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General Der Artillerie A.d. Friedrich Freiherr Kress Von Kressenstein "meine Mission Im Kaukasus"

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General der Artillerie a. D Friedrich Freiherr Kress von Kressenstein MEINE MISSION IM KAUKASUS Verfasst dank der finanzieller Unterstützung der Alexander von Humboldt-Stiftung Verlag „Samschoblo“ Tbilissi 2001 ISBN: 99928-26-62-2 Das Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................... 4 Vorwort für erste Auflage .................................................................... 11 Die Einleitung .................................................................................. 13 Das Schreiben des Freiherrn von Kress an die Direktion des Heeresarchives ....................................................... 29 Meine Mission im Kaukasus ................................................................... 30 Der Anhang ............................................................................................73 • Provisorisches Abkommen ......................................................... 73 • I Zusatzabkommen .................................................................... 75 • II Zusatzabkommen ................................................................... 77 • Das Abkommen zwischen der Kaiserlich Deutschen und der Georgischen Regierung bez. die Überlassung des Georgien zur Verfügung stehenden Schiffsraums an Deutschland ........................................................................... 78 • Das Аbkommen zwischen Deutschland und Georgien zur beschleunigten Herbeiführung des Austausches der beiderseitigen Kriegsgefangenen.......................................... 80 • Das Abkommen zur vorläufigen Regelung der Währungsverhältnisse zwischen Deutschland und Georgien......................................... 83 • Geheimes Abkommen ............................................................. 84 • Geheimes Zusatzabkommen ................................................... 86 • Besprechung über die georgische Frage ................................. 87 • Das Einführungsschreiben der Kaiserlich Deutscher Regierung an die Regierung der Georgischen Republik bezüglich der Vollmacht des Generalmajors Freiherrn K r e ß von K r e s s e n s t e i n ............................ 90 • Protokoll der am 4. Juni im Auswärtigen Amt stattgehabten Besprechung über Kaukasusfragen ......................................... 91 • Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag zwischen Deutschland und Georgien ...................................... 101 • Der Vertrag bezüglich der georgischer Staatsanleihe ........... 112 • Der Vertrag wegen der Gründung der Georgischen Manganerzgesellschaft ............................... 119 • Der Vertrag wegen Gründung der Eisenbahngesellschaft Tschiaturi ...................................... 123 • Der Vertrag wegen der Gründung der Hafenbetriebsgesellschaft Poti .......................................... 127 • Die Übereinkunft bezüglich der Verträge über die georgische Manganerzgesellschaft, die Eisenbahngeselschaft Tschiaturi und die Hafenbetriebsgesellschaft Poti ................................... 131 • Niederschrift über die Sitzung im Reichswirtschaftsamt ......... 133 • Vertragsentwurf zwischen der Georgischen Regierung 2 und der Georgischen Manganerzgesellschaft bezw. Hafengesellschaft Poti ................................................. 135 • Präliminär – Frieden zwischen den vier verbündeten Mächten einerseits und der Transkaukasischen Republik andererseits ............... 137 • Entwurf eines Vertrags zwischen Deutschland und der Türkei einerseits und Transkaukasien andererseits ................................... 139 • Konzession zur Landung und zum Betrieb von Kabeln im Gebiete der Republik Georgien ............ 142 • Entwurf eines deutsch-georgischen Vertrages über die Bezahlung des an Georgien zu liefernden Kriegsmaterials und über die Bereitstellung von Zahlungsmitteln für deutsche Ankäufe in Georgien ................................. 145 • Die Erklärungen von deutscher und türkischen Seiten an das georgisches Komitee der Nationaler Unabhängigkeit bezüglich der Unabhängigkeit Georgiens und desen Grenzen .......................................................... 147 • Die anliegende Karte mit den Grenzen künftigen Georgiens …………………………………… 149 • Angaben über die Wehrmacht Georgiens Nach dem Stand von 1 Januar 1921 Materialien der strategischen Auskundschaftung Der RSFSR …………………………………………….. 151 • Das Projekt der Neutralisierung des Kaukasus und seiner zukünftigen politischen Organisation erstellt vom „Kommitte der Nationaler Unabhängigkeit Georgiens“ ... 155 3 VORWORT Die osterweiterung der EU hat die Geopolitische Lage des XXI Jahrhunderts qualitativ verändert. Es wird immer wieder die Frage der Kaukasusstaaten aktualisiert. Inwiefern reell ist die Integrierung Georgiens in die europäische Welt? Die Frage lässt sich ziemlich einfach stellen: - Was erhält Georgien durch die Integration in Europa? Inwiefern ist Georgien Träger der europäischen Kultur? Was erwartet georgische Gesellschaft von Europa? Inwiefern ist Georgien bereit für die Integrierung in die europäische Welt? Das langwierige zweihundertjahrealte politische Problem bleibt nach wie vor zu lösen, aber Georgien vermag es nicht mit seinen eigenen Kräften zu lösen. Dies ist das - ,,Klären der Beziehungen mit Russland“, das bedeutet, einen großen Vertrag mit Russland. Auf diesem Wege ist aber unbedingt ein Vermittler nötig. Russland ist fern davon, sich von seinen ehemaligen Kolonien auf dieselbe zivilisierte Weise zu trennen, wie es Großbritannien und Frankreich schafften. Es ist unmöglich mit Russland ein bilaterales Abkommen einzugehen, wenn Russland Unabhängigkeit eines anderen Staates nicht akzeptiert und respektiert. Dies haben die letzten 15 Jahre deutlich gezeigt. In der heutigen außenpolitischen Doktrin der USA ist die Vermittlerfunktion zwischen Russland und Georgien vorläufig nicht absehbar. Daher könnte die Europäische Union auf dieser Etappe als ein solcher Vermittler auftreten, was auch aus der Position der OSZE ablesbar ist. Man sollte auch beachten, dass es in dem georgischen Geschichtsgedächtnis solchen (ähnlichen) Präzedenzfall gibt. 1918 fungierte Deutschland zwischen Georgien und Russland und die Vermittlung der deutschen Regierung trug positives Ergebnis heraus. Nämlich, am 27. August 1918 wurde das deutsch-russische Zusatzabkommen von Brest-Litowsk unterzeichnet, dessen 13. Punkt lautet, dass Sowjetrussland die Anerkennung Georgiens als eines Unabhängigen politischen Organismus seitens der deutschen Regierung einwilligt. Auf dieser Grundlage erfolgte die Unterzeichnung des –russisch-georgischen Abkommens am 7. Mai 1920, auf derselben Grundlage wurde Georgien de jure von den führenden Ländern der Welt anerkannt. Die Antwort auf die Frage – inwiefern ist reell die Integration Georgiens in die europäische Welt? – hängt vor allem davon ab, inwiefern ist bereit der europäische politische Organismus und seine außenpolitische Doktrin die Funktion zu übernehmen, welche auch das Kaiserliche Deutsachland im Jahre 1918. Dabei ist es auch äußerst wichtig die Frage zu klären, inwiefern ist bereit selbst Georgien zur Integration mit Europa. Die Angehörigkeit der uralter georgischer Sprache und Kultur zu dem so genanten Meditteranischem Sprach- und Kulturraum ist zweifellos. Die Tatsache, dass Georgien seit uralter Zeit sich im Gebiet der Verbreitung der europäischen (hellenistischen) Zivilisation befand, ist archäologisch bestätigt. Es sollte etwas detaillierter zur Frage der Genesis und der Form des georgischen Feudalismus gesagt werden. In der georgischen Historiographie wurde dieser Frage schon immer eine große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Forschungen, die in dieser Richtung geführt wurden, bestätigten die Ähnlichkeit der Formen der georgischen Vassalität mit denen der französischen (klassischen) Vassalität. Die Ähnlichkeit mit dem deutschen Feudalen Institut des Kurfürsten bezeugt auch die Bildung des feudalen Heeres in Georgien zu der Zeit der feudalen Auflösung und die rechtliche Transformation des Instituts von Eristavi. 4 Der georgische Feudalismus hat sich viel klassischer entwickelt als der Feudalismus in der Byzanz. Die Fruchtbarkeit des Bodens, die Naturwirtschaft, haben den georgischen Feudalismus von eher von dem byzantinischen unterschieden und es waren die Komponente, die den georgischen Feudalismus den klassischen (französischen) feudalen Beziehungen näher brachten. Das war auch der Grund, weshalb die feudale Versplitterung in Georgien so vital vor sich ging. Kurzgefasst, stellte die damalige georgische feudale Lebensweise die Lebensweise der damaligen europäischen Welt dar. Der Kirchen-Zwist vom Jahre 1054 machte Georgien zu einem rein geographischen, wenn es auch so formuliert, zu einem geopolitischen, dem äußersten kulturellen Grenzgebiet des östlichsten Christentums. Seit dem ist die Geschichte Georgiens die Geschichte des ständigen Kampfes gegen die Moslemischen Staaten für die Bewahrung des eigenen Staates und eigenen Identität. Diese Identität waren der Christliche Glauben und die feudale Lebensweise. In diesem Kampf waren die europäischen Staaten natürlichen Alliierten für Georgien. Die Geschichte des georgischen Feudalismus lässt Georgien als ein Teil der europäischen Zivilisation erscheinen. In der georgischen Mentalität (sogar nach einem zweihundertjährigen Vakuum) ist die Existenz der europäischen Eigentumsform stark präsent. Die Hauptwerte der modernen entwickelten Welt haben ihren Anfang (Ursprung) auch in der feudalen Eigentumsform. Die tatsächliche Zueigennahme dieser Werte durch die Kaukasier kann nur durch ein Volk ermöglicht werden, welches Träger der kaukasischen Sitten und Bräuchen und der Mentalität der Feudalismusgeschichte ist. Unter diesem Volk im Kaukasus können nur Georgier gemeint werden. Die Georgische Nation verfügt über ein Potential um im Kaukasus die Funktion des Trägers und Leiters der modernen europäischen Lebensweise und der modernen europäischen Werte zu erfüllen. Aber dies erfolgt erst unter der Bedingung, wenn das georgische Volk sich diese Lebensweise und Werte zunächst selber zu Eigen macht. Das letztere ist aber solange unmöglich, bis das Bewusstsein der Georgier vom Syndrom des so genannten „Homo Sowjeticus“ nicht befreit wird. Das politische Streben Georgiens zum Westen, zur europäischen Zivilisation hat ihre eigene Geschichte. Der Konflikt zwischen dem Griechenland und Persien ermöglichte die Bildung des Königreichs Kolchis im VI Jh. v. Ch. Erst nach dem Siege Alexanders von Mazedonien über die Perser bildeten sich günstige Bedingungen heraus für die Bildung des Königreichs Iberien. Schon das Bündnis mit dem mächtigen, zu Georgien wohlgesinnten alten Roms von Augustus’ und Vespassianes brachte dem Königreich Iberien großen politischen und wirtschaftlichen Nutzen. Iberien wurde zu dem mächtigsten und reichsten Staat im Kaukasus. Die Erklärung des Christentums zur Staatsreligion Mitte des 4. Jh.-s gilt als politische und kulturelle Verwirklichung dieser Orientierung. Der König Wachtang Gorgasali nutzte die Auseinandersetzung der Byzantiner und Perser im V Jh. aus und begann einheitlichen georgischen politischen Organismus zu bilden. Auf derselben Grundlage gelang es David Kurapalat die Grenzen seines Reiches zu erweitern und die politische Vereinigung Georgiens zu beginnen. In der Schlacht bei Didgori besiegte David der Erbauer das durch die Aktivitäten der Kreuzritter geschwächte einheitliche Heer der Moslems, vereinigte den Kaukasus bildete einen der stärksten Staaten im damaligen nahen Osten und entwickelte die Königliche Macht bis zum Absolutismus. Bereits im 12. Jh. gab es in Georgien schon die Ansätze der Bildung eines Parlaments. Der Überfall der Mongolen spaltete das Land entzwei. Nach dem Fall von Byzanz löste sich das einheitliche georgische Königreich endgültig auf. Obwohl die Existenz der feudalen Einheiten noch 3 Jahrhunderte zählt. Dies deutet von der Lebensfähigkeit des georgischen Feudalismus. Das geschwächte Georgien versuchte vergebens nach europäischer Kraft zu suchen, die 5 sich in das politische Leben des Kaukasus einschalten würde. Die Suche brachte die georgische Politiker vor die Tore, des „dritten Roms“. Tatsächlich aber für Georgien hatten diese zwei Alternativen (Europa und Russland) eine politisch gänzlich unterschiedliche Bedeutung. Die Politik der orientalischen Staaten in Georgien war traditionell auf die Schwächung der Zentralen Macht gerichtet. Dies äußerte sich darin, dass diese Staaten knüpften unmittelbaren Kontakt mit den Provinzverwaltern, unterstützten ihre separatistischen Bestrebungen, oder auch setzen, die ihnen gegenüber treu gesinnten Verwalter ein. Die Römer aber und die Byzantiner (wie weitentfernte Subjekte) bevorzugten sich auf die zentrale Macht zu stützen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass in einer solchen Lage ein politisches Bündnis mit dem Westen für Georgien viel günstiger war. Die europäischen Staaten aber maßen ihrerseits Georgien die Bedeutung eines politischen und kulturellen Vorpostens der römischbyzantinischen Welt bei. Der im 1783 von Erekle dem II mit Katarina unterzeichnete Vertrag stellte Teilweise eine Kapitulierung dar gegenüber dem ferneliegenden Christlichen Verbündeten; Erekle der II hoffte, dass ,,das III Rom“ der Vorsetzer und Erbe der Kaukasuspolitik seiner Vorgänger würde und demnach die zentrale Macht in Georgien unterstützen würde. Der Traktat von Georgievsk stellt hinsichtlich des internationalen Rechtes ein bedeutendes Dokument dar und hat eine dualistische Bedeutung. Er beihaltet einerseits eine gewisse Einschränkung der Souveränität und andererseits bestimmt juristisch die georgische Staatlichkeit. Die erste von diesen zwei Seiten gab einer ganzen Reihe von den russischen und sowjetischen Wissenschaftlern und Politikern die Möglichkeit (aber ganz unbegründet) von dem freiwilligen Anschluss Georgiens an Russland zu sprechen; die andere Seite aber wurde zum Prüfstein der georgischen nationalen Bewegung des ganzen 19.Jh.-s und spielte eine bedeutende Rolle bei der Anerkennung Georgiens durch die europäischen Staaten in den Jahren 1918-1921. Russland schien für Georgien ein Staat zu sein, der Träger von europäischen politischen Traditionen war. In der Wirklichkeit aber übte Russland hier die Politik der orientalischen Staaten aus. Das heißt, Russland stellte sich auf dem Weg der Konfrontation mit der Zentralmacht und schürte gegen die letzte die Provinzen. Die georgischen Politiker spürten die Unvereinbarkeit der äußeren Form mit des Inhalts der russischen Verbündetenpolitik damals, als gleich nach dem Tode von Erekle den II, der russische Zar offen gegen die Zentralmacht auftrat und diese 1801 offiziell abschaffte. Der georgische Staat hörte in der Zeit des Feudalismus durch die Hand eines Christlich orthodoxen Staates auf. Der Georgische Adel und mit ihm auch der georgische Feudalismus, also die georgische Lebensart, wurden zerstört. Die georgische Kirche (also die georgische Rechtgläubigkeit) sowie die georgische Theologie, die ihrem Innhalt nach sich wesentlich von der russischen Theologie unterscheidet und eher ein europäisches Phänomen darstellt, hörten auf zu existieren. Mit der Auflösung der Staatlichkeit wurden die Georgier der Orientiere ihrer Identität beraubt. Auf der Etappe des Kampfes gegen die moslemischen Staaten bildete der Christliche Glauben den Leidfaden für die Georgier in der Sache ihrer Identität. Jedoch nach dem Anschluss an Russland wurde der Orthodoxe Glaube und die feudale Gesellschaftsordnung im Allgemeinen, zu störenden Faktoren bei der Suche nach der Identität. Die russische Herrschaft bot Georgiern die Gelegenheit der physischen Existenz, der Preis dafür war aber die Absage vom politischen und kulturellen Leben, was für eine Nation und einen Staat gleich des Todes ist. Demnach hörte die Entwicklung des georgischen Staates, der Identität, Lebensweise auf der Stufe des Feudalismus auf. Im laufe des 19. Jh.-s suchten die georgischen Intellektuellen nach neuen Orientierungen für die Identität der georgischen Nation. Eine neue Etappe in der georgischen 6 nationalen Bewegung beginnt in den 60-er Jahren des 19.Jh.-s. Eine Generation von Georgiern, die an den Universitäten Russlands und Europas ihre Ausbildung erhalten haben, kehrt Heim. Sie Standen unter dem Einfluss der zu jener Zeit in Europa ablaufenden Prozesse und fanden Inspiration für Tätigkeit im Schaffen europäischer Intellektuellen. Die erste hälfte des 19. Jh.-s wird in der Geschichte des europäischen Denkens durch den Aufstieg der liberal-nationalen Bewegung gekennzeichnet. Der Nationalstaat war kein Selbstzweck. Man bestimmte die Rechte der Nation indem man diese von den Menschenrechten ableitete, die individuell und universell sind. Anstatt der bis dahin existierenden Staatlichen Interessen (was mit den dynastischen Interessen identifiziert wurde), tauchten die Interessen des Volkes und Nation auf. Die liberal-demokratischen nationalen Bewegungen des Beginns des 19.Jh.-s hofften in erster Linie auf die Verwirklichung der Ideale der Freiheit, Demokratie und des Parlamentarismus in einem Nationalstaat. Für sie war der Nationalstaat ein Synonym eines demokratischen Verfassungsstaates, der Parlamentarismus aber stellte für sie eines der Mittel der Verwirklichung dieser Ideale. Die Helden des europäischen „Risorgimento“ waren Dichter, Sprachwissenschaftler, Historiker, die mit Wort und Tat für das kulturelle Aufleben ihrer Völker und für die politische Selbststimmung in einem Nationalstaat strebten. Es waren die Deutschen: Johann Gottfried Herder, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt; die Griechen: Rigas Velestinis, Adamantio Korais; die Iren: Daniel O’Connell, Thomas Devis; die Polen: Joachim Lelevel, Adam Mitzkievich; der Tscheche: Frantischek Ballak; der Italiener: Juseppe Mazini. Sie plädierten für die Reformierung der Nationalsprache und für die Festigung des nationales Bewusstseins. Sie betrachteten die Sprachgrenzen als natürliche Grenzen des Staates. Aus diesem Grunde bestrebten sie die Schaffung der Literatur in der Nationalsprache und deswegen galten sie als Reformatoren der Sprache. Die oben erwähnte Generation der Georgier, welche in den 60-er Jahren des 19.Jh.-s ihre Ausbildung in Russland und in Europa erhielt, stand unter diesem Einfluss und das Schaffen und die Tätigkeit ihres bedeutendsten Vertreters Ilia Tschavtschavadze vereint in sich all diese Bestrebungen. Die Schaffung der modernen georgischen Literatursprache, die Reformierung des Alphabets, das Motto ,,Vaterland, Sprache, Glauben“ stellte für die Georgier einen neuen Versuch der Bestimmung der Identitätsorientieren dar, die für die damalige Welt aktuell waren. Wie gesagt zum russischen Reich gehörend konnte das Orthodoxenthum nicht mehr zum Hauptorientier der Identität dienen. Aufgrund der Nichtexistenz der Staatlichkeit wurde für I. Tschavtschavadze die territoriale Frage – das Vaterland – zur vorrangigen Orientierung. Die georgische Lebensweise, die nationale Eigenartigkeit in der Zeit des russischen Kolonialismus wurden von Ihm mit der Sprache identifiziert. Gerade das Verbot der georgischen Sprache in den Schulen und Kirchen bildete den Anstoß für die Entstehung der Bewegung der 60-er Jahre. Und schließlich - der Glauben – das Christentum, welches für Georgier im laufe von Jahrhunderte der allererste Orientier der Identität war, welcher Georgien von der orientalischer Welt abgrenzt und welcher es der westlichen, europäischen Welt zugehörig macht. Ilia Tschavtschavadze führte in Georgien die Ideale des liberal-demoktarischen Nationalismus als einer allgemein europäischen Erscheinung Konsequenz durch. Für Ihn war der Liberalismus der Weg und das Mittel zur Erlangung der nationalen Freiheit. Er verstand dass es unter gegebenen Bedingungen keine Rede von der völligen Unabhängigkeit Georgiens sein konnte; darum kämpfte er für die Erlangung der Selbstverwaltungsrechte (Autonomie). Aber leider wurde die Tätigkeit dieser ganzen Generation in ihren besten Bestrebungen nicht mehr fortgeführt. Nach dem Zusammenbruch des Romanow-Reiches haben in Georgien die nationalen Orientiere den Platz geräumt dem allgemein russischem Problem der sozialen Orientiere. Es wurde die Erste Republik Georgien ausgerufen, aber die Regierung erwies sich als unfähig den Staat zu leiten und zu verwalten. Auf ihrem Programm fand die unabhängige Staatlichkeit 7 Georgiens und Kaukasus keinen Platz. Die Wiederherstellung des georgischen Staates wurde durch die äußeren Faktoren bedingt und nicht durch die regierende Partei. Die Mitglieder der damaligen Regierung waren die Vertreter der allgemein-russischen Partei der Sozial-Demokraten, die georgische Fraktion der so genannten ,Menschewiki“. Die parteiliche Zugehörigkeit hat sie gestört im Interesse des Staates zu handeln und zu denken. Sie waren hauptsächlich damit beschäftigt um über die Richtigkeit der Rezeption und Wahrnehmung der marxistischen Lehre mit den Bolschewiki zu streiten. Um es kurz zu fassen, stellten sich 1918-1921 in Georgien ablaufenden Prozesse den innenparteilichen Kampf der Fraktionen der ,,Bolschewiki“ und ,,Menschewiki“ dar, dem völlig ,,unvoraussehbar“ die Wiederherstellung der Staatlichkeit in Georgien folgte. Fast alle Fragen von staatlicher Bedeutung blieben offen, die staatlichen Aktivitäten der georgischen Sozial-Demokraten entsprachen nicht dem Entwicklungstempo der damaligen globalen Erscheinungen. Dies ermöglichte den Bolschewiken völlig problemlos eigene Ordnung in allen Aspekten zu errichten, weil sie es nicht nötig hatten, das existierende System und Beziehungen zu Zerschlagen. Mit einem Wort, die 11 Rote Armee der Bolschewiken wurde nicht von dem Staat bekämpft, sondern nur von einigen treuen Militäreinheiten der regierender Partei. Der Umstand, das in Georgien nicht einmal ein Keim eines Staatssystems vorhanden war, ließ das Volk dar nationalen Politik gegenüber infantil und gleichgültig sein. Die verwirte Bevölkerung betrachtete gleichgültig die von der „Roten Brücke“ Herbeireitenden, denen dieselben Georgier mit denselben Mottos davorritten und in der Hand dieselbe, von den Menschewiken vor kurzem gewechselte Rote Fahne hielten. Beachtenswert ist die Einschätzung dieser Periode durch den Führenden Vertreter der damaligen georgischen Elite der Intellektuellen Surab Awalischwili: - Die damalige Regierung neigte sich mehr zu den ideologischen Doktrinen; - Die aus dem revolutionären Hintergrund aufgetauchte georgische Regierung blieb im Banne der sozialen Demagogie und konnte sich nicht zur demokratischen Regierung entwickeln, welche die nationalen Interessen des Staates zum Ausdruck bringt; - Sowohl die Agrar-Reform als auch die soziale Politik waren ihrem Inhalt nach nicht auf Europa und seiner bürgerlichen Gesetzgebung orientiert, sondern auf Moskau, das aber bildete einen Hindernis in der Sache der Orientation auf Europa, der Georgien bis 1921 folgte. Ein derart kardinales Nichtübereinstimmen der Außen- und Innenpolitik konnte selbstverständlich nicht im Interesse des georgischen Staates sein. - Im Ministerkabinett und in anderen, niedrigeren Stufen der Macht herrschte Korruption, das staatliche Eigentum wurde geplündert... Um es mit S. Awalischwili zu sagen: ,,Als im Februar-März 1921 Georgien auf den Operationstisch gelegt wurde und ihn ein erfahrender Chirurg – die Sowjetmacht – operierte, so wusste er (=der Chirurg), dass der Patient bereits betäubt und zur Operation vorbereitet wurde von der nicht minder erfahrener, aber weniger entschlossener georgischen SozialDemokratie“. Nach der Errichtung der Sowjetmacht schwanden in Georgien für geraume Zeit die ephemere Unabhängigkeit und auch die Illusion der möglichen Bildung eines Nationalstaates. Diese Illusion wurde erst mit der Auflösung der Sowjetunion wieder ins