zu wirtschaftlichen und politischen Themen; Lista kaiserlicher Armada, Accurate und eigentliche Compositio kaiserlicher Kriegsarmada (1633); Familiengeschichte Wallenstein; Aktenabschriften aus dem Archiv der Stadt Breslau 1632-1634 und aus dem Kriegsarchiv Wien. 156 Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Signatur 12: Wallenstein Varia. Darin: Archiv Harrach, Aktenauszüge aus den Archiven in Bruck und Wien. Korrespondenz an Anna von Clary-Aldringen (Originalschreiben, 1636-1654); Aktenexzerpte aus den Dispacci Padovius; Originalakten mit dem Vermerk „Bei Pettersch Tode unter dessen Papieren gefunden“, Verzeichnis der monatlichen Besoldungen denen Offizieren bei der Expedition zu Gitschin im Monat Februario 1634, Schreiben von Bernhard Hiessele, Sebastian Berg, Abraham Buntzell über die Wallenstein verliehenen Lehensgüter, Dorothea Anna Maria, verwitwete Gräfin Kallaß (Gallas), geborene Gräfin von Lodron betreffend Verlautbarung eines Patents 1634-1650; Namensverzeichnis der gefallenen und den Wunden erlegenen k.k. Generäle und Oberste von Beginn des dreißigjährigen Krieges bis inklusive 1878 mit Ergänzungen und Korrekturen; Zahlreiche Rezensionen zu verschiedenen Werken Hallwichs in wissenschaftlichen Zeitschriften und Tageszeitungen, Adam Wolf, Das Wallensteinhaus in Eger, Das Stadthaus in Eger mit Aquarell des Hauses, Schattenrissen und Aquarellen von Personen, kopiert von Vinzenz Prökl, Grundriß des Hauses sowie einem Foto des Hauses. Signatur 13: Wallenstein Varia. Darin: Aktenabschriften zur Geschichte Wallensteins; Aktenabschriften zu Wallenstein und Piccolomini; Notizen zur kaiserlichen Armee vom Ausbruch des dreißigjährigen Krieges bis zu Wallensteins Tode (1618-1634), Die Friedländische Armada, Armeelisten, Die Generalität der Friedländischen Armee. Signatur 14: Wallenstein Varia, Biographien A-L. Darin: Konvolute mit Aktenabschriften, Bildern und Korrespondenz zu Johann Aldringen, W. Butler und W. Devereaux, Alexander und William Gordon; Carretto de Grana; Rambaldo Conte di Collalto; Rudolf Colloredo; Heinrich Holk; Christian Ilow, Isolano; Johann Ludwig Isolano; Johannes Kepler, Wilhelm Kinsky, Graf Lamboy und Walter Leslie. Signatur 15: Wallenstein Varia, Biographien M-P. Darin: Aktenabschriften zu Valeriano Magni (Türkenkrieg Ischia); Balthasar Marradas; Gabriel Pechmann; Questenberg; Friedrich Herzog von Savelli; Heinrich San Julian; Raschin-Schlieff; Schaffgotsch; Heinrich Schlick; Maximilian Graf Trauttmansdorff; Gerhard von Taxis; Rudolph von Tiefenbach; Ernst Georg Sparr; Wilhelm Slawata (enthält: Bilder von Gulielmo Graf Slawata, Jaroslao Conte Martinitz); A. E. Trczka; Franz, Caspar, Heinrich, Peter, Claudius, Florimund von Mercy; zu Rudolf Morzin; Heinrich Niemann; Wolf Adam Pachelbel von Gehag; Reinhard Walmerode und zu Octavio Piccolomini. Signatur 16: Wallenstein Varia T, Briefprotokoll. Darin: Aktenabschriften zu Mathias Graf Thurn, Briefprotokolle aus der Bibliothek Clary in Teplitz, Briefe aus Mantua (16281629). 