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Die Herrschaftsbestrebungen Des Volksgruppenführers Andreas Schmidt Und Die Deutsche Volksgruppe In Rumänien (1940-1944) Als Paradebeispiel Für Ns- Fanatisierung Und Instrumentalisierung

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Die Herrschaftsbestrebungen des Volksgruppenführers Andreas Schmidt und die Deutsche Volksgruppe in Rumänien (1940-1944) als Paradebeispiel für NS- Fanatisierung und Instrumentalisierung Von Klaus Popa Mit der Wahl des Begriffs Machtmensch" statt Machtpolitiker" wird auf den einen Schwerpunkt dieser Analyse hingewiesen. Der andere liegt im Komplex des Karrierismus, der unter Bedingungen des NS-Totalitarismus besonders ausgeprägt war und in dessen Sog mancher Volksdeutscher" aus Rumänien gelangte. Doch Volksgruppenführer Andreas Schmidt veranschaulicht wie kein zweiter, wie verheerend sich die Identifikation des einzelnen mit den NS- Idealen in der Konstellation von Großdeutschem Reich und Deutscher Volksgruppe in Rumänien" (DViR.) auswirkte. In seiner Person verkörpert sich in radikaler Weise die Volksgruppendoktrin, die ihm persönlich, seinen engsten Anhängern und der Deutschen Volksgruppe in Rumänien die alleinige und absolute Vorherrschaft unter den deutschen Volksgruppen" des europäischen Südostens gewährleisten und sichern sollte. Letzteres Projekt beruhte auf dem abwegigen Glauben, der Zweite Weltkrieg werde zu Gunsten des Hitlerreiches ausgehen und dass es von dem Dienstleistungsvolumen für die expansionistischen Ziele des NS-Staates abhänge, welchen Stellenwert das siegreiche Großdeutschland/Großgermanien als neue Ordnungsmacht´" den jeweiligen Individuen, Interessen- und Volksgruppen" in seiner Rangordnung einräumen würde. Damit waren den Individual- und Gruppenegoismen in der Form von Anpassertum (Opportunismus) und rücksichtslosem Parteikarrierismus Tor und Tür weit geöffnet. Die Entscheidungsfaktoren saßen in diesem Bereich allerdings im Reich". So lässt sich anhand der im Bundesarchiv aufbewahrten Urkunden klar und eindeutig verfolgen, dass das Machtgerangel innerhalb der Volksgruppe der Deutschen in Rumänien sich wie auch auf der Ebene der südosteuropäischen Volksgruppen" parallel zu gleichen Entwicklungen in der Berliner Machtzentrale entwickelte. Andreas Schmidt war schon frühzeitig, während seines Studiums" 1937/38 auf seine spätere Statthalterrolle des NS-Reiches als Führer der deutschen Volksgruppe abgerichtet und ausgebildet worden. Diese Ausrichtung wird von dem von Hans Wolfram Hockl veröffentlichten Briefmaterial von A. Schmidt (29.7.1938-29.4.1943)[1] beispielhaft belegt. So schreibt Schmidt seinem späteren Adiunctus, Stabsführer Andreas Rührig, am 8. September 1938, dass die Lösung der internen Probleme der Volksgruppe in Berlin geschehen müsse. Grundlegend für die Machtübernahme" sei das Zustandekommen eines Auslesekorps", die Vergrößerung der Auslese des H.H.[2]". Schmidt betont die Notwendigkeit, dass jede Volksgruppe im Reich ihren Kommissar haben muß", der allerdings alle 3 Jahre oder früher gewechselt werden muß"[3]. Auch äußert Schmidt seine Überzeugung, er und seine Gruppe[4] würden Arbeit auf lange Sicht" leisten.[5] Bis zu seiner Ernennung zum Volksgruppenführer am 27. September 1940 durch den Leiter der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), SS-Obergruppenführer Werner Lorenz,[6] erfüllte Schmidt verschiedene Aufträge der genannten Stelle quasi als Lehrlings- und Meisterstücke. Zunächst sollte er den im Banat zwischen zwei NS-orientierten Gruppierungen tobenden Genossenschaftsstreit" zu Gunsten der radikalen Kräfte ausbügeln. Über den erfolgreichen Ausgang seiner Aktion berichtet Schmidt Ende April 1940 seinem Auftraggeber, der VoMi.