Leben gerufen. Heute befindet sich Georgien auf dem Kreuzweg: Es beginnt sein politisches Leben. Für die georgische Historiographie ist das Durchdenken, die Analyse der neuesten, postsowjetischen georgischen Geschichte eine äußert zeitige und notwendige Aufgabe. Gerade heute, wo die emotionale Spannungstemperatur langsam senkt und dem Pragmatismus Platz schafft, ist an der Zeit mit der Ruhe, ohne Emotionen den vergangenen Weg zu Überblicken und zu durchdenken. Man muss die Fehler finden, man muss das nüchterne Auge auf die Perspektive der Zukunft werfen. Nach der Auflösung der Sowjetunion war die Identität der Georgier im geschichtlichen Gedächtnis immer noch beim Feudalismus und ist es immer noch dort. Die postsowjetische 8 Geschichte aller postsowjetischen Staaten (die Staaten des Baltikums ausgeschlossen) ist ziemlich homogen. Während der Sowjetzeit war der Prozess der eigenartigen Entwicklung dieser Länder eingeworfen, und deren Geschichte fror an dem Punkt ein, wo diese Länder von der Sowjetisierung eingeholt werden. Die Demontage des sowjetischen Systems in den Ländern des Baltikums geschah viel leichter wegen ihrer bürgerlichen Erfahrung. In anderen postsowjetischen Ländern, die einer solchen Erfahrung entlaubt waren, ging der Prozess der Demontage nach der bereits erprobten Form vor sich hin- die Suche eines alternativen Systems begann mit der Herausbildung des Autoritarismus. Die Geschichte Georgiens der letzten Jahre stellt ein klassisches Beispiel der für die postsowjetischen Länder neuesten Erfahrungen der Diktatur, Anarchie, des Autoritarismus und der Oligarchie dar. Man nannte Nicolo Machiavelli einen Zyniker wegen seiner Aussage über das böse Wesen des Menschengeschlechtes. Aber keiner seiner Kritiker konnte es sich vorstellen, inwieweit die Gedanken und Ansätze des großen Denkers des Mittelalters und des Begründers der politologischen Wissenschaft mit den Prozessen übereinstimmen, welche auf der Peripherie des aufgelösten sowjetischen Reiches ablaufen. Hier kurz zur Erinnerung über einige Ansätze von Machiavelli. Aristoteles und Polibius unterscheiden folgende drei Formen der Staatsordnung: 1.Monarchie, 2. Aristokratie, 3. Demokratie. Machiavelli meint jedoch dass diese Formen auch Gegenformen, negative Formen oder Antithesen besitzen. So wird die Monarchie zur Despotie abgeartet, nach der Niederlegung der Despotie kommt es zur Aristokratie, die sich in die Oligarchie transformiert. Die Oligarchie wird vom Volk niedergestürzt und die Demokratie wird errichtet, die ihrerseits zur Anarchie abartet. Danach muss der Staat niederstürzen, falls seine Erneuerung nicht erfolgt. Die Erneuerung aber sieht Machiavelli im Erscheinen eines starken Herrschers, der neue Gesetze verkündet wie etwa der Moses, Licurges, Solon. Machiavelli gibt uns auch das Bild von einer für ihn ideellen Form der Macht- das ist die gemischte Machtform, bei der das Volk (popolo) über gewisse Rechte verfügt. Diese Rechte sind – das Recht zu wählen und gewählt zu sein, der Machtkontrolle und das Recht auf das Gericht. Die feudale Aristokratie ist für Machiavelli der Staatsfeind und ein Stützpunkt der Despotie. Die Schicht der vornehmen Bürger (patritiat) ist für Machiavelli eine fortschrittliche, gebildete und schaffende Kraft. Nach seiner Meinung, sollten die Personen auf höhere Ämter aus deren Reihen gewählt werden. Das Staatsoberhaupt ist für Machiavelli Vertreter des Staates selbst wie der ,,Gonfalonier der Gerechtigkeit“ in der Florenz zu seinen Zeiten. Wenn wir uns die uns interessierenden Geschehnisse aus der Sicht und im Lichte der Theorie von Machiavelli betrachten, so können wir die Auflösung des russischen Zarenreichs als Krach des Reiches einschätzen, eines Reiches, in dem alle Formen und Antithesen der Staatsordnung koexistierten. Der kurzfristige Sieg der Demokratie (popolo) konnte dem Ansturm des Bolschewismus (plebs) nicht standhalten und im Lande herrschte Anarchie. Der Staat musste niederstürzen. Dem wurde aber durch das Erscheinen des Phänomens von Joseph Stalin haltgemacht. Stalin errichtet im Namen der Volksmassen (plebs) seine, eigene Diktatur, verkündet neue Gesetze. Historische Gesetzmäßigkeit wurde verletzt. In Russland setzt eine neue Etappe direkt mit Antithese ein. Anstatt der Monarchie wird Despotie hergestellt. Aus dem Schoße der Volksmassen (plebs) entspringt eine neue Aristokratie (nobile sowetico), deren Bedürfnisse nicht mehr mit dem Puritanismus des Plebs zusammenfallen. Die Aristokratie im sowjetischen Russland hatte gleich bei ihrem Entstehen die Form der Oligarchie bekommen, was auch eine Antithese darstellt. Die Breschnew-Epoche ist das Beispiel dafür. Eine Antithese wurde mit der anderen abgelöst und ihr Sturz war unvermeidlich. Demnach stellt die neueste Geschichte Russlands die Aufeinanderfolge der Antithesen, 9 was nicht als eine natürliche Entwicklung gelten mag. Obwohl die Auflösung des Sowjetreichs in den Peripherien scheinbar äußerlich gesetzmäßig abgelaufen war (die Peripherien wurden von den Diadochos bemächtigt Schewardnadse, Alijew, Nijasow, Nasarbajew...), aber dem Inhalt nach blieb es bei den Antithesen, also bei den negativen Machtformen. Nach der Auflösung des sowjetischen Reiches 1991 erlebte Georgien 3 Präsidentschaften. Aber ungeachtet dessen, dass alle drei Präsidenten sich persönlich und politisch voneinander unterscheiden, alle drei wählen denselben Weg - den Weg des Autoritatismus. Der Grund dafür besteht in der einfachen Wahrheit – nämlich darin, dass allen dreien kein anderes Modell der Machterhaltung bekannt ist. Die im stalinischen Reich erprobten und aus den Lehrbüchern gelernten bolschewistischen Methoden sind für sie leichter anzueignen. Denn die Untertanen sind ja dieselben„Homo Sowjeticus“. Obwohl den Staatsmännern der georgischen postsowjetischen Regierungen folgende Wahrheiten sehr wohl bekannt sind, nämlich: - dass die Demokratie keine Ideologie ist, sondern ein Verfahren dazu, eine Entscheidung zu treffen (Friedrich von Hayek); - dass die Voraussetzung zur Bildung eines Staates das Privateigentum ist (John Lock); - dass der Freiheitsgedanke sich nur im Zusammenhang mit dem Eigentumsgedanken entwickelt und dass wir die eifrigste Tätigkeit lediglich dem Eigentum verdanken (Wilhelm von Humboldt). Diese „wir“ können nur Eigentümer, Bürger sein und keinesfalls der „Homo Sowjeticus“. Im Unterschied zur Sowjetregierung stellt sich die heutige Regierung Georgiens ihre Macht als eine demokratische dar. In der Tat aber entspricht Georgien keinesfalls den Anforderungen der vertretenden Demokratie. Die äußeren Formen der letzteren decken nur die Diktatur der Nazional-Demokratischen Partei in Georgien. Sowohl die Agrarpolitik als auch die Sozialpolitik sind Ihrem ganzen Inhalt nach nicht auf Europa und dessen bürgerliche Gesetzgebung gerichtet, sondern an Moskau. Dies aber bildet das wichtige Hindernis in der Sache der europäischer Orientierung, die georgische Regierung dauernd aufruft. Ein dergleicher kardinaler Widerspruch der Außen- und Innenpolitik kann unmöglich im Interesse eines unabhängigen georgischen Staates sein, weil es auf keinerlei Weise zur Stärkung eines politischen Organismus beitragen kann und das russische Modell der Sozialpolitik kann keinesfalls zur Auflösung des Zauberkreises der im postsowjetischem Raum herrschender Reihenfolge der Antithesen beitragen. Die Verwandlung des „Homo Sowjeticus“ zu einem Eigentümer – zu einem georgischen Bürger (Bourgeois) – das ist die wichtige Voraussetzung für die Integration Georgiens mit Europa. David Paitschadse Tbilissi 2005 10 Vorwort für erste Auflage Die politische Geschichte des Ersten Weltkrieges und die der Außenpolitik Deutschlands gehören in der Wissenschaft schon seit langem zu den meist diskutierten Fragen. Nach der Rückgabe der deutschen Archivmaterialien in der zweiten Hälfte der 50-er Jahren des 20. JH entstanden die fundamentalen Werke von Fritz Fischer, Winfried Baumgart und Wolfdieter Bihl. Das bekannte Werk von Fritz Fischer „Griff nach der Weltmacht“ stellt eigentlich den Versuch der historischen Synthese und Generalisierung dar. Obwohl die Forschung der einzelner konkreten Fragen nach diesem Werk keinesfalls ihren Sinn verloren hat, sondern im Gegenteil, ihnen wurde eine besonders aktuelle Bedeutung beigemessen. Die Tätigkeit von Baumgart konzentriert sich auf die Ostpolitik Deutschlands, und letztendlich, das äußerst wichtige Werk von Wolfdieter Bihl „Die Kaukasuspolitik der Mittelmächte“ und die hochinteressante Arbeit von Werner Zürrer „Kaukasien (1918-1921) Der Kampf der Großmächte um die Landbrücke zwischen dem Schwarzem und Kaspischem Meer“ fokusieren sich auf den Kaukasus. Die politische Aktivität Deutschlands im Kaukasus während des Ersten Weltkrieges war so kurzfristig, dass es heute schwer fällt, irgendwelche Schlußfolgerungen daraus zu ziehen und Perspektiven zu erschließen. Obwohl es auch schon auf den ersten Blick klar wird, dass die deutsche Kaukasuspolitik sich wesentlich von der Politik unterschied, die Deutschland gegenüber den infolge der Auflösung des zaristischen Rußlands entstandenen Staaten durchzuführen pflegte. Im Laufe seiner Geschichte war das georgische Volk genötigt, seinen Kampf für die Unabhängigkeit gegen die mazdeanischen und moslemischen Staaten des Orients zu führen, deren traditionelle Politik in Georgien gegen die zentrale Macht gerichtet war. Dies äußerte sich darin, dass diese Staaten den unmittelbaren Kontakt mit den Provinzverwaltern aufnahmen, setzten sie selber ein, unterstützten ihre separatistische Bestrebungen und richteten sie gegen die zentrale Macht. Die westlichen Staaten dagegen, sowohl Rom als auch Byzanz stützten sich auf die Zentralmacht in Georgien. Die Gründe einer solchen Politik sollten wahrscheinlich darin bestehen, dass Rom und Byzanz sich weit fern befanden und dass einen treuen und starken Verbündeten zu haben für sie von viel größerer Bedeutung war, als mit einem schwachen und gehorsamen Untertan zu manipulieren. D.h., Rom und Byzanz maßen Georgien die Bedeutung des Vorpostens des römisch-byzantischen Raumes im Osten bei. 1783 in Georgiewsk unterzeichneter Vertrag zwischen einem der georgischen Königreiche und dem Russischen Reich war eine partime Kapitulation vor dem weit gelegenen christlichen Verbündeten in der Hoffnung, dass der „Dritte Rom“ der Fortführer und Nachfolger der Kaukasuspolitik seiner Vorläufer bleiben würde. D. h, daß er die Zentralmacht in Georgien unterstützen würde. Da aber Russland äußerlich für Georgien eine westliche, europäische Macht schien, übernahm sie in der Wirklichkeit die Politik der östlichen Staaten, also Rußland startete mit der Konfrontation gegen die Zentralmacht und brachte die Provinzen zum Aufstand gegen die letzte, was letztendlich zur Abschaffung der Zentralmacht führte. Die Kaukasuspolitik Deutschlands und nämlich, die Beziehung zu Georgien war für die Georgier Fortsetzung einer solchen „westlichen“ Politik. Es ist kaum zu glauben, daß die 11 Kaiserliche Regierung in Georgien die sozialdemokratische Partei, das heißt die Marxisten, unterstützt hatte. Das Paket der diplomatischen Dokumente weist deutlich darauf hin, von welch großer Bedeutung für das ehemalige Gouvernement Rußlands die auf den völkerrechtlichen Normen beruhenden gleichrangige, diplomatische sowie wirtschaftliche Partnerbeziehungen mit einem der größten Staaten der Welt sein sollte. Die beigefügten Dokumente ermöglichen die Forschung des konkreten Falls – der deutschen Georgienpolitik. Die Errinerungen des Freiherrn Friedrich Kress von Kressenstein und das volle Paket der diplomatischen Dokumente wird zum ersten mal veröffentlicht. Die vorliegende Publikation soll, unserer Meinung nach, von großem Interesse nicht nur für die Forscher, sondern auch für praktizierende Politiker und Diplomaten sein. Das Tagebuch des Freiherrn von Kressenstein enthält zahlreiche interessante Informationen sowohl betreffend die Geschichte der Politik als auch betreffend die Alltagsexistenz und die Mentalität der Georgier und der Völker des Transkaukasus. Demnach stellen diese Dokumente ein großes Interesse nicht nur für die Geschichte Deutschlands, sondern auch für die Geschichte Georgiens und des Transkaukasus dar. Das äußerst innige und verantwortungsvolle Verhältnis Kressensteins zu den Interessen und der Würde seines Vaterlandes ist ein feiner Beweis der These, dass ein Diplomat zu sein nicht nur einen beamtlichen Rang bedeutet, sondern eine Synthese von Erziehung, Weltanschauung und der Berufung ist. Mit der Publikation dieser Materialien möchten wir unseren kleinen Beitrag in die Forschung des konkreten Problems – der Georgienpolitik Deutschlands leisten. Es ist zu erhoffen, dass die beiliegenden Materialien die große Liste der deutschen Quellen des Ersten Weltkrieges ergänzen und die Sache für die Forscher erleichtern, die sich in der Zukunft mit diesem Thema auseinandersetzen. Zum Schluß möchte ich meinen tiefsten Dank der Alexander von Humboldt Stiftung, die überhaupt meine Arbeit ermöglicht hat, meinem wissenschaftlichen Gastgeber – Prof. Dr. Stefan Plaggenborg, den Mitarbeitern des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes und des Bayerischen Kriegsarchivs aussprechen, mit deren hilfsbereitem Beistand ich zu den Materialien gekommen bin und von denen ich auch das Veröffentlichungsrecht erhalten habe. David Paitschadse Tbilissi 2001 12 Die Einleitung Der erste Weltkrieg, die inneren Unruhen und die Hungersnot haben das Reich der Romanows zugrunde gerichtet. Das jahrhundertelang erarbeitete und geprägte Regime fand einen plötzlichen Niedergang. Das gab Anstöße zur Bildung demokratischer Bewegung in Rußland. Die zum russischen Imperium gehörenden Völker litten unter anderem auch an nationaler Unterdrückung. Insofern sollte die demokratische Bewegung in den weitgelegenen Regionen des Imperiums auch einen nationalen Charakter erhalten. Darunter wird eine politische Organisation gemeint, die imstande wäre, eigenes Land entsprechend dem Lande eigener Interessen zu bilden. Es ist paradox, aber kein einziges Volk vom Baltikum bis zum Kaukasus hat sich dazu bereit erwiesen. Die georgischen National-Demokraten und Föderalisten forderten Selbstverwaltung, waren aber auf den Untergang des Zarismus nicht gefaßt und empfingen diese Tatsache unvorbereitet. Außerdem war ihre parteiische Struktur ziemlich schwach. Der Kern der National-Demokraten hoffte auf die Niederlage Rußlands im Krieg und versuchte die Unabhängigkeit Georgiens durch den Gegner Rußlands – Deutschland zu erlangen. Diesem Zweck diente die Tätigkeit des Komitees für nationale Unabhängigkeit in Berlin. Selber in Georgien, wie bereits erwähnt, hatten die Strukturen der Parteien keinen ausgeprägten Charakter und übten keinerlei Einfluß auf das Volk aus. Im Gegensatz dazu beherrschten die durch die Revolution gehärteten Sozial-Demokraten die Lage, obwohl sie fern von der Idee der nationalen Unabhängigkeit blieben und sich lediglich mit der allgemeinen politischen Ideologie zufriedengaben. Um es kurz zu fassen, bildeten die georgischen Sozial-Demokraten nur einen Zweig der russischen sozial-demokratischen Partei und bekämpften stets die Anhänger der Autonomieidee Georgiens, das heißt (d.h.) die georgischen Föderalisten und die National-Demokraten. Als in Petrograd die Februar-Revolution siegte, dachte in Georgien und im Transkaukasus kaum jemand an die Wiederherstellung der Staatlichkeit1. Mehr noch, die 1 G. Uratadse, ein Zeitgenosse dieser Ereignisse, ein georgischer Sozial-Demokrat, schidert die damaligen Stimmungen in Tbilissi und im Transkaukasus folgenderweise: “Keine einzige Partei, keine einzige gesellschaftliche Organisation war auf solche riesige Umwälzung gefaßt. Zwar haben alle geahnt und es auch 13 angesehensten georgischen Sozial-Demokraten waren sogar dagegen. Aus deren Reihen stammten auch die politischen Führer des Transkaukasus. Die Idee der Unabhängigkeit aber war für sie, wie gesagt, derart fremd, daß sie daran nur in der ausweglosen Lage dachten… . Sobald der Statthalter des Zaren im Kaukasus Nikolai Nikolajewitsch die Meldung aus Petersburg erhielt, bestellte er Noah (= Noe) Schordania, den in Tbilissi illegal weilenden Anführer der georgischen Sozial-Demokraten mit Hilfe des Bürgermeisters A. Chatissow zu sich2. Der Statthalter teilte N. Schordania mit, daß er von seinem Amt abtrete und nach Petersburg reise. Dabei äußerte er die Hoffnung, daß die Sozial-Demokraten als eine der einflußreichsten Parteien keinerlei “Exzesse” im Transkaukasus zulassen werde. Demnach stellten die georgischen Sozial-Demokraten die Kraft dar, der die Zarenmacht die Rechte hinterließ. Die Sozial-Demokraten sollten die Verantwortung übernehmen, gemeint ist die Erhaltung des russischen Imperiums und das Anhalten der Frontlinie. So machen sich die georgischen Sozial-Demokraten an die Arbeit. Arbeiter – und Soldatenräte werden gebildet3. Am 18. März 1917 fand in Tbilissi der Abgeordnetenkongreß der Arbeiterräte des Transkaukasus statt, auf dem N. Schordania eine Programmrede hielt. Nach seiner Meinung sollten die Arbeiter-, Bauern- und nationale Fragen auf der Gründungsversammlung ganz Rußlands gelöst werden4. Somit setzten die georgischen SozialDemokraten all ihre Hoffnungen auf die Teilnahme an der Gründungsversammlung (konstituierenden Versammlung) ganz Rußlands und derer Wahlen.Während dessen breitete das Unabhängigkeitskomitee in Berlin aktive Tätigkeit aus. Es schloß mit dem Vierer-Bund ein Abkommen, laut dem im Falle des Sieges der Vierer-Bund die Unabhängigkeit Georgiens anerkennen sollte5. Die Tätigkeit des Unabhängigkeitskomitees war den georgischen Sozial-Demokraten bekannt. In seinen Memoiren schreibt N. Schordania, daß eine Vereinbarung erreicht werde, in dem man in beiden Richtungen arbeiten sollte6 d.h. die National-Demokraten sollten Verhandlungen mit dem Vierer-Bund führen, die Sozial-Demokraten aber eine Orientierung auf Rußland nehmen. Die Lösung schien weise zu sein, aber es kam, leider, zu keiner abgestimmten Kooperation… . Der Abgeordnetenkongreß der Arbeiterräte des Transkaukasus faßt den Beschluß über die Gründung des transkaukasischen Zentrums der Arbeiterräter unter dem Namen “Regionales Zentrum”. Zum Vorsitzenden wird N. Schordania gewählt. Die Haupttätigkeit des Zentrums war auf die Herausbildung der Soldatenräte gerichtet, deren Kongreß am 22. April in Tbilissi stattfand7. Der Kongreß wählte einen Regionalrat, als dessen Vorsitzender wurde der Hauptkomissar der Kaukasusfront E. Donskoj ernannt. Der Kongreß hat auch beschlossen, daß ein einheitliches regionales Zentrum der Arbeiter- und Soldatenräte gebildet werden sollte. Zum Vorsitzenden des einheitlichen Regionalzentrums wurde das ehemalige Mitglied der geäußert, daß die Tage des Regimes gezählt waren, daß die einen oder anderen Änderungen zu erwarten seien, aber keiner hat gadacht, daß die Ereignisse sich so schnell, in einem derartigen Tempo abspielen würden”. G. Uratadse. Bildung und Konsolidierung der georgisch-demokratischen Republik. München, 1956, S. 16 (in russ. Sprache). 2 G. Uratadse, ebenda. 3 G. Uratadse, ebenda. 4 Zeitung “Ertoba” (= “Einheit”), 21.März 1917, Tbilissi, 19.. (in georg. Sprache). 5 Rewas Grdselidse. Das Komitee der Unabhängigkeit Georgiens. Tbilissi, S. 199 (in georg. Sprache). 6 N. Schordania. Meine Vergangenheit, Tbilissi, 1990, S.72 (in georg. Sprache). 7 Zeitung “Meldungen der Abgeordneten der Arbeiter- und Soldatenräte N26, Tbilissi, 1917 (in russ. Sprache). 14 Staatlichen Duma E. Gegetschkori gewählt. Zur gleichen Zeit wurde in Tbilissi ein Kongreß der Bauernabgeordneten einberufen, der auch ein regionales Bauernzentrum zu bilden beschloß. Am selben Tag fand die gemeinsame Versammlung aller drei Zentren, auf der zum Vorsitzenden N. Schordania ernannt wurde. Mit bewundernswerter Geschicktheit ergriffen die Sozial-Demokraten die Revolutionsbewegung im Transkaukasus. Dabei blieben die National-Demokraten eine elitäre intellektuelle Organisation, die fern und abgetrennt von den Volksmassen wirkte. Laut Beschluß der provisorischen Regierung Petersburgs wurde am 9. März 1917 das Sonderkomitee Transkaukasiens (russisch OSAKOM) gebildet mit folgender Besatzung: Vorsitzender – B. Charlamow (Kadett, Mitglied der russischen staatlichen Duma); Mitglieder - M. Papadshanow (Mitglied der vierten staatlichen Duma, Kadett, Armenier); M. Dshaparow (Mitglied der vierten staatlichen Duma, ein Mussawater (“Einheit”), Aserbeidschaner); A. Tschchenkeli (Mitglied der vierten Duma, Sozial-Demokrat, Georgier); K. Abaschidse (Sozialist - Föderalist, Georgier)8. Das Sonderkomitee Transkaukasiens (ferner OSAKOM) stellte die provisorische Regierung im Transkaukasus dar, hatte aber keine reelle Macht aufgrund der Revolutionsräte. A. Tschchenkeli war zur gleichen Zeit auch Kommissar der Petrograder Arbeiter – und Bauernräte im Transkaukasus. Aus der Tätigkeit des OSAKOM hebt G. Uratadse folgende zwei Momente hervor: a) den Beschluß über die Gründung des “Zentralkomitees Transkaukasiens”, das die Durchführung der Wahlen der Gründungsversammlung leiten sollte und b) das Dekret über die “Semstvo” (Selbstverwaltungsorgane). Nach dem Oktoberumsturz wurde in Tbilissi das Komitee der gesellschaftlichen Sicherheit gegründet, zu dessen Besatzung Vertreter aller Parteien (außer Bolschewiki) gehörten. Am 26. Oktober (= am 8. November) wurde der Sonderkongreß der Arbeiter-Soldatenund Bauernräte einberufen, der den bolschewistischen Umsturz tadelte, die Wahlen der Gründungsversammlung unterstützte und beschloß, in Transkaukasien die Leninische macht keinesfalls zuzulassen. Außerdem sollten laut Beschluß des Kongresses in das OSAKOM außer den Vertretern der Parteien auch die Vertreter der Transkaukasischen Nationen eingehen9. Die Soldatenräte unter Leitung von Donskoj riefen die Armee zur Ruhe auf. OSAKOM unterstützte die Wahlen in Petrograd. In Baku nahmen die Dinge einen anderen Lauf – es wurde keine einheitliche, abgestimmte Resolution verabschiedet. Die Menschewiki (Sozial-Demokraten), Esseren (Sozial-Revolutionäre) und Daschnaken verließen die Räte. Die gebliebenen Bolschewiki wählten ein neues Exekutivkomitee und erkannten die Regierung Lenins an. Im übrigen Transkaukasus wurden am 14. November (an der Front am 1. November) die Wahlen der Gründungsversammlung durchgeführt. Aus dem Grunde, daß die provisorische Regierung in Petrograd verjagt wurde, führte das OSAKOM auch Wahlen durch und trat am 15. November zurück. Am 24. November fand im Volkshaus von Tbilissi auf Initiative des Komitees für gesellschaftliche Sicherheit eine Sitzung statt. Der Sitzung wohnten bei: Vertreter der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, des Exekutivkomitees des Arbeiterrates von Tbilissi, der Stadtduma, des Komitees für gesellschaftliche Sicherheit, des OSAKOM, der politischen Parteien, moslemischen Organisationen, des ZK der Post- und Telegraphbeamten und Vertreter der regionalen Nahrungsbehörden sowie Vertreter des Tbilisser Gewerkschaftsrates. 8 G. Uratadse, erwähntes Werk, S.20; über die Wahl von K. Abaschidse siehe: S. Awalow, Die Unabhängigkeit Georgiens in der internationalen Politik: in Jahren 1918-1921, Paris 1924, S.7. (in russ. Sprache). 9 Dokumente und Materialien zur Außenpolitik des Transkaukasus und Georgiens. Tiflis, 1919. Dokumente N2 – 6 (in russ.Sprache). 