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BONNER BEITRÄGE ZUR VOR- UND FRÜHGESCHICHTLICHEN ARCHÄOLOGIE 13 Jan Bemmann Morten Hegewisch Michael Meyer Michael Schmauder Drehscheibentöpferei ISBN im Barbaricum Technologietransfer und Professionalisierung eines Handwerks am Rande des Römischen Imperiums Bonner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie Band 13 Herausgegeben von Jan Bemmann, Ursula Brosseder, Hans-Eckart Joachim Drehscheibentöpferei im Barbaricum Technologietransfer und Professionalisierung eines Handwerks am Rande des Römischen Imperiums Akten der Internationalen Tagung in Bonn vom 11. bis 14. Juni 2009 Herausgegeben von Jan Bemmann, Morten Hegewisch, Michael Meyer, Michael Schmauder 2011 Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Die Tagung und die Drucklegung wurden gefördert von Fritz Thyssen Stiftung Deutsche Forschungsgemeinschaft Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Landschaftsverband Rheinland Ein Titeldatensatz ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich (http://www.ddb.de) Redaktion: Ute Arents, Schwerin; Güde Bemmann, Bonn Graphische Überarbeitung und Tafelmontage: Gisela Höhn, Bonn Satz: Andreas Bechstein, Bonn Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bonn ISBN 3-936490-13-9 Copyright 2011 by vfgarch.press uni-bonn INHALT JAN BEMMANN, MORTEN HEGEWISCH, MICHAEL MEYER, MICHAEL SCHMAUDER Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 TECHNOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN MAŁGORZATA DASZKIEWICZ, GERWULF SCHNEIDER Archäokeramologische Klassifizierung am Beispiel kaiserzeitlicher Drehscheibenkeramik aus Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 MORTEN HEGEWISCH, MICHAEL MEYER Naturwissenschaftliche Analysen kaiserzeitlicher Drehscheibenkeramik aus Brandenburg. Archäologischer Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 VORLÄUFER UND VORBILDER PAULINA POLESKA The latest Celtic Pottery Workshops in Poland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 VLADIMÍR SALAČ Zur Drehscheibenware der Spätlatène- und frühesten Kaiserzeit in Böhmen und in Mitteleuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 CONSTANZE HÖPKEN Produktions- und Vertriebsstrukturen römischer Töpfereien in den Nordwestprovinzen . . . . . 75 CORNELIUS ULBERT Römische und mittelalterliche Drehscheibenbefunde aus dem Rheinland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 VIORICA RUSU-BOLINDEŢ Pottery Workshops from Roman Dacia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 WESTEN DES BARBARICUMS MORTEN HEGEWISCH Zur Drehscheibenkeramik im Westen der Germania magna. Anfänge, Weiterentwicklung und Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 KLAUS FRANK Spätkaiserzeitliche Drehscheibenkeramik aus der Region an Main und Tauber . . . . . . . . . . . . . . 175 8 BERND STEIDL Lokale Drehscheibenware des 3. Jahrhunderts aus Mainfranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 JOHANNA BRATHER, MORTEN HEGEWISCH, THILO STAPELFELDT Zur Töpferei und Drehscheibenkeramik in Brandenburg im Spiegel der kaiserzeitlichen Siedlungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 JAN SCHUSTER Zwischen Ost und West: Drehscheibenkeramik im Mittelelbe-Oder-Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . 219 PRZEWORSK-KULTUR ZUZANA LOSKOTOVÁ Die Töpferöfen der Przeworsk-Kultur in der Umgebung von Opava . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 HALINA DOBRZAŃSKA Roman Period Grey Pottery Production near Cracow: Geographical, Technological and Social Dimensions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 JUDYTA RODZIŃSKA-NOWAK Zur Chronologie der Drehscheibenkeramik in der Przeworsk-Kultur im Lichte der jüngsten Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 RENATA MADYDA-LEGUTKO Drehscheibenkeramik aus dem Gebiet der polnischen Karpaten. Zur regionalen Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 MITTLERER DONAURAUM DAGMAR VACHŮTOVÁ Drehscheibenkeramik aus Jiříkovice und anderen Fundplätzen in Mähren. Der Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 ALOIS STUPPNER Der Oberleiserberg und die spätkaiserzeitliche Drehscheibenkeramik im nördlichen Niederösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 VLADIMÍR VARSIK, TITUS KOLNÍK Die spätrömische Töpferei von Cífer-Pác, Westslowakei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 ESZTER ISTVÁNOVITS, VALÉRIA KULCSÁR, DÓRA MÉRAI Roman Age Barbarian Pottery Workshops in the Great Hungarian Plain . