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Die Burgen Der Mittelgebirgszone. Eisenzeitliche Fluchtburgen, Befestigte Siedlungen, Zentralorte Oder Kultplätze?

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RÄTSEL SCHNIPPENBURG Sagenhafte Funde aus der Keltenzeit Herausgegeben von Sebastian Möllers und Bodo Zehm mit Beiträgen von Jochen Brandt Axel Friederichs Sebastian Möllers Hartmut Polenz Wolfgang Schlüter Jens Schulze-Forster 2007 VERLAG DR. RUDOLF HABELT GMBH · BONN Einbandvorderseite oben: Situationsfoto des Wallrestes auf der Schnippenburg und Ausschnitt aus dem Vermessungsplan von 2001. (Foto: Axel Hartmann, Köln; Planaufnahme: IKG Hannover) Einbandvorderseite unten rechts und Rückseite: Vollplastische Fibel von der Schnippenburg in stilisierter Wiedergabe und Foto. Die geschwungenen „höckerartigen“ Wellen zwischen den vorstehenden spiralförmigen Kreisen sind ein typisches Motiv der Latènekultur in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts vor Christus. (Foto: Axel Hartmann, Köln) Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich. Redaktion: Axel Friederichs (Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück) Amelie Soyka, Köln © Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V. und Autoren Alle Rechte vorbehalten Layout: Konrad Bokeloh (Rasch, Bramsche) Axel Friederichs (Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück) Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme Kommissionsverlag: Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH · Bonn ISBN 978–3–7749–3502–0 1. Auflage 2007 Gesamtherstellung: Rasch Druckerei und Verlag, Bramsche Printed in Germany Einbandgestaltung: Bildschön – Büro für Gestaltung, Melle www.bildschoen-werben.de Unter der ISBN 978–3–7749–3503–7 ist der vorliegende Titel auch zusammen mit dem Kolloquiumsband „Keltische Einflüsse im nördlichen Mitteleuropa…“ erhältlich. Inhaltsverzeichnis Jochen Brandt Unruhige Zeiten – das dritte Jahrhundert vor Christus 17 Axel Friederichs Die vorrömische Eisenzeit des Osnabrücker Landes im Spiegel der Bestattungssitten 39 Wolfgang Schlüter Das Osnabrücker Land im Fernwegenetz Nordwestdeutschlands 61 Hartmut Polenz Kult- und Opferstätten der vorrömischen Eisenzeit in Nordwestdeutschland 97 Jens Schulze-Forster Die Burgen der Mittelgebirgszone. Eisenzeitliche Fluchtburgen, befestigte Siedlungen, Zentralorte oder Kultplätze? 109 Sebastian Möllers Rätsel Schnippenburg 145 Sebastian Möllers Funde und Befunde – entscheidend ist der Zusammenhang 197 Verzeichnis der Autoren und Herausgeber 252 15 Jens Schulze-Forster Die Burgen der Mittelgebirgszone Eisenzeitliche Fluchtburgen, befestigte Siedlungen, Zentralorte oder Kultplätze? Schon lange vor den Steinburgen des Mittelalters prägte ein dichtes Netz von Befestigungen die Mittelgebirge. Die verfallenen Wälle haben sich vor allem in den Wäldern erhalten, wo sie früh die Phantasie der Menschen bewegten. Die volkstümliche Verknüpfung mit übernatürlichen Wesen („Hünenburg“, „Riesenkopf“) oder historischen Namen („Wittekindsburg“) waren erste Versuche, den Ursprung der rätselhaften Bauwerke zu erklären. Seit gut 100 Jahren beschäftigt sich die Ringwallforschung mit dieser Denkmälergruppe. Am Anfang standen die katalogartige Erfassung der Befestigungen und die Vorlage präziser Pläne. Prägende Akteure der frühen Burgenforschung waren Carl Schuchhardt in Niedersachsen, die Altertumskommission für Westfalen und das Museum Wiesbaden in Hessen-Nassau (Emil Ritterling, Ernst Brenner, Ferdinand Kutsch). Projekte wie der „Atlas der vorgeschichtlichen Befestigungen in Niedersachsen“ (VON OPPERMANN/SCHUCHHARDT 1888–1916) oder der „Atlas vor- und frühgeschichtlicher Befestigungen in Westfalen“ (Atlas 1920) sind Initialleistungen der Landesforschung, die bis heute Bestand haben. Begleitende Grabungen lieferten erste Hinweise auf die vorrömische Eisenzeit. Die Burgenforschung, die zunächst auf Spuren der Römer- und Sachsenkriege fixiert war, erhielt ein neues Arbeitsfeld. Die Deutungen blieben ereignisgeschichtlich orientiert. Die Ringwälle wurden als konkrete Zeugnisse kriegerischer Auseinandersetzungen in den Jahrhunderten vor Christi Geburt betrachtet („Fluchtburg“). Die zahlreichen Burgen im Lahn-Sieg-Gebiet erklärte Heinz Behaghel mit der Sicherung des erzreichen Siegerlands („Eisenland“). Seine Gliederung der Eisenzeit im Schiefergebirge kann gleichzeitig als Quintessenz der ersten Phase intensiver Ringwallforschung zwischen Main und Lippe angesehen werden (BEHAGHEL 1943), bevor Krieg und Nachkriegszeit den Faden abreißen ließen (Behaghel selbst fiel 1943). Dem furiosen Auftakt im frühen 20. Jahrhundert folgte eine lange Phase der Stagnation. Nennenswerte Untersuchungen fanden nach dem Krieg nur auf der Pipinsburg bei Osterode (1954/1975: CLAUS/SCHLÜTER 1975; SCHLÜTER 1975) und dem Christenberg bei Marburg statt (1964–1970: GENSEN 1989; WEGNER 1989). Die Tagung zum ältereisenzeitlichen Befestigungswesen 1997 in Münster ließ die unlösbaren Defizite deutlich werden: dürftige Funde (überwiegend spröde Siedlungskeramik), undatierte Wälle und fehlende Siedlungsstrukturen. 