157 Th. Just, Z. Röhsner Signatur 17: Wallenstein Varia. Darin: Briefprotokoll aus der Bibliothek des Fürsten Clary in Teplitz (1629-1630); Handschrift: Waldsteinische Nachrichten dießes Geschlecht betreffend (Quellenabschriften, umfassen den Zeitraum 1544-1574). Signatur 18: Wallenstein Varia. Darin: Handschrift: Waldsteinische Nachrichten dießes Geschlecht betreffend (Quellenabschriften, umfassen den Zeitraum 1624-1632); Abschriften von Briefen aus Mantua an Wallenstein. Signatur 19: Wallenstein Varia. Darin: Materialien zur pragmatischen Geschichte Albrechts von Waldstein, Herzog von Friedland, gesammelt von Freiherr von Stentzsch (Leben und Thaten des Wenzel Albrecht Eusebius von Waldstein, Herzog von Friedland aus einer Handschrift des Jiciner Dechanten Wenzel Adalbert Czerwenka); Materialien zur Geschichte des 30jährigen Krieges; Konvolut Fotografien. Signatur 20: Bilder und Fotografien zu Wallenstein. Darin: Foto des Gemäldes Wallensteins von van Dyck, Galerie Liechtenstein Wien; Foto eines Gemäldes von Wallenstein, Schloss Friedland; Druck eines Bildes von Albrecht von Waldstein, Herzog von Friedland in seinem 49 Jahre; Drucke verschiedener Bilder von Albrecht Waldstein, Herzog zu Friedland, Generalissimus der k.k. Heere; Fotos von verschiedenen Porträts von Wallenstein, aus Friedland und Dux; Foto eines Porträts von Wallenstein aus dem Palais Waldstein, Prag; Zeitungsausschnitt eines Bildes von Albrecht von Waldstein, Herzog von Friedland und Mecklenburg; Druck des Bildes von Albrecht von Wallenstein nach dem Gemälde von Anton van Dyck in der alten Pinakothek zu München, nach einer Originalfotografie von Franz Hanfstängl in München; Druck eines Bildes von Albert Graf Waldstein mit einem Gedicht; Druck eines Bildes von Albrecht Graf Waldstein (Wallenstein), im Hintergrunde die Darstellung von B. Moncornet (mit Wappenabbildung Khevenhüller); Druck eines Bildes von Albrecht Graf Waldstein (Wallenstein) mit Gedicht aus dem „Theatrum Europaeum“; Druck mit 4 ovalen Bildern von Gustav Adolph, Wallenstein, Oxenstierna und Tilly; Druck eines Bildes von Wallenstein nach dem Freskogemälde im Schloss zu Weimar; Druck einer Zeichnung Wallensteins mit dem Beginn einer Biographie; Korrespondenzkarte eines Bildes von Adolf von Sonnenthal als Darsteller Wallensteins; Kalenderbilder aus dem Historischen Kalender auf das Gemein-Jahr 1803. Wallenstein von Wollmann (Wallenstein und der Fürst von Eggenberg, Wallenstein Verabschiedung, Maximilian von Bayern und Wallenstein, Wallenstein und Seni, Wallenstein durch die Sternkunde verblendet, Wallensteins Tod, Mars (?); Wallensteins Horoskop, Zeichnung aus: „Curiositäten der physisch-literarisch-historischen Vor- und Mitwelt“; Druck eines Bildes der Herzogin von Friedland (Isabella 158 Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. von Waldstein); Foto eines Bildes von Maria Elisabeth, Tochter Wallensteins; Bild mit ovalen Bildern von Wallenstein, Max, Thekla und Octavio Piccolomini, sowie 2 Wappenabbildungen; Foto eines Bildes Wallensteins als sechsjähriger Knabe, Original im städtischen Museum in Eger; Foto einer Büste Wallensteins von Heinrich Scholz aus Raspenau; 4 Fotos von Brandresten des rückwärtigen Teiles des Jitschiner Palastes nach dem Brande vom Jahre 1681; Foto eines angeblichen Wallenstein Portraits aus dem Museum Jitschin (Gitschin, Jicin); Druck von Bildern von Ferdinand Graf Waldstein; Franz August Graf Waldstein; Ferdinand Ernst Graf Waldstein; Karl Ferdinand Graf Waldstein; Emanuel Ernst Graf Waldstein und von Johann Friedrich Graf Waldstein. Signatur 21: Literaturexzerpte zu Wallenstein. Signatur 22: Aktenexzerpte zur böhmischen Geschichte, Konzepte zu Kaiser Joseph II. Darin: Druck: Festrede