[7] Der Grundsatz, den er seiner Schlichtung zu Grunde legte, kennzeichnet seine spätere Politik als Volksgruppenführer: weil den volksdeutschen Angelegenheiten im Verhältnis zu den Weisungen des Grossdeutschen Reiches, um die es heute geht, kein grösserer Wert zugemessen werden kann. Ich glaube eben nicht an eine volksdeutsche Sendung und dergleichen mehr, sondern ich glaube nur an eine deutsche Sendung. Und es ist Aufgabe aller Volksdeutschen, auch der in Rumänien, dazu beizutragen, alles in den Dienst dieser deutschen Sendung zu setzen." Damit wurde die Entmündigung der Deutschen in Rumänien, die skrupellose Auslieferung dieser Menschen und ihrer eigentlich an Rumänien, den Staat des Mehrheitsvolkes gebundenen Interessen an die Hegemonialpolitik des Hitlerreiches festgeschrieben. Und Andreas Schmidt verstand sich durchaus als Kommissar" dieses Reiches". Nach seinem Machtantritt schritt die Gleichschaltung der Volksgruppe zügig und recht reibungslos voran, so dass Schmidt bereits am 28. Januar 1941 in Verbindung mit der Legionärs-Rebellion seinen vorgesetzten Reichsstellen die Rolle und Stellung der Volksgruppe als Hort politischer Ruhe und Stabilität im Vergleich zum aufgewühlten Rumänentum empfehlen konnte: In der ganzen Zeit des Chaos, das im Land geherrscht hat, hat sich die Volksgruppe vorbildlich gehalten. Die Deutschen sind in vollkommenster Ordnung ihrer Arbeit nachgegangen und haben durch ihre Haltung in Siebenbürgen und im Banat die Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe als die einzigen beeinflusst. Es ist in Siebenbürgen und im Banat auch nirgends in den Städten zu Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung mit dem Militär oder der Legion gekommen, wie das in allen Städten des rumänsichen Altreiches der Fall gewesen ist."[8] In der Besprechung, welche Schmidt am 25. Januar 1941 mit dem deutschen Gesandten v. Killinger in Bukarest führte, betonte der Volksgruppenführer in Verbindung mit dem Legionärsaufstand: dass die Unordnung und die steten Putsche, die in diesem Land seit dem Bestand des rumänischen Staates, stattgefunden hatten, rassisch bedingt seien. Es sei dringend notwendig, dass der Einfluss des Reiches in Rumänien so stark werden müsse, um in Zukunft die Ordnung und die Ruhe eine Angelegenheit des Reiches werden zu lassen." Hier wird zum ersten Mal das zentrale Postulat des Kommissars des Reiches" Andreas Schmidt als blinder Erfüllungsgehilfe der NS- Herrschaftsgelüste deutlich. Der rassisch begründeten Unfähigkeit der Rumänen, für Ordnung und Stabilität im eigenen Staat zu sorgen, könne nur das Reich" als Ordnungsfaktor entgegenwirken. Dabei könne das Reich auf die bedingungslose Einsatzbereitschaft der Deutschen Volksgruppe zählen: Ich verweise darauf, dass die deutsche Volksgruppe in Rumänien ein ernster Faktor für die Einhaltung der deutschen Parole: Ruhe, Ordnung und Produktion darstellt. Ich glaube, dass das Auswärtige Amt durch den deutschen Gesandten von Killinger es Antonescu klarmachen kann, dass die Angehörigen der deutschen Volksgruppe für die Einhaltung der deutschen Parole wichtiger und nötiger sind, als für die Unterstützung des rumänischen Heeres." Der im letzten Abschnitt geäußerte Wunsch, die Deutschen in Rumänien mögen der rumänischen Armee nicht aber der Wehrmacht des Reiches" entbehrlich sein, sollte durch den Eintritt Rumäniens in den antisowjetischen Krieg im Juni 1941 einen Dämpfer erfahren und zumindest bis April 1943 zurückgestellt werden. Die innere Stabilität der Volksgruppe führt A. Schmidt in seinem Bericht auf die erfolgreich durchgezogene Gleichschaltung zurück, in deren erster Phase die Militarisierung den Ausschlag gab: Allein die Partei und die Formationen haben uns in dieser schweren Zeit die Möglichkeit gegeben, auf die Angehörigen der Volksgruppe einzuwirken und unsere Anordnungen zur Durchführung zu bringen. Gerade die straffe Organisation der Volksgruppe hat es ermöglicht, in der Zeit der Unordnung bei uns Deutschen die Ruhe zu bewahren."