15 Außerdem, der Heerführer der russischen Armee im Kaukasus General Prschewalski, der Leiter des Armeestabs General Lebedinski, der General – Quartiermeister des Frontstabes General Lewandowski, englische und französische Militärattaches des Armeestabes, Vertreter der USA – Konsul Stivens, der Kavalerieleiter des Militärbezirks, der Generalsekretär u.a. ungefähr 400 Mann. Die Sitzung leitete E. Gegetschkori. Die offizielle Dokumentation, die Protokolle der Sitzung, die erste Resolution der Regierung Transkaukasiens sind von einem Gefühl des Bedauerns durchdrungen, daß Transkaukasien gezwungen ist eine Regierung zu bilden und daß es eine bittere Folge des Bürgerkrieges in Rußland sei10 und keinesfalls Wunsch der Transkaukasusvölker. All dies könnte man als einen geschickten diplomatischen Zug auffassen, wenn die darauffolgenden Schritte der Transkaukasusregierung wahrhaftig im Interesse des Staates unternommen wären. Aber es stellte sich heraus, daß die Ereignisse im Transkaukasus nur ein Abbild der in Rußland vor sich gehenden Ereignisse waren – der politische Kampf zwischen den Menschewiki und Bolschewiki (oder RSDRP), nur ein innenpolitischer Fraktionskampf. Die Herausbildung des transkaukasischen politischen Organismus war ein unvorgesehener Zufall. Am 28. November wurde die regionale provisorische Regierung Transkaukasiens gebildet, an der die Bolschewiki nicht beteiligt waren. Die Hauptaufgabe dieser Regierung war von N. Schordania formuliert: das Heranführen Transkaukasiens bis zu den Wahlen der Gründungsversammlung Rußlands, autonom wurden von der Regierung nur die laufenden Fragen örtlicher Bedeutung gelöst11. Die provisorische regionale Regierung nannte man das Transkaukasische Kommissariat. Zum Vorsitzenden wurde der Sozial-Demokrat Ewgeni Gegetschkori gewählt. Am 29. November 1917 wurde eine ordentliche Sitzung des Nationalen Unabhängigkeitskomitees in Berlin einberufen, in der Erklärungen verschiedener Regierungen betreffend der Unabhängigkeit Georgiens behandelt wurden. G. Matschabeli berichtete in der Versammlung, daß die Regierungen Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Türkei sich bereiterklärt haben, die Unabhängigkeit Georgiens anzuerkennen und seine Interessen bei der Friedenskonferenz zu vertreten. In der Sitzung wurde beschlossen, Kontakte mit der Regierung in Tbilissi aufzunehmen, damit in Tbilissi die Unabhängigkeit sowie die Friedensbedingungen Georgiens als eines unabhängigen Subjekts erklärt werden konnten12. Am 1. Dezember 1917 aber verabschiedete das Transkaukasische Kommissariat die erste Deklaration, in der die zu lösenden Fragen aufgezählt waren (d.h. bis zur Gründungsversammlung Rußlands übernahm es die Funktionen der “regionalen” lokalen Regierung13). Es ist bemerkenswert, daß in der Deklaration das Kommissariat sich bereitererklärt, für den Frieden auf der gesamten Russischen Front einzusetzen. Es war eine Ironie des Schicksals, daß die regionale Regierung vor der Lösung der Fragen staatlicher Bedeutung gestellt wurde, nämlich der Friedensinitiative der Türkei. An der Front hat sich zu der Zeit die Lage grundsätzlich geändert. Die Soldaten wollten den Krieg nicht mehr mitmachen, viele zogen nach Hause, einige befreundeten sich mit den Türken. In diesem Augenblick schickte der türkische Oberbefehlshaber der kaukasischen Front Ferik-Wehib-Pascha am 4. Dezember 1917 dem Transkaukasischen Kommissariat die Meldung, Frieden zu schließen. Das Kommissariat ergriff diesen Vorschlag und hat am selben Tag eine Sonderversammlung des regionalen Zentrums der Arbeiter-, Soldaten- und 10 Dokumente und Materialien, N 3, 4, 5, 6, 7; „In zwei Jahren“ (Reden und Vorträge von N. Schordania), Tiflis, 1917 SS. 51-52 (in russ. Sprache). 11 Die Zeitung “Stimme des Regionalrates”, N 126, Tiflis, 1917 (in russ. Sprache). 12 Das staatliche historische Zentralarchiv Georgiens, F 13, Ag 27, S 5 430, S. 32 (Die Daten bis zum 1. Mai 1918 sind nach dem alten Stil angegeben) (in georg. Sprache). 13 Dokumente und Materialien, N7 (in russ.Sprache). 16 Bauernräte unter Vorsitz von N. Schordania einberufen. Der Berichterstatter war E. Gegetschkori. Er meldete, daß das Trankaukasische Kommissariat diesen Vorschlag einstimmig akzeptiert. E. Gegetschkori bat die Sitzung um Unterstützung und sagte, daß im Falle der Zustimmung das Kommissariat die englische Armee in Messopotamien darüber in Kenntnis setzen und Volksvertretung für die aktive Teilnahme an den Verhandlungen einladen würde.14 Die Sitzung hat diesen Vorschlag einstimmig bewilligt und faßte einen Beschluß, in dem es mit Bedauern betont wurde, daß das Kommissariat wegen der Unruhen in Rußland gezwungen ist, die Friedensverhandlungen mit der türkischen Truppenführung zu führen15. Es sei auch erwähnt, daß das Transkaukasische Kommissariat nach Möglichkeit versuchte, die Interessen seiner Verbündeten – der Entente durchzusetzen. Der Oberbefehlshaber der russischen Armee im Kaukasus, General Prschewalski wurde beauftragt, Wehib-Pascha eine Antwort zu überbringen und die Einstellung der Kriegshandlungen zu erreichen ohne jegliche taktische Verlagerung, was der in Messopotamien dislozierten englischen Armee einen Schaden zufügen könnte. Prschewalski schlug Wehib-Pascha vor, eine gemischte russisch-türkische Kommission für die Erarbeitung der Friedensbedingungen zu bilden16. Nach der Einwilligung der türkischen Truppenführung wurde eine solche Kommission gegründet befehligt vom General-Major Wyschinski, der entsprechende Anweisungen erhielt. Am 18. Dezember 1917 wurde in Ersindschan ein Abkommen über den provisorischen Waffenstillstand unterzeichnet17. Am 14. Januar 1918 erhielt der Truppenführer der Kaukasusarmee, Generalleutnant Odischelidse von Wehib-Pascha einen Brief folgenden Inhalts: “Bei der Unterzeichnung des Abkommens über den provisorischen Waffenstillstand in Ersindschan erklärte das Mitglied der Kommission, General Wyschinski, daß die Kaukasusarmee die Verhandlungen im Namen der Regierung des unabhängigen Kaukasus führe… Seine Exzellenz (= Enwer-Pascha – D.P.) möchte wissen, wie sich die Regierung des unabhängigen Kaukasus die Wiederherstellung der friedlichen Beziehungen zwischen beiden Seiten vorstelle. Zu diesem edlen Zweck hat mich seine Exzellenz beauftragt, Abgeordnete in die Hauptstadt des unabhängigen Kaukasus zu schicken, was seine Exzellenz äußerst nützlich für die Wiederherstellung des ersehnten gerechten Friedens hält”.18 Gegetschkori setzte davon das regionale Komitee der Räte in Kenntnis. Er meinte, daß das Kommissariat in Bezug auf die Unabhängigkeit keine eigene Meinung habe. Gegetschkori wandte sich an die Versammlung mit der Bitte, einen Entschluß zu fassen. Die Versammlung faßte auch einen Entschluß, in dem Transkaukasus als ein Teil von Rußland erklärt wurde. Es wurde auch beschlossen, den Türken entsprechend dem Beschluß der Gründungsversammlung eine Antwort zukommen zu lassen.19 Indessen entfaltete das Unabhängigkeitskomitee Georgiens in Berlin Aktivitäten auf dem Gebiet der Anerkennung der Unabhängigkeit Georgiens mit allen ihm gehörenden Territorien.20 Gleich nach dem Kriegsbeginn zeigte Deutschland großes Interesse am Kaukasus. Die Tätigkeit von G. Matschabeli und M. von Tsereteli bildete günstige Bedingungen für die Durchführung der Politik des Deutschen Reichs. Die ausführliche Untersuchung der deutschen Kaukasuspolitik ist Gegenstand einer separaten Forschung. Hier beschränke ich mich nur auf einige Zitate des bekannten deutschen Historikers Fritz Fischer: “Mittlerweile war aber Transkaukasien ganz zum Kriegszielobjekt sowohl der Türkei als auch 14 Ebenda, N 9. Ebenda, N 8. 16 Ebenda, N 10. 17 Dokumente und Materialien, N 13, N 14. 18 Ebenda, N 15. 19 Ebenda, N 16. 20 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Akten. verner (A. A.) Wk 15, Bd. I, von Wesendonck, 27, 9, 1914. Siehe auch den Anhang Doc. № 13. 15 17 Deutschlands geworden. Pantürkische Ideen und Pläne Envers konkurierten mit der deutschen politischen und wirtschaftlichen Zielsetzung… Die Politik des Auswärtigen Amtes ging dahin: Georgien als Staat möglichst unversehrt zu erhalten und durch eine Militärkonvention und Wirtschaftsbündnisse an Deutschland anzugliedern.”21 Die in Berlin tätige Gruppe der georgischen Nationaldemokraten hat die Interessen Deutschlands sehr wohl gekannt. Im Wesentlichen stimmten sie mit den georgischen nationalen Interessen überein. Die Überschneidungssphäre bildete nämlich die Bildung des unabhängigen georgischen Staates. Eben aus diesen Gründen hofften die georgischen Nationaldemokraten auf die Unterstützung Deutschlands bei den Friedensverhandlungen von Brest. Das Erscheinen der georgischen Delegation (Abordnung) in Brest würde die rechtmäßige Anerkennung des Bestehens des georgischen Staates auf der internationalen Arena bedeuten. Das wurde von der Kaisermacht angestrebt und sollte wohl auch für die georgischen Politiker nicht ohne Nutzen sein. Umsomehr, daß die Unterstützung Deutschlands bei der Lösung der Adsharien-Frage nur in Brest erreicht werden konnte. Den Deutschen war es klar, daß weder G. Matschabeli noch M. Tsereteli realen Einfluß in Georgien hatten. Darum forderten sie, daß N. Schordania nach Deutschland kommen sollte.22 Das Endergebnis der Aktivitäten der National-Demokraten war die Einberufung des georgischen nationalen Kongreßes am 20. November 1917, auf dem die georgische Aristokratie ihr Eigentum dem georgischen Volk übergab. Auf dem Kongreß trat im Namen des Interparteiisches Komitees A. Tschchenkeli auf. Ein Exekutivkomitee aus 15 Mann wurde gewählt, als Vorsitzender – N. Schordania. In seiner Ansprache drückte N. Schordania abermals die Treue der Gründungsversammlung von ganz Rußland aus und schlußfolgerte, daß falls die Anarchie ihren weiteren Lauf nimmt, so wird im Transkaukasus eine örtliche Gründungsversammlung einberufen und man wird anfangen, an einer Verfassung zu arbeiten.23 Sobald man in Tbilissi von der Auflösung der Gründungsversammlung erfuhr, faßte das regionale Zentrum den Beschluß, eine Sitzung der transkaukasischen Abgeordneten der Gründungsversammlung einzuberufen. Ungeachtet dessen, daß das Transkaukasische Kommissariat die Regierung Lenins nicht anerkannt, daß es S. Schaumjan, den Sonderkommissaren der Bolschewiki im Kaukasus aus Georgien verjagt hat, erbittet es sich von den Türken eine drei-Wochen-Frist und plant, mit anderen autonomen Einheiten Rußlands, der ukrainischen Rada und dem süd-östlichen Verband (Nord-Kaukasus) Verhandlungen zu führen.24 Am 28.-29. Januar fand in Tbilissi die Sitzung des Transkaukasischen Kommissariats statt, in der es beschlossen wurde, am 14. Februar eine Konferenz betreffend der Frage, welche Antwort man an die Türkei senden sollte, durchzuführen.25 Dies wurde dem italienischen Konsul, dem ältesten Vertreter des diplomatischen Corps im Kaukasus Lorenzo Valeri berichtet. Inzwischen erhielt das Kommissariat etliche Telegramme von Wehib-Pascha, der davon berichtete, was für Greueltaten die Armenier an den von der russischen Armee belagerten Territorien angerichtet hatten.26 Die zur Konferenz eingeladenen Vertreter aus Ukraine und dem süd-östlichen Verband trafen natührlich nicht ein. Die Ukrainer befaßten sich ernsthaft mit dem Brest-Frieden. Aber 21 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegspolitik des Kaiserlichen Deutschlands 1914-1918, Düsseldorf 1984, SS. 486-494. 22 R. Grdselidse, Das georgische nationale Unabhängigkeitskomitee (1914-1918), Tbilissi 1995, S. 31 (in georg. Sprache). 23 In zwei Jahren, Reden und Vorträge von N. Schordania, Tiflis 1917, SS. 52-53 (in russ. Sprache). 24 Dokumente und Materialien, N 22. 25 Ebenda, N 24. 26 Ebenda, N 26-29. 18 am 14. Februar erhielt das Transkaukasische Kommissariat eine offizielle Einladung von Ferik-Wehib-Mehmed-Pascha zur Teilnahme an den Brester - Friedensverhandlungen. Der Brief war an den Truppenführer der kaukasischen Armee, den Generalleutnant Odischelidse adressiert.27 In diesem Brief teilte Wehib-Pascha mit, daß bei den Verhandlungen die Frage nach der Anerkennung Transkaukasiens gestellt werden sollte. In der Sitzung entfaltete sich eine rege Diskussion. Letztendlich beschloß man (unter Berücksichtigung dessen, daß die Ukraine an den Brest-Verhandlungen unabhängig teilnahm und daß die Bolschewiki es scheinbar gar nicht eilig hatten), den Sejm Transkaukasiens einzuberufen, auf dem die Direktiven der Friedensbedingungen erarbeitet werden sollten. Das Kommissariat befaßte sich mit der Zusammenstellung der Delegationsliste. Am 6. Februar teilte E. Gegetschkori Wehib-Pascha diesen Entschluß mit.28 Am selben Tag kam per Rundfunk die Antwort von Wehib-Pascha, die besagte, daß die türkische Delegation bereit sei nach Tbilissi zu fahren.29 Danach befaßte sich das Kommissariat mit der Durchführung innerer Reformen, es entfaltete sich eine Diskussion betreffend der Verfassung Transkaukasiens und ein Dekret über die Einführung der Semstwo wurde verabschiedet.30 Am 23. Februar wurde der Kongreß des Sejms eröffnet unter Vorsitz von N. Tschcheidse. Am 1. März fand die zweite Sitzung des Sejms statt, in der E. Gegetschkori mit einem Vortrag über den damaligen Stand der Friedensverhandlungen mit der Türkei auftrat.31 Zum Ort der Verhandlungen wurde ein “neutrales” Gebiet – Trapezund – gewählt. Der Sejm bildete eine Sonderkommission, die beauftragt wurde, “die Grundsätze” des Friedensabkommens mit der Türkei zu erarbeiten. Der Vorsitzende der Kommission war N. Ramischwili, der noch am selben Tag einen Bericht erstattete, in dem er die Hoffnung zum Ausdruck brachte, daß die Nationen des Transkaukasus ihre eigenen Interessen verteidigen würden. Die Grundsätze bestanden aus vier Punkten: 1. In der gegebenen Lage hielt der Sejm Transkaukasiens sich für bevollmächtigt, ein Friedensabkommen mit der Türkei zu schließen. 2. Der Sejm Transkaukasiens setzte Friedensabkommen mit der Türkei zu schließen. sich das Ziel, ein endgültiges 3. Die Grundlage des Friedensabkommens soll die Wiederherstellung der vor dem Kriege 1914 existierenden rissisch-türkischen Grenze sein. 4. Die Delegation strebt an, das Selbstbestimmungsrecht für Ostanatolien zu erlangen, nämlich für die türkisch-armenische Autonomie im Bestand der Türkei.32 Es mag seltsam erscheinen, umsomehr, daß am 3. März in Brest ein Friedensabkommen abgeschlossen wurde, laut dem Rußland faktisch die Autonomie von Adschara, Kars und Ardahan (Artaan) anerkannt hat. 27 Ebenda, N34. Dokumente und Materialien, N 37. 29 Ebenda, N 40. 30 G. Uratadse, erwähntes Werk, S. 36. 31 Ebenda, SS. 45-46. 32 Dokumente und Materialien, N 46. 28 19 Im 4. Kapitel des Friedensabkommens von Brest steht geschrieben: "Die Bezirke Ardahan, Kars und Batum werden ohne Verzug von den russischen Truppen geräumt. Rußland wird sich in die Neuregelung der Völkerrechtlichen Beziehungen dieser Bezirke nicht einmischen, sondern überall hat die Bevölkerung dieser Bezirke die Neuregelung im Verein mit den Nachbahrstaaten, nämlich der Türkei durchzuführen.” Das Transkaukasische Kommissariat plant aber bei Friedensverhandlungen mit der Türkei die Frage der Autonomie Armeiniens zu stellen, dabei ist es in Brest bereits alles gelöst. Was erhofft man sich dabei? Die Möglichkeiten der transkaukasischen Armee haben sich in Kürze gezeigt. Das Kommissariat erkannte die Bolschewiki nicht an. Die Engländer? Aber die Armee Großbritanniens in Messopotamien war weit. Diesbezüglich gibt es keinerlei Überlieferungen, keine Dokumente über die Verhandlungen mit den Engländern. Beim beliebigen Ausgang des I. Weltkrieges konnte die Fixierung Transkaukasiens in dem Friedensabkommen von Brest nur noch positive Folgen haben. Bei den Verhandlungen in Brest war Lenin gezwungen, Kompromisse einzugehen. Eben dort war es möglich zu erreichen, daß die Bolschewiki die Autonomie des ganzen Transkaukasus anerkannten und nicht dessen einzelner Gebiete wie Kars , Ardahan, Batum.. Die Politik des Transkaukasischen Kommissariats aber (es erklärte Transkaukasus als einen Bestandteil Rußlands) brachte dazu, daß die Regierung Rußlands nur die Autonomie von Batumi, Kars und Ardahan anerkannt hatte. Wie soll man diese kurzsichtige Politik bezeichnen? Aber es blieb bei der Tatsache. Daß die Delegation aus Transkaukasus bzw. aus Georgien in Brest nicht erschienen war, hatte zwei äußerst schwerwiegende Folgen: 1. Transkaukasus wurde als ein gesonderter politischer Organismus nicht anerkannt, er wurde, im Gegenteil dazu, als ein Bestandteil Rußlands erklärt, was seinerseits die Eintragung einzelner Republiken das Transkaukasus in das Friedensabkommen von Versailles störte. All dies bereitete den Bolschewiken Juristisch den Weg zur Intervention in den Jahren 1920-21 vor. 2. Die Verleihung des Status der Autonomie an die Region Adschara (Batumi) gab einen Anstoß für die Entfaltung der Separatistischen Bewegungen in Georgien, nämlich für das Bündnis der apchasischen Separatisten mit den Bolschewiki, aus deren Händen sie sich Erlangung der Staatlichleit erhofften, Aus diesem Grunde sahen sich die SozialDemokraten gezwungen, drei autonome Subjekte in der Verfassung Georgiens anzuerkennen. Die administrative Teilung des Landes während der Kommunistischen Verwaltung hat aber die Funktion einer Verzögerungsmine ausgeübt im Streben zur Unabhängigkeit heutigen Georgiens. Und schließlich, die Bedingungen des Friedensabkommens von Brest waren niederschmetternd für Armenien, das den wesentlichen Teil seiner Territorien verlieren konnte. Am 2. März faßte das Kommissariat ein Protestschreiben ab und erklärte darin, daß die Friedensbedingungen von Brest seitens des Kommissariats nicht anerkannt wurden, weil sie hinter dem Rücken der Transkaukasischen Regierung abgeschlossen wurden.33 Aber das war 33 Dokumente und Materialien, N 48. 20 eine logische Folge der Erklärung des Kommissariats, wo Transkaukasus als Bestandteil Rußlands bezeichnet wurde. Die regierende Partei Rußlands waren damals die Bolschewiki, mit denen der Vierer-Bund ein diplomatisches Dokument abgefaßt hat. Außerdem hat das Kommissariat keinerlei Interesse gezeigt an der Besprechung, wo die Grenzfrage der sogenannten “regionalen” Regierung entschieden werden sollte. Die Transkaukasische Delegation bei der Friedenskonferenz in Trapezund leitete A. Tschchenkeli. Die Transkaukasische Delegation traf in Trapezund am Abend den 8. März ein. Am 10. März aber erhielt der Oberbefehlshaber der russischen Armee im Kaukasus, der General Lebedinski von Wehib-Pascha ein Telegramm, in dem laut Beschluß des Friedensabkommens von Brest die Türken das schnellste Überlassen an sie von Batumi, Kars und Ardahan (Artaan) forderten.34 Am 11. März wurde auf Grund des Anmarsches von Türken in Richtung Batumi, Kars und Ardahan eine Sondersitzung des Sejms einberufen. Viele traten mit flammenden Reden auf. N. Shordania versuchte von seiner revolutionärer Erfahrung auf dem Gebiet der Agrarpolitik einen Gebrauch zu machen. Schließlich beschloß der Sejm Krieg zu führen35 und die Delegation aus Trapezund abzurufen (am 14 April). Die Friedenskonferenz aber begann am 14. März. Die Einstellung der Türken war eindeutig. Beim Abschließen des Fiedensabkommens von Brest war Transkaukasien noch keine unabhängige Einheit, darum sei die Konferenz in Trapezund keine Friedenskonferenz, da die Friedensverhandlungen in Brest abgeschlossen seien. Bei dieser Konferenz jedoch möchte die Türkei sich über die neue Lage im Transkaukasus informieren.36 Der Protest der Delegation betreffend des Friedensabkommens von Brest wurde abgelehnt abermals mit der Motivierung dessen, daß zum Zeitpunkt des Abschlußes des Friedensvertrages Transkaukasus sich als Teil Rußlands erklärte.37 In der Sitzung des Kommissariats gab E. Gegetschkori eine Erklärung ab, laut der das Kommissariat sich seit Oktober in der Opposition zur Regierung in Petrograd befindet, daß die türkische Regierung davon im Bilde sei und daß die georgische Delegation aus dem Grunde nach Brest eingeladen wurde, um die Unabhängigkeit Transkaukasiens anzuerkennen. Deshalb haben die Türken die Unabhängigkeit Transkaukasiens und seiner Grenzen im Vorschuß anerkannt.38 Diese Erklärung von Gegetschkori bedarf unseres Erachtens keinerlei Kommentare. Die Transkaukasische Delegation lehnte ab, als Ausgangspunkt die Bedingungen des Friedensabkommens von Brest zu betrachten und breitete den Vorschlag aus, die vom Sejm erarbeiteten 4 Punkte d.h. die Autonomie des türkischen Armeniens anzunehmen. Und dies zu der Zeit, als die Türken deutlich ausgeprägte Ansprüche auf Adschara, Kars und Ardahan erhoben und von heute auf morgen ihre Truppen dort einsetzen planten. Unter diesen Bedingungen fanden die Türken diesen Vorschlag lächerlich.39 Danach fuhr ein Teil der Delegation nach Tbilissi ab, um dem Sejm die Bedingungen der Türkei mitzuteilen. Demnach verlangte die Türkei die Unabhängigkeit des Transkaukasus, aber diesmal mit Ausnahme von Batumi, Kars und Ardahan (Artaan). Der Sejm aber war immer noch mit der Diskussion über die Autonomie des Türkischen Armeniens beschäftigt. Letztendlich beschloß man die Unabhängigkeit des Transkaukasus zu erklären. An diesem Punkt tauchten viele 34 Ebenda, N 49. Ebenda, SS. 89-184. 36 G. Uratadse, Erwähntes Werk, S. 53. 37 G. Uratadse, Erwähntes Werk, SS. 53-54. 38 Dokumente und Materialien, SS. 89-93, G. Uratadse, SS. 47-48. 39 G. Uratadse, S. 52. 35 21 juristischen Fragen auf, vorwiegend die Fragen der Grenzbestimmung. Der Sejm beschloß auch dem Delegationsleiter einen Sonderstatus zu verleihen. Mittlerweile aber entwickelten sich die Ereignisse sehr rasch. Am 8. April trugen die Türken einen Angriff auf Batumi. Am 10. April teilte der Transkaukasische Sejm der türkischen Regierung mit, daß er die Bedingungen des Friedensabkommens von Brest akzeptiert.40 Am 12. April erhielt der Kommendant von Batumi das Ultimatum der Türken, Adschara bis zum 13. April 16 Uhr zu verlassen.41 Am 13. April reagierten die Türken auf die Einwilligung des Sejms betreffend der Bedingungen des Friedensabkommens von Brest auf die Weise, daß um künftige Verhandlungen zu führen es notwendig sei, eine Deklaration über die Unabhängigkeit Transkaukasiens zu verabschieden.42 Der Sejm lehnte ab, sich von Batumi zurückzuziehen und begann sich auf den Krieg vorzubereiten. Die georgischen Sozial-Demokraten baten die russischen Sozial-Demokraten um Hilfe.43 Aber die russischen Sozialdemokraten befanden sich selber in einer schwierigen Lage. Inzwischen herrschte im Sejm eine rege Diskussion. N. Schordania versuchte an die Völker des Transkaukasus zu appelieren und sie für den Krieg anzuspornen… Die Türken zögerten mit ihrer Antwort nicht und eroberten Batumi am 22. April. Am 22. April wurde die Sitzung des Sejms einberufen, in der Transkaukasus als ein unabhängiger Staat erklärt wurde. Die Regierung von Gegetschkori trat ab. Die neue Regierung bildete A. Tschchenkeli. Er bat die Türken, die Kriegshandlungen einzustellen. Die Türken willigten ein. A. Tschchenkeli erkannte das Friedensabkommen von Brest an und forderte die Fortsetzung der Konferenz in Batumi (diesmal wurde zum “neutralen” Territorium Batumi gewählt). Bei der Belagerung von Kars kam es zu heftigen Kämpfen. Die Mehrheit von Bevölkerung waren Armenier, sie leisteten mit ihren Anführern einen heftigen Widerstand der türkischen Armee. Dies hatte zur Folge, daß Wehib-Pascha nach Kars auch Achalkalaki, Achalziche und Osurgeti eroberte, obwohl derselbe in einem offiziellen Brief an Tschchenkeli mitteilte, daß er nach dem Abschluß der Friedensverhandlungen in Batumi Osurgeti zurückgeben würde.44 Die Transkaukasische Delegation traf in Batumi am 6. Mai ein. Sie bestand aus 45 Personen, obwohl die Delegierten nur 6 Personen waren: Tschchenkeli (Delegationsleiter), Nikoladse (aus Georgien), Gadschinski und Rassul-Sade (aus Aserbaidschan), Chatschasnuni und Chatissjan (aus Armenien).45 Seitens der Türkei nahmen an den Friedensverhandlungen der Justizminister, der zur gleichen Zeit auch das Amt des Außenministers bekleidete – ChalilBey, der bekannte Funktionär der Gruppe “Einheit und Fortschritt” (später der Vorsitzende des Parlaments von Konstantinopel), sowie der Oberbefehlshaber der türkischen Armee im Kaukasus Wehib-Pascha teil. Deutschland war vertreten durch den bayerischen Generalmajor Freiherr von Lossow, Friedrich Werner Grafen von der Schullenburg (den ehemaligen deutschen Konsul in Transkaukasien) und Otto von Wesendonk.46 Die Konferenz in Batumi hat nicht lange gedauert. Es fand nur eine Sitzung im Club von Batumi am 11. Mai statt.47 Nach der Begrüssungsansprache von Chalil Bey fing man an 40 Dokumente und Materialien, N 77. Ebenda, N 80. 42 Ebenda, N 81. 43 G. Uratadse, S. 63. 44 Dokumente und Materialien, N 129. 