des Reichsraths- und Landtags-Abgeordneten Dr. Hermann Hallwich, gehalten bei dem Feste der Enthüllung des Kaiser Josef-Denkmals in Trautenau; Druck: Hermann Hallwich, Kaiser Joseph II. und Josephstadt, Originalakt: Von der Relation Ihrer Majestät des Kaysers über seine Reise in Böhmen, Originalakt zu den Ansiedlern bei den Festungen Pleß und Theresienstadt (1782), Die Österreichisch-Ungarische Colonial-Gesellschaft. Ein Rückblick auf ihre dreijährige Wirksamkeit, SonderAbdruck aus der Zeitschrift für Volkswirtschaft, Socialpolitik und Verwaltung, Hg. von Eugen von Böhm-Bawerk, Karl Theodor von Inama-Sternegg, Ernst von Plener, Band 7 (s.d.); Aktenexzerpte zu Reformation und Gegenreformation in Böhmen; Heimatkunde Bilin; Heimatkunde der Gemeinden Hostonitz, Kautz, Kosel, Krzenusch, Kutschlin, Lukow, Meronitz, Merschlitz, Mirschowitz, Mukow, Nemetschken, Normitz, Obernitz, Preschen, Priesen, Prohn, Radowesitz, Rissut, Schelkowitz, Schiedowitz, Schladnig, Schwaz, Schwindeschitz, Sellenitz, Wchontsch und Wscheshlab; Böhmisch-Leipa unter Wallenstein, Urkundenexzerpte; Nachrichten über die königlich privilegierte Berg- und Kreisstadt Budweis im Königreich Böhmen, gesammelt von Mathäus Wenzel Klaudi, Stadtrat in Budweis Signatur 23: Das alte Weisse Stadtbuch (Grundbuch von Dux) 1582-1666. Signatur 24: Kaufbuch der fürstlich Lobkowitz’schen Herrschaft Dux 1611. Signatur 25: Kaufbuch der fürstlich Lobkowitz’schen Herrschaft Dux 1600. Signatur 26: Heimatkunde Dux. Darin: F. X. Reidl, Beitrag zur Geschichte von Dux (1886). Materialsammlung zur Heimatkunde Krinsdorf, Kostergrab, Ladowitz, Langaugezd, Liebshausen, Liegnitz; Materialsammlung zur Heimatkunde von Mariaratschitz, Neuhof, Neuwernsdorf, Neudorf; Materialsammlung zur Heimatkunde von Osseg, Riesen- 159 Th. Just, Z. Röhsner burg, Riesenberg; Materialsammlung zur Heimatkunde von Schellenken, Soubusan; Über Walther von der Vogelweide, Notizen zur Heimatkunde von Ullersdorf, Straka, die Vogelweide in Dux, zu Wernsdorf; Varia zu Dux (Siegel von Roan, Wappenabbildung, Fotos, Zeitungsausschnitte); Carl Leitzer, Beitrag zur Heimatkunde des Duxer Bezirkes (1900); Geologische Übersicht des Duxer Schulbezirkes; Konzept zur Geschichte der Gemeinde Bruch; 4 Fotos von Bruch (Kaiser Josef-Denkmal, Johannschacht, Postgebäude, Hotel Centrale); Materialsammlung zur Heimatkunde Georgendorf, Deutzendorf und Grundmühlen; Materialsammlung zur Heimatkunde Haan, Oberhaan und Deutzendorf, Herrlich; Materialsammlung zur Heimatkunde Janegg; Gustav Linke, Beitrag zur Geschichte des Bergbaus im Duxer Schulbezirk. Signatur 27: Zünfften-Privilegienbuch (Abschriften von Privilegien für Handwerker von Johannes Wenzel Graf von Gallas für Friedland) 1700. Signatur 28: Zunftbuch der Tuchmacher Friedland 1657-1838. Signatur 29: Materialsammlung zur Heimatkunde Grafenstein-Reichenberg. Materialsammlung zur Heimatkunde von Reichenberg-Friedland; Direktorium der Beilagen, so zu der Relation gehören (Aldringen betreffend), Dreißigjähriger Krieg, Brief Gallas; Materialsammlung zur Heimatkunde von Liebing und zu den Burggrafen von Dohna auf Königsbrück; Materialsammlung zur Heimatkunde von Krumau (Foto der Stadt Krumau, Gozauer Brücke, Vorstadt Flößberg; Kapelle auf dem Kalvarienberg, Schloss und Latran, Krumauer Schloss von der Nordseite, Kalvarienberg, Schlossturm, Schloss Krumau im 15., 17. und 