[9] Ein heikler Punkt im Angleichungsprozess der deutschen Minderheit an das deutsche Muttervolk" wurde im Rahmen der Versammlungswelle der Volksgruppenführung vom 30. März bis 9. April 1941 in Angriff genommen und thematisiert. So heißt es in den Redner-Anweisungen:[10] Unser Beitrag zum Krieg: die restlose Einsatz- und Opferbereitschaft für die Aufgabe, die uns der Führer als Pioniere des Deutschtums gestellt hat und die Bereitschaft, die grössten Opfer auf uns zu nehmen. Wenn wir bereit sind, in der Opferbereitschaft, die Volksgenossen im Reich nachzuahmen und zu übertreffen, können wir erst den Anspruch erheben, dass zwischen Volksdeutschen und Reichsdeutschen kein Unterschied mehr besteht. Denn diese beiden Begriffe sind nur äusserliche Unterscheidungen, im tiefsten Sinn gibt es nur Deutsche, die an Adolf Hitler glauben. Niemand soll von uns sagen können, dass wir vor dem Sieg in diesem Glauben klein geworden sind, weil sich uns Schwierigkeiten entgegengetürmt haben. Heute, wo wir unseren Glauben an den Führer offen bekennen dürfen, werden wir alle Schwierigkeiten überwinden." Dieser auf beträchtliche Minderwertigkeitsgefühle weisende Angleichungswunsch des Volksgruppen-Deutschtums an das reichsdeutsche, das Deutschersein als die Deutschen", wird die Andienungs- und Auslieferungspolitik der menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen der deutschen Minderheit bis zum ehrlosen Ende der Volksgruppe" am 23. August 1944 begleiten. Man ging von der Überzeugung aus, nur dann als gleichwertige Deutsche von den Reichsstellen anerkannt zu werden, wenn der verbrecherischen Politik Adolf Hitlers bedenkenlos Folge geleistet würde. Aus diesem Gleichstellungswunsch entspringt Schmidts Vorstoß, die Neuordnung" des mittelost- und südosteuropäischen Raumes" durch das Hitlerreich unter massiver Beteiligung der dort siedelnden deutschen Minderheitengruppen zu verwirklichen. In dem Lagebericht erstattet im Auftrag des Volksgruppenführers Andreas Schmidt 15.4.1941"[11] heißt es: Im Südosten leben 2,5 Millionen Deutsche in einem zusammenhängenden Kranz von Siedlungen entlang der Donau bis zum Karpatenbogen. Diesen Deutschen und den deutschen Reichsheeren verdankt der umstrittene Südosten seine Zugehörigkeit zu Europa. Die Anwesenheit der 2,5 Millionen Deutschen, die - beginnend mit dem Jahr 1000, im unmittelbaren Anschluss an die germanischen Wanderungen - in den Südosten zogen, ist ein Beweis dafür, dass das Deutsche Volk sich stets der Verantwortung für die Gestaltung dieses Raumes bewusst war. Die übrigen Völker dieses Raumes haben niemals ein solches europäisches Verantwortungsbewusstein besessen, sondern haben entweder mit Türken und anderen Feinden Europas paktiert oder untereinander Chaos gestiftet. So stellt selbst heute noch der ungarisch-rumänische Gegensatz, der immer wieder auszubrechen droht, eine ernste Gefahr für die deutschen Nachschublinien und für die Ordnung im wirtschaftlichen Ergänzungsraum dar. Entzieht man diesem Raum die Deutschen und überlässt ihn den Ungarn, Rumänen usw., wird er immer einen Keil gegen die Ruhe Europas darstellen und die wirtschaftliche Autarkie des Großraumes unmöglich machen. Selbst wenn die große Entscheidung im Osten fällt und der weite Osten die Aufgabe des Deutschen Volkes für ein Jahrtausend wird, kann der Südosten nicht dem Chaos der kleinen Völker überlassen bleiben, weil hier immer die Gefahr eines Vorstoßes gegen die Raumeinheit des Kontinentes bestehen würde und weil der Raum ohne die Deutschen in die Kulturlosigkeit zurücksinken würde, die überall dort herrscht, wo keine Deutschen siedeln (z.B. Rumänien jenseits der Karpaten. Siehe auch der rapide Verfall der Siedlungen der umgesiedelten Deutschen in der Bukowina und Dobrudscha!)"