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 SÂNTANA DE MUREŞ-ČERNJACHOV-KULTUR BORIS MAGOMEDOV Zum Forschungsstand der Drehscheibenkeramik in der Černjachov-Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . 373 9 MICHAIL V. LJUBIČEV, ERDMUTE SCHULTZE Zur Herstellung von Drehscheibenkeramik in Vojtenki. Archäologische und naturwissenschaftliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 OLEG V. PETRAUSKAS Scheibengedrehte Keramik als chronologischer Anzeiger Nach den Materialien des Gräberfeldes der Černjachov-Kultur bei Velikaja Bugaevka, Kyivs’kaja obl., Ukraine . . . . . . . . . . . . . . 399 VALENTINA V. KRAPIVINA, ERDMUTE SCHULTZE Grey Ware in Olbia and in the Settlements of the Chernyakhov Culture in the Lower Bug Region. Current State of Research and Possibilities for Further Investigations . . . . . . . . . . . . . . 417 ROBERT GINDELE Auf der Töpferscheibe gefertigte römerzeitliche Keramik im oberen Theiß-Becken . . . . . . . . . 429 ZSOLT KÖRÖSFŐI, ANDRÁS SÓFALVI, ZSOLT NYÁRÁDI Töpferöfen in der Siedlung der Sântana de Mureş-Černjachov-Kultur in Odorheiu Secuiesc-Alsólok, Siebenbürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 FERENC KRISTÁLY Investigations on the Pottery Firing Kiln and some Pottery Samples from Odorheiu Secuiesc-Alsólok . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 VLAD-ANDREI LĂZĂRESCU Wheel-made Pottery from Sântana de Mureş-Chernyakhov Wallachian Necropolises. Present State of Research and New Approaches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 LYUDMIL F. VAGALINSKI Late Antique Barbarian Wheel-made Pottery south of the Lower Danube . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 ANHANG Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Ortsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 EINLEITUNG Nach rund 25 Jahren widmete sich die gemeinsam von der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, dem Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin und dem LVR-LandesMuseum Bonn vom 11. bis 14. Juni 2009 ausgerichtete Tagung „Drehscheibentöpferei im Barbaricum – Technologietransfer und Professionalisierung eines Handwerks am Rande des Römischen Imperiums“ erstmals wieder in einer umfassenden Übersicht dem Phänomen der Drehscheibenkeramik im Barbaricum. Referentinnen und Referenten aus neun europäischen Ländern stellten in ihren Vorträgen die neuesten Ergebnisse zur Keramikforschung des 1.–5. Jahrhunderts n. Chr. vor. Im Mittelpunkt standen dabei die mittel-, mittelost- und osteuropäischen Regionen jenseits der Grenze des römischen Imperiums vom nördlichen Schwarzmeerraum bis zum Rhein. Hier lässt sich ab dem späten 2. und dann schwerpunktmäßig im 3. Jahrhundert die Etablierung eines gewerblichen Töpferhandwerks erkennen, dessen Produkte bis dahin traditionell im Hauswerk gefertigt worden waren. Das Auftreten der Drehscheibenkeramik mit einem sich vielerorts ähnelnden Typenspektrum erscheint als ein raumübergreifendes Phänomen des europäischen Barbaricums, das sich – und dies zeigen in besonderer Weise die hier vorgelegten Beiträge – dennoch regional zum Teil in einer ausgesprochen differenzierten Ausprägung zu erkennen gibt. Für ein Aufkommen der Drehscheibenkeramik vor dem Übergang von der älteren zur jüngeren Römischen Kaiserzeit fehlen bisher mit Ausnahme des geto-dakischen Bereichs und der im nördlichen Schwarzmeerraum bestehenden griechisch-hellenistischen Produktion von Drehscheibenkeramik sichere Belege. Eine Herleitung der Drehscheibentechnik aus einer keltischen Traditionslinie heraus ist daher aufgrund der nach wie vor bestehenden zeitlichen Lücke nicht abzusichern. Nach der Konsolidierung des Römischen Reiches entlang von Rhein und Donau ist in einigen Regionen rechts des Rheins das Aufkommen von Drehscheibenkeramik zu bemerken, die sich an römischen Formen orientiert oder im tatsächlichen Sinne römisch ist. Bereits die Töpferöfen lassen sich jedoch nicht mehr nur aus einer römischen Traditionslinie erklären, da sie außerhalb des Römischen Reiches bereits vor dem Aufkommen der Drehscheibenkeramik voll ausgebildet vertreten sind und auch nur in Ausnahmen eine Entwicklung durch fortgeschrittene