18. Jahrhundert, Rabenstein an der Moldau); Materialsammlung zur Heimatkunde von Schönburg, Schönberg, Schleinitz, Kolditz; Materialsammlung zu den Hussitenkriegen (Spuren der deutschen Sprache nach dem Hussitenkriege, Zu den Folgen des Hussitenkrieges). Signatur 30: Zunftbuch von Friedland 1566-1636. Signatur 31: Akten zur Heimatkunde Reichenberg und Trautenau Signatur 32: Materialien zur Industriegeschichte. Darin: Materialien zur Industriegeschichte (Nixdorf, Strumpfwirkerei, Stein- und Glasindustrie, Schürer von Waldheim (mit Wappen), Wanderer von Grünwald, Abschrift der Gründungsurkunde der Glashütte Antoniwald, Papierfabrik Hohenelbe, Baumwollindustrie); Tuchmacher- oder Gesellenordnung (1619), Bericht des Johann Friedrich Berger an die Böhmische Repräsentation und Kammer (1750), Protokoll des „Consessus commercialis“ Graf Pachta (1749), Urkundenabschriften, Schifffahrt auf Moldau und Elbe, Generalhandwerkpatent Kaiser Karl VI. (16.11.1731), Generalzunftsartikel für die Zünfte der königlich böhmischen 160 Der Nachlass Hermann Hallwich (1838-1913) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Erblande (1739), Tuchmacherordnung für das Königreich Böhmen (24.08.1758), Siegelabgüsse der gräflich Bolzaischen Baumwolle (Cotton) und Seidenfabrik. Signatur 33: Materialien zur Industriegeschichte (Hohenelbe). Darin: Materialien zur Industriegeschichte (Hohenelbe): Privileg für Christoph von Gendorff, Wilhelm Wirschowsky von Stropschitz und Paul Graf von Morzin über die Herrschaft Hohenelbe, Gabriel Fürbner, Raittungen vom Bürgermeisteramt, schwedische Kontributionsrechnung, Schlosser, Uhrmacher, Büchsenmacher, Rohrschmiedt, Windemacher, Schiffer und Glaser (1647), Bäcker und Pfefferküchler (1658, 1697), Tischler- und Schreiner (1661), Tuchmacher (1661, 1697), Kürschnerzeche in Hohenelbe (1692), Bräuer, Mältzer und Bierverlager (1697), Schneiderhandwerk (1839), Strumpfstricker (1698), Druck: Hermann Hallwich, Otto Ludwig von Loscani, Ein österreichischer Volkswirth, Österreichisch-ungarische Revue, Band 12, Heft 1 (1891), Verzeichnis sämtlicher im Königreich Böhmen befindlichen Fabrikaturen und Manufakturen nach dem Alphabet; Abschrift zur Geschichte der Firma Franz Schmitt, Böhmisch-Aicha; Aktenabschriften zu verschiedenen Tuchmacherprivilegien (1581-1724); Materialien zur Geschichte des Braunkohlenbergbaus im nordwestlichen Böhmen; Konvolut Sonderdrucke von und über Publikationen Hallwichs. Abschrift zur Geschichte der Firma Franz Schmitt, Böhmisch-Aicha; Aktenabschriften zu verschiedenen Tuchmacherprivilegien (1581-1724); Materialien zur Geschichte des Braunkohlenbergbaus im nordwestlichen Böhmen. Signatur 34: Nachlass Franz Josef Böhm (15.07.1805-18.02.1870). Darin: Korrespondenz an Herrn Anton Bouffleur, Amtsdirektor in Prieswitz, an Josef und Teresia Palm, an Eustach Richter, von Franz Netter, Briefe eines in Brasilien wohnhaften Deutschböhmen, Pauline, Eustach und Ferdinand Richter, Bibliothekar Hanka, an Elisabeth, Franz Böhm, Franz-Joseph Habe, Josef Kollert, Obristwachtmeister Colloredo-Mannsfeld, Anton Böhmel, Schmiedemeister von Wesseln, Wenceslaus Hornka, Lorenz Schors aus Reichsstadt, Veronika Schillerin in Zwickau, Anton Böhmel, Josef Habel, Fräulein Jeanette Willim in Elbekostelitz, Franz Joseph Arlt, Landmann in Tscheck, Korrespondenzkarte von Adolf Kirschner an Hermann Hallwich, von Gotthard, an František Palacký, an Karl Hübsch, an Dechant Vincenz Schlein, an Antonius Günther, an die Gutsverwaltung Priesnitz, an Heinrich Meinl in Priesnitz. Briefabschriften seiner Korrespondenz, Krönungs-Reisenotizbuch des Franz Böhm, Krämer zu Algersdorf (09. 