45 S. Awalow. Die Unabhängigkeit Georgiens in der internationalen Politik in Jahren 1918-1921, Paris 1924, SS. 37, (in russ. Sprache). 46 O. von Wesendonck, damals noch ganz jung, der Enkel der Freundin von Richard Wagner, wurde 1923 zum Generalkonsul in Tbilissi ernannt. 47 S. Awalow, erwähntes Werk, S. 40. 41 22 darüber zu diskutieren, ob man den Gesandten der Bergbewohner des Nordkaukasus HaidarBey-Bamat zur Sitzung zulassen sollte. Zu der Zeit befand sich in Konstantinopel das Regierungshaupt der neugegründeten Republik der Bergbewohner Abdul-Medschid-Bey, welcher versuchte, die internationale Anerkennung seines Staates zu erreichen, indem er auf die türkische Lobby hoffte.48 Der Beitritt der Nord-Kaukasischen Republik in die kaukasische Föderation wurde von allen positiv bewertet. Aus diesem Grunde wurde Haidar-Bey-Bamat die Anwesenheit nicht verweigert.49 Im Verlauf der Konferenz tauchten andere Probleme auf. Nun forderte Tschchenkeli die Bedingungen des Friedensabkommens von Brest als Ausgangsgrundlage zu betrachten. ChalilBey aber möchte den gegenwärtigen Stand festlegen und begründete dies mit dem Abbruch der Verhandlungen in Trapezund. d.h. er forderte Achalziche und Achalkalaki zurück. Eben um diese Forderung zu “argumentieren”, hat Wehib-Pascha Osurgeti besetzt. Es ist bemerkenswert, daß die Transkaukasische Delegation den offiziellen Text des Friedensabkommens von Brest erst am 11. Mai in Batumi erhielt.50 Armenien verlor die Masren (= Bezirke) von Alexandropol und Etschmiadsin sowie die Eisenbahnlinie Kars-Alexandropol an der Grenze zum Iran. Eine äußerst schwierige Frage stellte sich vor den Transkaukasischen Diplomaten - Was zu tun?! Es war gar keine Rede von den Verbündeten. Die Engländer, wie gesagt, waren in Messopotamien disloziert und konnten derzeit keinerlei Kriegshandlungen im Transkaukasus führen. Die türkische Aggression war auf Georgien und Armenien gerichtet. Die Aserbaisdshaner lehnten ab, an den Kriegsaktionen gegen die Türkei teilzunehmen.51 S. Awalischwili, der unmittelbare Teilnehmer der erwähnten Ereignisse, als Staatsmann in die Fragen der Außenpolitik eingeweiht, betont, daß es in dieser Lage überhaupt keine Rede von der einheitlichen transkaukasischen Position war. Nationale Interessen traten in den Vordergrund. Nur Deutschland konnte den Armeniern und Georgiern aus der Not helfen. Die georgischen Diplomaten forderten das Abkommen nicht nur mit der Türkei, sondern auch mit den Vierer-Bund-Ländern zu schließen.52 Das gefiel den Türken, die nach Batumi mit einem Projekt gekommen waren, zwischen der Türkei und dem Transkaukasus ein “Friedens – und Freundschaftsabkommen” zu schließen, selbstverständlich nicht. Das Projekt des Abkommens bestand aus 12 Punkten. Ein zusätzlicher Vertrag betraf militärische Interessen der Türkei.53 Die schwerwiegendsten Punkte waren, wie bereits erwähnt, die territorialen Forderungen der Türken. Obwohl S. Awalischwili dazu einen äußerst originellen Standpunkt äußert: “Mir persönlich schienen die Territorialfragen nicht besonders wichtig, da die Festlegung der Grenzen vor dem Kriegsabschluß nicht endgültig sein konnte. Ich kam nach Batumi mit 48 Ebenda. Ebenda. 50 Ebenda, S. 41. 51 Ebenda, S. 44. 52 Dokumente und Materialien, N 132. 53 S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 41-42. 49 23 fester Überzeugung, daß Deutschland am Kaukasus nicht nur hinsichtlich der Ausnutzungsmöglichkeit seiner Ressource während des Krieges, sondern auch hinsichtlich des generellen Vordringens Deutschlands in den Nahen Osten interessiert sei… Falls man gegen die Türkei eine Unterstützung finden konnte, so nur eine diplomatische, und diese konnte nur von den Deutschen gewährt werden… Deutschland schien ein Verbündeter der Türkei zu sein und würde ihr nicht in die Quere kommen weder in dem Punkt, was die Türkei im Rahmen des Krieges unternehmen würde, noch in den speziell türkischen Ansinnen, die wenigstens einigermaßen begründet seien und deren Befriedigung (= Genugtuung) sich als eine Art Almosen für die Türkei erweisen würde. Aber sie (= die Türkei) wird zweifellos die Grenzen dessen überschreiten, was ihr “gebührt”… An diesem Punkt (da dieser Verbündeter = Türkei sich irgendeine “Freiheit” leisten würde) könnte man sie unter Kontrolle halten und sogar ein Eingelegen des Vetos ihres älteren und weiseren Verbündeten – Deutschlands erwarten… Dafür ist nur ein entsprechenderes Heranlegen, eine entsprechende Vorbereitung erforderlich… Die Türken besetzen Batumi, Osurgeti und Achalziche. Die Versuchung – auch Tiflis zu besetzen – ist groß für einen direkten Zugang zu Baku sowie um andere Nutzen daraus ziehen zu können! Das soll man unterbinden und das kann verhindert werden; das Vordringen der Türken ins Innere Georgiens kann und soll verhindert werden!”54 So dachte damals einer der besten Vertreter der georgischen Diplomaten. All dies konnte schon bereits in Brest erreicht werden mit allen aus den Normen des internationalen Rechts darausfolgenden Nutzen. Aber erst die Gefahr, Tbilissi zu verlieren, brachte die SozialDemokraten dazu, die Unabhängigkeit Georgiens zu erklären. Mit der Berücksichtigung von all dem stellt die Transkaukasische Delegation in Batumi die Frage folgenden Inhalts: laut dem Friedensabkommen von Brest wird den Gebieten Batumi, Kars und Ardahan Selbstverwaltung gewährt in Abstimmung mit den Nachbarstaaten; da aber Transkaukasus auch ein Nachbarstaat ist, so sollte man auch seine Interessen berücksichtigen. Darauf drohten die Türken mit dem Abbruch der Verhandlungen55 und forderten das Recht, via Transkaukasus in Iran die Engländer zu bekämpfen.56 Dies bedeutete für die Armenier die Frage der physischer Existenz. Darum waren aller Hoffnungen auf Deutschland gerichtet. Der Weltkrieg erreichte seinen Höhepunkt; Deutschland war höchst daran interessiert, wenigstens einen vorübergehenden Waffenstillstand zu erreichen. Dem Zweck dienten die Abkommen von Brest und Bukarest und überhaupt die gesamte Politik der “PeripherieStaaten” vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer.Darum versuchte Deutschland die Interessen der Türkei und des Transkaukasus ins Gleichgewicht zu bringen. In dieser Lage schlug der General von Lossow der transkaukasischen Regierung eine Vermittlung in Batumi vor.57 Nach einer langen Diskussion (auf der sich abermals bewies, daß die Blutverwandschaft bei den Aserbaidschanern das Übergewicht gewann, da sie den uralten Streit zwischen den Suniten und Schiiten überwanden und auf die Kriegsaktionen gegen die 54 S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 43. S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 47. 56 Dokumente und Materialien, N 133. 57 Ebenda, N 147. Die Deutsche Delegation hate die Richtlinien für die Verhandlungen mit Transkaukasien und der Türkei erarbeitet, sowie einen Vertragsentwurf zwischen Deutschland und Türkei einerseits und Transkaukasien andererseits. Siehe: Politisches Archiv des Auswärtigen Ametes, Akten, Abteilung A., Rußland 97 a Bd. 13/f.Bd 14; Rußland 97a № 11109. Siehe auch den Anhang: Doc №10; Doc. 9. 55 24 Türkei verzichteten,58 weil sie auf die Befreiung Bakus von der Bolscheviki mit der Hilfe der Türken hofften) stellte sich heraus, daß es im Transkaukasus keine einheitliche Position (= Einstellung) gab. Die Georgier und Armenier litten unter der gleichen Not. Die einzige Rettung bestand darin, daß die Türkei seitens Deutschlands einigermaßen in Schach gehalten wäre. Aber um das zu erreichen, sollte auf der Bühne nicht Transkaukasien, sondern unabhängiges Georgien auftreten; ein Abkommen mit Deutschland und eine Unterstützung seitens Deutschlands war auch erforderlich. Endlich wurde an Lossow ein Einwilligungsschreiben geschickt.59 Die deutsche Regierung unternahm wichtige Maßnahmen auch auf dem Gebiet der Regelung der Beziehungen zwischen dem Transkaukasus und der Sowjetregierung. Am 14. Mai erklärte der deutsche Botschafter in Moskau Graf Mirbach den Bolschewiki seine Bereitschaft, als Vermittler bei den Verhandlungen mit der transkaukasischer Republik zu fungieren. Darauf erhielt er eine Antwort von Tschitscherin, in der es hieß, daß die Transkaukasische Regierung selber im Transkaukasus nicht anerkannt wird. Tschitscherin verlangte die Präsenz Rußlands bei der Konferenz in Batumi.60 Außerdem beklagte er sich bei Mirbach bezüglich dessen, daß die Transkaukasische Regierung den gegenüber Sowjets treuen Einwohnern Apchasiens den Zugang zum Schwarzen Meer versperre.61 Letzendlich willigte Tschischerin auf den Vorschlag Mirbachs ein, aber lehnte Kiew als den für die Verhandlungen vorgeschlagenen Ort ab und verlangte das Treffen in Rußland durchzuführen. Als Vertreter des Transkaukasus sollte zum Treffen mit Tschitscherin Matschabeli fahren. In Batumi aber lehnten die Türken den Vorschlag von Lossow strikt ab.62 In Deutschland wurde all dies heftig diskutiert. Seit Kriegsausbruch hat Deutschland an die Entstehung eines nach Deutschland orientierten, zwischen Rußland, der Türkei und Persien gelagerten und den Zugang zu Zentralasien bildeten Staates angestrebt. “Scharf kritisierte Busche den Versuch der Türkei sich ganz Kaukasien oder wenigstens den südlichen Teil bis Baku zu unterwerfen. Ebenso verwarf er ihre Anschlußpropaganda in den mohammedanischen Gebieten, die sie dort unter der Führung von Nury, dem Bruder Envers, durchführten. Entsprechend den Beschlüssen der Helferich-Konferenz schlug der Unterstaatssekretär vor, auf alle Fälle Batumi – weil christlich-georgisch und einzigen Hafen von Georgien – den Türken vorzuenthalten. Damit distanzierte er sich auch gegenüber dem Bundesgenossen vom Brester Vertrag. Die georgische Sache wurde die deutsche; “was aber für Batum gilt, gilt für das ganze Hinterland von Transkaukasien.”63 Nach der Ablehnung der Vermittlersrolle Deutschlands blieb nur noch ein Weg… Von Lossow war bevollmächtigt die Verhandlungen im Namen Deutschlands mit der transkaukasischen Regierung zu führen. Da er aber die Einstellungen der deutschen Politiker zum Fall Georgien kannte, übernahm er eine äußerst verantwortungsvolle Initiative. Man durfte keine Zeit mehr verlieren, es blieb nur ein Weg – die Erklärung der Unabhängigkeit Georgiens und der Abschluß eines Vertrages mit Deutschland. In Batumi begannen heimliche Verhandlungen zwischen von Lossow und den georgischen Diplomaten. Die georgischen Diplomaten hat der deutsche Dichter und Publizist, ein großer Freund Georgiens Arthur Leist 58 Ebenda, N 148. Dokumente und Materialien, N 149. 60 Ebenda, N 146, N 151, N 156. 61 Ebenda, N 151. 62 Ebenda, N 155. 63 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht, Düsseldorf, 1984, SS. 488-489. 59 25 unterstützt.64 Die Verhandlungen verliefen heimlich, genauso heimlich wurde auch das Projekt der Deklaration der Unabhängigkeit Georgiens vorbereitet.65 Zu diesem Zweck hat man nach Batumi den Vorsitzenden des Nationalen Rates Georgiens Noe Shordania eingeladen. Heimlich traf er in Batumi ein. Er war mit der Vorbereitung der “Unabhängigkeit” Georgiens beauftragt. Darüber schreibt S. Awalischwili folgendes: “Die Unabhängigkeit Georgiens hatte wenig Gemeinsames mit der Doktrin seiner bisherigen Tätigkeit und mit seiner Angehörigkeit zur russischen sozial-demokratischen Partei, aber da er seinen Glauben daran nun einmal fand, so machte er sich geschickt an die Durchführung des neuen Programms”.66 Am 22. Mai kehrte N. Schordania nach Tbulissi zurück… Am 25. Mai verlassen von Lossow und die deutsche Mission Batumi, aber es wissen nur wenige, daß das Schiff “Minna Horn” im Hafen von Poti seinen Anker werfen und auf die Botschafter des Unabhängigen Georgiens warten wird… Am 26. Mai, um 9 Uhr erhielt die Transkaukasische Delegation das Ultimatum der Türkei, im Verlaufe von 72 Stunden die Bedingungen des vorgeschlagenen “Freundschafts”Vertrages anzunehmen, im negativen Falle drohte man, Tbilissi, zu erobern. Aber zu dieser Zeit existierte der juristische Adressat des Ultimatums – die Transkaukasische Föderation nicht mehr. In Tbilissi wurde die Auflösung des transkaukasischen Sejms bekanntgegeben, um 5 Uhr und 10 Minuten deklarierte der Nationale Rat Georgiens der Welt den Unabhängigkeitsakt Georgiens. Am 28. Mai wird in Poti ein präliminares Abkommen abgeschlossen zwischen Kaiserlichen Deutschland und der Republik Georgien, welches von dem bayerischen GeneralMajor Freiherr von Lossow und dem Außenminister der neugegründeten Republik A. Tschchenkeli unterzeichnet war.67 “Das Abkommen von Poti löste die aktuellen Probleme, die durch den Krieg entstanden waren; auf der anderen Seite bedeutete es die Hilfe Deutschlands, d.h. hauptsächlich des deutschen Kapitals bei der Bildung des Staates und in der wirtschaftlichen Entwicklung Georgiens. Deutschland versicherte sich großer Vorrechte besonders für die Zukunft, aber auch Goergien zog gewichtigen Nutzen, der unmittelbar aus dem Abkommen resultierte. Dank dem letzteren befreite sich Georgien von dem drohenden Joch der türkischen Okkupation und keiner außer Deutschland konnte Georgien diese Unterstützung gewähren – jedenfalls nicht im Sommer 1918. So wurde Deutschland auch zum Taufvater der staatlichen Unabhängigkeit Georgiens . Dank deutscher Unterstützung bekam diese Tatsache eine internationale Bedeutung.”68 So schätzt das ganze der Rechtwissenschaftler S. Awalischwili ein. Im Sommer 1918 schrieb von Lossow in einem geheimen Brief an die georgische Regierung, daß Deutschland weiterhin einen Vermittler in der Regelung der Beziehungen Georgiens zu Rußland spielen würde. Außerdem verplichtete sich Deutschland, die Grenzen Georgiens zu beschützen und es in den Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten zu unterstützen.69 Eben mit diesem Zweck wurde nach Georgien eine militär-diplomatische 64 S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 60. Ebenda, S.58. 66 S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 56. 67 Wolfdieter Bihl, Deutsche Quellen zur Geschichte des ersten Weltkrieges. Darmstadt, 19…, SS. 428-431. Siehe den Anhang: Doc. № 1. 68 S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 68. 69 Ebenda; Die Zwei geheimabkommen von Poti, siehe A. A. Rußland Bd. 16; Siehe auch den Anhang: Doc 1. 65 26 Mission unter der Anleitung des Generals Freiherrn von Kressenstein geschickt. Die georgische Delegation dagegen schiffte sich auf die “Minna Horn” ein (am Abend des 28. Mai) und machte sich auf den Weg nach Berlin, um am ausführlichen großen Vertrag zu arbeiten. Leider wurde dieses Abkommen nicht endgültig abgeschlossen wegen der Revolution in Deutschland.70 Die Regierung von Ramischwili war gezwungen, am 4. Juni das Ultimatum der Türkei zu akzeptieren und den “Freundschafts”- Vertrag mit der Türkei abzuschließen, wodurch sie die Provinzen Achalziche und Achalkalaki verlor.71 Wobei es auch erwähnt sein muß, daß dieser Vertrag nie in Kraft trat, da die deutsche militär-diplomatische Mission in Georgien vieles änderte. Die Vermittlerrolle der deutschen Regierung hat auch in Bezug auf Rußland positive Ergebnisse erwirkt. Nämlich am 27. August 1918 wurde ein zusätzliches deutsch-russisches Abkommen (zum Brest-Litowsk) unterzeichnet. Im 13. Punkt dieses Abkommens erklärt sich Rußland für einverstanden damit, daß die deutsche Regierung Georgien als einen unabhängigen politischen Organismus anerkennt.72 Auf dieser Grundlage wurde am 7. Mai 1920 ein georgisch-russischer Vertrag unterzeichnet, auf der gleichen Grundlage wurde Georgien de jure von führenden Staaten der Welt anerkannt. Durch die Revolution in Deutschland traf all das etwas zu spät ein – die Unabhängigkeit Georgiens wurde de jure schon von Fr. Ebert am 21. Januar 1921 anerkannt, Frankreich und England jedoch haben es am 27. Januar 1921 getan. Das war eine pure demonstrative Akte, denn zu dieser Zeit marschierte die 11. Rote Armee in Georgien und Transkaukasus ein. Die kurzweilige (6 Monate lange) Tätigkeit des Generals von Kressenstein in Georgien war überaus wichtig sowohl unter dem kulturellen als auch unter dem politischen und militärischen Aspekt. Die Tätigkeit Kressensteins in Georgien ist ein Sonderthema und bedarf einer extra Abhandlung. An dieser Stelle möchte ich nur erwähnen (entsprechend seiner Hauptaufgabe, die in der Herausbildung einer regulären georgischen Armee bestand), daß einige gemeinsame Kriegsoperationen der deutschen und georgischen Soldaten in Südgeorgien gegen die türkischaserbaidschanischen Banden durchgeführt worden sind. Infolge dieser Operationen sind einige Soldaten gefallen, worauf Kressenstein folgende Bemerkung machte: “Wenn es sich bei der Expedition unserer Truppen in Südgeorgien auch nicht um schwere Kämpfe gehandelt hatte, so hatten sie dem Jägerbataillon doch 4 Tote und 12 Schwerverwundete gekostet. Unsere Freundschaft mit den Georgiern war mit deutschem Blut besiegelt worden.”73 Besonders erwähnenswert ist die Operation gegen die in Apchasien abgesetzten türkischen Landetruppen und gegen die bolschewistisch-apchasischen Banden, die ohne Blutvergießen in Blitzesschnelle durchgeführt wurden. Darüber liegt im Archiv des Auswärtigen Amtes Deutschlands folgende Eintragung vor: während des Aufenthaltes von 70 Siehe den Anhang: Doc. 5. Dokumente und Materialien, N 168-179. 72 S. Awalow, erwähntes Werk, SS. 111. 73 Friedrich Kress, Freiherr von Kressenstein, Meine Mission im Kaukasus (Handschrift). S. 35. Das Bayerische Kriegsarchiv, HSTAA, Abt. IV. 71 27 Kressensteins in Georgien sind jegliche Exzesse in Apchasien aus dem Weg geräumt worden und so blieb Apchasien ein Bestandteil Georgiens.”74 Seine Tätigkeit in der Hinsicht des Aufbau der georgischer Armee bedarf besondere Aufmerksamkeit. Die Volgen seiner Aktivität waren daß nach dem Rückzug der deutschen Truppen den georgiern gelungen war in kurzer Zeit den Angriff der Armenischen Truppen zu bekämfen.75 Die Außenpolitik Deutschlands während des I. Weltkrieges war nirgendwo so erfolgreich wie im Kaukasus und nämlich in Georgien, denn sie stimmte ja mit den Bestrebungen georgischen Volkes überein, die verlorene Staatlichkeit wiederzuerlangen. Die geschickte Diplomatie des Freiherrn von Kressenstein gewann in Georgien große Sympathien für das Deutschtum , was, meiner Meinung nach, auch heute spürbar ist. David Paitschadse Bonn, 1997 General der Artillerie a. D Friedrich Freiherr Kress von Kressenstein München 13 , 12. Oktober 1943 74 A. A. Rußland 97a. Die Ergebnisse der Tätigket von Kressenstein in dem Aufbau der Georgischer Armee kann man nachfolgen in den Berichten der Strategischer Erkundung RSFSR von 1921. Грузия, данные о вооруженных силах (по состоянию к 1 января 1921.) Материалы стратегической Разведки Р.С.Ф.С.Р. hrg. Кавказский институт Мира, Демократии и Развития., (CIPDD) Тбилиси 1995. Siehe auch den Anhang: Doc. 14. 75 28 An die Direktion des Heeresarchives München 22 Hofgartenstrasse . Jm Zuge meiner nur für die Familie und Nicht für Veröffentlichung geschriebenen Lebenserinnerungen habe ich auch eine Darstellung meiner Mission im Kaukasus im Jahre 1918 zu Papier gebracht. Meine Niederschrift stützt sich auf Tagebuchaufzeichnungen und darf deshalb für sich in Anspruch nehmen, dass die in ihr enthaltenen Angaben zutreffend sind. Meines Wissens existiert noch keine erschöpfende und völlig zutreffende Darstellung der Beziehungen Deutschland zu den Kaukasusstaaten während des ersten Weltkriges. Unter diesen Umständen ist es vielleicht zweckmässig, meine in Abschrift beiliegende Abhandlung als Quellenmaterial zu den Akten des Heeresarchives zu nehmen. Sollte das Heeresarchiv kein Interesse an meinem, keinen Anspruch auf eine wissenschaftliche Arbeit erhebenden Bericht haben, so bitte ich um seine gefällige Rücksendung unter der obenstehenden Adresse. 29 General der Artillerie Friedrich Freiherr von Kress. MEINE MISSION IM KAUKASUS. AM 4.Mai 1918 war ich zur Vertretung des Bayerischen Militärbevollmächtigten General von Hartz, der ein Korps ubemehmen sollte, zur OHL76 kommandiert worden. Am lO.Mai liess mich in Avesnes General Bartenwerffer, der Chef der Abteilung Politik im Grossen Hauptquartier zu sich bitten. Er setzte mich in grossen Zügen uber die damallge Lage im Kaukasus ins Bild und führte aus, dass OHL und Auswätiges Amt, beabsichtigen einen deutschen Vertreter und einige deutsche Truppen nach dem Kaukasus zu schicken. Aufgabe dieser Mission sei es, Ordnung und Sicherheit im Kaukasus herzusstellen, die Türken zu verhindern, dass sie sich im Widerspruch zum Friedensvertrag von Brest Litowsk in den Besitz Kaukasischen Gebietes setzten und endlich die reichen Vorräte des Kaukasusgebietes an Öl, Manganerz, Kupfer usw. für die Kriegführung der Miitelmächte nutzbar zu machen. General Ludondorff lasse mich fragen, ob ich bereit sei, diese Mission zu übernehmen. Ich erbat mir kurze Bedenkzeit. Obwohl diese Verwendung nicht den Vorstellungen und Hoffnungen entspraoh, die ich mir von meiner militärischen Karriere gemacht hatte, entschloss ich mich, den Auftrag anzunehmen. Nicht nur widersprach es meinem militärischen Fühlen, eine mir angebotene Aufgabe abzulehnen, sondern ich fühlte mich von meiner Verwendung auf dem westlichen Kriegsschauplatz als Zuschauer und Vertreter des Militärbevollmächtigten in hohem Grade unbefriedigt. Ich wusste auch, dass General von Hellingrath, damaliger Bayerischer Kriegsminister, die Absicht hatte, mich, zum Militärbevollmächtigten zu ernennen und war über diese Aussicht keineswegs erfreut. Im Frieden hatte ich diese Stellung ganz gerne innegehabt, aber nicht im Kriege. Die Anfrage, ob ich die Mission im Kaukasus übernehmen wollte, war überdies In eine für mich so schmeichelhafte Form gekleidet, dass ich schon deshalb nicht ablehnen konnte. Lediglich wegen meiner guten alten Mutter hatte ich Bedenken. Ich wusste, dass sie es schwer nehmen würde, wenn ich wieder auf unbestimmte Zeit so weit von ihr und der Heimat entfernt sein würde, aber andererseits war ich davon überzeugt, dass ihr tiefes Gottvertrauen und ihre Vaterlandsliebe ihr helfen würden widerspruchslos auch dieses Opfer zu bringen. Ich habe mich auch nicht in ihr getäuscht. 76 Die Oberste Heeresleitung 30 Ich erklärte General Bartenwerffer noch am gleichen Tage, dass ich bereit sei, die Aufgabe zu übemehmen, dass ich aber auch einige Bitten stellen musste. Ich hielte es für notwendig, dass der Reichskanzler Graf Hertling und Staatssekretär von Kühlmann mit meiner Entsendung einverstanden seien und dass ich für die Dauer meiner Verwändung im Kaukasus dem Auswartigen Amt unterstellt wurde. Um ein ähnliches Nebeneinander und Gegeneinanderarbeiten der deutschen Dienststellen und Behörden wie in Konstsntinopel und in der Ukraine zu vermeiden, hielte ich es ferner für erforderlich, dass alle im Kaukasus eingesetzten deutschen Organe mir unterstellt würden und nur über mich an ihre heimischen Behörden berichten dürften. Endlich erwähnte Ich noch, dass es im Hinblick auf das jugendliche Lebensalter der russischen Generale meine Aufgabe erleichtern würde, wenn ich für die Dauer meiner Verwendung im Kaukasus zum Generalmajor befordert würde. Die Unterstellung unter das Auswärtige Amt hielt ich nicht nur wegen des diplomatischen Gharakters meines Auftrages für notwendig - General von Bartenwerffer meinte: "Warum soll nicht auch einmal ein vernünftiger Mensch im Auswärtigen Dienst Verwendung finden?" sondern hauptsächlich liessen die damals bestehenden, sehr schlechten Beziehungen zwischen OHL und AA77 mir nur dann eine erspriessliche Tätigkeit erhoffen, wenn das AA mich als seinen Vertreter ansah. Als ich gelegenlich einmal Ludendorff frug, ob sich denn nicht durch einen regeren persönlichen Verkehr mit Kühlmann eine Besserung der unerfreurlichen Beziehungen zwischen OHL und AA herbeiführen liesse, meinte er: „Das hat keinen Wert. Wir sprechen verschiedene Sprachen und verstehen uns nicht. Die Herren vom Auswärigen Amt denken nicht deutsch.“ Mit meiner Unterstellung unter das AA erkärte sich Ludendorff einverstanden, jedoch mit denm Vorbehalt, dass ich in militärischen Dingen unmittelbar von der OHL Weisungen erhalten müsse. Auf meinen Einwand, dass aus dieser Doppelunterstellung Schwierigkeiten erwachsen könnten, erwiderte Ludendorff : „Sie müssen zu meinem Takte das Vertrauen haben, dass ich Sie nicht in Konflikte mit ihren Pflichten gegen das AA bringen werde.