[12] Die unüberbietbare Arroganz dieser Ausführungen findet ihren Höhepunkt im propagandistischen Postulat, nur die Deutschen des Reiches" und die im südosteuropäischen Raum" als nationale Minderheiten siedelnden Deutschen besäßen die Fähigkeiten diesen Raum zur Ordnung und Ruhe zu führen quasi als Erfüllung ihrer geschichtlichen Sendung. Schmidt fährt in seinem überheblichen Kauderwelsch fort: Der geordnete Südosten mit seiner deutschen Besiedlung wird daher als Flankenschutz neben der grossen Ost-Lösung stehen müssen. Die 2,5 Millionen Deutschen besitzen die Kraft, von sich aus nicht nur als Ordnungsfaktor den Zusammenhalt und die Wirtschaftsleistung des Raumes zu garantieren, sondern, als Reichsbürger, deren Söhne deutschen Wehrdienst ableisten und nicht der Sklaverei in minderwertigen Heeren mit halbasiatischen Feldwebeln ausgeliefert sind, ein Anziehungszentrum darstellen, das mit der Rückgermanisierung wertvoller Blutsteile besonders im ungarischen Raum beginnen kann." Im Folgenden wird das Projekt eines Donauprotektorats", oder, wenn dies nicht realisierbar sei, eines Großungarn" vertreten. Dass beide Varianten eine Auflösung des Staates Rumänien voraussetzen, nachdem Jugoslawien als Staat aufgelöst worden war, ist für die Volksgruppenführung kein Thema mehr Von den Möglichkeiten, die eine Lösung des Südostproblems" in diesem Sinne darstellen würde, sei die Schaffung eines Donauprotektorates, das mindestens Ungarn und Rumänien umfasst, die idealste. Hier würden die 2,5 Millionen Deutschen einen fest geschlossenen Ring bilden, von Wien über Pressburg, die Zips, Sathmar, Siebenbürgen, Banat, Batschka, Baranya, Schomodei (die sogen. Schwäbische Türkei), das Deutschtum um Ofenpest und im Bakonyer Wald und zurück zum ostmärkischen Volksraum. Propagandistisch könne der deutsche Kultur-Charakter des Südostraumes jederzeit ebenso schlagend bewiesen werden wie bei Lothringen, Luxemburg, Böhmen-Mähren usw. Als Zwischenlösung – falls das Donauprotektorat nicht tragbar sei - könne zur Deutscherhaltung des Südostens auch die Schaffung eines Großungarns beitragen, das ganz Siebenbügen bis zum Karpatenbogen, das ganze Banat, Batschka usw. umfassen würde, kurz alle Gebiete, die von Deutschen besiedelt seien. Mit allen Rechten ausgestattet, könnten die Deutschen auch in diesem Rahmen aus eigener Kraft rückgermanisieren und den Raum erhalten. Jedoch dürfte diese Lösung durch die Ereignisse schon überholt sein. Der Garant für die Verwirklichung solcher Pläne ist für Schmidt sein Ziehvater Himmler und seine Heimorganisation", die SS; denn Die zentrale Stelle für den Schutz des deutschen Volkstums ist der Reichsführer-SS und Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums."[13] In seinem Halbjahresbericht 1942", den Andreas Schmidt am 6. August 1942 dem Adjutanten des Reichsführers-SS, Dr. Brandt, zuschickte,[14] bilanziert Schmidt mit sichtbarem Stolz die Erfolge seiner kompromisslosen Entmündigungs-, Militarisierungs- und Auskaufpolitik. Der Bericht benennt diese Entwicklung mit den euphemistischen Termini erzieherische, politische und propagandistische Massnahmen". Dabei sollen folgende Aussprüche des Volksgruppenführers maßgebend gewesen sein: Wir sind nichts anders als ein Teil des grossen deutschen Volkes und unser Verhältnis zum Staat ist das Verhältnis Deutschlands zu Rumänien." Schon in seiner Rede in Hermannstadt am 9. Februar 1941 heißt es: Kein Opfer ist für uns zu gross, mit dem wir dazu beitragen können, dass die Ziele der deutschen Aussenpolitik und des Reiches erfochten werden." Der