109 Akademische Theorie (die Burgen als Schlüsselquelle zur Eisenzeit im Mittelgebirgsraum) und archäologische Realität klaffen weit auseinander. Zu unterschiedlich sind die Burgen und der jeweilige Forschungsstand, zu groß die Wissenslücken, um die weiterführenden Fragen nach Ursprung, Funktion und historischer Bedeutung der Plätze zu beantworten (BÉRENGER 1997b; BÉRENGER 1999; HEINE 1999). Der Anspruch, das Phänomen der Burgen von der Hallstattzeit bis zur Spätlatènezeit darstellen und verstehen zu wollen, ist deshalb nicht einzulösen. Was hat der frühkeltische Fürstensitz auf dem Glauberg mit der mittellatènezeitlichen Schnippenburg bei Osnabrück und der spätlatènezeitlichen Großsiedlung auf dem Dünsberg zu tun? Die drei Plätze stehen für unterschiedliche historische Erscheinungen. Bei genauem Hinsehen gibt es jedoch eine Gemeinsamkeit: Alle drei weisen in größerem oder kleinerem Umfang Funde des dritten Jahrhunderts vor Christus auf. Sie befinden sich damit in bester Gesellschaft. Eine Belegung am Übergang von der Früh- zur Mittellatènezeit ist für die Befestigungen im Mittelgebirgsraum geradezu typisch. Sie bilden vom Main bis zum Wiehengebirge die größte Gruppe. Noch wichtiger ist die Feststellung, dass im Kunsthandwerk, im Brauchtum/Kult, wohl auch in der Sozialordnung enge kulturelle Gemeinsamkeiten sichtbar sind. Die Burgen des dritten Jahrhunderts vor Christus bezeichnen ein spezifisches historisches Phänomen. Neue Funde und Befunde wie von der Schnippenburg unterstreichen diese Ansicht (siehe Beiträge MÖLLERS in diesem Band). Die mittellatènezeitlichen Burgen stehen deshalb im Zentrum des Beitrags. Geographisch geht es um den westlichen Mittelgebirgsraum zwischen Taunus/Lahngebiet, nördlichem Mittelgebirgsrand und mittlerer Weser/Leinetal. Der mittellatènezeitliche Burgenhorizont – Definition und Chronologie 3 Abb. 1 Plastisch profilierte Ringe und Fibeln aus Höhensiedlungen des nordwestlichen Mittelgebirgsraums. 1–7, 10–14 Bronze; 8–9 Bronze mit hinterlegtem Eisenband. (nach PESCHEL 1992, 114 Abb. 2) 33 Abb. 2 Kriegergrab der Stufe Lt C1 aus Wachenheim (Rheinhessen). (nach BEHRENS 1927, 60 Abb.; unmaßstäblich verkleinert) 110 Bereits vor 30 bzw. 15 Jahren haben Peter Glüsing und Karl Peschel einen signifikanten mittellatènezeitlichen Fundhorizont auf Wallanlagen im Mittelgebirgsraum herausgestellt (GLÜSING 1976/77; GLÜSING 1980; PESCHEL 1992). Sie stützten sich dabei auf zeittypische Tracht- oder Schmuckgegenstände: Ringe mit plastischen Wülsten, Rippen oder Buckeln sowie Fibeln mit langgestieltem Vasenfuß (Abb. 1). Die Stücke stehen unverkennbar in der keltischen Stiltradition der ausgehenden Frühlatènezeit („plastischer Stil“), lassen aber örtliche Herstellung erkennen. Zeitlich markieren sie den Übergang von der Stufe Lt B2 zur Stufe Lt C1 (Mittellatènezeit), also die Mitte des dritten Jahrhunderts vor Christus. Grabfunde aus Süddeutschland belegen das Nebeneinander traditioneller (Frühlatèneschema-Fibeln mit Vasenfuß) und fortschrittlicher Elemente (Fibeln vom Mittellatèneschema, Schwertketten, Gürtelketten = Lt C1) in dieser Phase (Abb. 2). Den beiden Forschern standen damals nur wenige Funde zur Verfügung. Die Ära der Schatzsucher hat zu einer sprunghaften Vermehrung des Fundmaterials geführt. Die Ringwallforschung musste kurz vor ihrem 100. Geburtstag lernen, dass sie vom Reichtum des Fundstoffs keine Vorstellung gehabt hatte. In Hessen hat sich die Zahl der mittellatènezeitlichen Wallanlagen auf diese Weise fast verdoppelt. Diese Kennziffer, die viel über den begrenzten Wissensstand aussagt, dürfte auf den gesamten Mittelgebirgsraum übertragbar sein. Komplexe wie Holzhausen-Oberwald bei Wetzlar, der Negenborn bei Einbeck oder die Schnippenburg bei Osnabrück sind Entdeckungsfahrten in eine 111                  !" # $%%  #   &       ( )*# 0        +    ##, *#*. +  *&'  1   2    8 *#*. #6& )*#    6*# #   2 # #* &'  : ;' +  #  *# *&'  > 7 *# +    *  ##  9 76*# #   #  3 ?*#  #   < $ *# +    *  ##   / **# @ *&'  ( / *#*. 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Auf 37 Wallanlagen im nordwestlichen Mittelgebirgsraum sind Funde des dritten Jahrhunderts vor Christus belegt. Fünf weitere Burgen können aufgrund entsprechender 14C-Daten in diese Zeit gestellt werden (Tab. 1; Abb. 3). In den meisten Fällen markieren die Funde einen Neuanfang. Prototyp ist der Dünsberg bei Gießen. Fibeln mit langgestieltem Vasenfuß, Bronzetutuli, Knotenringe, Knickwandschüsseln und Stempelkeramik zeigen, dass erstmals am Übergang zur Mittellatènezeit eine intensive Besiedlung einsetzte (Abb. 4; SCHULZE-FORSTER 2002). Ältere Metallfunde fehlen. Denselben Initialhorizont finden wir auf der Amöneburg bei Marburg, der Altenburg bei Niedenstein in Nordhessen sowie im Siegerland (Obernau, Bad Laasphe, Aue). Im Norden sind Gellinghausen, die 114 Abb. 4 Ältester Metallhorizont am Dünsberg (Stufe Lt [B2–]C). 1–15 Tutuli; 16–23 Frühlatèneschema-Fibeln (freies Fußstück); 24–25 (?) Bügelplattenfibeln; 26–29 Mittellatèneschema-Fibeln (mit verklammertem Fußende). 1–15 Bronze mit Eisen; 16–25, 28 Bronze; 26–27, 29 Eisen. M. 1:4. (nach SCHULZE-FORSTER 2002, Taf. 1) Schnippenburg, wohl auch Barenburg und Babilonie anzuschließen. Die 14CDaten westfälischer Burgen sprechen dieselbe Sprache. Die Mehrzahl der beprobten Wälle wurde im dritten Jahrhundert vor Christus errichtet. Abb. 5 Dünsberg bei Gießen in Hessen. (nach HERRMANN 1999, Titel) Das Aussehen der Burgen Was wissen wir über das Erscheinungsbild der neu gegründeten Burgen? Wie sind Lage, Topographie und Größe zu beurteilen? Was tragen sie zur Frage der Funktion und Bedeutung der Anlagen bei? Lage, Grundriss Lage, Grundriss und Größe der Befestigungen sind ausgesprochen variabel. Bevorzugt wurden Bergkuppen befestigt (z.B. Dünsberg; Abb. 5); in geringerem Umfang nutzte man Bergplateaus (z.B. Christenberg; Abb. 6) und Spornlagen (Abb. 7). Die Wälle richten sich nach den topographischen Gegebenheiten. Bergkuppen sind üblicherweise mit einem geschlossenen Ringwall gesichert, während Plateau- und Spornlagen oft nur eine partielle Sicherung an den gefährdeten Abschnitten aufweisen. Schwer durchschaubar sind die zum Teil äußerst komplexen Wallsysteme, die sich aus verschiedenen Ring-, Abschnitts- und Vorwäl- Abb. 6 Plateau des Christenbergs bei Marburg (Hessen). (nach RAETZEL-FABIAN 2001, 129 Abb. 170) 115 Abb. 7 Gellinghausen. Sporn der Hünenburg. Mittelalterliche Ausbauphase mit Haupt- und Vorburg, die die eisenzeitlichen Wallreste stark überprägen. (nach