“ Tatsächlich sind aus der Doppelunterstellung keine Schwierigkeiten erwachsen Mit meiner Bitte, dass mir alle im Kaukasus eingesetzten deutschen Organs unterstellt sein sollten, war Ludendorff einverstanden. Wie ich hier vorwegnehmen möchte, hat er diese Zusage nicht eingehalten. Der Vertreter des Chefs der Abteilung III B (Spionage und Spionageabwehr), ein Major Hey, berichtete unter Umgehung meiner Person an seinen Auftraggeber und dabei verblieb es auch, als ich unter Berufung auf die seinerseitige Zusage Ludendorffs dagegen Einspruch erhob. Es entzieht sich meiner Beurteilung, ob diese direkte Berichterstattung an III B unbedingt erforderlich war. Jedenfalls sind aus ihr mancherlei Unzuträglichkeiten entstanden, denn abgesahen von den in der Person des Majors Hey liegenden Unzulänglichkeiten war er über Vieles nicht oder nur unzutreffend unterrichtet und berichtete dementsprechend unrichtig und unzutreffend. Am 12 Mai, um 10.30 Abends wurde ich zu einer längeren Ausspraohe zu Ludendorff' befohlen. Er war Ungewöhnlich liebenswürdig und mitteilsam, entwickelte mir nochmals eingehend seine Meinung über die von mir im Kaukasus zu lösenden Aufgaben und erweiterte sie dahin, dass ich dafür zu sorgen hatte, dass die jungen Kaukasusstaaten baldmöglichst schlagkräftige Heere aufstellten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es uns gelänge, die Engländer aus Frankreich zu vertreiben, aber damit seien sie noch nicht auf die Kniee gezwungen. Es liege nicht auserhalb des Bereiches der Möglichkeit, dass wir noch gezwungen seien die Engländer in Indien anzugreifen und meine Aufgabe sei es, im Kaukasus das Sprungbrett für eine allenfallsige spätere Unternehmung gegen Indien zu schaffen. In einem Telegramm, das ich am I8 Juni erhielt, betonte Ludendorff später nochmals, dass die schnelle Organisation einer georgischen Armee meine wichtigste Aufgabe sei. Am 13. Mai wurde ich vom Staatssekretär des Ausseren, Herm von Kühlmann 77 Das Auswärtige Amt. 31 empfangen. Er war ausserordentlich liebenswürdig, aber ich hatte doch das Gefühl, dass ihm die Entsendung eines Generals als diplomatischen Vertreter nicht sympathisch war. Die Unstimmigkeiten zwischen ihm und Ludendorff scheinen mir nicht zuletzt derauf zurückzuführen zu sein, dass er - begreiflicher Weise - bei seiner Politik bestrebt war, tragbare Voraussetzungen für den künftigen Friedensschluss zu schaffen, während Ludendorff wiederum begreiflicher Weise - seine Politik auf die augenblicklichen Bedürfnisse und Gebote der Kriegsführung abstellte. Kühlmann nahm den Standpunkt ein, dass wir jetzt im Kriege nichts nehmen sollten, was wir später im Frieden doch nicht behalten konnten. Er stand infolgedessen der ganzen Ostpolitik der OHL innerlich ablehnend gegenüber. Nachdem ich am 14. noch im Auftrage des Kriegsministers von Hellingrath nach Charleville gefahren war, um den deutschen Kronprinzen zu veranlassen, den Komandierenden General des I. Bayerischen Armeekorps Oskar von Xylander abzuqualifizieren - eine Mission, die vollständig misslang - fuhr ich am 15. nach Berlin und traf dort am 16. um 8 Uhr vormittags ein. Ich stieg im Hotel „Kaiserhof“ ab. Die nächsten zwölf Tage waren ausgefüllt mit zahllosen Besuchen bei allen möglchen Persönlichkeiten und Dienststellen. Unterstaatssekretär von Bussche, Ministerialdirektor von Langwerth, Gesandter von Rosenberg, Geheimrat Goppert, Legationsrat Trautmann im Auswartigen Amt, Kriegsminister von Stein, General Wandel, Major Düsterberg und Major von Ramsay im Kriegsministerium, Hauptmann von Hülsen von der Sektion Politik des Grossen Generalstabes. Während ich beiden miltärischen Stellen auf grösstes Entgegenkommen und Verständnis stiess, begegnete man im Auswärtigen Amt dem Outsider mit höflicher Zurückhaltung. Es war mir auch bei meinen zahlreichen spätaren Besuchen im Auswärtigen Amt nicht möglich irgendwelche Direktiven oder positiven Weisungen für meine künftige Tätigkeit zu erhalten. Auch als ich selbst eine Art von Dienstanweisung für mich ausarbeitete und sie zur Genehmigung dem Staatssekretär und seinen verschiedenen Referenten vorlegte, stiess ich wohl auf ein höfliches Interesse, konnte es aber nicht durchsetzen, dass diese Instruktion vom Staatssekretär ausgefertigt wurde. Man wollte sich nicht binden und nicht festlegen. Ich habe auch im weiteren Verlauf meiner Tätigkeit im Kaukasus keinerlei Weisungen des Auswärtigen Amtes über die von mir zu befolgende Politik erhalten. Besonders nachteilig machhte sich fühlbar, dass die deutschen Missionen in Konstantinopel und in der Ukraine nicht über die von der Delegation in Kaukasus zu losenden Aufgaben unterrichtet wurden. Die Besprechungen im Kriegsministerium befassten sich hauptsächlich mit der Zusammensetzung meines Stabes und mit den Truppenteilen, die nach dem Kaukasus geschickt werden sollten. Im Auswärtigen Amt und im stellvertretenden Generalstab studierte und excerpierte ich das vorhandene Aktenmaterial über den Kaukasus. Es war nicht viel Wertvolles für mich vorhanden. Eingehender - wenn auch natürlich etwas einseitig - wurde ich über die Lage in meinem künftigen Wirkungsbereich unterrichtet durch den Vorsitzenden der in Berlin befindlichen georgischen Comites, den mir schon von Konstantinopel her bekannten jügendlichen Fürsten Matschabelli. Ich erfuhr unter Anderem, dass schon 1914 Verhandlungen zwischen deutschen und türkischen Dienststellen einerseits und Verträtern der georgieohen Nationalisten andererseits stattgefunden hatten. Der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Frhr. von Wangenheim hatte den Georgiern versprochen, dass Deutschland sich beim Friedensschluß fur die Unabhängigkeit der Kaukasusvölker und ihre Befreiung vom russischen Joch einsetzen werde. Der Grossvesier hatte für die türkische Regierung das gleiche Versprächen gegeben und überdies den Georgiern, den Besitz des wegen seines Hafens und seines Hinterlandes für Georgien lebenswichtigen Bezirkes von Batum zugesagt. Beim Abschluss des Friedensvertrages von Brest Litowsk hatte man aber diese etwas voreiligen Versprächungen nicht einhalten können oder wollen : Baku verblieb den Russen, Batum erhielten die Turken. Begreiflicher Weise blieb die dadurch hervorgerufene bittere Enttäuschung nicht ohne Rückwirkung auf die Einstellung der Kaukasier zu den Mittelmächten. Ich hatte auch eine 32 längere Besprechung mit dem wenig syrmpathischen sogenannten Präsidenten der nicht bestehenden Republik, der Bergvölker, einem Herrn Tschermoieff. Er war Besitzer ausgedehnter Ölfelder bei Grosny und eine möglichst vorteilhafte Verwertung dieses Besitzes schien seine hauptsächlichste Sorge zu sein. Er war russischer Gardekavallerie-Offizier und machte nicht den Eindruck eines seriosen Mannes. Im Admiralstab versuchte ich vergeblich, die Zuteilung einer kleinen Abteilung.von Marineoffizieren und Marinepersonal zur Aufnahme des Schifffahrbetriebes auf dem Kaspischen Meere durchzusetzen. Angeblich machte Mannschaftsmangel eine solche Zuteilung unmöglich. Auch der Transport eines kleinen U-Bootes vom Schwarzen ins Kaspische Meer wurde für unmöglich erklärt. Am 22 Mai fuhr ich nochmals nach Avesnes zur Berichterstattung bei Ludendorff. Meine Anträge wurden sämtlich genehmigt. Auch mit der von mir verfassten Instruktion für die Delegation im Kaukasus erklärte sich Ludendorff einverstanden. Am 26.78 nach Berlin zuruckgekehrt suchte ich noch den Reichsschatzsekretär Graf Rödern und den Reichsbankpräsidenten Havenstein auf, um Rücksprache zu nehmen wegen einer der Republik Georgien zu gewährenden Anleihe. Während der Reichsschatzsekretär zwar keine Zusage machte, aber doch Verständnis und Interesse zeigte, stiess ich beim Reichsbankpräsidenten auf vollige Verstandnislosigkeit und Ablehnung. Er verwies mich an die deutsohe Industrie. Am 29 Mai wurde ich zum Chef der Kaiserlich Deutschen Delegation im, Kaukasus ernannt und erhielt mein vom Reichskanzler Graf Hertling unterfertigtes Einführungsschreiben bei den Regierungen der Republiken Georgien, Armenien und Asserbeidshan.79 Auf Antrag der OHL beförderte mich S.M. der Konig von Bayernur für die Dauer meiner Verwendung im Kaukasus zum Generalmajor ohne Patent mit den Gebührnissen eines Brigadekommandeurs. Am Abend des 29 fuhr ich über Nürnberg, wo, ich in der Wohnung meiner Mutter den grössten Teil meines Gepäckes hinterstellt hatte, nach München, besuchte am 2 und 3 Juni meine Mutter in Elmischwang, wo sie sich zu Besuch bei ihrer Nichte Sophie Aufsess aufhielt und kehrte am 3 abends nochmals nach Berlin zurück, um mich dort zu verabschieden und die letzten Besprechungen und Besorgungen zu erledigen80. Am 5 Juni fuhr ich wieder nach München und bestieg dort am Abend des 7 den Balkanzug - glücklich darüber, dass ich mich nun von den Anstrengungen und dem Gehetze der letzten Wochen erholen und gründlich ausschlafen konnte. Im Balkanzug fand sich allmählich die erste Staffel meiner Mission zusammen. Als erster Adjutant begleitete mich Rittmeister Frhr.von Lersner, ein gut aussehender und formgewandter, aber leider nur mässig begabter und recht fauler Gardedragoner. Ohne Ihn zukennen, hatte ich ihn mir von seinem Bruder, einem Legationsrat, der als Verbindungsmann zwischen OHL und Auswärtigem Amt fungierte, aufschwätzen lassen. Er übernahm im weiteren Verlauf die Funktionen des persönlichen Adjutanten und Hofmarschalls und führte das Kommando über den Unterstab. Ein Vorteil war, dass er infolge eines zweijährigen Kommandos zur Botschaft in Washington Ziemlich gewandt Englisch sprach. Ich habe mancherlei Schwierigkeiten mit ihn gehabt und schliesslich, als ich von den Engländern interniert wurde, liess er mich schmählich im Stich. Zweiter Adjutant war der mir von Excellenz von Koppel warm empfohlene Bayerische Artilleriehauptmann der Reserve Danzer, ein sehr sympathischer und. brauchbarer Offizier, seines Zeichens Architekt. Er war viel im Ausland gereist und hatte gute Umgangsformen. Ich übertrug ihm die Bearbeitung der militärischen Angelegenheiten bis zum Eintreffen des als Chef des Stabes designierten Majors Graf Wolffskeel. Als Bearbeiter des Nachrichtenwesens im Kaukasus und in den benachbarten Ländern 78 Tag als in Tbilissi mit der Unterstützung von Deutschland die Unabhängigkeit Georgiens deklariert wurde. 79 Siehe den Anhang: Doc. 3. 80 Siehe den Anhang: Doc. 2; Doc. 4. 33 und als Propagandachef war der Mission der Legationsrat Professor Dr. Erich Zugmeyer zugetellt, ein gesetzter, liebenswürdiger Oesterreicher und weitgereister Geograph. Er war Mitglied der Deutschen Afghanistanexpedition gewesen, in russische Gefangenschafft geraten und aus dieser erst vor Kurzem zurückgekehrt. Als Mitarbeiter standen ihn ein Oberlleutnant Griesinger und ein Dr. Dirr zur Seite. Letzterer war Assistent am Museum für Volkerkunde in München, hatte mehrere Jahre in Kaukasus gelebt und beherrschte die georgische Sprache und mehrer Bergvölkeridiome.81 Dasgleiche Schicksal wie Zugmeyer hatte der Delegationsarzt Dr. Niedermayer gehabt, ein Bruderder des mir befreundeten Hauptmanns von Niedermayer - ein derber Niederbayer init etwas rauhen Umgangsformen, aber ein ausgezeichneter Arzt. Er hat in Tiflis als Leiter einer von ihm aufgezogenen Politklinik sehr nützliche Propaganda für das Deutschtum gemacht und damit erneut den Beweis dafür erbracht, dass besonders in Orient keine andere Art der Propaganda so wirkungsvoll Ist wie ärztliche Hilfeleistung. Als Referenten für Marine und Seetransportangelegenheiten hatte ich gerne meinen Freund Kapitän Busse mitgenommen. Er wurde aber als nachkommlich bezeichnet. Statt seiner begleitete mich nun Kapitanleutnant der Reserve Wagner. Vormals aktiver Marineotfizier war er bis zum Beginn des Weltkrieges in der Handelsmarine gefahren und hatte dann Hauptmann von Niedermayer nach Afghanistan begleitet. Er war erst kürzlich aus Persien zurückgekehrt. Das Auswärtige Amt hatte mir als diplomatischen Berater den Legationsrat von Kardorff zugeteilt, eine wenig sympathische, etwas spinnige Persönlichkeit. Er hatte bei Kriegsbeginn der deutschen Gesandtschaft in Teheran angehört und dort keinen besonders guten Ruf gelassen. lch bedauerte deshalb nicht, dass er sich vor der Ausreise krank meldete. An seiner Stelle stiess in Konstantinopel der jugendliche Legationssekretär Dr. von Böttinger zur Delegation. Er gehörte der Botschaft in Konstantinopel an und hatte den General von Lossow zu den türkisch-kaukasisohen Friedensverhandlungen In Trapezunt und Batum begleitet, war also schon einigermassen über die kaukasischen Angelegenheiten unterrichtet. Böttinger war ein liebenswürdiger und sympathischer, ganz kluger aber etwas weicher Mitarbeiter von begrenzter Arbeitskraft. Ich bin aber mit ihmsehr gut ausgekommen. Er stand erst seit vier Jahren im diplomatischen Dienst. Im übrigen hatte ich ja im Konsul Graf Schulenburg einen sehr versierten, mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten diplomatilschen Berater. Graf Schulenburg war vor dem Kriege vier Jahre lang deutscher Konsul in Tiflis gewesen ein eleganter, liebenswürdiger, lebenslustiger, gesellschaftlich sehr gewandter und beliebter Herr mit einer gewissen Neigung zum Alkohol und zum weiblichen Geschlecht. Er war kein Arbeitsfanatiker, aber was er bearbeitetet, war stets ausgezeichnet. Zu Beginn des Krieges hatte er die sogenannte georgische Legion organisiert und geführt, ohne mit dieser aus anspruchsvollen Freiwilligen zusammengesetzten Truppe - meist politischen Flüchtlingen nennenswärte militärische Leistungen erzielen zu können. Im Jahre 1917 kam er als Vertreter des deutschen Generalkonsuls nach Damaskus und aus jener Zeit stammte unsere Bekanntschaft. Im Grossen und Ganzen haben wir sehr gut zusammen gearbeitet. Als Verwaltungsmann begleitete mich mein alter treuer Kriegskamerad vom palastinensischen Kriegsschauplatz, Intendantursekretär Kurt Sterke. lch hatte ihn in Berlin getroffen, wo er auf Urlaub weilte und, mich dringend gebeten hatte, ihn mit mir zu nehmen. Er hat sich auch im Kaukasus ausgezeichnet bewährt und ich bin ihm zu grossem Danke verpflichtet. Als mich, die Engländer internierten und mich Lersner im Stiche liess, hat er sich freiwillig erboten, bei, mir zu bleiben und hat sich dann während der Internierung als guter Kamerad bewährt. Ganz besonderes Glück hatte ich mit den beiden Dienern, die ich mit mir nahm. Als 81 Sein 1928 im Leipzig erschienenes Werk “Einführung in das Studium der kaukasischen Sprachen” gehört noch heute zu den Grundwerken in deutschsprachigem Raum. 34 Leibdiener begleitete mich der Landwehrmann Düsel aus Bamberg, ein braver, verlässiger und fleissiger Mann. Er hatte mich schon in Frankreich und vorher meinen Bruder an der Front betreut und sich als sehr brauchbar und anhänglich erwiesen. Als eine Art Haushofmeister nahm ich den früheren, langjährigen Kammerdiener meines Onkels Welser Theodor Rank mit. Er war inzwischen Vizefeldwebel geworden und erwies sich als eine Perle. Als ich später das Gesandtschaftspalais bezog und sehr häufig zahlreiche Gäste bei mir sah, brauchte ich Theodor nur zu sagen, dass um soundso viel Uhr so und so viele Gäste kommen würden. Alles Andere - einschliesslich Menü - besorgte Theodorund stets ging es wie am Schnürchen. Die beide treuen und hochanständigen Leute hielten bis zum , Schlusse bei mir aus, liessen sich mit mir internieren und kehrten erst mit mir in die Heimat zurück.. Leider habe ich sie in späteren Jahren ganz aus dem Auge verloren. Der eigentlichen Delegation waren noch zwei Sondermissionen angeschlossen. Als seinen Vertreter für wirtschaftliche Angegenheiten hatte das Preussische Kriegsministerium den Major Hey geschickt und hat ihm zwei weitere Herren zugeteilt. Hey war Generalstabsofiizier und nach seiner Pensionierung im Wirtschaftsleben tätig gewesen. Er sprach russish und war ein ausserordentlich gebildeter, liebenswürdiger Mann mit vielen schöngeistigen Interessen, aber ein unpraktischer und schlechter Arbeiter. Umso tüchtiger war der Ihn zugeteilte Dr. Kind, ein Syndikus aus der rheinischen Schwerindustrie. Ihm allein und seiner Geschicklichkeit ist das Zustandekommen der Wirtschaftsverträge zu danken die für Deutschland und Georgien gleich vorteilhaft gewesen wären, wenn ihre Verwirklichung nicht durch das traurige Kriegsende unmöglich geworden wäre.82 Dass Major Hey gleichzeitig Vertreter der Abteilung III B war, - habe ich bereits erwähnt. Zum Studium des Kaukasischen Eisenbahnwesens hatte der Feldeisenbahnschef den sehr tüchtigen Hauptmann Gemoll entsendet. Ihm waren Baurat Dr. Dorpmüller - der spätere Reichsverkehrsrminister - und ein Maschineningenieur zugeteilt. Dorpmüller, ein gewandter, liebenswürdiger und jovialer Herr, war erst kürzlich aus China zurückgekehrt, wo er am Ausbau des chinesischen Eisenbahnnetzes gearbeitet hatte. Endlich fuhr in unserem Zug noch ein Teil der uns zugeteilten Funkstation mit. Der Rest der Station sollte mit dem nächsten Balkanzug folgen. Von den mir unter der Bezeichnung "Lehrkommando für den Kankasus unterstellten Truppen, sollten sich das Bayerische Reserve Jägerbataillon Nr.1. und das Sturmbataillon Nr.10 am 6. Juni in Sebastopol nach Poti einschiffen. Der millitärische Stab und die übrigen mir zugeteilten Formationen - ein Regimentsstab, ein Lehrkommando der schweren Artillerie, eine Kompagnie mittlerer Minenwerfer, eine Fliegerabteilung mit Parkzug auf Kraftwagen, eine Nachrichtenabteilung, eine Kraftwagenkolonne mit Parkzug, ein Feldlazarett, ein Zug Feldbäckereikolonne, eine Munitions und Geräteverwaltung - sollten in drei bis vier Wochen folgen. Die Fahrt des überfül1ten Balkanzuges verlief ohne Zwischenfällen. Die Verpflegung war leidlich gut. Ausgerüht und ausgesohlafen trafen wir mit nur dreistundiger Verspätung anm lO. Juni um 12 Uhr mittags in Konstantinopel ein. Eine grosse Ahnzahl alter Freunde und Bekannten begrüsste uns am Bahnhof. Während des uns durch das Fehlen einer Transportgelegenheit auf- gezwungenen zehntägigen Aufenthalte in Konstantinopel war ich aufs Neue begeistert von der Schönheit der Stadt. Wir waren im deutschen Militärhotel „Bristol“ leidlich gut untergebracht. Die Tage waren ausgefüllt mit zahllosen Besuchen; Einladungen und Vergnugungen. Noch immer führten die Ausländerkolonien in der türkischen Haup-ptstadt ein Leben wie im Tiefsten Frieden. Die Preise waren allerdings enorm gestiegen, aber es war noch Alles zu haben. Nur die Masse der Bevölkerung litt bittere Not. Frau von Seeckt hielt in einen sohönen Konak Hof. Ein preusischer Major ein deutsches Militärauto mit einem deutschen Unteroffizier als Chauffeur waren zu ihrem persönlichen Dienste abgestellt. 82 Siehe den Anhang: Doc.6; Doc.7; Doc. 8. 35 Die Deutsche Bank war nicht in der Lage, das für die Delegation hierher überwiesene Geld in russischer Oder deutsoher Währung auszubezahlen. Ich musste telegraphisch in Berlin bitten, mir mit dem nächsten Kurier Geld zu schicken. Der Boden brannte mir unter den Füssen. Aus den Nachrichten, die ich auf unserer Botschaft erhielt und aus den vielfach verstümmelten Telegrammen der Hauptleute von Nidda und Egan Krieger, die zusammen mit Graf Schulenburg zur Zeit die deutschen Interessen im Kaukasus vertraten, ersah ich, dass es dort drüber und drunter ging und dass die Herren begreiflicher Weise der schwierigen Lage nicht gewachsen waren. Erst am 20. Juni um 4 Uhr nachmittags konnte der grosse und schöne Dampfer „General“, der uns nach Poti bringen sollte, Konstantinopel verlassen. Mit uns fuhren die diplomatischen Missionen Österreich-Ungarns und Bulgariens. Chef der österreiohishen Delegation war Legalionsratr Prhr.von Frankenstein, ein Bruder des Münchener Hoftheaterintendanten, ein liebenswürdiger, sehr formgewandter Herr, der richtige Diplomat, sehr gebildet und belesen, mit vielen künstlerischen Interessen, weich und von geringer Entschlusskraft und Verantwor- tungsfreudigkeit. Ich kam sehr gut mit ihm aus. Er erhob wohl manchmal Bedenken machte aber nie Schwierigkeiten und fügte sich ohne Widerspruch darein, mir die Führung zu überlassen. Seine Idee war, uns Deutschen in Georgien die Führung zu überlassen und den Schwerpunkt der österreichischen Interessen nach Armenien zu verlegen. Wie und was er nach Hause berichtete weiss ich nicht. Es ist aber mit Sicherheit anzunehmen, dass es nicht seine Berichte waren, auf die sich der K. und Feldmarschallleutnant Poniatowski, der langjährige Milltarbefollmächtigte Österreiohs in Konstantinopel, bei seiner von Irrtümern, Fehlern und Unrichtigkeiten geradezu strotzenden Darstellung der Kaukasisschen Frage in seinem sonst lesenswertem, 1928 erschienenen Buche "Der Zusammenbruoh des Ottoroanisphen .Reiohes", Amathea Verlag stützte. Die Bulgaren hatten den General Stancieff geschickt, einen sehr sympathischen, klugen und liebenswürdigen Offizie, mit dem zusammenzuarbeiten ein Vergnügen war. Er sprach rusisisch und nahm sehr bald, Beziehungen zu den zahlreichen im Kaukasus lebenden,ehemaligen russischen 0ffizieren auf. Wir erhielten auf diesem Wege manche wertvolle Nachricht. Leider desinteressierte sich Bulgarien sehr bald am Kaukasus und berief den General Stancieff ab. Wenn mir persönlich auch meine alten türkischen Bekannten in Konstantinopel mit Liebenswürdigkeit begegnet waren, so war doch unverkennbar, dass sich, seit meiner Abreise aus der Türkei in Januar 1818 die deutsch-türkischen Beziehungen aueserordentlich verschlechtert, hatten und eine sehr starke Spannung und Vertimmung zwischen, den Bundesgenossen Platz gegriffen hatte. Abgesehen davon, dass es uns Deutschen - und insbesondere unseren forschen, draufgängerischen., norddeutschen Brudern leider versagt ist, im Auslande Sympathien zu erwecken, uns in fremde, Völker einzufühlen und ihrer Eigenart gebührend Rechnung zu tragen, war um die Jahreswende 1917/18 in der Türkei der sogenannte Turanismus - im Gegensatz zum reilgiös-dynastischen Panislamismus ein Blut - und Rassenproblem, das bis dorthin nur akademisch gehandelt worden war - in ein realpolitisches Stadium eingetreten. Es war insbesondere Enver Pascha, der sich für eine Verwirklichung, der turanistisshen Ideen einsetzte. Er wollte die Türkstämme, die nach Rasse und Blut zusammengehörten, auch politisch zusammenfassen und im Gegensatz zu dem bisherigen osmanischen Nationalitätenstaat einen grosstürkischen Nationalstaat ins Leben rufen. Es schwebte ihm dabei die Eingliederung der in der Krim, an der untern Wolga, im Kaukasus und in russisch und persisch Asserbeidshan lebenden Tartaren und vor Allem auch der zwischen dem Kaspischen Meer und dem Aralsee ansässigen turko-tartarischen Völkerschaften in das türkische Reich vor Augen. Ausser von diesen ideellen Motiven liess sich aber ohne jeden Zweifel Enver bei der Propagierung seiner turanistischen ldeen auch von sehr realpolitischen, praktischen Gesichtspunkten leiten. Seit langer Zeit schon hatten alle Kriege, in die die Türkei verwickelt war mit Gebietsverlusten geendet und es erschien um die Jahreswende 1917/18 bereits sehr 36 zweifelhaft, ob die Türkei beim Abschluss des Weltkrieges im Besitz ihrer arabischen Provinzen bleiben wurde. Es lag nahe, dass sich die Türken nach dem Zusamenbruch Russlands für diese Gebietsverlust im Kaukasus entschädigen wollten. Dadurch dass Enver den in der Türkei wie uberall vorhandenen, sehr zahlreichen und sehr einflussreichen Kriegsgewinnlern die Aussicht auf die im reichen Kaukasus vorhandene und zu erhoffende grosse Beute eröffnete, stärkte er seine durch die zahlreichen Misserfolge auf den türkischen Krifegsschauplätzen und durch seine Deutschfreundlichkeit schwer erschütterte persönliche Stellung. Ferner spielte bei den Erwägungen Envers sicherlich auch der Wunsch eine Rolle, durch Rekrutierung In den turkstaamigen Landern seine aufgeblu- teten Heeresbestände auffrischen zu können. Und endlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass auf die Entschliessungen der führenden türkischen Männer auch der Wunsch nach einer vollständigen und endgültigen Vernichtung des verhassten armenischen Volkes von Einfluss war. Es besteht jedenfalls kein Zweifel darüber, dass es für die massgegebenden türkischen Persönlichkeiten schon Anfang1916 beschlossene Sache war, sich auf der russisschen Hinterlasenschaft zunächst einmal den Kaukasus anzueignen. In dieser Absicht zog Enver unter dem Oberbefehl des berüchtigten Wehib Pascha an der ehemaligen türkisch-russicschen Grenze unverhältnismässig starke Kräfte zusammen untor dem Vorwand, dass er eine Operation zur Wiedereroberung Bagdads beabsichtige - eine Absicht, mit der die deutsche OHL in völliger Verkennung der damals für die Türkei noch vorhandenen Möglichkeiten durchaus einverstanden war. Ludendorff zeigte zunächst kein nennenswertes Interesse an den turanistischen Ausdehnungswunschen der Türken und legte ihnen vorerst auch keine Hindernisse in den Weg. Noch am 15.Marz hatte er an General von Seeckt nach Konstantinopel teiegraphiert: “Der Schwerpunkt der türkischen Erwerbungen muss in Osten gesucht werden. Dort besteht für eine geschickte türkische Diplomatie neben der Möglichkeit der Landerwerbung auch die Aussicht, auf Schaffung von Einflusszonen bis tief in das zentrale Asien hinein“. Erst als die Georgier Deutschland um Hilfe baten und als Hauptmann vun Niedermayer das Interesse Ludsndorffs auf die Bedeutung Kaukasiens für eine allenfallsige spätere Unternehmung gegen Indien gelenkt hatte, trat ein plötzlicher Unschwung in der Einstellung der OHL zur Kaukasischen Frage ein. Sie erhob energischen Einspruch gegen die türkischen Aspirationen auf den Kaukasus. Dabei stützte sie sich auf den Vertrag von Brest Litowsk, in dem das ölreiche Baku den Russen hatte zugesprochen werden müssen. Man befürchtete deutscherseits, dass die Russen erneut in den Krieg eintreten würden, wenn die Turken ihnen den Besitz des für das südliche Russland lebenswichtigen Ölbezirkes streitig machten. Ob diese Befürchtung bereotitigt war, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls hatten die Bolschewiken am 21 März zusammen mit den Armeniem den Asserbeidshanem Baku wieder entrissen und unter der tartarischen Bevölkerung ein furchtbares Blutbad angerichtet.Auf die Einstellung der deutschen OHL zu den Absichten der Türken war natürlich auch die Befürchtung von Einfluss, dass die Türken nicht im Stande sein wurden, die Olvorkommen in Baku zweckmässig zu bewirtscharen und dass sie nicht geneigt sein würden die reichen Vorräte Kaukasiens an Erzen, Baumwolle usw. mit ihren Bundesgenoesen ehrlich zu teilen. In immer ernster und schärfer werdenden Noten forderten Hindenburg und Ludendorff, dass die Türken von ihren Absichten auf den Kaukasus Abstand nehmen und sich ausschliesclich gegen Bagdad wenden sollten. Es kam schliesslich zu einer Krise in den Beziehungen der beiden Bundesgenossen, die wohl die ernsteste während des ganzen Krieges war. Nur dadurch, dass wir gewisse Konzessionen machten, konnte der Rücktritt Envers verhindert und der nicht ohne unser Verschulden entstandene Konflikt wenigstens äusserlich beigelegt werden. Schliesslich wurden wir aber doch von den Turken betrogen, indem sie sich hinter unserem Rücken und entgegen ihren Versprechungen in den Besitz von Baku setzten. 