römische Töpferofentypen erfahren. Hier liegen in der Regel ältere Traditionslinien vor, die in einigen Regionen durch umfangreichere Produktionen sicherer zu erkennen sind, als in anderen. Bemerkenswert ist das regional sich erheblich unterscheidende Auftreten von Drehscheibenkeramik im keramischen Gesamtbestand: Völlig unberührt bleiben die weit vom Römischen Reich entfernten Regionen – der skandinavische Raum sowie das Nord- und Ostseegebiet, so finden sich auch im Bereich der Wielbark-Kultur keine Belege für eine eigenständige Drehscheibenproduktion. Im brandenburgischen Raum liegt der Anteil bei nur wenigen Prozent, während in den jüngeren Abschnitten des Kernraumes der Černjachov-Kultur die Drehscheibenkeramik fast das gesamte Keramikaufkommen ausmacht. Der regional stark variierende Anteil von Drehscheibenkeramik erweist sich hier möglicherweise als Hinweis auf den Weg, den die Ausbreitung der Drehscheibentechnik im Barbaricum nimmt. So zeigen spezifische Keramikformen, dass die Technik der Produktion von Drehscheibenkeramik in den mittelund mittelosteuropäischen Raum über die Przeworsk- und Černjachov-Kultur vermittelt wurde. Bei der sich daraus ergebenden Etablierung des Handwerks als Gewerbe handelt es sich demnach um einen eigenständigen Prozess innerhalb des Barbaricums. Auch dieser ist jedoch von regional stark differierender Intensität, vergleicht man etwa die Massenfertigung im Raum der Săntana de Mureş- Černjachov- oder der Przeworsk-Kultur mit dem brandenburgischen Raum. Jan Bemmann, Morten Hegewisch, Michael Meyer, Michael Schmauder Einleitung 12 Einleitung Der Impuls zur Übernahme der Drehscheibentechnik in den Regionen zwischen Rhein und Weser lässt sich für einige Gebiete mit der Anwesenheit der Römer westlich des Rheins erklären. So kommt es zum Beispiel im südwestdeutschen Raum zu einem fast schlagartigen Beginn der Produktion von Drehscheibenware mit einem gänzlich römisch geprägten Formenspektrum, das sich hier jedoch nur wenige Jahrzehnte halten kann. Als mögliche Erklärung für dieses Phänomen wird die Präsenz von römischen Gefangenen diskutiert, bei denen es sich dann um Töpfer gehandelt haben müsste. Tatsächlich nachgewiesen ist eine über Jahrzehnte andauernde Anwesenheit von Gefangenen aber nicht. Der kulturelle Einfluss aus dem Römischen Reich mündete im südwestdeutschen Raum jedoch offensichtlich nicht in eine dauerhafte „Romanisierung“ des Keramikspektrums. In anderen rechtsrheinischen Regionen mit Drehscheibenkeramik lassen sich außerdem keinerlei Traditionslinien hinsichtlich römischer Einflüsse erkennen, weder im Ofenbau noch bei den Keramikformen. Ab der Mitte des 4. Jahrhunderts setzt unter römischem Einfluss erneut eine eigenständige Produktion von scheibengedrehter Feinkeramik mit einem variantenreichen Formenspektrum ein. Eine Herstellung von Grobkeramik ist nicht nachzuweisen, nur in seltenen Fällen wird ein Anteil an Drehscheibenkeramik von bis zu 25 Prozent erreicht. Anders verhält sich dies wiederum in Teilen Osteuropas. Hier werden insbesondere Formen der Grobkeramik (Töpfe und Schüsseln) nach römischem Vorbild in das eigene Keramikspektrum aufgenommen und zum Teil in Massen produziert. Auffallend ist, dass die Gefäße in diesem Raum vielfach nur abgedreht wurden, der eigentliche Aufbau des Gefäßkörpers erfolgte in traditioneller Wulsttechnik, wie zum Beispiel in den Töpfereistandorten Üllő, Zofipole, oder auch im östlichen Brandenburg. Diese Beobachtung verdient vor allem im Vergleich mit der dazu unterschiedlichen Produktion im Römischen Reich noch eingehende Untersuchungen. Die stark abweichenden Anteile an Drehscheibenkeramik, der regional sehr unterschiedliche Nachweis von Töpferöfen und das bei aller Einheitlichkeit bestimmter Gefäßformen dennoch variierende Spektrum führen unter anderem zur Frage der Distribution von Drehscheibenkeramik, die – da das Ausgangsmaterial Ton keinen Materialwert besitzt – besonders zur Rekonstruktion von „ökonomischen Räumen“ geeignet ist. Als überregionales Problem erweist sich hier jedoch die Tatsache, dass es einen eklatanten Mangel an großflächigen Siedlungsgrabungen gibt, die nicht zuletzt Aussagen zur Einbindung der Töpfereistandorte in das jeweilige Siedlungssystem verhindern. So verwundert es nicht, dass die Ergebnisse zu dieser Fragestellung insgesamt noch ausgesprochen bruchstückhaft