Bericht unterstreicht, dass niemals etwas [hätte] erreicht werden können, wenn nicht die Volksgruppe in den anderthalb Jahren vorher durch die Partei und die Formationen bereits zu einem soldatischen Geist der Pflichtauffassung und zu einer grossdeutschen Haltung gerade auch gegenüber dem deutsch-rumänischen Bündnis erzogen worden wäre". Dann wird das Thema angeschnitten, das die über das deutsche Siedlungsgebiet in Rumänien hinausgehenden politischen Ambitionen Schmidts fortan beherrschen wird: seine Penetration in andere Volksgruppen und deren allmähliche Unterordnung unter seinen persönlichen Machtanspruch. Es wird deutlich sichtbar, dass der Emporkömmling und Karrierist Andreas Schmidt weit über die engen Grenzen der auf die deutsche Minderheit in Rumänien beschränkte Volksgruppenpolitik zielte; er war schon lange bevor die außenpolitische Lage es ermöglicht hätte, bemüht, seinen Einflussbereich auf andere Volksgruppen, vor allem auf die Ungarns, auszudehnen. Das verbirgt sich hinter seiner Formulierung: ehe noch die Aufgabe der Volksgruppen im neuen Europa ihre endgültige Klärung gefunden hat". Es heißt: Sie [die Volksgruppe] hat damit gleichzeitig unter Beweis gestellt, dass bei eiserner Disziplin eine Volksgruppe als Instrument der Reichspolitik schon heute, ehe noch die Aufgabe der Volksgruppen im neunen Europa ihre endgültige Klärung gefunden hat, eingesetzt werden kann und Aufgaben in den zwischennationalen Beziehungen für das Reich zu erfüllen vermag." Die zwischennationalen Beziehungen", denen die Volksgruppen im Interesse des Reiches dienen können, entpuppen sich in dieser Phase als terminologische Tarnung für Schmidts volksgruppenübergreifende Machtambitionen. Der gleichen demagogischen Grundrichtung folgen auch die weiteren Ausführungen des Berichts": Die Volksgruppe hat durch ihre Haltung und ihre Opfer dem Rumänentum gerade in dieser kritischen Zeit bewiesen, dass Deutschland keine imperialistische Politik treibt, sondern von seinen eigenen Söhnen Opfer im Interesse der Freundschaft mit seinen Verbündeten fordert. [...]" Dann brüstet sich Schmidt mit der Anerkennung, die ihr [der Volksgruppe] für ihre Haltung von Seiten des Reiches durch den Reichsführer-SS Heinrich Himmler und dem Herrn Reichsaußenminister von Ribbentrop zuteil geworden ist. Sie bringt die Bestätigung, dass die Volksgruppe großdeutsch gehandelt und der Verwirklichung der Ziele des Reiches gedient hat". Schmidt schreckte also in seinen karrieristisch-eigennützigen Bestrebungen nicht davor zurück, neben der Minderheit, der er angehörte und die er dem NS-Expansionismus gnadenlos ausgeliefert hatte, auch weitere deutsche Minderheiten zu missbrauchen. Dabei spielte die Missachtung der rumänischen Nationalstaatlichkeit, wie überhaupt jeder mittelost- und südosteuropäischen Nationalstaatlichkeit die entscheidende Rolle: Deutschland ist nicht Rumänien zu Dank verpflichtet, sondern umgekehrt, da dieses Land allein durch die deutschen Truppen, unmittelbar vor der Vernichtung und vor dem Versinken in den bolschewistischen Abgrund, gerettet wurde." Der durch Andreas Schmidt dem Reichskanzleiminister Lammers im August 1942 zugesandte Leistungs- und Lagebericht der Deutschen Volksgruppe in Rumänien vom Beginn des Russland-Feldzuges bis zum 1. Juli 1942"[15] setzt neue Akzente neben die bereits bekannten ideologisch verbohrten und propagandistischen Floskeln ( großdeutscher Schicksalskampf", innere Ordnung" und interner Aufbau der Volksgruppe"; die Volksgruppe als positiver Faktor der grossdeutschen Politik in Rumänien", als der sicherste Faktor von Leistung, Ordnung und Disziplin im Lande"; die Mission" dieser Gruppe als Repräsentant des Reiches"). Der Fortbestand der nun als NS-Volksgruppe organisierten deutschen Minderheit sei nur als Kampfgemeinschaft unseres Blutes und unserer Rasse in dem Raum" gewährleistet, den sie beherrschen soll."