37 § 4 des Brest Litowsker Friedensvertrages lautete: „ Die Bezirke Ardahan, Kars und Batum werden ohne Verzug von den russischen Truppen geräumt. Russland wird sich in die Neuregelung der völkerrechtlichen Beziehungen dieser Bezirke nicht einmischen, sondern überall hat die Bevölkerung dieser Bezirke die Neuregelung im Verein mit den Nachbarstaaten, namentlioh der Türkei, durchzuführen.“ Die Turkei legte diese Bestimung dahin aus, dass sie berechtigt sei, die genanten Bezirke bis zur Grenze von l877 ohne Weiteres zu besetzen. Ein flammender .Protest der Regierung der Transkaukasischen Republik gegen die Massnahme wurde ignoriert. Anfang Mai traten Vertreter der Türkei unter dem Vorsitz des Aussenministers Halil Bey und der Transkaukasisohen Republik zu Friedensverhandlungen zusamen. Der EinflusB der an den Verhandlungen teilnehmenden kleinen deutschen Delegation unter dem deutschen Militärbevollmächtigten in Konstantinopel General von Lossow wurde durch türkische Intriguen niederträchtigster Art nahezu völlig ausgeschaltet, sodass Lossow schliesslich unter Protest und ohne Genehmigung der deutschen Regierung die Konferenz verliess. Infolge der masslosen Förderungen der Türken hatten die Verhandlungen zunächst keinen Erfolg. Es trat aber bei ihnen zu Tage, dass die förderative Transkaukasische Republik nicht nur wegen der starken rassischen Gegensätze sondern hauptsächlich wegen der verschiedenen aussenpolitischen Orientierung der in ihr ver einigten Völker nicht lebensfähig war. Während sich Georgien auf Deutschland stetzte, hatten sich die muhamedanischen Asserbeidshaner vollstandig den Türken verschrieben und die Armenierer hofften sich noch immer ihr Heil von der Entente. Die Transkaukasische Republik löste sich am 10 Mai l918 wieder auf; Georgien, Armenien und Asserbeidshan erklärten sich für selbständige, unabhengige Republiken. Die Bitte der Georgier, Deutschland mochte das Protektorat über ihr Land übernehmen, wurde von der deutsohen Regierung glücklicher Weise abgelehnt, dagegen wurde ihnen die Hilfe und Unterstützung Deutschlands zugesagt. Es ist die grosse Tragik der Kaukasusvölker, dass sie sich untereinander nicht vertragen können, obwohl sie ein Gebiet bewohnen, das eine wirtschaftliche Einheit ist und vielleicht als selbständiges Land leben konnte, wenn es unter einheitlicher Führung und Verwaltung stünde. Von einander unabhängig und womöglich auch noch verfeindet werden die Länder Georgien, Armenien und Asserbeidshan niemals lebensfähig sein. Sie sind einzeln viel zu klein und zu menschenarm, um sich auf die Dauer ihrer mächtigen nach den Reichtümern Kaukasiens verlangenden Nachbarn erwehren zu können. Trotz ihres Reichtums an Bodenschätzen ist keines der Länder autark. Georgien ist auf die Öle von Baku angewiesen, Asserbeidshan braucht aus wirtschaftlichen Gründen den durch Georgien gesperrten Zugang zam Schwarzen Meer und Armenien hat weder zum Schwarzen nooh zum Kaspischen Meer freien Zugang. Zwischen den Ländern bestehen keine natürlichen Grenzen; die Siedlungsgebiete greifen vielfach in einander über. So setzte sich zum Beispiel 1918 die Verwaltung der georgischen Hauptstadt Tiflis nahezu ausschliesslich aus Armeniern zusammaen; die grosse Mehrzahl der Hauser in Tiflis befand sich in armenischem Besitz. Und dabei besteht zwischen diesen Völkern ein abgrundtiefer, Jahrhunderte alter, durch Rasse, Religion und wirtschaftliche Konkurrenz bedingter Hass, der jedes Zusammengehen und Zusammenarbeiten unter ihnen unmöglich zu machen scheint. Selbst die veständigsten Georgiern haben jeden Hinweis auf die Notwendigkeit einer Verständigung und eines Zusammengehen mit ihren Nachbam unter lebhaftestem Protest zurückgewiesen und weisen ihn noch heute zurück. Durch ein mit dem Einmarsch in Georgien drohendes Ultimatum zwangen die Türken die Georgier zur Annahme ihrer Friedensbedingungen und am 1..Juni wurde der sogenannte Friedens und Preundschaftsvertrag von Batum zwischen der Türkei und Georgien abgesohlossen. Deutschland hat diesen Vertrag nie anerkannt, weil er gegen die Bestimmungen des Vertragea von Brest Litowsk verstiess. Nach dem Vertrag hatten die Türken die Bezirke von Achalschik und Achalkalaki zu räumen. Es sind dies an sich unbedeutende Gebietsstreifen, deren Besitz fur Georgien aber 38 deshalb von grosster Bedeutung war, weil die Türken im Besitz der dort gelegenen Pässe in kurzester Zeit die Hand auf die einzige, Transkaukasien durchquerende Eisenbahn legen konnten. Den Türken sicherte der Vertrag von Batum die freie Benutzung aller kaukasischen Eisenbahnen zu. Hieraus wiirden sie das Recht zur militärischen Besetzung der Eisenbahnen und aller Knotenpünkte einschliesslich Tiflis abgeleitet haben, was natürlich die militärische Okkupation Transkaukasiens duroh die Türken bedeutet hätte. Endlich übernahm Georgien im Batumer Vertrag die Verpflichtung, seine Armee zu demobilisieren und die Türkel über den Fortgang der Demobilisation auf dem Laufenden zu. halten. Von den Armeniern batten die Türken die Abtretung von etwa zwei Dritteln ihres Landes verlangt und zwar der fruchtbarsten Teile. Die Armenier hatten dies verweigert, worauf ein türkisches Armeekorps in Armenien eingerückt war, die armenischen Truppen geschlagen und von den von der türkischen Regierung angestrebten Gebieten Besitz ergriffen hatte. Nach einer sehr schönen und ruhigen Fahrt näherte sich unser Dampfer bei herrlichstem Wetter am Morgen des 23.Juni 1918 dem Hafen von Poti. Von Weitem schon grüsste uns der schneebedeckte Gipfel des 5629 Meter hohen Elbrus. Bis zu 225 Kilometer breit und in mehreren .Parallelketten gegliedert zieht sich der Grosse Kaukasus von Westnordwest in einer Ausdehnung von 1280 Kilometern nach Ostsüdost.Nach dem Elbrus ist der Kasbek mit 5043 Metern seine höchste Erhebung. Nur zwei fahrbare, durchgehende Strassen Uberqueren den Grossen Kaukasus: die gute, moderne von Ordsohoni (sic)83 (Wiadikawkas) nach Tiflis führende Grusinische Heerstrasse und die schmale, den erfordernissen des modernen Verkehrs in keiner Weise entsprechende Ossetische Heerstrasse, die Ordsohoni miltKutais, der ehemaligen Hauptstadt Georgiens verbindet. Südlich der Taler des Rion und der Kura, durch sie vom Grossen Kaukasus getrennt und nur durch das schmale Surmagebirge – die Wasserscheide zwischen den genannten Flüssen - mit ihm verbunden erhebt sich der reich gegliederte Kleine Kaukasus mit zahlreichen erloschenen Vulkanen und heissen Quellen. Seine höchsten Erhebungen sind der Grosse Arrarat, auf dem nach der Überlieferung die Arche Noahs gelandet ist - mit 5146 und der Alagös mit 4095 Metern. Die Schwarzmeerküste hat Rivieraklima; in Batum gedeiht unter Anderm sogar Tee. Die Taler und Niederungen der Flüsse sind sehr fruchtbar. Sie sind hauptsächlich mit Mais, Obst und Wein bestellt. Die Täler sind - besonders in der Nähe der Siedlungen -infolge des Jahrhunderte lang betriebenen Raubbaues sehr holzarm. Umso grösser sind die Bestände an wertvollem Holz in den leider vielfach unzugänglichen Bergen. Die Vorkommen an Mineralien der verschiedensten Art und an heissen Quellen sind sehr zahlreich. Im östlichen Teil der Kuraniederung wird Baumwolle gebaut. Mit einem Flächeninhalt von 248 114 qrm hat Transkaukasien etwa die Grösse des Königreiches Itailen (ohne Inseln).Seine Einwohnerzahl betrug aber 1918 nur rund 7 Millionen (gegenuber rund 42 Millionen in Italien); davon waren angeblioh 3 Millionen Georgier, 1,5 83 Ordschonikidse. Es ist höchstens interessant, daß zu der Zeit, also 1918 hat die Stadt noch die russische Benennung - Wladikawkas getragen, - die Osseten nannten sie Dsau-Dschichau.Den Namen trug die Stadt auch offiziell in 1944 – 1954. Den Namen des Sowjetischen Kommisars - Ordschonikidse bekam die Stadt erst nach der Sowjetisierung 1931. Also verwendet Kressenstein den Namen der zu der Zeit als er seine Errinnerungen fertigschrieb, (angeblich 1943) verwendbar war. 39 Millionen Armenier und 2,5 Millionen Tartaren. Ausserdem lebten bei Kriegsbeginn in Transkaukasien etwa 150 000 Russen, 2 bis 300 000 Griechen, 200 000 Perser und 50 000 Deutsche. Genaue statistische Angaben existierten nicht oder waren uns jedenfalls nicht zugänglich. Das Strassennetz in Transkaukasien war nur sehr schlecht entwickelt. Die Russen stützten sich hauptsächlich auf die gut ausgebaute, zweigleisige und leistungsfähige Eisenbahn Batum – Tiflis - Baku. In Samtredi84 zweigt von ihr eine Linie nach. Poti ab, über Kutais besteht Eiisenbahnverbindung nach dem Manganerzgebiet von Tschiaturi und von Titiis führt eine eingleisige, militärisch sehr wenig leistungsfähige Bahn über Alexandropol nah Kars und nach Eriwan, Dschulfa und Tabris. In den Jahren 1900 bis 1906 wurde eine 854 km lange Röhrenleitung von ca. 30 cm Durchmesser von Baku nach Batum gebaut; 17 Pumpstationen befördern die in Baku gewonnenen Naphtaprodukte nach Batum. Baku und Batum sind in der Luftlinie etwa ebenso weit von einander enternt wie Wien und Hamburg. Georgier, und Armenier blicken auf eine grosse und ruhmreiche geschichtliche Vergangenheit zurück, auf die sie ausserordentlioh stolz sind. Die Georgier gehören der Kaukasischen Rasse an und zeichnen, sich vielfach durch grosse Körperschönheit aus. Ihre. Frauen waren in den muselmanischen Harems sehr begehrt. lch habe während meines halbjährigen, Aufenthaltes im Kaukasus allerdings nur sehr wenige schöne Frauen gesehen, dagegen sehr viel gut aussehende Männer, deren vorteilhafte Erscheinung hoch ge hoben wird durch die ausserordentlich kleidsame Tracht. Die Geschichte der Georgier geht bis zur Alexander den Grossen zurück. Im Laufe der Jahrhunderte hatten sie viele schwere Kämpfe mit ihren Nachbarn, den Persern, Armeniern und Türken zu bestehen und hatten viel unter den über die Kaukasusbrücke zwischen Europa und Asien wechselnden Volkerschaften zu leiden.Sie schwächten sich durch innere Streitigkeiten und durch Erbteilungen. Um dass Jahr 300 fand durch die armenische Missionärin Nina das Christentum Eingang in Georgien. Die Mehrzahl der Georgier gehört der Griechisch orthodoxen Kirche an; ihr kirchliches Oberhaupt ist der Katholikos in Tiflis. Der Rest der Georgier bekennt sich zum Islam. Seine hochste, Blüte erlebte das Königreich Georgien im 11 und 12 Jahrhundert und zwar sowohl in politischer wie in kultureller Beziehung. Die Königin Tamara (1180-1198)85 wird noch heute als Nationalheldin verehrt. Besonders stand auch die Dichtkunst zu ihrer Zeit in hoher Blüte. Ende des 18 Jahrhunderts war Georgien - von den Russen Grusien genannt - so schwer von den Persern bedroht, dass Konig Georg XI 86 1799 dem russischen Zaren das Protektorat über sein Land anbot. Im Laufe der ersten Jahre des 19 Jahrhunderts verwandelte sich aber das russische Protektorat in Annexion, Georgien und die anderen Kaukasusländer verloren ihre Selbständigkeit und wurden der russischen Statthalterschaft Kaukasien einverleibt. Es dauerte bis zum Jahre 1859, bis es den Russen gelang, durch Besiegumg des Iman (sic)87 Schahmil den letzten Widerstand der Kaukasier zu brechen. Die ritterlichen und gut aussehenden, sangesfreudigen und trinkfrohen Ottiziere aus dem sehr zahlreichen grusinischen88 Adel- alle Adeligen nennen sich in Georgien Fürsten und führen die geschlossene Fürstenkrone - waren an Zarenhofe und in der russischen Armee sehr gerne 84 Sollte sein - Samtredia. Die Kenntnisse Kressensteins in der Geschichte Georgiens sind wissenschaftlich nicht zuverlässig. Die Königin Tamara Regierte 1184 -1212. 86 soll sein - Georg XII 87 Sollte sein Imam – (Arabisch- der Vorstehende), Leiter der muslämischen Gemeinde. 88 Kressenstein verwendet öfters die russische Benennung von Georgien Grusia und schreibt statt georgisch – grusinisch. 85 40 gesehen, durften aber nicht bei den in Kaukasien stehenden Truppenteilen dienen. Alle Beamten, Lehrer usw. im Kaukasus waren Vollblutrussen; die Kaukasier wurden nur ausserhalb ihrer Heimat im Staatsdienst verwendet. Amtssprache und sehr bald auch allgemeine Umgangssprache war das Russische. Handel und Industrie sowie die Ausbeutung der reichen Naturschätze Kaukasiens wurde von den Russen nicht nur nicht gefordert, sondem im Interesse der nationalrussischen Wirtschaft nach Möglichkeit unterbunden. Die Bevölkerung hatte schwer unter der Korruption der russischen Verwaltung zu leiden. Ähnlich wie in Georgien lagen die Verhältnisse in den anderen Ländern des Kaukasus; es hatte sich allmählich so starke Abneigung und so grosser Hass gegen die Russen und solche Sehnsucht nach Befreiung vom russischen Joch angesammelt,dass sich alsbald nach dem Zusammenbruch des russischen Kaiserreiches die Kaukasier vom russischen Reiche loslösten und sich unabhängig erklärten.89 Uns war es beschieden, die furchtbaren Folgen einer Revolution mitansehen zu müssen und zu erleben, wie ein freiheitsliebendes, aber politisch unreifes Volk darum kämpft, aus dem durch die Revolution geschaffenen Chaos wieder zu einigermassen geordneten Zustanden zu gelangen. Dieser Kampf würde rascher und gründlicher zu einem Erfolg geführt haben, wenn die Kaukasier nicht wie alle Orientalen nur sehr beschränkte Arbeitskraft und Arbeitslust besassen und weniger passive Naturen wären. Mehrfach hatte ich Veranlassung, führende georgische Persönlichkeiten zu ermahnen, sie sollten selbst aktiver sein und sich nicht nur auf fremde Hilfe verlasson. Ein Erfolg war solchen Ermahnungen nicht beschieden. Am frühen Morgen des 24.Juni verliessen wir bei strömendem Regen die kleine Hafenstadt Poti. Gegen ½ 7 Uhr Abends trafen wir in Tiflis ein. Auf allen grösseren Bahnstationen wurden wir von kleinen deutschen Bahnhofswachen begrüsst. Sie gehörten einem Bahnschutzbataillon an, das Schulenburg und Egan Krieger aus deutschen und österreichischen Soldaten gebildet hatten, die der russischen Kriegsgefangenschaft entronnen waren. Auf den Bahnhöfen wehte neben der georgischen die deutsche Reichskriegsflagge. Der Einstand in Tiflis war wenig erfreulich. Zwar wurden wir von Konsul Graf Sohulenburg und von Hauptrnann Egan Krieger empfangen, die georgische Regierung hatte es aber nicht für notwendig befunden uns bei unserem Eintreffen in Tiflis zu begrüssen. Angeblich hatte Graf Schulenburg versäumt, die Regierung von der Stbunde unseres Eintreffens zu unterrichten., Auch mit der Vorbereitung der Quartiere klappte es nicht. Man hatte für mich bei einem reichen Armenier Quartier gemacht. Bei der Einstellung der Georgier zu den Armeniern wäre meine Stellung in Georgien von vorneherein schwer erschüttert gewesen, wenn. ich in einem armenischen Hause Unterkunft genommien hätte. Ich lehnte es ab, das vorbereitete Quartier zu beziehen und nahm im Palasthotel Unterkunft, einem modernen; ordentlichen Haus, in dem aber die Wasserleitung nicht funktionierte und es infolgedessen ganz infernalisch stank.. Ich hatte den Eindruck und später wurde mir auch bestatigt, dass dieser Eindruck richtig war dass Schulenburg und Egan Krieger uber mein Eintreffen und das Ende ihrer schönen Selbständigkeit sehr wenig er freut waren. Ich muss aber bestätigen, dass sehr bald mit dieser Tatsache abfanden und mir keinerlei Schwierigkeiten bereiteten. Am Nachmittag des 25 überreichten wir im ehemaligen Statthalterpalais dem Ministerpräsidenten unsere Begläubigungsschreiben und schon an dem nächsten Tage fanden eingehende Besprechungen mit den georgischen Ministern statt, bei denen sie unsere zahlreichen Fragen offen und in Grossen und Ganzen auch ehrlich beantworteten. Das Bild, das wir uns auf 89 In diesem Fall ist natürlich Kressenstein wenig informiert über die Tatsächliche Einstellung der damaliger führender Partei in Kaukasus, der georgischer Fraktion der russischer Sozial-Demokratischen Partei. (Siehe die Einleitung). 41 Grund dieser Besprechungen und auf Grund sonstiger Nachrichten,die wir erhielten, von der augenblicklichen, allgemeinen Lage im Kaukasus und in Georgien im Besonderen machen, konn-ten, war sehr wenig erfreulich. An der Spitze der georgischen Regierung stand Herr Noe Jordania Er war von der Nationalversammlung gewäht worden und hatte sich dann seine Ministerkollegen selbst ausgesucht. Deren wichtigste waren der Innenminister Noe Ramischwili, der Kriegsminister Georgadse, seines Zeichens Rechtsanwalt, der Aussenminister Gegetschkori. Mit Ausnahme des Finansministers Juruli, der der nationaldemokratischen Partei angehörte und seiner Aufgabe nicht gewachsen war, waren sämtliche Minister gemassigste Sozialdemokraten - Menschewiki; von Beruf waren sie meist Litteraten und Journalisten und hatten alle einen beträchtlichen Teil ihres Lebens in Sibirien Oder in russischen Gefängnissen zugebracht. Sie waren ganz gebildete, manierliche Menschen von leidlich guten Umgangsformen, waren ohne Zweifel vom besten Willen beseelt und waren gute Patrioten. Ein wenig Sympatischer und recht wenig zuverlässiger Mann war der Aussenminister und ein ganz übler, ungehobelter Patron der Eisenbahnminister Sämtliche Minister litten darunter, daes sie keinerlei Geschäftsroutine besassen und dass ihnen jede Unterstützung durch eine geschulte Beamtenschaft fehlte. Man hatte die erfahrenen russischen Beamten sofort weggejagt und sie durch ungelernte georgier ersetzt, die mit ganz wenig Ausnahmen ihren Aufgaben nicht gewachsen waren. Wie dies bei allen Rovolutionen der Fall zu sein scheint, waren bei Ihrer Auswahl nicht sowohl Eignung und Fähigkeit massgebend gewesen als vielmehr ihre poli-tische Einstellung Die durch die mangelnde Vertrautheit der Minister und ihrer Mitarbeiter mit den Regierungsgegchäften herforgerufene grosse Unsicherheit machte sie misstrauisch und argwöhnisch und hielt sie leider auch recht oft davon ab, sich bei uns Rats zu erholen. In Unkenntnis des diplomatishen Brauhtums liessen sie sich mancherlei Entgleisungen zu Schulden kommen, die oft rechthohe Anforderungen an unsere Nachsicht und Geduld stellten. Es war ja durchaus verständlich, dass sie als überzeugte Marxisten dem Kaiserlich deutschen General und Aristokraten zunächst mit starkem Misstrauen gegenüberstanden. Vor Allem befürchteten sie, wir würden versuchen uns in ihre inneren Angelegenheiten einzumischen. Dieses Misstrauen wurde verstärkt durch das ungeschickte Verhalten der Nationaldemokraten. Ihre Partei setzte sich hauptsächlich aus dem entrechteten Adel, den depossedierten Grundbesitzern, den verabschiedeten Offizieren, kurz aus allen konservativen und reaktionären Elementen zusammen. Diese uns auch gesellschaftlich näherstehenden Herren empfingen uns mit offenen Armen, versuchten sofort uns mit Beschlag zu belegen und machten kein Hehl daraus, dass sie von uns erwarteten, wir würden ihnen helfen, die sozialdemokratische Regierung zu stürzen und sie wieder in Ihre alten Rechte einzusetzen. Es dauerte längere Zeit und bedürfte grosser Zurückhaltung und vielen Taktes von unserer Seite, bis es gelang, die Sozialdemokraten dovon zu überzeugen, dass sie von uns keine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zu befürchten hätten. Mit der Zeit gelang es mir ein ganz gutes Vertrauensverhältnis zu Jordania herzustellen. Die Lage im Inneren Georgiens und seiner Nachbarländer war bei unserem Eintreffen im Kaukasus noch follig ungeklärt. Die öffentiche Ruhe und Sicherheit war noch nicht wiederhergestellt, es herrschte mehr Oder weniger Anarchie. Eine Verfassung gab es in Georgien noch nicht. Eine Kommission der 120 Mitglieder zahlenden Nationalversammlung war mit der Ausarbeitung eines Verfassungsgesetzes beschäftigt. Vorsitzender der Nationalversammlung war der als einer der Führer bei der russischen Februarrevolution bekannte Menschewik Zereteli. Allnächtlich fanden in den Strassen von Tiflis noch Schiessereien statt; im flachen Land und in den Bergen trieben sich zahleiche Banden herum, die die Sicherheit des Verkehres bedrohten, Dörfer überfielen und plunderten, Gutshöfe beraubten und in Brand steckten usw. Die Regierung stützte sich aut eine Rote Garde. Es war dies eine Revolutionstruppe der schlimmsten Art. Sie stand unter der Führung eines verantwortungslosen, jungen Abenteurers 42 (Studenten), hatte die übelsten Elemente in sich vereinigt, stellte die unverschämtesten Anspruche hinsichtilch Lohnung und Verpflegung, erkannte nur den Ministerpräsidenten als Vorgesetzten an und terrorisierte das Land und die Regierung in der Schlimmsten Weise. Bei der seinerzeitigen Ausrottung der bolschewistischen Elemente im Lande hatte sich die Rote Garde gewisse Verdienste erworben, mit der Zeit hatte sie sich aber zu einer Geissel für das Land ausgewachsen. Die sogenannte georgische Armee war etwa 10 000 Mann stark und verfügte über etwa 100 Geschütze. Ihr Gefechtswert war ausserordentlich gering. Die