1836), Reisejournal zur Reise ins Riesengebirge (05. 1833) mit Zeichnungen, Druck. Der Kirchenbrand in Santiago am 8. Dezember 1863 (1863); Foto eines unbekannten 161 Th. Just, Z. Röhsner Mannes (F. X. Böhm?), Zeichnung der Ruine Rothschloss, Zeichnung eines unbekannten Mannes; Schreiben das Comptoir der Prager Zeitung, an und vom Grafen Adolf von Ledebur (Miszellen zu Ledebur), an die Kabinettskanzlei, an Ernst Freiherrn von Kellersperg und an Rentmeister Starck in Prisnitz, Note der Aussiger Bezirkshauptmannschaft, Zustimmung des Leitmeritzer bischöflichen Konsistoriums; Rechnungen der Domänenverwaltung Schöbritz, Zinsertrag der Schöbritzer Kirchengründe, Inventarium der Kapelle in Wesseln, Kaufvertrag mit Josef Ulbrich in Schöbritz, verschiedene Abschriften von Kaufurkunden, Seelamtsstiftung, Bleylebenstiftung, Messstiftung des Zuckerbäckers Hübsch, Strafgelderempfang der Schöbritzer Kirchenkasse; diverse Texte und Gedichte. Signatur 35: Nachlass Franz Josef Böhm (15.07.1805-18.02.1870). Darin: Verschiedene Texte. Private Dokumente von Franz Böhm: Heimatschein, Wohnungsinventar (Antiquitätenverzeichnis), Zeugnisse, Reisepässe (auch von Franz Joseph Böhm). Korrespondenz Franz Böhms an Joseph Schönherr, k.k. Gerichtsvollzieher in Auscha, an Dechant Vincenz Schlein in Gartitz, P. Franz Storch in Georgswalde, A. G. Müller an die Bezirkshauptmannschaft Aussig, Rentmeister Stefan Starck in Schöbritz, von Soukuz, Buchbinder Josef Strobach an Franz Böhm. Rechnungen. 162 H. Hallwich: Werkverzeichnis (inkl. publizierter Reden als Abgeordneter) Die Herrschaft Türmitz. Eine Denkschrift I/II, Prag 1863/65. Das Lied von der Schlacht bei Aussig, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 2 (1864) 184-196. Aus der Geschichte von Graupen, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 2 (1864) 25-28. Jakaubek von Wřesowitz. Ein Beitrag zur Geschichte der hussitischen Bewegung, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 4/2 (1866) 33-51. Die Kölbel von Geysing, in: Archiv für die sächsische Geschichte 5 (1866/67) 337-377. Geschichte der Bergstadt Graupen in Böhmen, Prag 1868. Reichenberg vor 300 Jahren, Reichenberg 1868. Die Jesuitenresidenz Mariascheune („Mariaschein“) in Böhmen, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 6 (1868) 33-63 und 89-92. Die erste Fabrik in Reichenberg, Reichenberg 1869. Eine Teufelsgeschichte. Zugleich ein Beitrag zur Sittengeschichte der Stadt Aussig, Aussig 1869. Zur Geschichte der Stadt Böhmisch-Leipa, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 9 (1870) 40-52. Hans Georg von Arnim in den Jahren 1627-29, in: Archiv für die Sächsische Geschichte 8 (1870) 380-412. (Hg.), Zur Flachsgarnkrisis. Bericht an das hohe k.k. Handelsministerium erstattet von der Handels- und Gewerbekammer Reichenberg, Reichenberg 1870. Zur Geschichte der Görlitz-Reichenberger Straße, Reichenberg 1871. Reichenberg und Umgebung. Eine Ortsgeschichte mit spezieller Berücksichtigung der gewerblichen Entwicklung, 1872. Zur Geschichte des Teplitzer Tales, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 10 (1872) 97-109. Der Reichenberger Bezirk. Heimatskunde für Schule und Haus. Hg. vom Reichenberger Lehrervereine, Reichenberg 1873. 