[16] Schmidt deutet an, dass die deutsche Minderheit in ihrer NS-Ausgestaltung zur Beherrschung des Raumes auserkoren sei, den der rumänische Staat bildet. Dieser Herrschaftsanspruch erfordert, dass immer der beste und kämpferischste Nationalsozialist der Führer der Partei und des Volkes in dem jeweiligen Hoheitsgebiet ist"[17]. Mit letzterem meint Schmidt offenbar sich selbst, möglicherweise im Angesicht der inneren Opposition, die sich seit dem Tod des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Reinhard Heydrich am 4. Juni 1942 gegen ihn an der Spitze der NSDAP der Deutschen Volksgruppe in Rumänien (DViR) zu kristallisieren begann. Der nun unter Zugzwang geratene Schmidt wird bis zu seinem Ende als Volksgruppenführer bestrebt sein, den Reichsstellen zu beweisen, dass er, weil er der Beste ist, auch als Volksgruppenführer unentbehrlich sei. Wenn seine bisherigen politischen Berichte unpersönlich waren, so gewinnt ab diesem Bericht die Betonung seiner Qualitäten als Führerpersönlichkeit an Gewicht. In diesem Sinn gibt Schmidt zu verstehen, dass alle Erfolge", welche die Volksgruppe erziele, einzig und allein seinem persönlichen Einsatz zu verdanken seien. Dieser absolute Führungsanspruch harmoniert durchaus mit dem Anspruch, dass durch die bisherige Aufbauarbeit die Volksgruppe schon sozusagen ein Staat im Staate" geworden ist und alle Belange der Deutschen in Rumänien wahrnimmt. Ohne die geschaffene straffe Organisation und die durch sie ermöglichte straffe Führung, Arbeit und Leistung, wäre die Volksgruppe unter der gegenwärtigen Belastung zusammengebrochen. Der Bericht hebt hervor, dass die Ausrichtung auf das Reich" nicht nur propagandistisch und politisch, sondern auch im konkreten wirtschaftlichen Umfeld der Volksgruppe voranschreitet: Das Hauptarbeitsziel des Landesbauernamtes war die weitere Steigerung der Produktion und ihre Ausrichtung auf die Erfordernisse des Reiches." Dass die ordnende" und stabilisierende" Rolle, welche die Volksgruppe wahrnimmt, dass das Volksgruppen- und Reichsinteresse mit den Interessen der Mehrheit der rumänischen Arbeiterschaft unvereinbar sein konnten, war belanglos angesichts des Umstandes, dass durch die Standhaftigkeit" der volksdeutschen Arbeiterschaft die Kriegsproduktion ungestört gewährleistet werden konnte: Die disziplinierte Haltung der Deutschen Arbeiterschaft hat durch ihr Vorbild des öfteren Streikabsichten der rumänischen Arbeiterschaft verhindert und sich damit als Garant der Kriegsproduktion bewährt." Neu und besonders ergiebig für Schmidts volksgruppenübergreifende Machtambition ist die Vorreiterrolle der Deutschen Volksgruppe in Rumänien vor anderen südosteuropäischen Volksgruppen: Die Formationen der Deutschen Volksgruppe in Rumänien waren vorbildlich für die Aufstellung der Mannschaften im serbischen Banat, in Kroatien und in Ungarn." Die NS- und Reichs"-Verblendung Schmidts kommt in dem von ihm eigenhändig gezeichneten Bericht über die Beziehungen der Volksgruppe zum Staatschef, Marschall Antonescu und zum Vizeministerpräsidenten Mihai Antonescu (8. April 1943) deutlich und unüberhörbar zum Ausdruck. Der Volksgruppenführer findet es empörend und unannehmbar, dass bei der 25- jährigen Anschlussfeier Bessarabiens an Rumänien Zum ersten mal [...] eine Feierlichkeit stattgefunden [hat], wo deutsche Fahnen nicht vorhanden gewesen sind; auch das Bild des Führers nicht. Die Feier wurde in Chisinau abgehalten, der Stadt Bessarabiens, nach deren Eroberung Marschall Antonescu das Ritterkreuz erhalten hat, das er bei dieser Feierlichkeit aber nicht trug". Schmidt stellt ferner fest, dass Das Reich [...] in einem einzigen Satz in der langen grundsätzlichen Rede [des Staatsführers Antonescu] erwähnt [wurde], wo er mitteilte, daß die Wehrmacht des Großdeutschen Reiches mitgeholfen habe, Bessarabien wieder zu gewinnen".