BÉRENGER 1997b, 62 Abb. 6) Abb. 8 Altenburg bei Römersberg (Hessen). Ringwälle, im Norden Quellannex (rot = Deponierung). (nach GENSEN 1999, 84 Abb. 2) len zusammensetzen. Mehrgliedrig gestaffelte Ringwälle sind typisch für Burgen mit einer mehrphasigen eisenzeitlichen Belegung. Die Wälle der Altenburg bei Römersberg (Abb. 8), der Altenburg bei Niedenstein (Abb. 9) und des Dünsbergs (Abb. 10) bezeichnen eine mehrstufige Entwicklung. Ähnlich ist die Pipinsburg (mehrteilige Abschnittsbefestigung; Abb. 11) zu beurteilen, vielleicht auch die Babilonie (Abb. 12), die ebenfalls eine hallstatt- und eine mittellatènezeitliche Besiedlungsphase aufweist. Die mittelalterliche Nutzung kompliziert allerdings das Bild. Die gemörtelte Mauer, die den Kernbereich der Babilonie abtrennt, ist zweifellos in jüngerer Zeit entstanden (BÉRENGER 1997a), schließt aber einen eisenzeitlichen Vorgänger nicht aus. Am Christenberg bezog die frän116 Abb. 9 Altenburg bei Niedenstein (Hessen). Gesamtplan mit Grabungsschnitten 1990–95 (rot = Fundkonzentration). Abb. 10 Ringwallplan des Dünsbergs (rot = mittellatènezeitliche [?] Befestigung mit Quellannex; Fundkonzentration vor Tor 4). (Grundlage nach GENSEN 1999, 89 Abb. 5) (nach SÖDER 2004, 16 Abb. 2) kische Befestigung gezielt den gut erhaltenen keltischen Wallkörper in das neue Bauwerk ein (Abb. 13). Auch der östlich vorgelagerte Abschnittswall besaß einen latènezeitlichen Vorgänger. Lediglich das gestaffelte Grabensystem ist im Mittelalter neu entstanden. Ein lebenswichtiges Anliegen der Festungskonstrukteure war die Wasserversorgung. Das Prinzip eines Wallannex’, der eine hangabwärts gelegene Quelle einschließt, ist schon vom frühlatènezeitlichen Altkönig im Taunus bekannt. Dünsberg, Almerskopf (Abb. 14) und Altenburg bei Römersberg griffen diese Lösung wieder auf. Beim Piepenkopf (Abb. 15), der Hünenburg bei Bielefeld (Abb. 16) und der Babilonie nahm der Hauptwall eine längere Gefällestrecke in Kauf, um einen Quellhorizont zu erreichen. Nach der geschützten Fläche lassen sich Kleinburgen mit bis zu 3 ha Innenfläche, eine Mittelgruppe (bis ca. 10 ha) und Anlagen von mehr als 10 ha unterscheiden. Die großen Befestigungen besetzten meist landschaftsbeherrschende Positionen am Rand wichtiger Siedlungs- und Durchgangsräume: der Dünsberg beherrschte das Gießener Becken, die Altenburg bei Römersberg das Schwalm117 Abb. 12 Ringwallplan der Babilonie (Westfalen) (rot = eisenzeitliche Befestigung, blau = jüngste Mörtelmauer). (Grundlage nach BÉRENGER 1997a, 3 Abb. 2) Abb. 11 Pipinsburg bei Osterode/Harz (Niedersachsen). Übersichtsplan mit den eisenzeitlichen bzw. mittelalterlichen Befestigungen und Grabungsflächen. (nach HEINE 1999, 115 Abb. 3) 118 tal, die Grotenburg kontrollierte die Westfälische Bucht, die Amelungsburg das Wesertal, die Babilonie das Vorland des Wiehengebirges und die Pipinsburg den Harzrand. „Sehen und gesehen werden“ könnte man das Thema dieser Plätze überschreiben. Ähnliche strategisch-günstige Positionen finden wir auch bei den kleineren Burgen: die Barenburg am Rand des Calenberger Landes, der Tönsberg am Hellweg/Münsterländische Bucht sowie die Hünenburg, die den Bielefelder Pass und das Ravensberger Hügelland kontrollierte. Insgesamt sind aber vor allem die Kleinburgen deutlich weniger prominent aufgestellt. Der flache Sporn der Schnippenburg ist im Relief des westlichen Wiehengebirges kaum der Rede wert. Auch die Burgen von Aue, Holzhausen-Oberwald, der Brülerberg, Hom- Abb. 13 Christenberg. Plan mit Grabungsflächen und wichtigen Befunden. Im Süden frühmittelalterliches Kammertor, östlich davon frühkeltisches Tor; im Osten hinter der Mauer freigelegte Abschnitte der frühlatènezeitlichen Holzkastenmauer, dahinter Gruben und Pfostenspuren. (nach GENSEN 1975, Beilage) 1 Abb. 14 Almerskopf bei Weilburg (Hessen). Mittellatènezeitliche Ringwallanlage; im Innern „Steinpodien“; der ehemalige Quellannex an der Ostseite ist durch den Steinbruchbetrieb zerstört. (nach HERRMANN/SCHUBERT 1999, Innenplan) 119 Abb. 15 Piepenkopf bei Hillentrup (Westfalen). Abb. 16 Hünenburg bei Bielefeld (Westfalen). (nach GÜNTHER 1984, 4 Abb. 4) (nach HOHENSCHWERT 1985, 66 Abb. 27) mertshausen und Gellinghausen gehen stärker in der Landschaft auf. Die Lage spricht für ein lokales Bezugsfeld. Signifikant ist der überregionale Anspruch bei den Großbefestigungen der Spätlatènezeit (Heidetränke, Dünsberg, Altenburg bei Niedenstein). Die kilometerlangen Wälle markieren einen neuen Maßstab in der eisenzeitlichen Ringwalltradition. Der unvollendete Außenwall der Altenburg bei Niedenstein zeigt, dass diesem Modell kein dauerhafter Erfolg beschieden war (Abb. 9). Einen Sonderfall bilden die Bruchhauser Steine im Hochsauerland. Die vier bis zu 80 m (!) hoch aufragenden Felsen verleihen dem Berggipfel eine unverwechselbare Signifikanz (Abb. 17). Die Felseinfassungen und der doppelte Abschnittswall nehmen eindeutig auf das Naturschauspiel Bezug (Abb. 18). Die extreme Höhenlage auf dem 720 m hohen Isenberg und die auffällige Topographie erinnern an antike Naturheiligtümer. Ein Beispiel aus der keltischen Welt ist das Felstor von Egesheim, Kr. Tuttlingen, zu dessen Füßen über mehrere Jahrhunderte Schmuckstücke deponiert wurden (Abb. 19). Die mehrphasige Nut120 zung der Bruchhauser Steine könnte ein Fingerzeig in dieser Richtung sein. Im Siedlungswesen ist eine Kontinuität (?) von der Hallstatt- bis in die mittlere Latènezeit ungewöhnlich. Konkrete Befunde, die die Annahme eines Heiligtums oder Versammlungsplatzes stützen würden (WINKELMANN 1983), fehlen jedoch. Abb. 17 Blick auf die Felskulisse der Bruchhauser Steine bei Olsberg (Hochsauerland). (nach BÉRENGER 1997b, 71 Abb. 13) Abb. 18 Bruchhauser Steine. Felsköpfe mit doppelter Abschnittsbefestigung und Felseinfassungen. (nach BÉRENGER 1997b, 73 Abb. 14) Die Befestigungen