Disziplin war durch revolutionäre Einflüsse schwer untergraben. Die Soldaten vernachlässigten sih im Anzug und in der Haltung, sie grüssten ihre Ofiziere nicht und diese hatten sichtlich Angst vor ihren Leuten. Die Rote Garde hatte angeordnet, dass die Soldaten nur zu sechsstündigem Dienst am Tage herangezogen werden dürften. Die Rote Garde hatte auch befohlen, dass in allen Gaststatten 20 % Trinkgeld gezahlt werden müssten. Das Land war von einer Hungersnot bedroht. Infolge der Entrechtung der Grossgrundbesitzer und der Verteilung des Landes auf die Bauern, denen es an Saatgut, Arbeitskräften und Betriebsmitteln fehlte, war die Eigenproduktion an Getreide stark zurückgegangen und die in normalen Zeiten übliche Zufuhr aus Ciskaukasien war völlig eingestellt. Die reichen Ernten der letzten Jahre an Wein und Tabak hatten nicht abgesetzt werden können. Die Agrarfrage war wohl eine der Aufgaben, die die georgische Regierung in erster Linie hätte aufgreifen und.lösen sollen. Die Preise waren ganz phantastisch gestiegen; der Warenhunger glich dem in Deutschland vom Jahre 1943. Es fehlte so ziemlich Alles, von der Stecknadel und dem Nagel angefangen bis zu Gläsern, elektrischen Birnen, Strümpfen, Wäsche und Kleidern Schwere Mißstände erwuchsen daraus, dass die Bolschewiken in Baku den Georgiern die Zufuhr an Naphtaprodukten gesperrt hatten. Die Eisenbahnen, die Fabriken, die Mühlen, die Wasserwerke die Elektrizitätswerke, die Schiffahrt - alles, war im Kaukasus – wie übrigens im ganzen südlichen Russland - auf Masutheizung eingestellt. Masut sind die bei der Destillation des Rohöles verbleibenden Rückstände, die auch für die, Beheizung der Häuser Verwendung fanden. Die Betriebe waren bei unserer Ankunft zum Teil schon stillgelegt, teils standen sie vor der Stilllegung. Der Autobetrieb war nahezu völlig eingestellt. Dass z.B. die Wasserleitung in Tiflis nicht funktionierte, war in dem Mangel an Masut begründet. Das Land und insbesondere Tiflis waren überfüllt von landfremden Elementen. Neben den zahlreichen Flüchtlingen aus Armenien waren es hauptsächlich die zahllosen russischen Offiziere und Beamten, die zu Besorgnissen Anlass gaben. Als sich die etwa 300 000 Mann starke russische Kaukasusarmee auflöste, gestatteten die revolutionierten Soldaten ihren Offizieren nicht, die Züge zu benutzen, mit denen sie selbst in die Heimat zurückkehrten. Unter den ihrer Subsistenzmittel beraubten russischen Offizieren und ihren Familien herrschte bittere Not. Sie versuchten auf alle nur mögliche Weise ihren Lebensunterhalt zu gewinnen. Im Schaufenster eines kleinen Ladens auf dem Golowinski Prospekt - der Hauptstrasse vonTitlis sass ein russischer General - der vormalige Ghef des Generalstabes der Kaukasusarmee - und arbeitete als Schuster. Zahlreiche Taxis in Tiflis wurden von russischen Offizieren gefahren. Hatten sie sich damit einige Rubel verdient, so fuhren sie zum Adeligen Klub, kauften sich eine Flasche Sekt und jeuten. In den Restaurants war eine grosse Anzahl der Kelner russische Offiziere. In den Cafes und Konditoreien wurde man von den Frauen und Töohtern russischer Offiziere bedient Russische Generale mit ihren Frauen und Töchtern konzertierten in den Vergnügungslokalen. Eines Tages brach ein alter russisher General bewusstlos vor meinem Hause zusammen. Als er wieder zu sich karn, gestand er, dass er seit drei Tagen nichts gegessen hatte. Die Georgier lehnten es in begreiflicher Weise ab, den russischen Offizieren und Beamten, ihren Feinden, Pensionen zu zahlen. So sehr man die armen Leute bedauerte und zum Teil auch wegen der vornehmen Art, wie sie ihr schweres Schicksal trugen, bew-underte, so waren sie doch wegen ihrer politischen Einstellung und wegen ihrer starken Neigung zu politischen Intriguen 43 für Georgien und für uns Deutsche eine umso grössere Gefahr, als sie von zahlreichen englischen Agenten, die das Pfund rollen liessen, bearbeitet wurden. Die armenischen Flüchtlinge bedeuteten insoferne eine ernste Gefahr für das Land als unter ihnen alle nur möglichen Seuchen und Krankeheiten wüteten. Ganz schlecht war es um die Finanzlage Georgiens bestellt. Es gingen keinerlei Zolle ein und Steuern wagte die Regierung noch nicht zu erheben. Man lebte noch von der russischen Hinterlassenschaft und hoffte, dass Deutschland eine grosse Anleihe bewilligen würde. Die Frage, ob Zollgrenzen gegen die anderen Kaukasusstaaten errichtet werden soll-ten oder ob sich eine Zollgemeinschaft errichten liess, war noch nicht erörtert worden. Fast noch unerfreulicher und besorgniserregender aber als die innere Lage war bei unserem Eintreffen in Tiflis die aussenpolitische Lage Georgiens. Wenige Tage vor unserer Ankunft hatten tartarische Banden unter der führung türkischer Offiziere die Südgrenze Georgiens überschritten, hatten die schwachen georgischen Grensschutzsabteilungen zurückgeworfen und waren bis auf fast einen Tagesmarsch gegen Tiflis vorgerückt. Offenbar wollten die Türken durch diesen Vorstoss die Verschiebung einer ihrer Divisionen längs der armenisch-georgischen Grenze nach Asserbeidchan sichern und verschleiern. Auch über Bortschalik drohte ein türkischer Vormarsch. Entgegen den Bestimmungen des Batumer Vertrages hatten die Türken die Bezirke Achalschik und Achalkalaki noch nicht geräumt. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Kaukasusländern waren noch nicht festgelegt. Dies sollte auf einer Konferenz in Konstantinopel erfolgen. Diese Konferenz wurde immer wieder verschoben und kam schliesslich überhaupt nicht zustande. Armenier, Asserbeidshaner und Bergvölker machten den Georgiern Teile des von diesen beanspruchten Gebietes streitig. Die Armenier verlangten den Kreis Bortschalik und Teile des Bezirkes Achalkalaki, die Tartaren beanspruchten den südlichen Teil des Bezirkes Tiflis und die Bergvölker den Bezirk Sakataly. Auch an der grusinischen Heerstrasse gab es strittige Gebiete. Die Grenzziehung war dadurch ausserordentlich erschwert, dass die Siedlungsgebiete der verschiedenen Völker so stark über einander übergriffen. Bei Suchum an der Schwarzmerküste standen zur Zeit unseres Eintreffens georgische Truppen im Kampf mit weissrussischen Kosaken. Die weissrussischen Generale erkannten die Loslosung der Kaukasusländer vom russischen Reiche nicht an. Über die Lage in Giskaukasien war man in Tiflis nicht orientiert; man wusste nur, dass dort noch gekämpft wurde. Gegen alle ihnen von aussen drohenden Gefahren glaubten sich die georgischen Sozialdemokraten dadurch schützen zu können, dass sie sich für neutral erklärten und dies ihren Nachbarn notifizierten. Durch die Ereignisse sollten sie allerdings sehr bald über den Unterschied zwischen Theorie und Praxis belehrt werden und am eignen Leib erfahren, daas auch der Beste nicht im Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Es war für uns überhaupt von Interesse zu erleben, wie unter dem Drucke der Wirklichkeit und der auf ihnen lastenden Vorantwortung die mit der Regierung betrauten marxistischen Theoretiker gezwungen waren, eines ihrer Schlagworte und Ideale nach dem anderen zu opfern. Sie hatten sofort nach Übernahme der Regierung die Todesstrafe abgeschafft; wenige Wochen später mussten sie sie wieder einführen. Die Akkordarbeit war als asozial untersagt worden; es dauerte nicht lange und sie musste wieder eingeführt werden usw. Die Rucksich auf das Parteiprogramm hat die Minister häufig gezwungen, wider besseres Wissen von als notwendig und richtig erkannten Massnahmen abzusehen. Der Kampf mit den eigenen Parteigenossen und mit der Roten Garde hat ihnen mehr schwere Stunden bereitet als der Kampf; mit der Opposition. Die georgische Bevölkerung stand uns Deutschen zunächst gleichgiltig, zuweilen sogar ablehnend gegenüber. Die georgischen Offiziere grüssten uns nicht einmal. Offenbar hatte die Regierung versäumt, die öffentliche Meinung darüber aufzuklären, dass sie uns gerufen hatte und dass wir gekommen waren, um zu helfen. Verhältnismässig bald trat jedoch ein Umschwung in der Einstellung der Bevölkerung zu 44 uns ein. Das Kgl. Bayerische Reserve Jager Bataillon Nr.l unter Führung seines vortrefflichen Kommandeurs Scheuring und das Sturmbataillon Nr.10 unter Kommando des [es fehlt – D. P.] , waren am 8 Juni in Poti gelandet und am 10 Juni als erste deutsche Truppen in Titlis eingetroffen. Bereits am nächsten Tage hatte der Minipterpräsident Jordania auf dem Golowinski prospekt eine Parade über die deutschen und über die in Tiflis stehenden georgischen Truppen abgenommen. Die gute Haltung und der tadellose Vorbeimarsch der deutschen Formationen machte nicht nur auf die Regierungsmitglieder, sondern auch auf die Bevölkerung einen tiefen Eindruck und war von gutem Einfluss auf deren Einstellung. Noch in der Nacht vom 11 auf 12 Juni waren die Deutschen Truppen wieder von Tiflis aufgebrochen, um im Verein mit schwachen georgischen Kräften die in das südliche Georgien eingedrungenen Tartarenbanden zurückzuwerfen. Eine ausführliche, von Major Scheuring geschriebene schilderung der Operationen und Gefechte in Südgeorgien findet sich in der Geschichte des K. B. Jägerregiments.. Dank dem grossen Takt und der Geschicklichkeit Scheurings und seiner Offiziere war es gelungen, die von türkischen Offizieren geführten und von regulären türkischen Truppen gestützten Tartarenbanden über die Grenze zuruckzuwerfen, ohne dass es zum offenen Kampf mit unseren Bundesgenossen gekommen war. Dem Drucke der deutschen OHL nachgebend hatte Enver auf den offenbar geplanten Vormarsch gegen Tiflis verzichtet und seine Truppen über die georgische Grenze zurückgezogen. Wenn es sich bei der Expedition unserer Truppen in Südgeorgien auch nicht um schwere Kämpfe gehandelt hatte, so hatten sie dem Jägerbataillon doch 4 Tote uad 12 Schwerverwundete gekostet. Unsere Freundschaft mit den Georgiern war mit deutschem Blut besiegelt worden. Nachdem die deutschen Truppen die gewonnenen Gebiete von den tartarischen Banden gesäubert und die unzuverlässigen Ortschaften nach Möglichkeit entwaffnet hatten waren die Jäger unter Belassung einer Kompagnie in Südgeorgien am 24 und 25 Juni nach Tiflis zurückgekehrt. Das Sturmbataillon war nach der deutschen Kolonie Katharinenfeld abmarschiert und wurde später von mir nach Kutais verlegt. lch konnte am Tage nach meinem Eintreffen in Tiflis das Jägerbataillon in seiner Kaserne besuchen und begrüssen. Major Scheuring beauftragte ich mit der Führung der Geschäfte der deutschen Komendatur Tiflis, die in einem schönen alten Klubgebäude am Golowinskiprospekt untergebracht wurde. Das unter Führung des Oberleutnants Pfaffenberger stehende deutsche Bahnschutzbataillon löste ich auf. Die dadurch freiwerdenden Offiziere und Mannshaften wurden auf das Jägerbataillon und das Sturmbataillon verteilt. Aus den Jägern wurde das „Kaukasische Jägerregiment“ (spater in K.B. 15 Jägerregiment umbenannt) unter Führung des Majors Scheuring gebildet. Das Regiment bestand aus dem Regimentsstab und zwei Bataillonen zu je 3 Kompagnien und einer Maschinengewehrkompagnie. Dem 1. Bataillon war ein Minenwerferzug und ein Zug Feldgeschütze, die die georgische Regierung zur Verfügung gestellt hatte, angegliedert. 13 ehemalige russische Offiziere (sämtlich Deutshbalten) wurden ungeachtet ihres früheren Ranges als Leutnante auf Kündigung beim Regiment eingestellt. Die meisten von ihnen fanden als Dolmetscher Verwendung. Beim Sturmbataillon wurde eine zweite Schützen-Kompagnie aufgestellt. Aus den nicht zur Einstellung in die Front geeigneten ehemaligen Kriegsgefangenen wurde in Tiflis eine Garnisonkompagnie formiert. Ende Juli war die Autstellung des Jägerregimentes abgesohlossen. Eine Kompagnie des Regiments wurde zum Grenzschutz in Südgeorgien belassen. Das Sturmbataillon hielt mit einem Zug Poti besetzt. Wegen des schlechten Klimas von Poti musste dieser Zug alle 14 Tage abgelöst werden. Die Delegation wurde in der Nähe des deutschen Konsulates in einem schönen, Repräsentativen Hause, das samt Einrichtung einen reichen Armenier gehörte, der ausser Landes war, unterge bracht. Zu ebener Erde konnten die Bureaus der Delegation eingerichtet werden, im ersten Stock befanden sich die sehr anständigen Repräsentationsräume, mein Arbeitsund Schlafzimmer, sowie je ein Zimmer für Lersner und Böttinger. Es dauerte einige Zeit, bis das Haus, das vorher einer georgischen Behörde für Büreauzweoke gedient hatte, in Stand gesetzt war. 45 Zur Uhterbringung der nicht im Truppenverband stehenden Offiziere und Beamten wurde das Palace-Hotel gemietet. In ihm wurde auch das deutsche Offizierskasino eingerichtet. Als Dolmetscher standen der Delegation die Balten, Baron Drachenfals, Baron Frank, Frhr von Hamm und später noch Herr von Normann zur Verfügung. Wir haben im Grossen und Ganzen gute Erfahrungen mit ihnen gemacht, wenn auch ihre Arbeitsleistung manchmal etwas zuwünschen übrig liess. Ende Juni lief aus Suchum die Meldung ein, dass dort etwa 600 Mann türkische Truppen gelandet seien und sich zwischen die nördlich Suchum gegen bolschewistische Banden kampfenden georgischen Truppen und das georgische Hinterland geschoben hatten. Auf dringendes Bitten Jordanias schickte ich zur Beruhigung der Bevölkerung eine kleine Abteilung (2/3 Kompagnie und I Zug MGs) nach Suchum. Unter dem Druck dieses neuen Vertragsbruches durch die Türken mussten mein österreichischer und bulgarischer Kollege und ich den inständigen Bitten der georgischen Regierung nachgeben und noch einen Versuch machen, einen modus vivendi mit denTürken zu finden. Wir hofften, durch eine mündliche Aussprache mit Wehib Pascha in Baturn zu einer Verständigung zwischen den Türken und Georgiern zu kommen. Auf unsere telegraphische Anfrage, ob unser Besuch genehm, sei, erhielten wir keine Antwort. Trotzdem schifften wir drei Missionschefs mit einigen Begleitern uns am Morgen des 29 Juni in Poti auf dem Dampfer „General“ ein und trafen nach einer von herrlichstem Wetter begünstigten Fahrt gegen 1 Uhr mittags von Batum ein. Wir mussten sehr lange warten bis uns die Genehmigung zur Einfahrt in den Hafen erteilt wurde und könnten erst zwischen 4 und 5 Uhr nachmitags an Land gehen. Der berüchtigte Wehib, ein kleiner, dicker Mann von etwa 42 Jahren, der richtige verschlagene, aber kluge und verhandlungsgewandte Asiate, ein brutaler Gewaltmensch auch in seinem Äusseren, unsympathisch im höchsten Grad, aber ohne Zweifel eine starke Persönlichkeit empfing uns zwar sehr freundlich, vehielt sich aber in der Sache vollig ablehnend. Die Freilassung der im südlichen Georgien von den Türken gefangen genommenen Deutschen lehnte er glatt ab. Die Landung in Suchum habe er ohne das Vorwissen von Konstantinopel gemacht, weil er von den Abchasen um Hilfe gebeten, wordon sei. Tatsächlich stand die Bevölkerung von Abchasien auf Seite der Georgier, nur einige Grossgrundbesitzer, die die Enteignung ihres Besitzes durch die soziallstische Regierung in Tiflis befurchteten, hatten sich an Wehib um Hilfe gewendet. Aut meine Frage, ob wir uns denn bei ihm an die richtige Adresse gewendet hatten, teilte uns Wehib mit, dass er um 5 Uhr das Komando an seinen Bruder Essad Pascha übergeben würde. Enver hatte ihn abgesetzt. Leider hatten unsere noch am gleichen Abend und am nächsten Vormitag stattfindenden Besprechungen mit Essad Pascha kein günstigeres Ergebnis. Äusserlich war Essad das gerade Gegenteil seines Bruders - eine gute, vornehme Erscheinung - ein. Herr-, der gut deutsch sprach und den Eindruck eines offenen, ehrlichen Mannes machte. Aber er war ebenso verschlagen und eigensinnig wie sein Bruder, wenn auch nicht so gewandt und zynisch wie dieser. Er verschanzte sich hinter dem Vorwand, dass er zu Verhandlungen nicht legitimiert sei, lehnte es gleichfalls ab, die gefangenen Deutschen freizulassen und behauptete, er konne die armenischen Flüchtlinge nicht in ihre Heimat zurückkehren lassen, well sie dort Greueltaten verübt hatten. Die von den Türken widerrechtlich besetzten Gebiete konne er nicht räumen, weil er dazu nicht autorisiert sei; über die Landung in Suchum müsse er die Auskunft verweigem usw. Obwohl wir zuletzt eine recht energische und deutliche Sprache geführt hatten, müssten wir Batum unverrichteter Dinge verlassen. Aber noch auf der Fahrt nach Poti erhielten wir einen Funkspruch Essads, dass er wahrscheinlich auf Grund eines Befehls Envers - bereit sei, die gefangenen Deutschen freizugeben und als wir in Poti eintrafen, fanden wir die Meldung vor, dass die türkischen Truppen bei Suchum den georgischen Boden verlassen hatten. Also war unsere Mission doch nicht ganz erfolglos gewesen. Vom türkischen Generalintendanten Ismael Haki Pascha - dem klugsten und gerissensten Spitzbuben - wurde ich In einem sehr liebenswürdigen Telegramm gebeten, zu vermitteln., dass 46 ihm die Georgier gestatteten die in Asserbeidshan erworbene Baumwolle mit der Bahn durch Georgien zu transportieren. Er wolle dafür Georgien mit Masut beliefern. Am Morgun des 1 Juli nach Tiflis zurückgekehrt, suchte ich sofort Jordania auf, um ihm über das Ergebnis unserer Verhandlungen in .Batum zu berichten. lch riet ihm, zwar die Baumwolltransporte, nach Batum, durchzulassen, im Übrigen aber die Bahn durch Georgien für türkische Militärtransporte solange zu sperren, bis die Türken die Bezirke Achalkalaki und Achalzilk geraumt hätten. Die georgische Regierung machte sich diesen Vorschlag zu eigen. Als Ludendorff Mitte Juli verlangte, dass die Militärtransporte der Türken unabhängig von der Räumung der von den Türken widerrechtlich besetzten Geblete durchgeführt wurden, musste ich ihm melden dass meine sofortige Abberufung erforderlioh sei, wenn er auf der Ausführung seines Befehles bestünde. Trotzdem den Türken durch die Sperrung der georgischen Bahn für ihre Militärtransporte sehr grosse Schwierigkeiten erwuchsen, entschloss sich der eigensinnige Enver erst dann zur Räumung der genannten Gebiete, als nach dem verunglückten Versuch Nuri Paschas, sich Bakus zu bemächtigen, in den ersten Tagen des August die Benutzung der Bahn für die Türken zu einem unabweisbaren Bedürfnis geworden war. lch werde hierauf später zu sprechen kommen. Trotz der numerischen Schwäche der deutschen Truppen machte die Befriedung des Landes verältnimässig rasche fortschritte. Die nähtlichen Schiessereien in Tiflis hörten bald völlig auf und auch auf dem flachen Land besserte sich die öffentliche Sicherheit zusehends. Das Erscheinen nur einiger deutscher Stahlhelme genügte, um die räuberischen Banden verschwinden zu lassen. Die eingeborenen Grundbesitzer bestürmten uns mit Bitten, ihnen durch Zuteilung einiger deutscher Soldaten das sichere Einbringen der Ernte zu ermöglichen. Soweit es unsere schwachen Kräfte erlaubten, wurde diesen Bitten entsprochen. Auf auffallend hartnäckigen Widerstand stiess ich bei der georgischen Regierung mit meinen Bemühungen, sie zur Aufstellung einer brauchbaren, regularen Armee zu veranlassen. Es machten sich hier ganz besonders die Einflüsse marxistischer Utopien, der Parteigebundenheit der Minister und ihrer Angst vor der Roten Garde fühlbar. Schliesslich musste ich zu einem Druckmittel greifen. Ich eröfnete dem Ministerpräsidenten erst mündlich und dann in einer Note, dass die georgische Regierung so lange nicht mit dem Abslchluss der von ihr so dringend benötigten Anleihe in Deutschland rechnen könne, als sie nicht durch die Aufstellung einer genügend starken Armee die nötige Gewähr für den Bestand ihres Staates geschaffen habe. In Berlin bat ich, den Abschluss der Anleiheverhandlungen solange zu verzögern bis die georgische Regierung in der Frage der Aufstellung einer Armee nachgab. Diesser Druck hatte die gewünschte Wirkung. Ich hatte die Genugtuung, dass die georgische Nationalversammlung am i4. August das von mir nach deutschem Muster entworfene Militärgesetz mit nur geringfügigen Änderungen einstimmig annahm. Ausserdem wurde die bei der Revolution abgeschaffte Militargerichtsbarkeit wieder eingeführt. Es sollten in Georgien zunächst zwei Infanterie Divisionen, eine Grenzschutzdivision nach russischem Muster, eine Kavallerie -Division zu 3 Regimentem mit den nötigen Nebenwaffen und eine selbständige Artilleriebrigade in einer Gesamtfriedensstärke von 30 – 40 000 Mann aufgestellt werden. In der Person des Generals Gedewanoff90 wählte sich der Kriegsminister einen sehr tüchtigen und sympathischen Gehilfen, mit dem wir angenehm und vertrauensvoll zusammen arbeiten konnten.Ich stellte ihm den Maior Graf Wolffskeel und einige Offiziere zur Verfügung. Stärkenachweisungen für die aufzustellendon Truppentelle wurden von mir ausgearbeitet, desgleichen ein Plan für die Organisation des Kriegsministeriums. Der mir von den Georgiern zur Begutachtung vorgelegte Plan für die Organisation dieses Minissteriums sah für die kleine Armee - echt orientalisch - einen viel zu grossen und zu kostspieligen Apparat vor. Die Arbeiten für die Organisation der Armee machten verhältnismässig langsame Fortschritte, da ein Teil der 90 Auf georgisch Gedewanischwili. Infolge der asimilatorischer Politik Rußlands seit 1804 wurde der Georgische Adel nach Rußland verbannt und die Namen auf russische Art umgenannt. 47 georgischen Offiziere - an ihrer Spitze der Chef des Generalstabes, General Fürst Andronikow91 - die glaubten, es besser zu verstehen als wir Deutsche, unsere Arbeit sabotierte. Immerhin war die Organisation der Armee bis Ende des Jahres soweit gediehen, dass die Georgier im Stande waren die Armenier aus eigener Kraft zurückzuschlagen, als diese am Tage nach dem Abzug der doutschen Truppen aus Tiflis verräterischer Welse ohne Kriegserklärung die georgische Grenze überschritten und sich Tiflis bis auf einen Tagemarsch näherten. Am Abend des 16 Juni fuhr ich mit meiner Begleitung zur Übergabe meines Beglaubigungsschreibens bei der asserbeidschanischen Regierung nach Elisabethpol (Gandschi), der damaligen Hauptstadt Asserbeidshans. Damit verband ich auch einen Besuch bei Nuri Pascha, dem Vertreter der türkischen Regierung in Asserbeidshan. Gandschi ist ein grosses Dorf mit einigen wenigen stadtischen Gebäuden, umgeben von weiten Gärten mit geradezu tropischer Vegetation, Ein zur Zeit trockenes Flussbett trennte den tartarischen vom armenischen Stadtteil. Bis zum Eintreffen der Türken bestand zwischen den beiden Stadtteilen blutige Fehde. Der Besuch bei der aserbeidshanischen Regierung beschränkte sich auf den Austausch von Höflichkeiten und hatte kein praktisches Ergebnis. Die Regierung scheint nur sehr wenig Einfluss zu besitzen; tatsächlicher Diktator ist Nuri Pascha. Mit besonderem Nachdruck wurde mir versichert, dass Asserbeidshan ohne den Besitz von Baku nicht lebensfähig sei. Ein Standpunkt, den natürlich auch Nuri teilte. Er versicherte mir aber, dass er nicht beabsichtige, Baku anzugreifen. Die wesentlichste Schwierigkeit für eine Konsolldierung Aserbeidshans sah ich darin, dass das Land nur eine sehr dünne, halbwegs gebildete Oberschicht besitzt und infolge dessen der Mangel an regierungsähigen Mannern sehr gross ist. Der Divisionsgeneral und Generaladjutant Nuri Pascha – ein Bruder Envers - ist 28 bis 30 Jahre alt; er ist nicht so schön wie sein Bruder Enver, aber eine ganz gute Erscheinung und nicht unsympathisch. Er war zwar sehr liebenswürdig, aber zu trauen war ihm nicht. Ganz naiv erzählte er mir, dass er sich nur deshalb den grossen Vollbart stehen lasse, damit er älter aussehe und bei seinen Glaubensgenossen mehr Ansehen genösse. 