163 Werkverzeichnis Nordböhmen auf der Weltausstellung in Wien 1873, I-IV, Reichenberg 1873. (Hg.), Gewerbe und gewerbliche Fachschulen im nördlichen Böhmen. Officielle Berichte der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer, Reichenberg 1873. Dr. Carl Anton Tobias. Necrolog, Prag 1873. Zur Geschichte Wallensteins im Jahre 1633, in: Archiv für sächsische Geschichte N. F. 3 (1877) 289-368. Wallenstein und Arnim im Frühjahre 1632, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 17 (1878) 145-186. Wallensteins Ende. Ungedruckte Briefe und Acten, 2 Bände, Leipzig 1879. Über „Wallensteins Verrath“. Ein Vortrag, gehalten zu Eger am 1. Juni 1879, in der VIII. Wanderversammlung des VGDB, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 18 (1879/80) 1-15. Rede über die Nationalitätenfrage, Reichenberg 1880. Rede des Abgeordneten Dr. H. Hallwich gehalten in der 142. Sitzung des Abgeordnetenhauses, Wien 1881. Wallenstein und die Sachsen in Böhmen (1631-1632), in: Forschungen zur Deutschen Geschichte 21 (1881) 119-222. Gründung der Bergstadt Hohenelbe, Hohenelbe 1882. Kaiser Josef II. und Josephstadt, Reichenberg 1882. Der Revers zu Pilsen am 12. Januar 1634. Ein Beitrag zur Lösung der Wallensteinfrage, in: Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen 18 (1882) 484-488 und 505-507. Zur Frage der Nesselindustrie. Auszug aus dem Protokolle der o.ö. Sitzung der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer am 22. September 1882, Reichenberg 1882. Die Warencontrole im Grenzbezirke, Reichenberg 1882. Wallenstein’s Grab, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 22 (1883/84) 1-10. Heinrich Matthias Thurn als Zeuge im Prozeß Wallenstein: ein Denkblatt zur Dritten Säcularfeier Wallensteins, Leipzig 1883. gem. mit Franz Pfeifer, Zur Flachskulturfrage. 2. Bericht an den hohen Landesculturrath für … Böhmen, betr. den Zustand des Flachsbaues in Böhmen und die Mittel zur Hebung desselben, Reichenberg 1883. Wallensteins erste Berufung zum Generalat, in: Zeitschrift für Allgemeine Geschichte, Kultur, Literatur- und Kunstgeschichte 1 (1884) 108-134. 164 Werkverzeichnis Bericht des Wasserstraßenausschusses über die Herstellung einer Schiffahrtsstraße zur Verbindung der Donau mit der Elbe, Wien 1884. Gestalten aus Wallensteins Lager. Teil I: Johann Merode – ein Beitrag zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges; Teil II: Johann Aldringen – ein Bruchstück aus seinem Leben als Beitrag zur Geschichte Wallensteins, Leipzig 1885. Töplitz. Eine deutsch-böhmische Stadtgeschichte, Leipzig 1886. Fest-Rede gehalten bei dem Feste der Enthüllung des Kaiser Josef-Denkmals in Trautenau, Trautenau 1886. Gindely’s „Waldstein“. Eine kritische Studie, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 25 (1887) 97-137. Wallenstein und Waldstein, Leipzig 1887. Waldstein oder Wallenstein. Ein offener Brief an Dr. Gindely, Leipzig 1887. Auf Wallensteins Spuren, in: Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen 23 (1887) 424-430, 441-445, 455-457. Die neuere Wallensteinliteratur, in: Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 31 (1887) 101-104. Verschiedene Reden 1882-1888, Wien 1888. Zur handelspolitischen Frage in Oesterreich–Ungarn, Reichenberg 