Wo die Ringwallforschung den Spaten ansetzte, versuchte man zunächst Art und Alter der Befestigungen zu klären. Viele Wallschnitte wurden in jüngerer Zeit nachuntersucht. Die ernüchternde Erfahrung ist, dass nur unter idealen Überlieferungs- und Grabungsbedingungen eine komplette Rekonstruktion möglich ist. Am Christenberg wurden längere Abschnitte des keltischen Walls unter der mittelalterlichen Befestigung aufgedeckt. Die verkohlten Hölzer zeigten ein Holzkastenwerk aus quer und längs verlegten Eichenstämmen (Abb. 20 und 21). Auf der Vorder- und Rückseite waren die 3 m breiten Kästen mit einer Trockenmauer verblendet. Die verfüllten Holzkästen gaben der „Mauer“ den nötigen Halt. Die Steinverblendung schützte die Front und verlieh der Befestigung das repräsentative Aussehen einer Steinmauer. Caesar würdigte im Gallischen Krieg 52 v. Chr. die Zweckmäßigkeit und Schönheit der Mauern von Avaricum (Bourges). Die 121 Abb. 19 Fibeln aus den Deponierungen vom Heidentor bei Egesheim, Kr. Tuttlingen (Baden-Württemberg). Ohne Maßstab. (Württembergisches Landesmuseum Stuttgart; Foto: Peter Frankenstein / Hendrik Zwitasch) Merkmale des so genannten „murus gallicus“ (Holzkastentechnik, Steinverblendung mit vorstehenden Balkenköpfen, vorgelagerter Graben) finden sich schon bei der am Ende des fünften Jahrhunderts vor Christus errichteten Mauer auf dem Christenberg (Schlagdatum der Hölzer 420 v. Chr.). Als Holzkastenwerk mit Trockenmauerfront wird auch die mittellatènezeitliche Mauer in Gellinghausen beschrieben (BEST 2003, 35). Ein ähnlicher Befund könnte auf der Grotenburg vorliegen („kräftige Spuren quer und längs eingelagerter Hölzer“: HOHENSCHWERT 1978, 115). 122 Abb. 21 Christenberg. Verkohlte Balkenlagen und Steinversturz der frühlatènezeitlichen Holzkastenmauer mit Trockenmauerfront (420 v. Chr.). (nach RAETZEL-FABIAN 2004, 131 Abb. 173) 1 Abb. 20 Christenberg. Stein- und Balkenlagen der frühlatènezeitlichen Befestigung; davor die frühmittelalterliche Mauerfront, dahinter drei Gruben. (nach GENSEN 1999, 86 Abb. 4) Weitaus häufiger sind Wälle, bei denen senkrechte Pfosten dem Wall bzw. der Wallfront die nötige Stabilität verleihen. Die Grabungsbefunde deuten bei der Ausführung der Vorderfront (Pfostenwand, Pfosten-Bohlen-Wand, Steinverblendung), des Wallkerns (Holzbohlen-Mauer, Erde, Steinfüllung, hölzerne Queranker) und der Rückseite (Rückfront, Erdrampe) auf ein breites Spektrum von Varianten hin (Abb. 22). In der Regel sind nur einzelne Elemente belegbar. Steinversturz weist zum Beispiel auf eine Blendmauer hin, in Kombination mit einzelnen Frontpfosten auf eine so genannte Pfostenschlitzmauer. Eine klassische Pfostenschlitzmauer wurde auf der Pipinsburg dokumentiert (Abb. 23). Weitere Beispiele für die Verwendung dieser Konstruktion in der Mittellatènezeit sind die Hünenburg (Abb. 24), der Piepenkopf, vielleicht auch die Schnip123 Abb. 22 Schematische Übersicht eisenzeitlicher Wallkonstruktionen in Ostwestfalen. Ia Babilonie, Nordteil Grotenburg, Vorwall Piepenkopf; Ib Tönsberg Südwall Phase 1; IIa Grotenburg Südostwall; IIb Hünenburg Phase 1; IIc Hünenburg Phase 2; IId Tönsberg; III Tönsberg Südwall Phase 2. (nach BÉRENGER 1984, 52 Abb. 4) Abb. 24 Hünenburg Wallphase 1. Mittellatènezeitliche Pfostenschlitzmauer mit breiter Bohlenwand und Querankern (14C-Datum 280 ± 40 v. Chr.). (nach BÉRENGER 1997b, 66 Abb. 9) 124 Abb. 23 Pipinsburg. Pfostenschlitzmauer der Mittellatènezeit mit den gut erkennbaren Pfostenstandspuren. (nach HEINE 1999, 116 Abb. 5) penburg. Zu betonen ist, dass die Holz-Erde-Mauern eine alteuropäische Tradition widerspiegeln. Das Repertoire findet sich bereits im Burgenbau der Bronzezeit. Auch die Pfostenschlitzmauern sind Teil einer langen Traditionslinie, die von der Bronzezeit bis zu den spätkeltischen Oppida (Kelheim, Manching) reicht. Baustrukturen, Häuser, Infrastruktur Die Innenbebauung gibt den Archäologen nach wie vor die größten Rätsel auf. Selbst wo umfassendere Grabungen stattgefunden haben, sind die Ergebnisse mehr als dürftig. Das Problem betrifft sämtliche eisenzeitlichen Burgen im Mittelgebirgsraum. Die wenigen verwertbaren Hausbefunde (?) sind schnell rekapituliert. Hinter dem Wall der „Burg“ bei Aue wurden 1932 „Hausspuren in Gestalt von zerfallenen Trockenmauern …, von vereinzelten Pfostenlöchern und einer gut erhaltenen Herdstelle“ festgestellt (BÖTTGER 1932). Es handelt sich um kleine quadratische Grundrisse von ca. 6 m Kantenlänge mit einem umlaufenden Mauersockel (Abb. 25), der als Unterlage für einen Schwellbalkenbau inter- Abb. 25 Burg Aue (Siegerland). Standspuren der Häuser I und II mit Trockenmauersockel (?), Pflasterung und Herdstellen unmittelbar hinter dem Wall (Grabung 1932). (nach BÉRENGER 1997b, 69 Abb. 12) Abb. 26 Amöneburger Becken mit dem Basaltplateau der Amöneburg bei Marburg (Hessen); rechts im Bild der Südhang. (nach MAIER 1996/97, 15 Abb. 5) 125 Abb. 27 Amöneburg. Grabungsflächen mit Hausstellen am Südhang. (nach WEIßHAAR 1986, 28 Abb. 1) Abb. 28 Amöneburg. Verbrannte Pfostenund Balkenspuren von Haus 1. (nach WEIßHAAR 1984) pretiert wird (HÖMBERG/LAUMANN 1986). Von rechteckigen Hausgrundrissen, Trockenmauerfundamenten und Steinpflaster ist auch in den alten Grabungsberichten vom Almerskopf an der mittleren Lahn die Rede sowie bei der benachbarten späthallstatt-/frühlatènezeitlichen Höhensiedlung auf dem Roten Kopf (SCHOPPA 1954). Die Befunde sind leider schwer überprüfbar und im Fall des Almerskopfes angezweifelt worden („Lesesteinhaufen“). Außerordentlich bedeutsam sind deshalb die 20 Hausbefunde vom Südhang der Amöneburg (Abb. 26; WEIßHAAR 1986). Verbrannte Pfosten und Schwellbalken belegen eine zeilenartige Bebauung mit kleinen Rechteckbauten (ca. 3–4 m breit, 4,5 m lang) auf künstlichen Plattformen (Abb. 27–28). Die terrassenartig in den Hang gesetzten Hausstellen („Podien“) sind eine regionaltypische Erscheinung des hessischen und südwestfälischen Berglands. Sie unterstreichen, dass sogar steile Hänge intensiv genutzt wurden. Keramik, Hüttenlehm und Pfostenspuren sind typische Begleiterscheinungen. Der Nachweis von Gebäudegrundrissen ist aber nur auf der Amöneburg gelungen. 