[18] Dass mit dieser Handhabung der Feierlichkeiten durch die rumänischen Behörden betont werden sollte, dass es sich um eine nationalrumänische, nicht um eine Reichsangelegenheit" handelte, das übertraf Schmidts NS- und Reichssatrapen-Befangenheit. Der allmählich durch seine in SD-Diensten stehenden Widersacher in Bedrängnis geratene Schmidt beklagt in einem Brief an seinen Schwiegervater, SS-Obergruppenführer Gottlob Berger, Chef des SS-Hauptamtes und des SS-Ergänzungsamtes, dass seine Person durch hohe Besucher aus dem Reich systematisch ignoriert werde, obwohl Kronstadt (Braşov) deutsches Siedlungsgebiet sei und dem Reichsführer-SS unterstehe. Schmidt beabsichtige einzig und allein Das Prestige des Reichsführer-SS, die SS- Kameradschaft und das meiner Volksgruppe stets auf dem höchsten [zu] wahren". Denn er habe seine Volksgruppe auf den Reichsführer geschworen, die Partei wird nur von SS-Führern geführt, die ganze Arbeit alles steht zu Euch zur Schutzstaffel – nicht zu mir !!".[19] In dem vor dem 27. Januar 1944 verfassten Leistungs- und Lagebericht der Deutschen Volksgruppe in Rumänien vom 1. Juli 1942 bis 1. September 1943" bilanziert Volksgruppenführer A. Schmidt: Im Kampf um Sein und Nichtsein des Deutschen Volkes steht heute die Deutsche Volksgruppe in Rumänien mit in der vordersten Front. Männer, Frauen und Jugend versehen in selbstverständlicher Pflichterfüllung den ihnen zugewiesenen Platz. Die nationalsozialistische Partei als politischer Willensträger, als Führungs- und Arbeitsinstrument, entfesselt die nötigen Kräfte und sorgt für ihren Einsatz. Die kleinlich-eigenständige Blickrichtung der Volksgruppenpolitik ist beseitigt. Über allem steht der Führer, steht das Reich." Schmidt schwebt noch immer die Utopie vor Augen, mit seiner Volksgruppe im Namen des Reiches im entscheidenden Jahr 1944 in diesem Raum einzugreifen". Die dringende Notwendigkeit dieses Vorgehens begründet Schmidt damit, dass solange der Südosten Europas nicht im Interesse des Reiches geordnet sei, die Sicherheit des Reiches stets gefährdet sein [wird]. Den Südosten kann man jedoch nur dadurch ordnen, dass die Macht des Reiches hier entsprechend vorhanden ist und ausgeübt wird. Allein unsere Macht wird auch bestimmend auf die Haltung des Völkergemisches im Südostens sein. Je früher wir eingreifen, desto kleiner sind die Schwierigkeiten für die Zukunft und desto besser wird es für die kämpfende Front sein, da in ihrem Rücken, komme was kommen mag, die Schwierigkeiten zur rechten Zeit geordnet werden können. Es gibt Mittel politischer und militärischer Natur, in jeder Beziehung vorzubeugen".[20] Etwas vorsichtiger formuliert Schmidt in seinem politischen Lagebericht für den Monat Mai 1944:[21] Eines ist klar, dass Deutschland die absolute Möglichkeit besitzt, Rumänien bis zum Kriegsende als wertvollen Partner auszunützen, sowohl in der Gestellung von Soldaten, als auch im wirtschaftlichen Beitrag für die Fortführung des Krieges /Petroleum/, wie auch für die Ernährung der Menschen /durch Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion/, bei der Voraussetzung: dass Deutschland in die Führung Rumäniens taktvoll eingreift und Rumänien hilft, aus dieser Desorganisation wieder einen lebens- und kampffähigen Organismus zu gestalten." Schmidts autoritäres, selbstherrliches Gebaren nach innen und seine ausschließliche Ausrichtung auf die von seinem Schwiegervater Gottlob Berger vertretene Interessenpolitik unter gleichzeitiger Verprellung der SD- Faktion in der NSDAP der DViR und des Chefs der SiPo und des SD Ernst