sind. Im brandenburgischen Raum deuten sich Distributionsräume mit einem Radius von ca. 80 km an, ähnliches zeichnet sich für den südpolnischen und slowakischen Raum ab. Während für Brandenburg von einer Produktion „on demand“ ausgegangen wird, muss in weiten Teilen Mittelost- und Osteuropas von einer manufakturähnlichen Produktion mit zum Teil enormen Stückzahlen ausgegangen werden, die sowohl „professionelle“ Töpfer als auch etablierte Distributionsmechanismen über größere Räume vermuten lassen. Zahlreiche Fragen sind unter anderem zur Produktionskapazität einzelner Standorte, zur Nutzungsdauer von Öfen, zur jahreszeitlichen Abhängigkeit zu klären. Wesentlichen Anteil werden zur Beantwortung des sich hier abzeichnenden Fragenkatalogs naturwissenschaftliche Analysen haben. Die Untersuchungen des Keramikmaterials aus der černjachovzeitlichen Siedlung von Vojtenki zeigen, dass sich die auf naturwissenschaftlichem Weg gewonnenen Ergebnisse zur Zusammengehörigkeit bestimmter Gefäße aufgrund ihrer Materialzusammensetzung keinesfalls mit den Erkenntnissen aus der archäologischen Analyse decken müssen; eine Beobachtung, die eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Rekonstruktion von Distributionsräumen darstellt. Unerlässlich sind Untersuchungen umfangreicher Keramikserien. Mit der Frage, in welchen Händen die Produktion und Distribution lag, wird das weite Feld der soziologischen Aspekte angeschnitten, unter denen die Bedeutung von Drehscheibenkeramik innerhalb der Elitenrepräsentation wie auch als Prestigegut und Statusanzeiger besonders hervorzuheben sind. Im niederösterreichisch-slowakischen Raum des 3.–5. Jahrhunderts bildet so die Drehscheibenkeramik zum Beispiel einen festen Bestandteil des Fundgutes aus den germanischen Herrschaftssitzen, wie dies die Befunde vom Oberleiserberg und möglicherweise auch aus dem slowakischen Cífer-Pác zeigen. Andererseits weisen Untersuchungen im brandenburgischen Raum darauf hin, dass offensichtlich nur bestimmte Formen der Drehscheibenkeramik im Rahmen des Bestattungsrituals verwendet wurden, während andere dem alltäglichen Leben vorbehalten blieben. Hingegen lassen sich zum Beispiel im Bereich Einleitung 13 der Černjachov-Kultur keinerlei Unterschiede in der Verwendung von Gefäßen zwischen Siedlungen und Gräberfeldern erkennen. Um diese Fragen und zahlreiche weitere Gesichtspunkte zu präzisieren und letztlich beantworten zu können, bedarf es eines umfassenden aktuellen Überblicks zum Forschungsstand zur Drehscheibenkeramik im europäischen Barbaricum, der mit diesem Band vorgelegt werden soll. Die vielfach noch offenen und ungelösten Fragen zeigen, welches Potential das Phänomen Drehscheibenkeramik für das Verständnis der unterschiedlichen Kulturen innerhalb des europäischen Barbaricums und in der Interaktion zwischen Barbaricum und Römischem Reich bietet. So war es den Initiatoren der 2009 in Bonn abgehaltenen Tagung schon im Vorfeld bewusst, dass dies nur ein Baustein eines langfristigen, in einem eng vernetzten, länderübergreifenden Kontext zu realisierenden Forschungsvorhabens sein kann. Die Tatsache, dass dieser Band in dem nun vorliegenden Umfang publiziert werden konnte, ist dem großen Interesse der Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, die ihre Manuskripte mit neuesten Forschungsergebnissen zum Druck zur Verfügung gestellt haben. Unser herzlicher Dank gilt darüber hinaus Ute Arents und Güde Bemmann, die in bewährter Weise die Redaktionsarbeiten durchgeführt haben. Die Überarbeitung der englischsprachigen Beiträge übernahm dankenswerterweise Susanne Reichert. Großen Dank schulden wir auch Gisela Höhn für die graphische Überarbeitung der Abbildungen, Andreas Bechstein für den Satz sowie Matthias Weis für die Druckbetreuung. Das Engagement von Gabriela Gabrys-Geyer und Imke Jungjohann, die die Organisation der Tagung bewältigten, sowie von Cornelia Majehrke und Susanne Reichert, die das Tagungsbüro leiteten, hat ganz wesentlich zum Erfolg der Konferenz beigetragen. Die Tagung sowie die Drucklegung des vorliegenden Bandes wäre nicht ohne die großzügige finanzielle Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und des Landschaftsverbandes Rheinland möglich gewesen; ihnen allen gilt unser ganz besonderer Dank. Jan Bemmann, Morten Hegewisch, Michael Meyer, Michael Schmauder Bonn, Frühjahr 2011