126 Abb. 29 Altenburg bei Niedenstein. Plateau mit Grabungsschnitten und Wasserbecken (B.I–XI) (rot = Fundkonzentration 1990 unterhalb des Goldpfades und Becken I). Abb. 30 Altenburg bei Niedenstein. Grüne Platte, Plan der Grabung Hofmeister mit Pfostenlöchern, Gruben, Herdstellen (Ausschnitt). (nach HOFMEISTER 1930, Beilage II) (nach SÖDER 1994/95, 37 Abb. 1) Das Fehlen aussagekräftiger Baubefunde ist deshalb in erster Linie ein Forschungsproblem, kein Nachweis fehlender Besiedlung. Die häufig beobachteten Kulturschichten, Pfosten und Gruben sprechen eine deutliche Sprache. Wegen der zahlreichen Pfostenspuren nahm Gensen im gesamten Innenraum des Christenbergs eine dichte Bebauung mit Holzbauten an, zwischen denen Vorrats- und Abfallgruben lagen (GENSEN 1989; vgl. Abb. 13). Das engmaschige Raster von über 400 Pfosten, 70 Herdstellen und 30 Gruben auf dem Plateau der Altenburg bei Niedenstein („Grüne Platte“; Abb. 29–30) ist das Ergebnis einer mehrphasigen Siedlungstätigkeit. Auch den Untersuchungen der 1990er-Jahre ist es nicht gelungen, einzelne Gebäude oder Zeitphasen zu unterscheiden. Flache felsige Böden, mehrphasige Nutzung, Erosion, Zerstörung durch Landwirtschaft, Waldnutzung und Raubgräber sind die natürlichen Feinde der Ringwallforschung. Pfostengrundrisse zeichnen sich nur in den massiven Toranlagen vom Christenberg, Gellinghausen (Abb. 31), Obernau und Aue (Abb. 32) deutlich ab. Am Christenberg wird ein mehrfach umgebautes Tor mit einziehenden Mauerenden beschrieben, das eine Gasse von ca. 6 m Tiefe und 3 m Breite bildete (GENSEN 1989 und 1999). Aus den verstürzten Holzbalken schloss Gensen auf einen massiven Oberbau. Ein Kastenbau mit ähnlichen Maßen (5 m Tiefe, 2,5 m Breite) 127 Abb. 31 Gellinghausen, Grabung 1999–2001. Pfosten und Balkenspuren des eisenzeitlichen Tores in der Hauptburg (14C-Datum 224 ± 103 v. Chr.). (nach BEST 2003, 36 Abb. 4) Abb. 32 Burg Aue. Torhaus mit sechs Pfosten seitlich versetzt vor dem Wall. (nach HÖMBERG/LAUMANN 1986, 5 Abb. 3) 128 auf drei doppelt gesetzten Pfostenreihen soll in Obernau freigelegt worden sein (BÉRENGER 1997b, 68). In Gellinghausen waren die Torpfosten bis 1,7 m in den Fels eingetieft. Die solide Verankerung spricht ebenfalls für ein zweistöckiges Torhaus. Die normalen Wohn- und Speicherbauten müssen wir uns als einfache Standardkonstruktionen vorstellen: einstöckig, mit lehmverputzten Flechtwerkwänden und mit Holzschindeln oder Stroh gedeckt. Ein Glücksfall ist die komplett erforschte Altburg von Bundenbach im Hunsrück (HAFFNER 1984). Der Plan der um 350 v. Chr. gegründeten Anlage zeigt eine kleinteilige Bebauung mit Hausund Speicherbauten; Zaun- bzw. Palisadengräben, ein kleiner freier Platz und eine abgegrenzte Oberburg ergänzen das Bild (Abb. 33–34). Das Modell der Altburg (Abb. 35) kann auf die eisenzeitlichen Burgen rechts des Rheins übertragen werden. Handwerkliche Tätigkeiten sind vor allem auf den intensiv untersuchten hessischen Burgen belegbar. Einmalig ist der umfangreiche Werkzeugbestand aus Rittershausen (Abb. 36). Besonders wertvoll sind die Hinweise zur Metallverarbeitung. Hinter dem Wall konnte der Standort einer Schmiede nachgewiesen werden. In einer Grube, die mit schwarzer Erde und „Eisenspänen“ durchsetzt war, fanden sich zwei Hämmer, zwei Eisenstäbe zum Rundhämmern von Eisenringen (Abb. 37,3–6) und ein Eisenbarren (?). Die reichen Funde und Befunde weisen auf eine dauerhafte Besiedlung der Burg bei Rittershausen in der Späthallstatt- und Frühlatènezeit hin; Siedlungsintensität und professionelle Handwerkstätigkeit sprechen für einen zentralen Ort im Lahn-Dill-Bergland (VERSE 1995). Eiserne Werkzeuge gehören auch zum Fundstoff der Grabungen am mittellatènezeitlichen Almerskopf. Die angebliche Schmiede (eine 1923/25 untersuchte Brandfläche mit zahlreichen Eisengeräten vor dem verstürzten Wall) ist leider nicht gesichert. Erwähnenswert ist ein Barrenfragment, das Behaghel in seiner Fundübersicht abbildet (BEHAGHEL 1943, Taf. 30,12). Schmiedewerkzeuge vom Christenberg (Schmiedehammer), von der Altenburg bei Niedenstein Abb. 33 Altburg bei Bundenbach (Hunsrück). Gesamtplan der früh- bis spätlatènezeitlichen Höhensiedlung (ca. 300–50 v. Chr.). (nach HAFFNER 1984, 57 Abb. 5) (Zange, Feile?) und vom Dünsberg (Zangen) sind zeitlich nicht genau einzugrenzen. Sie machen jedoch deutlich, dass in der gesamten Latènezeit ein differenzierter Werkzeugbestand zur Verfügung stand. Es ist offensichtlich, dass Bau und Erhaltung der Wälle, die Beschaffung von Bau- und Brennholz, die Kultivierung von Feldern und Gärten, die Herstellung von Schmuck und Waffen ohne eine entsprechende technische Ausstattung nicht möglich gewesen wären. Abb. 34 Altburg bei Bundenbach. Rekonstruktion der wichtigsten Gebäudetypen (Wohn- und Speicherbauten). (nach HAFFNER 1984, 65 Abb. 13) 129 Abb. 35 Altburg bei Bundenbach. Modell der befestigten Höhensiedlung mit Hauptwall und Oberburg. (nach HAFFNER 1984, Nachsatz) 130 Eine Besonderheit des Dünsbergs und der Altenburg bei Niedenstein sind die brunnenartigen Holzkästen oder Bassins. Es handelt sich um trapezförmige Gruben mit Eckpfosten und bretterverschalten Wänden. Die größte Anlage wurde 1907 im Schulborn am Dünsberg freigelegt (Abb. 38). Die mehrphasige Konstruktion ist als Quellfassung anzusprechen. Sie stellte die lebenswichtige Versorgung des Dünsbergs mit sauberem Wasser sicher. Nach den neuen Dendrodaten existierte bereits in der Mittellatènezeit ein Holzeinbau (200/165 v. Chr.). Insgesamt