Kaltenbrunner sowie der Führung der deutschen Volksgruppe in Ungarn artete in einer Schlammschlacht aus,[22] die durch Rumäniens Ausscheren aus dem Achsenbündnis am 23. August 1944 ein jähes Ende fand. Sie zeigt den Karrieristen und Autokraten Andreas Schmidt von seiner schwärzesten Seite. Ein vor dem 7. Juni 1944 durch Hans Jung, Kreisleiter des Kreises Prinz Eugen" angefertigtes Gedächtnisprotokoll eines Gesprächs mit dem SD- Angehörigen Hans Herrschaft wirft Schmidt vor, die Kameradschaft unter den Amtswaltern zerschlagen", ein byzantinisches, unduldsames System in der Volksgruppe eingeführt zu haben, andere Volksgruppen bevormunden und Fürst des Südostens" werden zu wollen. Besonders zutreffend ist der Vorwurf, Schmidt habe mit der Volksgruppe innerlich nichts zu tun, er betrachtet seine jetzige Stellung nur als Steigbügel zu einer größeren Stellung in Berlin, wenn es mal so weit ist, wird er für uns nichts mehr übrig haben".[23] Dieses politische Profil rundet ab und bestätigt das aus der Analyse mehrerer Schmidt-Texte abgeleitete Bild eines vom NS geprägten herrschsüchtigen, intoleranten, egoistischen und skrupellosen Emporkömmlings, Karrieristen und Fanatikers. Dabei ist zu bedenken, dass Andreas Schmidt nur die Spitze eines Eisberges darstellt. Auch das mehrere Tausend Köpfe umfassende Heer von Amtswaltern"- und führenden Parteigenossen war ähnlich verfasst und ausschließlich auf die vom NS-Filz gebotenen Karrieremöglichkeiten und Machtchancen ausgerichtet. Die Masse der deutschen Minderheit blieb auf der Strecke dieser nimmersatten volksdeutschen NS- Elite", indem sie nach der Niederlage des Hitlerreiches die Konsequenzen der maßlos übersteigerten und ideologisch verblendeten Machtpolitik dieser verantwortungslosen Angeber und Demagogen erleiden musste. (Erschienen in leicht abgeänderter Form in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, 16. Jg., 2004, Heft Nr. 1, S.54-62) ----------------------- [1] Hans Wolfram Hockl, Deutscher als die Deutschen. Dokumentarische Studie über NS-Engagement und Widerstand rumäniendeutscher Volkspolitiker, Linz 1987, Kapitel 4, Ein Leben für die Macht. Handgeschriebene Briefe A. Schmidts an A. Rührig, S.75-102. [2] Reichsführer-SS Heinrich Himmler. [3] Hockl (wie Anm.1), S.77, 80. Zu der Fritz Cloos, Emo Connert, Willi Depner (damals Leiter der Jugendorganisation der Volksgruppe), Richard Langer, Hans Kaufmes, Otto Schwarz, Otto Ließ, Kurt Auner, Franz Herbert, Josef Schönborn u.a. gehörten. Das Rotationsprinzip geriet in Vergessenheit, sobald Schmidt an der Spitze der Volksgruppe stand. [4] Zu der Fritz Cloos, Emo Connert, Willi Depner (damals Leiter der Jugendorganisation der Volksgruppe), Richard Langer, Hans Kaufmes, Otto Schwarz, Otto Ließ, Kurt Auner, Franz Herbert, Josef Schönborn u.a. gehörten. [5] Brief vom 20.3.1939, Hockl, S.89. [6] Vgl. Johann Böhm, Die Deutschen in Rumänien und das Dritte Reich 1933- 1940, Frankfurt am Main etc. 1999, S.256. [7] BAB (Bundesarchiv Berlin), NS 19/3888, S. 82-85. [8] BAB, R 58/112, S.28-32; hier S. 29. [9] Ebenda, S.32. [10] Verfasst vor dem 30. März 1941, in: BAB, NS 19/2724, Bll. 48-63. Die kursiven Stellen entsprechen Hervorhebungen in der Vorlage. [11] BAB, NS 19/2724/Bll. 41-43. [12] Hier S. 41. [13] Hier S. 42. [14] BAB, NS 19/2859, S.123-132. [15] BAB, R 43/II/1487, S. 83-117. [16] Hervorhebung K. Popa. [17] Hier S. 84-85. [18] BAB, NS 19/2859, S.157-160. [19] BAB, NS 19/2859, S.47r+v, S. 48, 6. Dezember 1943, Kronstadt. [20] BAB, R43/II/1487, S.119-148. [21] BAB, NS 19/2146, S.1-2; 2. Juni 1944, Kronstadt. [22] Vgl. dazu die ausführliche Dokumentation Die Affäre zwischen Volksgruppenführer Andreas Schmidt und Volksgruppen-SD-Chef Mathias Liebhardt" in diesem Heft. [23] BAB, NS 19/1489, S.4r+v.