1890. Otto Ludwig von Loscani. Ein österreichischer Volkswirth, in: Österreichisch-ungarische Revue 12 (1891/92) 1-30. Bericht des Volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Regierungsvorlage betr. den Abschluss eines neuen Lloydvertrages, etc., Wien 1891. Fortsetzung der Debatte über die neuen Handelsverträge zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reiche, Italien, etc., Berichterstatter H. Hallwich, Wien 1892. Firma Franz Leitenberger 1793-1893 (= Beiträge zur Geschichte der deutschen Industrie in Böhmen), Prag 1893. Böhmen, die Heimat Walthers von der Vogelweide?, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 32 (1894) 93-140. Böhmens Industrie und Handel, in: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Wien 1896. Anfänge der Gross-Industrie in Österreich, in: Die Gross-Industrie Österreichs. Festgabe dargebracht von den Industriellen Österreichs ihrem gnädigen Monarchen … zu dessen glorreichen fünfzigjährigen Regierungsjubiläum, I. Band, Wien 1898, 3-42. 165 Werkverzeichnis Der Herzog von Reichstadt, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 37 (1899) 1-39. Die Glatz von Althof und ihr Stammhaus, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 38 (1900) 250-273. Wallenstein’s Dame. Sonderabdruck aus der Festschrift des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Prag 1902. Der Industriebezirk Mähr.-Ostrau, Wien 1904. Friedland vor fünfhundert Jahren, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 43 (1905) 357-428. Eine Hymne an Wallenstein, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs 1 (1906) 5770. Aldringens letzter Ritt, in: Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 45 (1907) 21-38. Fünf Bücher Geschichte Wallensteins, Leipzig 1910. Briefe und Akten zur Geschichte Wallensteins 1630-1634, 4 Bände (= Fontes rerum Austriacarum 2. Abteilung 63-66), Wien 1912. Aus der Vergangenheit der Stadt Töplitz-Schönau und ihrer Umgebung, Teplitz-Schönau 1912. 166 AutorInnen Mgr. Pavlína Boušková, Regionální muzeum v Teplicích / Regionalmuseum Teplitz Mgr. Jiří Bureš, Muzeum města Duchcova / Museum der Stadt Dux PhDr. Bohuslava Chleborádová, Regionální muzeum v Teplicích / Regionalmuseum Teplitz ao. Univ.-Prof. Dr. Lothar Höbelt, Institut für Geschichte, Universität Wien Mag. Thomas Just, MAS, Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Wien PhDr. Jan Kilián, Ph.D., katedra historie FPE ZČU v Plzni / Lehrstuhl für Geschichte der PädF, Westböhmische Universität Pilsen Mgr. Hana Knetlová, Státní okresní archiv v Chebu / Staatliches Kreisarchiv Eger Priv.-Doz. Mag. Dr. Robert Rebitsch, projekt.service.büro sowie Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck Mag. Zdislava Röhsner, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien Mgr. Michal B. Soukup, Archeologický ústav AV ČR Praha, pobočka Žatec / Archäologisches Institut der Akademie der Wissenschaften in Prag, Zweigstelle Žatec/Saaz Dr. Philipp Strobl MA., Lektor des österreichischen Austauschdienstes (OeAD), Fakultät für angewandte Sprachen, Wirtschaftsuniversität Bratislava PhDr. Milan Svoboda, Ph.D., katedra historie Fakulty přírodovědně–humanitní a pedagogické, Technická univerzita v Liberci / Lehrstuhl für Geschichte der Fakultät für Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Pädagogik, Technische Universität Reichenberg 167