elf Holzbecken wurden auf dem Plateau der Altenburg bei Niedenstein freigelegt (Abb. 39). Becken I hat ebenfalls ein mittellatènezeitliches Dendrodatum erbracht (193 v. Chr.). Die übrigen sind undatiert. Hofmeister hat die Mehrzahl der Bassins als Anlagen zur Wasserversorgung interpretiert (HOF2 MEISTER 1930, 36 ff.). Die Größe (ca. 10–20 m ) und Pfostenstellungen, die für einen Oberbau sprechen („Überdachung“), würden auch zu Kellern passen. Denkbar sind außerdem technische Funktionen, wie sie Hofmeister für das große Becken I mit zwei getrennten Kammern (Tonaufbereitung) in Betracht Abb. 37 Burg bei Rittershausen. Schmiedewerkzeuge aus Eisen (Zangen halb so groß wie die übrigen Funde); Nr. 3–6 Funde aus der mutmaßlichen Schmiedegrube. Ohne Maßstab. (nach VERSE 1995, 105 Abb. 4) Abb. 38 Dünsberg. Grundriss des Bassins im Schulborn mit den mehrphasigen Einbauten (nach Grabungstagebüchern). (nach SCHULZE-FORSTER 2002, 14 Abb. 14) 1 Abb. 36 Burg bei Rittershausen. Eiserne Waffen, Werkzeug und Gerät aus den Grabungen 1911–15. Ohne Maßstab. (nach KUTSCH 1926, Taf. VII–VIII) 131 Abb. 40 Altenburg bei Niedenstein. Becken III mit zwei Kammern, Grabung Hofmeister. (nach HOFMEISTER 1930, Taf. 15) Abb. 39 Altenburg bei Niedenstein. Grundrisse der Becken I–IV. (nach HOFMEISTER 1930, 37 Abb. 21) gezogen hatte (Abb. 40). Wichtig ist, dass die Anlagen eine entwickelte „öffentliche“ Infrastruktur anzeigen. Ähnliche Einrichtungen dürfen auch auf anderen latènezeitlichen Burgen des Mittelgebirgsraums vorausgesetzt werden. Deponierungssitten Die keltische Welt des dritten Jahrhunderts vor Christus ist durch große Waffendeponierungen geprägt. Schlüsselfunde sind die im Neuenburger See versenkten Waffen aus La Tène (Westschweiz) (Abb. 41) und das Heiligtum von Gournaysur-Aronde in Nordfrankreich. Im Mittelgebirgsraum zeichnen sich ähnliche Erscheinungen ab. Der wichtigste Komplex stammt vom Südtor (Tor 4) des Dünsbergs (Abb. 10). Berichte über Waffenfunde bei Baumfällarbeiten sind bereits im späten 19. Jahrhundert überliefert. Die jüngsten Grabungen haben die wesentlichen Merkmale herausgefiltert (SCHULZE-FORSTER 2001). Kennzeichnend sind Waffen und Pferdegeschirr, die in Konzentrationen bzw. als komplette Ensembles zusammen mit Resten von Pferden im Boden liegen. Prunkvolle 132 Abb. 42 Dünsberg, Tor 4. Pferdetrense vom Typ Hofheim mit bronzenen Seitenteilen und tordierter Gebissstange aus Eisen (1. Jh. v. Chr.). Ohne Maßstab. (Foto: J. Bahlo, Römisch-Germanische Kommission) Abb. 43 Dünsberg, Tor 4. Schwertteile und Geschosse aus den Grabungen 1999–2001. Eisen. M. 1:6. Abb. 41 La Tène, Kt. Neuenburg (Schweiz). Waffen aus dem Massenfund im Neuenburger See (ca. 3. Jh. v. Chr.). (Sammlung Museum Schwab; Foto: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Schweiz) (nach SCHULZE-FORSTER 2001, 139 Abb. 6) 133 Abb. 44 Fundspektrum aus gallischen Heiligtümern. Ohne Maßstab. (nach HAFFNER 1995, 27 Abb. 26) Abb. 45 Funde mit Deponierungscharakter auf befestigten Höhensiedlungen im Mittelgebirgsraum (Lt B2-D; blau = vornehmlich Waffen, rot = Schmuckdeponierungen). (zur Nummerierung vgl. Tab. 1) Bronzegeschirre (Abb. 42), Wagenteile oder Fragmente eines Kettenpanzers heben sich vom üblichen Alltagsgut deutlich ab. Zerhackte Schwerter und umgebogene Schwertscheiden (Abb. 43) bezeugen absichtliche Zerstörung. Umfang und Auswahl der Funde, das Vorkommen großformatiger Objekte und ganzer Ensembles sowie intentionelle Beschädigungen lassen keinen Zweifel zu, dass es sich um absichtliche Niederlegungen handelt. Wesentliche Merkmale des Fundstoffs finden sich in keltischen Opferplätzen und Weihefunden wieder. Das Fundspektrum entspricht frappierend dem Inventar aus gallischen Heiligtümern (Abb. 44). Gegenstücke zum Pferdegeschirr finden sich in La Tène. Eine gedellte Schwertkette zeigt, dass die Waffenfunde vom Südhang des Dünsbergs bis in die frühe Mittellatènezeit zurückgehen. Der Dünsberg steht im Mittelgebirgsraum nicht allein (Abb. 45). Vergleichbare Fundkonzentrationen wurden auf der Altenburg bei Römersberg (Abb. 46) und der Altenburg bei Niedenstein in Nordhessen entdeckt (SÖDER 2004). Die drei 134         % &!       '  ()& !     ' ) !   * & +! , -'.  ) !    *)            ! !"$"             ! !"#"        '  Komplexe zeigen bemerkenswerte Analogien (Tab. 2): Waffen und Trensen spielen die Hauptrolle; Schwerter sind zusammengebogen bzw. zerbrochen, Lanzen teilweise verbogen. In kleineren Anteilen sind Wagenteile, Werkzeuge, Trachtbestandteile und Keramik vertreten. Der Fundstoff beginnt jeweils in der frühen Mittellatènezeit. Die Funde streuen ohne erkennbare Befunde über ein größeres Areal. Hinter den übereinstimmenden Befunden zeichnet sich ein einheitliches Brauchtum ab. Die Niederlegungen beginnen jeweils im dritten Jahrhundert vor Christus (Dornlanzenschuhe, Spitzen mit breitem Blatt, Schwertkette). Die weitere Entwicklung nimmt einen individuellen Verlauf. Der kleine Komplex von der Altenburg bei Römersberg geht nicht über das dritte vorchristliche Jahrhundert (Lt C1) hinaus. Im Massenfund von der Altenburg bei Niedenstein ist die frühe Mittellatènezeit deutlich ausgeprägt, aber auch jüngeres Material vertreten. Am Dünsberg gehört die Mehrzahl der Funde in das erste Jahrhundert vor Christus. Jüngste Lanzen und Schwerter datieren in die Stufe Lt D2 (zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts vor Christus). Die Deponierungsintensität entspricht dem Siedlungsverlauf der drei Plätze. Die Ausbildung einer längeren Kultkontinuität unterstreicht die Bedeutung der Niederlegungen auf der Altenburg und am Dünsberg. Der Umfang der deponierten Gegenstände ist beträchtlich. Am Tor 4 ist eine Größenordnung von 1000 (großformatigen) Waffen plausibel, wenn man von den über 100 gesicherten Stücken ausgeht, dazu die bisherigen Verluste und das noch verbliebene Material hochrechnet. Absolut einmalig in der keltischen Welt ist die Ansammlung prunkvoller Pferdegeschirre (Abb. 47). Trotz der offenen Fragen zur Struktur des Platzes (Baulichkeiten?, Gruben?, oberirdische Ausstellung von Trophäen?) kann man von einem bedeutenden Heiligtum ausgehen. Hinweise auf ein WallGraben-System, das als Abgrenzung des Deponierungs-Bezirks in Frage kommt, Tab. 2 Funde mit Deponierungscharakter von befestigten Höhensiedlungen und aus der Lahn bei Heuchelheim: Fundgattungen und Chronologie. Abb. 46 Altenburg bei Römersberg. Zerbrochene Schwerter, verbogene Lanzenspitzen, Lanzenschuh und Ringtrensen aus der Fundkonzentration hinter dem Südwall. (nach RAETZEL-FABIAN 2001, 150 Abb. 198) 135 Abb. 47 Dünsberg. Prunkgeschirre vom Tor 4. Trensen vom Typ Hofheim (1–4), emailverzierte Schmuckscheibe und Anhänger mit Durchbruchsmustern. Bronze mit Eisen. M. 1:6. 136 Abb. 48 Plan des Heiligtums von La Villeneuve-au-Châtelot mit zerstreuten Opferfunden. (nach HAFFNER 1995, 29 Abb. 16) sind an anderer Stelle diskutiert worden (SCHULZE-FORSTER 2001). Der unklare Kontext der Funde spricht keineswegs gegen eine Deutung als Kultplatz oder Heiligtum. Im Gegenteil: Die Fundverteilung im Heiligtum von La Villeneuveau-Châtelot (Aube) zeigt, dass die Masse der Opfergaben, bewusst oder durch spätere (Zer-)Störung, sekundär verlagert ist (Abb. 48). In Nordhessen kommt der Altenburg bei Niedenstein eine ähnliche zentrale Stellung zu. Ein Glücksfall ist die Überlieferung des Chronisten Lauze über einen Waffenfund im 16. Jahrhundert (!). Vor dem Hintergrund der neuen Funde erhält der Bericht über zehn Zentner eiserner Waffen, Pferdegeschirr und sieben Regenbogenschüsselchen („Goldgulden)“ eine neue Lesart. Funde und Fundumstände („knietief in der erden gelegen und mit großen Eichenbäumen überwachsen“) passen mit dem neuen Material vom Südhang gut zusammen. Es ist deshalb mehr als nur Spekulation, dass es sich um Reste des über 500 Jahre alten Fundkomplexes handelt, der mit Sicherheit nicht komplett geborgen wurde. Schon Hofmeister hat den Fundort im Bereich des „Goldpfads“ am Südhang vermutet Abb. 49 Altenburg bei Niedenstein, Südhang. Komplett erhaltene Pferdetrense mit eiserner Gebissstange. Ohne Maßstab. (Foto: mhk Museumslandschaft Hessen Kassel, Hessisches Landesmuseum) (HOFMEISTER 1930, 75). Als Funde mit Deponierungscharakter sind auch die komplette Hofheim-Trense (Abb. 49) und die Altfunde aus Becken I anzusprechen. Die prächtige durchbrochene Schmuckscheibe, die beiden Verteiler, die drei halbmondförmigen Anhänger, die Bronzeringlein sollen zusammen mit Pferdezähnen auf der Sohle des Beckens I gelegen haben. Die Zusammensetzung erinnert frappierend an den Dünsberg. Deponierungen scheinen demnach am Südhang, vielleicht auch auf dem Plateau der Altenburg eine besondere Rolle zu spielen. Auf der benachbarten Altenburg bei Römersberg blieb das Thema nur eine kurze Episode. Die Liste der Ringwallfunde mit Deponierungscharakter ist wesentlich länger (Tab. 2). Der spätlatènezeitliche Waffenfund aus dem Wall vom Wilzenberg im Sauerland ist wiederholt als Opferfund diskutiert worden (Abb. 50). In der Rhön ist das Mittellatène-Schwert mit Schwertscheide vom Habelberg zu nennen. Neuere Hinweise bieten Waffenfragmente vom Eisenberg bei Battenberg (SCHULZE-FORSTER 2004) sowie ein mittellatènezeitlicher Fundkomplex, den Sondengänger in der kleinen Wallanlage von Holzhausen-Oberwald bei Wetzlar zusammengetragen haben. Vor dem Hintergrund der Deponierungen am Dünsberg fallen einzelne beschädigte Waffen, seltene Wagenteile sowie mehrere frühe Goldmünzen besonders ins Auge. In einen ganz anderen Funktionszusammenhang (Handwerk/Schmuck) führen ein Gefäß, ein Tüllenbeil, zwei Tüllenhacken, zwei Spinnwirtel und ein Bronzetutulus aus Rittershausen, die gemeinsam in einem Baumwurf gefunden worden sein sollen (VERSE 1995, 101). Auf ein Abb. 50 Wilzenberg (Hochsauerland). Spätlatènezeitliche Schwerter und Lanzenspitzen mit Spuren absichtlicher Zerstörung, bei Bauarbeiten im/ unter dem Wallfuß gefunden. (nach HÖMBERG 1986, 9 Abb. 6) 137 frühlatènezeitliches Schmuckdepot könnte nach Verse der Zusammenfund eines Halsringes und zweier Armringe hindeuten. In keinem Fall ist der Fundzusammenhang gesichert. Die Funde wurden bei Bauarbeiten entdeckt, stammen aus alten Grabungen oder der Schattenwelt der Sondengänger. Vielfach muss man mühsam zwischen den Zeilen lesen, um etwas über die Fundzusammenhänge zu erfahren. Sind die zahlreichen Bronze- und Eisenfunde aus der Zerstörungsschicht des Tores am Christenberg tatsächlich aus einem Lagerraum im Obergeschoss herabgestürzt (GENSEN 1989)? Wie ist der genaue Kontext der fünf angeblich beim Angriff auf das Tor in Gellinghausen verloren gegangenen Lanzenspitzen (BEST 2003)? Ein Durchbruch ist den Forschungen auf der Schnippenburg zu verdanken. Menge, Verteilung und Lage/Kontext der Metallfunde sind dort zum ersten Mal verlässlich dokumentiert. Herausragend ist der Nachweis, dass die zahlreichen Schmuckbronzen überwiegend aus kleinen Deponierungen stammen (MÖLLERS 2002; siehe MÖLLERS in diesem Band). Es handelt sich meist um mehrteilige Schmuckensembles mit Armringen, Glasperlen, Broschen oder Ohrring. Viele Stücke tragen Gebrauchspuren, das heißt sie sind benutzt worden, bevor sie in kleinen Gruben niedergelegt wurden. Auch großformatige Eisenfunde sind vorhanden (Tüllenbeile, Lanzenspitzen, Lanzenschuhe, Sense u.a.m.). Hinweise auf Deponierungen oder Fundmassierungen wie auf der gleichzeitigen Altenburg bei Römersberg scheinen jedoch zu fehlen. Die Deponierungssitte auf der Schnippenburg hat daher einen völlig anderen Anstrich. Sie ist eher individuell-persönlich bestimmt. Eine profane Deutung (versteckter persönlicher Besitz?) fällt schwer. Die Opfergabe von Schmuckstücken ist dagegen in der antiken Welt weit verbreitet. Im keltischen Bereich sind die Funde aus der Riesenquelle von Dux in Nordböhmen (Abb. 51), aus Egesheim bei Tuttlingen (Abb. 19) oder aus gallischen Heiligtümern zu nennen. Die Kleindeponierungen der Schnippenburg erweitern den Blick um eine neue Variante. Abb. 51 Fibeln aus dem früh- bis mittellatènezeitlichen Opferfund von Dux in Nordböhmen (4.–3. Jh. v. Chr.). (Landesamt für Archäologie Sachsen mit Landesmuseum für Vorgeschichte, Dresden; Foto: S. Krabath) 138 Die mittellatènezeitlichen Befestigungen des Mittelgebirgsraums – historischer Rückblick Die mittellatènezeitlichen Burgen definieren im Mittelgebirgsraum ein zeitgebundenes historisches Phänomen. Die Gründungswelle am Übergang zur Mittellatènezeit setzt eine Zeitmarke, die in Hessen und im Siegerland mit einem allgemeinen Aufschwung einhergeht. Zahlreiche jüngerlatènezeitliche Siedlungen und Gräberfelder setzen mit Funden des fortgeschrittenen dritten Jahrhunderts vor Christi Geburt ein (Lt C1). In Bad Nauheim beginnt die „industrielle“ Salzproduktion, in deren Gefolge sich der Ort schnell zum zentralen Wirtschaftsstandort in der Wetterau entwickelt. Im Siegerland belegen zahlreiche Verhüttungsplätze eine verstärkte Ausbeutung des Eisens. Schon Behaghel hatte die Ringwälle mit der Eisenindustrie zusammengebracht. Vor dem Hintergrund des globalen Aufschwungs ist die Bedeutung des holz- und erzreichen Berglands offensichtlich. Eine besondere Rolle dürfte dem Dünsberg zugekommen sein. Die Inbesitznahme des Berges muss überregionale Signalwirkung gehabt haben. Der Ringwall war eine der größten Befestigungen seiner Zeit. Er kontrollierte die zentrale Verkehrsader vom keltischen Rhein-Main-Gebiet in das südwestfälische Schiefergebirge und die nordhessisch-südniedersächsischen Mittelgebirge. Der Dünsberg besaß schon in der Frühphase alle Voraussetzungen für eine zentralörtliche Funktion. Die Neuformierung im Lahngebiet hat sicher auf die Nachbarregionen ausgestrahlt. Das südliche Westfalen/Siegerland war schon wegen der Eisenvorkommen einbezogen. Schwieriger sind die Bezüge zu den Burgen ganz am Nordrand der Mittelgebirge zu beurteilen. Die Gegenüberstellung mit der Schnippenburg macht maßgebliche Unterschiede in Form eigener Trachtkreise deutlich. Die eigentümlichen „Hängebroschen“ vom Typ Babilonie oder die Blechohrringe repräsentieren eine völlig eigenständige Schmucktradition. Doppeldeutig ist die Rolle von Knotenringen und Vasenfußfibeln. Sie gehen auf die weit verbreiteten Vorbilder aus dem keltischen Süden zurück, sind aber vermutlich ebenfalls lokal gefertigt. Als keltischer Import sind nur die gedellten Schwertketten der Schnippenburg anzusehen. Es handelt sich um hochwertige keltische Schmiedearbeiten, die sicher als komplettes Wehrgehänge mit dem zugehörigen Schwert in den Osnabrücker Raum gelangt sind. Die keltischen Waffen waren im vierten/dritten Jahrhundert vor Christus weithin gefürchtet und begehrt. Peschel hatte an der Verbreitung bestimmter Gürtelketten frühe Wanderungsbewegungen bis in den Mittelgebirgsraum ablesen wollen (PESCHEL 1992). Über die Mobilität der keltischen Krieger am Ausgang des großen keltischen Migrations-Zeitalters besteht kein Zweifel. Man kann den Spieß aber auch umdrehen. Es ist wahrscheinlich, dass hinter den prestigeträchtigen Importen die einheimische Führungsschicht steht. Sie verfügte über ein weitreichendes Netz von Kontakten bis zum Mittelrhein und nach Süddeutschland. In den Waffenfunden oder den keltischen Wagenteilen aus einer Brandgrube von Osnabrück-Hörne (plastisch verzierter Achsnagel!) wird sie für uns fassbar (FRIEDERICHS 2005; siehe Beitrag FRIEDE139 Abb. 52 Bügelplattenfibeln aus dem „Germanenfund“ von Manching und aus dem Frauengrab von Eilshausen. M. 1:2. (nach KRÄMER 1961, Abb. 4; BÉRENGER 1987, Abb. 2) in diesem Band Abb. 18 u. 19). Ein weiteres Indiz für den Verkehr von Nord nach Süd sind die prächtigen Bügelplattenfibeln aus dem sog. „Germanenfund“ in der Keltensiedlung von Manching bei Ingolstadt (Abb. 52). Krämer interpretierte den Fund als Besitz einer aus dem germanischen Norden zugeheirateten Frau (KRÄMER 1961). Ein Gegenstück aus dem einheimischen Frauengrab von Eilshausen deutet an, dass die Frau aus Ostwestfalen stammen könnte. Die Verhältnisse im dritten Jahrhundert vor Christus müssen sehr instabil gewesen sein. Vor allem im nördlichen Mittelgebirge erlebten viele Burgen nur eine kurze Blüte. Auffällig sind die vielen verbrannten Wälle. Gellinghausen, die Hünenburg, die Schnippenburg endeten vermutlich mit der Vernichtung ihrer Mauern. Auch im Schiefergebirge brechen einige Plätze am Ende des dritten Jahrhunderts vor Christi Geburt verbunden mit deutlichen Brandspuren ab (Christenberg, Almerskopf, Hausberg, wohl bereits etwas früher Rittershausen). Doch teilt sich hier die Entwicklung auf. Die Mehrzahl lebte bis in die Spätlatènezeit fort, auch wenn sich eine lückenlose Entwicklung nur an fundreichen Plätzen (Dünsberg, Amöneburg) wirklich belegen lässt. In Hessen und Südwestfalen ist daher kein allgemeiner Bruch erkennbar, eher ein „Konzentrationsprozess“ auf bestimmte Plätze, die bis zur endgültigen Aufgabe der eisenzeitlichen Ringwalltradition in den letzten Jahrzehnten vor Christi Geburt fortbestanden. RICHS 140 Literatur Atlas 1920: Altertumskommission für Westfalen (Hrsg.), Atlas vor- und frühgeschichtlicher Befestigungen in Westfalen. Münster 1920. H. BEHAGHEL 1943: Die Eisenzeit im Raume des rechtsrheinischen Schiefergebirges. Wiesbaden 1943. H. BEHRENS 1927: Bodenurkunden aus Rheinhessen I. Mainz 1927. D. BÉRENGER 1984: Die Befestigungen der vorrömischen Eisenzeit im östlichen Westfalen. – In: Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 1, 1983, 45–59. D. 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