1m Anschluss an unseren Aufenthalt in Gandschi besuchten wir Helenendorf, die grösste, schönste und reichste der deutschen Kolonieen im Kaukasus. Wie in Palästina so war es auch im Kaukasus ein ganz eigenartiges, anheimelndes Gefühl, wenn man mitten im fremden Erdteil, unter fremden.Menschen, fast drei tausend Kilometer von der Heimat entfernt plötzlich auf ein schönes, grosses, reinliches. Dorf traf, ganz im schwäbischen Stil erbaut, mit der breiten schattigen Dorfstrasse, der oft rührend einfachen Dorfkirche, mit blummengeschmückten Vorgarten und zahlreichen blonden Kindern, die uns im echtesten schwäbischen Dialekt begrüssten. Im September 1817 waren die ersten deutschen Kolonisten in Tiflis eingetroffen und hatten sich in Marienfeld bei Tiflis angesiedelt, 178 Seelen, lauter Schwaben, die ihr Vaterland teils wegen der damals in ganz Süddeutschland wütenden Hungarsnot teils aus religiosen Grunden als Sektierer verlassen hatten. Ende des gleichen Jahres trafen.noch weitere 500 schwäbische Familien ein, die die Kolonien Elisabethtal, Alexandorsdorf, Neu Tiflis, Katharinenfeld, Annenfold und Helenendorf gründeten. Im Ganzen siedelten sich 531 schwabische Familien mit ca.2700 Seelen an. Die damalige russische Regierung begünstigte und forderte die deutsche Ansiedelung in weitgehendem Maße; man wollte in dem vor Kurzem unterworfenen, der russischen Zwangsherrschaft widerstrebenden Lande ein regierungsfreundliches Element schaffen. Den Kolonieen,wurden Selbstverwaltung, deutsche Kirchen mit deutsohen Geistlichen, deutsche Schulen mit deutschen Lehrern zugestanden.Vor Allem aber wurden Nichtdeutsche von der Ansiedelung in den deutschen 91 Auf georgisch - Andronikaschwili. 48 Kolonien ausgeschlossen - eine für die Erhaltung des Deutschtums ausserordentlich wertvolle Maßnahme, weil dadurch Mischehen wenn nicht verhindert, so doch sehr erschwert wurden. Dem eisernen Fleiss, der Zählgkeit und Anpassungsfähigkeit der Schwaben war es zu danken, dass sich die Kolonieen - insbesondere da, wo sie sich mit Weinbau befassen könnten - zu grosser Blüte und teilweise zu sehr beträchtlichem Wohlstand entwickeln könnten. In Helenendort gab es zur Zeit unseres Besuches eine Anzahl von Millionären. Natürlich vollzog sich die Entwicklung der Kolonieen nicht ohne ernste Krisen and mancherlel Rückschläge. Häufig mussten die Kolonisten zur Waffe greifen, und ihre Angehörigen und ihr Hab und Gut gegen die Überfälle räuberischer Horden zu verteidigen. Die deutstchen Kolonisten und insbesondere die von ihnen geleiteten Handelshäuser erfreuten sich wegen ihrer Geschaftstüchtigkeit, und Verlassigkeit grossen Ansehens. fn den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege hatten auch die deutcschen Kolonien im Kankasus unter den lebhaft einsetzenden Russifi-zierungsbestrebungen zu leiden. 1887 wurden die deutschen Schulen den russischen Aufsichtsbehörden unterstellt. Die Kolonien wurden in eine besondere Steuerklasse eingereiht; die landwirtschaftlichen Kulturen — insbesondere die Weingärten wurden zwei bis dreimal höher besteuert als solche, die sich im Besitz von Nichtdeutschen befanden. 1912 beantragte noch der Statthalter, die deutschen Kolonieen den allgemei- nen Gesetz zu unterstellen und ihnen die bei der Ansiedelung verliehenen Privilegien zu entziehen. Obwohl die deutschen Kolonisten unter Wahrung ihrer kulturellen Eigenart gute and loyale Untertanen des Zaren geworden waren und viele ihrer Söhne im russischen Heere dienten, hatten sie doch zu Beginn des Weltkrieges unter dem allgemeinen Deutschenhass und der nervösen Spionenriecherei sehr zu leiden. Die Kolonien wurden in ganz unerhörtem Maße zu den Requisitionen herangezogon und viele ehrenwerte und angesehene Kolonisten wurden unter nichtigen Vorwänden unschuldig ins Gefängnis geworfen oder nach Sibirien verschickt. Nach dem Zusammenbruch des zaristischen Reiches machte sich in den deutschen Kolonien das Bedürfnis geltend, sich in kultureller und wirtschaftlicher Beziehung an das deutsche Mutterland anzuschliessen. Um ihren Söhnen den Besuch deutscher Hochschulen zu ermöglichen, gründeten die Kolonisten mit unserer Unterstützung und mit nicht unbeträchtlichen Geldopfern ein deutsches Realgymnasium. Wir stellten aus den deutschen Truppen die benötigten Lehrkräfte. Die Schule erfreute sich lebhaften Besuches und zwar nicht nur seitens der deutschen Kolonistensöhne, sondern auoh Georgier und Russen schickten ihre Kinder auf die deutsche Schule. Urn die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Kaukasus zu beleben und zu erleichtern, wurde mit einem fast ausschliesslich aus den deutschen Kolonien stammenden Kapital eine deutsch-kaukasische Bank gegründet. Die einzige in Titlis erscheinende deutsche Zeitung – die Kaukasische Post - fand unter den deutschen Offizieren und Beamten,einige Mitarbeiter, vor Allem aber versetzten wir sie durch die Abkommandierung von Setzern aus den deutschen Truppen in die Lage, wieder regelmässig zu erscheinen. Durch Eröffnung von Polikliniken stellten sich die deutschen Ärzte und Sanitätsanstalten in den Dienst der Allgemeinheit und fanden bald lebhaften Zuspruch aus allen Bevölkerungskreisen. Nach dem Abzug der deutschen Truppen wandelte der tatkräftige Chefarzt des deutschen Militärlazarettes, Stabsarzt Dr.Merzweiler, dieses in ein Zivilkrankenhaus um, das sich während der Dauer seines Bestehens des lebhaftesten Zuspruches erfreute. Nach der Eroberung des Kaukasus durch die Bolschewisten gingen diese von uns mit viel Mühe und Liebe geschaffenen kulturellen Werke wieder ein und wurden die deutschen Kolonieen mehr oder minder vernichtet. Unser Besuoh in Helenendorf gestaltete sich zu eineim wirklich schönen, eindrucksvollen Fest. Der ziemlich grosse Ort war mit Fahnen und Guirlanden festlich geschmückt, auf dem geräumigen Gemeindeplatz, auf dem die Miliz in Parade stand, begrüsste uns der Gemeindevorsteher mit einer Ansprache, dann wurden wir in die Kirche geführt, wo nach dem 49 Absingen eines Chorals der Pfarrer eine Begrüssungsrede hielt. Nach einer echt schwäbisnchen Kaffeeschlacht im schönen Heim der millionenschweren Weinbauernfamilie Vohrer, machten wir eine Rundfahrt durch den Ort und besuchten eine der grossen Weinkellereien. Abends fand im Vereinshaus, in dem alle Erwachsenen beiderlei Geschlechts versammelt waren, ein Fest mit vielen Reden, Musik und Gesangsvorträgen statt. Es waren auffallend viele hübsche Mädeln und Frauen anwesend. Seit zwei Jahren konnten die kaukasischen Weinbauern ihre Ernte nicht verkaufen, weil keine Absatzmöglichkeit nach Russland vorhanden war. Die neue Ernte stand vor der Türe und alle Gebinde waren gefüllt. Wir hatten für die Heimat sehr grosse Mengen des guten and gesunden, stark taninhaltigen kaukasischen Weines zu lacherlich niedrigen Preisen aufkaufen könnon, aber leider waren alle meine Bitten um Übersendung leerer Fässer vergeblich. Ebenso ging es uns mit der in Georgien lagernden, sehr reichen Tabakernte der letzten beiden Jahre. lch hatte die georgische Regierung gebeten, die ganze Ernte für uns mit Beschlag zu belegen. Es dauerte unendlich lange, bis die deutsche Einkaufsgesellschaft endlich einen kleinen jüdischen Aufkäufer sohickte. Er fand die Preise zu hoch und reiste unverrichteter Dinge wieder ab. Die Tabakbauern brauchten notwendig Geld und so konnte ich die Beschlagnahme des Tabakes nicht länger aufrecht erhalten. Er wurde sofort von türkischen Händlern gekauft und von diesen übernahm ihn später die deutsche Einkaufsgesellschafft zu wesentlich höheren Preisen als sie den Georgiern hatte bezahlen müssen. Gleich nach unseren Eintroffen in Georgien hatten wir Gelegenheit, ein grosses Kupferlager zu erwerben. Berlin zwang uns den Kauf wieder rückgängig zu machen, well wir zum Aufkauf nicht berechtigt seien! Als wir den Kaukasus verliessen, türmten sich in Poti ganze Berge von Manganerz. Die Heimat brachte es nicht fertig, die zum Abtransport des Erzes benötigten Schiffe beizustellen. Das Erz fiel in die Hände der Entente. Wie schon erwähnt, herrschte im Kaukasus ein bitterer Mangel an allen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens. Meine wiederholten, dringenden Bitten eine Schiffsladung von Gebrauchsgegenständen, die damals in Deutschland noch vorhanden waren, zu. schicken, hatten keinen Erfolg. Unser hyperorganisierter Büreaukratismus versagte; hätte man eine jüdische Firma unter Zusicherung eines entsprechenden Gewinnes damit beauftragt, so wäre ohne Zweifel die Aufgabe gelöst worden. So konnte es nicht ausbleiben, dass sich bei den von feindlichen Agenten beeinflussten Kaukasiern die nicht ganz unrichtige Meinung festsetzte und immer mehr verbreitete, dass wir Deutsche ihr Land nur aussaugten, ihnen aber nichts dafür geben wollten. Well wir nur kauften und nichts verkauften, stiess auch die Rubelbeschaffung für uns auf immer grössere Schwierigkeiten. lch habe daraus die Lehre gezogen, dass man bei der Vorbereitung derartiger Unternehmungen in weit entfernten Ländern den wirtschaftlichen Veräl- tnissen und der Trasnsportmöglichkeit viel grössere Aufmerksamkeit zuwenden muss als dies in unserem fall geschehen war. Als sehr ershwerend fur die Lösung der uns gestellten Aufgaben erwies sich auch die höchst ungünstige Nachrichtenverbindung zur Heimat. Telegramme von und nach Berlin waren oft wochenlang untsrwegs. Das uns zunächst zur Verfügung stehende Funkgerät erlaubte uns wohl den Verkehr mit Konstantinopel, aber nicht mit Deutschland. Auf meine Bitte hin wurde uns später eine Grossfunkstation geschickt. Wir bauten sie in der Nähe von Tifiis auf und die erste Nachricht aus Deutschland, die sie aufnahm, war die Proklamation Eberts bei Übernahme der Reichspräsidentschaft Auf Bitten der in Tiflis befindlichen Vertreter des armenischen Nationalrates fuhren mein Kollege Baron Franckenstein und ich mit einigen Begleitern am 29 Juli zur Übergabe unserer 50 Beglaubigungsschreiben an die armenische Regierung nach Erivan, der Hauptstadt der kleinen Republik Armenien. Wir waren gegen Mitternacht von Tiflis abgefahren; da sich aber die Eisenbahn in diesen Ländern nicht übereilt, so war es bereits Tag, als wir den Kleinen Kaukasus überquerten. Die Fahrt war landschaftlich ganz wunderschön. Man fährt stundenlang durch ein unglaublich tief eingeschnittenes und sich stellenweise schluchtartig verengendes Flusstal. Senkrecht abfallende Felswände wechseln ab mit Hängen, die mit den schönsten alten Laubbäumen bestanden sind. Obwohl mir der türkische Pascha vorher Durchfahrtserlaubnis erteilt hatte, wurden wir an der Grenze des von den Türken besetzten Gebietes festgehalten und mussten eine Stunde lang warten, bis uns die Erlaubnis zur Weitertahrterteilt wurde. Abends gegen 9 Uhr trafen wir in Eriwan ein. Auf dem Bahnhof in Eriwan fand grosser militärischer Empfang statt, der nicht nur durch die Wildheit der armenischen Truppe, sondern vor Allem durch das Fehlen leider Beleuchtung einen recht eigenartigen Eindruck machte, aber sicher gut gemeint war. Ich wurde mit meinen Adjutanten in einem recht komfortablen Privathaus bei einem Cognakfabrikanten untergebracht. Um 12 Uhr nachts gab uns der Bürgermeister von Eriwan in einem Gartenlokal ein üppiges Souper mit ausgezeichneten armenischen Weinen. Am nächsten Vormittag machten wir unsere Besuche bei den Behörden und lernten dabei auch etwas die Stadt kennen. Sie macht einen recht asiatischen Eindruck und hat wegen der Erdbebengefahr fast nur einstöckige Häuser. Das interessanteste Ereignis der ganzen Relse war der Besuch beim Katholikos, dem armenischen Papst. Er residiert in Edschmiadsin, einem uralten Kloster etwa 15 Kilometer westlich Eriwan. Unser Auto fuhrte uns an zahllosen Lagern vorbei, in denen die vor den Ttürken geflohenen Armenier im tiefsten Elend hausten und dem sicheren Hungertod entgegengingen. Es war fur uns tief beschämend, dass wir durch die Kriegslage gezwungen waren, mit solchen Bestien wie den Türken zusammen zu arbeiten und ihnen gegenüber nicht so auftreten konnten, wie es die Menschichkeit erfordert hätte. Das Kloster ist zwar sehr alt, aber recht wenig schön. Wundervoll ist nur der Blick, den man auf der einen Seite gegen den Grossen und Kleinen Arrarat und auf der anderen Seite gegen den schneebedeckten Alagoes hat. Wir durchquerten den weiten Klosterhof, in dem Tausende von Flüchtlingen kampierten, die sich vor uns auf die Kniee warfen und uns mit dem Ruf begrüssten: "Gebt uns Brot". Dann wurden wir mit einem gewissen Zeremoniell bei dem von etwa 20 hohen Geistliochen umgebenen Katholikos eingeführt. Ein schöner, würdiger Greis von etwa 70 Jahren mit langem wohlgepflegten sehneeweissen Bart and Haupthaar, von der Würde seiner Stellung und seiner hohen Verantwortung durchdrungen - kurz was man sich unter einem Kirchenfürsten vorstellt. Russisch orientiert sah der Katholikos in uns Deutschen die Freunde und Verbündeten der Todfeinde seines Volkes und machte uns infolgedessen mitverantwortlich für das Elend seiner Schutzbefohlenen. Zwei alte Bischöfe, die der auf einem Thronsessel sitzende Katholikos während der wohl eine Stunde dauernden Audienz stehen liess, dienten als Dolmetsche. Es war ein uns tief ergreifendes Erlebnis. Während von draussen das wie Meeresbrandung an-und ebschwellende Brausen der Stimmen der im Klostorhof lagernden Flüchtlinge in den niederen Klostersaal drang, brach [sprach] (sic) sich der greise Priester bei der [er] (sic) schütternden Schilderung der Notlage seines Volkes und seiner eigenen Hilflosigkeit in eine solche Erregung hinein, das er am ganzen Körper zitterte. Er wurde zei-tweise so ausfallend, dass auch ich zu einer sehr ernsten und entschiedenen Sprache gezwungen war und es ihm nicht ersparen konnte auch auf den Verrat, den die Armenier an den Türken begangen hatten und auf die Scheusslichkeiten, die sich die Armenier gegenüber den Muhamedanern hatten zu Schulden kommen lassen und die nicht weniger abscheulich waren als die von den Türken begangenen, hinzuweisen. Wir einigten uns schliesslich dahin, dass der Katholikos eine Bittschrift um Hilfe an Seine Majestät, den deutschen Kaiser richten sollte und ich mich bereit erklarte, dieses Dokument an Seine Majestät zu befördern. Der Katholikos liess sich dann unsere Begleiter vorstellen und lud uns zum Mittagessen ein, bei dem er der liebenswürdigste und 51 aufmerksamste Wirt war. Nachdem wir noch die reiche und hochinteressante Klosterbibliothek besucht hatten, kehrten wir naoh'Eriwan zuruck und hatten, kehrten wir nach Erivan zurück und hatten dort noch verschiedene Besprechungen mit den Mitgliedern der armenischen Regierung. Abends fand das übliche Bankett mit vielen Reden und ausgezeichneten Weinen statt. Um Mitternacht fuhr ich mit meinen Herren ab, während Franckenstein noch blieb, um am nächsten Tag der Eröffnung des armenischen Parlarmentes beizuwohnen. Die Lage der Armenier war tatsächlich ganz verzweifelt. Nachdem wir den Türken in den Arm gefallen waren und sie verhindert hatten, die Reste des armenischen Volkes zu massakrieren, wollten sie nun das Volk durch Hunger vernichten. Auf dem kleinen, den Armeniern verbliebenen Gebiet, das nicht einmal seine 700 000 Einwohner ernähren konnte, befanden sich noch eine halbe Million Flüchtlinge, die unter Verlust ihres ganzen Hab und Gutes vor den anrückenden Türken ihre Wohnstätten verlassen hatten und nun durch Hunger, Kälte, Krankheiten und Seuchen jeder Art zu Grunde gingen. Alle unsere Bemuhungen, die Türken dazu zu veranlassen, dass sie den geflüchteten Armeniern die Rückkehr in ihre Heimat erlaubten war vergeblich. Die Türken verschanzten sich hinter dem nicht stichhaltigen Vorwand, die Rückkehr der Flüchtlinge bedeute eine Gefahr fur die türkische Armee. Diese Einstellung war nicht nur grausam und unmenschlich, sie war auch töricht, denn die Türken waren nicht in der Lage, die reiche Ernte in den von ihnen besetzten Gebieten einzubringen. Wir halfen den Armeniem durh Getreidesendungen und durch Überlassung von Medikamenten, soweit dies unsere beschränkten Mittel erlaubten. Aber Alles, was wir tun konnten, war nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. In dem Werk von Dr. Johannes Lepsius „ Deutschland.und Armenien 1914-1918 “ 1919 im Tempelverlag in Potsdam erschienen, sind auf den Seiten 402 ff, 410, 420, 423, 428, 431, 432 und 435 die Berichte abgedruckt, die ich damals an den Reichskanzler und das Auswartige Amt geschickt habe. Ministerpräsident Jordania konnte die Sorge nicht loswerden, dass von den Russen angezettelte Unruhen ausbrechen und Attentate gegen uns Deutsche ausgeführt werden konnten. lch machte ihm das Anerbieten, möglichst viele der unsicheren Elemente durch die in Poti geleerten Dampfer nach Sebastopol abtransportieren zu lassen. Es gelang auch einige der Transporte durchzuführen, dann aber traf ein Befehl Ludendorffs ein, dass die Transporte zu unterbleiben hatten. Etwa 2000 Russen, die beim Eintreffen dieses Befehles bereits eingeschifft waren, wurde die Landung in Sebastopol verwehrt und sie wurden wieder nach dem Kaukasus zurückgeschickt. Statt den armen Leuten zu helfen, hatten wir sie in eine noch viel schlimmere Lage gebracht. Wenn doch die heimischen Behörden ihre Auslandsvertreter erst hören wollten, bevor die Befehle erteilen, deren Auswirkungen sie gar nicht beurteilen können. Allmählich bahnten sich auch gesellschaftliche Beziehungen zwischen uns und den Landeseinwohnern an. Schon wenige Tage nach unserem Eintreffen in Titlis gab uns die georgische Regierung im parkähnlichen Garten des Adeligen Klubs ein sehr schönes Fest, zu dem einige Hundert Personen eingeladen waren, darunter sämtliche ortssanwesenden deutschen, österreichischen und bulgarischen Herren. Man war für 9 Uhr abends eingeladen. Zuerst ass man stehend an langen, mit den feinsten Delikatessen und Schnäpsen besetzten Tafeln die 52 Sakuschka. Dann nahm man im Freien an riesigen, mit Blumen reich geschmückten Tisch ein Platz. Ich sass neben dem Ministerpräsidenten. Das Essen war sehr gut, es wurde aber so langsam serviert, dass man bis 2 Uhr bei Tische sass. Im Laufe des Abends kühlte es sehr schön ab, was nach dem glühend heissen Tage eine grosse Wohtat war. Sehr schöne Musik, nationale Gesänge, von prachtvollen Choren vorgetragen, und nationale Tänze kürzten die Pausen zwischen den einzelnen Gängen ab. Unter den Tänzern - es waren nur von einem Paar Oder einem einzelnen Herrn ausgeführte Schautänze - befand sich ein Brigadekommandeur in Uniform und der Vizepräsident des Parlaments im Smoking. Die Tänze waren sehr graziös und dezent, teilweise aber auch reine Akrobatik.Von Soldaten eines Kavallerieregimerntes wurde auch ein Schwertertanz vorgeführt. Jordania hielt in franzosischer Sprache eine Begrüssungsrede. Ich hatte mich leichtsinniger Weise nicht vorbereitet und müsste nun eine Erwiederung in franzosischer Sprache improvisieren.Sie klang aber ganz gut und löste einen ungeheueren Beitallsturm aus. So wächst der Mensch mit seinen höheren Zwecken. Zahlreiche andere Reden folgten; es wurde gut und viel getrunken. lch hatte Gelegenheit noch einige andere, derartige Feste mitzumachen. Oppositionelle Blätter behaupteten, das Empfangsfest zu unseren Ehren habe einige 40 000, Rubel gekostet, was bei den damaligen enormen Preisen bezw. der Entwertung des Rubels durchaus möglich ist. Bei solchen Gelegenheiten vergassen die Herren Minister aber vollständig, dass sie Sozialdemokraten waren. Die Einladung des ehemaligen russischen Generals Gabajeff 92, eines sehr angesehenen, würdigen und besonders liebenswürdigen Georgiers alten Schlages, gab uns Gelegenheit, die häusliche Gastlichkeit der Georgier kennen zu lernen. Auch dieses Fest begann erst am 10 Uhr abends, dauerte bis in die frühen Morgenstunden und stellte sehr hohe Anforderungen an die Trinkfestigkeit der Teilnehmer. Im Gegensatz zu. einigen meiner Herren war ich ihnen gewachsen. Der Trinkkomment der Georgier hat grosse Ähnlichkeit mit unserem studentischen Trinkkomment. Quantitätentrinkerei, „in die Kanne steigen“ und drgl. unter Leitung eines Tischvorsitzenden ist auch bei den Grusinern üblich. Dabei fanden altgrusinische, ganz eigenartige, löffelähnliche Trinkgefässe aus Edelmetall Verwendung. Ein ganz besonders gästliches Haus war das des reichen armenischen Seckt und Cognakfabrikanten Ananoff und seiner jungen schönen Frau, der Tochter eines russischen Generals. Anonoff besasss in dem hochgelegenen, eine Autostunde von Tiflis entfernten Kotschori ein in gefälligem Stil, aber ganz aus Holz erbautes grosses Landhaus, in dem wir bei Tanz und Seckt in Gesellschaft einer Anzahl mehr oder minder hübscher Frauen und Mädchen viel vergnügte Stunden verlebten. Es war eine Wohltat nach der brütenden Hitze der im Kessel gelegenen Stadt.Tiflis die frische Luft in den Vorbergen des kleinen Kaukasus atmen zu dürfen. In steilen Serpentinen erkletterte die mässig gute Strasse die Höhe, zu beiden Seiten begleitet von wogenden Getreidefeldern und üppigen, blumenbesätzten Wiesen. Als ich vor unserer Abreise der Familie Ananoff meinen Abschiedsbesuch machte, konnte ich nicht im Salon empfangen werden, weil in diesem die englischen Offiziere bereits meine und unsere Nachfolge angetreten hatten! Charakteristisch fur die damaligen Verhältnisse im Kaukasus ist folgendes kleines Erlebnis. Als ich eines Tages mit Herrn Ananoff über den Golowinski prospekt ging, begegnete uns ein Herr, der mir durch sein gutes Aussehen und seine fabelhafte Eleganz auffiel und der Herrn Ananoff sehr höflich grüsste. Auf meine Frage, wer der Herr sei, antwortete Herr Ananoff: „Das ist Fürst X.. Er ist einer unserer gefährlichsten Räuber. Vor zwei Jahren hat er mich im Gebirge abgefangen, auf sein Schloss entführt und ein sehr hohes Losegeld erpresst. Ich wurde während der Gefangenschaft sehr liebenswürdig als Gast behandelt, wäre aber ohne Zweifel umgebracht worden, wenn ich das Lösegeld nicht entrichtet hätte." Auf meine Frage, ob er denn den Kerl nach seiner Befreiung nicht angezeigt habe, meinte Ananoff: „Ich habe mich wohl gehütet, dies zu tun. Hätte ich 92 Auf georgisch - Gabaschwili. 53 Anzeige erstattet, so würde heute kein Mitglied meiner Familie mehr am Leben sein.“ Bei der Eroberung Georgiens durch die Bolschewiken musste Ananoff mit seiner Familie das Land verlassen. Sie leben seither in recht ärmlichen Verhältnissen in Paris. So sehr liebenswürdig und gästlich die kaukasier und insbesondere die ritterlichen Georgier sind, so ist ihre Geselligkeit für den Arbeitsmenschen doch ausserordentlich anstrengend. Alle Feste dauem bis in die frühen Morgenstunden und man muss sehr viel trinken. Der Arbeitstag beginnt dementsprechend spät. Vor 11 Uhr traf man keinen höheren Beamten im Bureau und um 3 Uhr, nachmittags war meistens bereits Schluss. Tiflis besass ein recht gutes Stadttheater. Die Regierung stellte mir eine Loge zur Verfügung, in [ich] (sic) der ich ab und zu eine Oper hörte Oder ein Ballet ansah. Als TheaterKunstbeirat traf ich dort mir von München her sehr wohl bekannten Kunstmaler Salzmann wieder. In der zaristischen Zeit war ein General Tamanscheff Intendant gewesen. Seine intelligente, sehr gewandte, mondaine Gattin - eine verblühte Schönheit - eröffnete einen Klub, in dem man nur gute Gesellschaft traf und dessen Betrieb ihr einigen Gewinn abwarf. Wir tranken dort ab und zu eine Tasse Kaffee und assen ein Stück von ihr gebackenem Kuchen. Ein Frühstück im Hause Tamanscheff spielte sich ganz in europäischen Formen ab und zeichnete sich durch die gute Klasse der geladenen Gäste aus. Als ich gegen Ende unseres Tifliser Aufenthaltes, eines Abends das Theater besuchen wollte, wies mich die Logenschliesserin mit allen Zeichen des Schreckens auf die in der Garderobe hängenden Mäntel und Mützen englischer Offiziere hin. Ohne mich dovon zu benachrichtigen, hatte die Regierung meine Loge den inzwischen in Tiflis eingetroffenen englischen Offizieren zur Verfügung gestellt. Es war dies wieder einer jener Fälle, wo wir unter der mangelhaften Lebensart and der mangelnden Geschäffsgewandtheit der an die Regierung gekommenen kleinen Leute zu leiden hatten. Es hatte schon seine guten Gründe, dass sich früher die Diplomatie aus gesellschaftlich hochstehenden Kresen rekrutierte. Auf meine sehr scharfe Beschwerde hin entschuldigte sich der Minister vielmals und schob die Schuld auf einen seiner Sekretäre. Auch in meineim Hause entwickelte sich mit der Zeit eine sehr lebhafte Geselligkeit. Ich hatte mehrmals in der Woche mittags oder abends Gäste. Die sehr anständige Ausstattung mit Repräsentationsgeldern ermöglichte mir trotz der hohen Prese ein offens Haus zu machen. Schulenburg, Lersner und Böttinger waren meine ständigen Mittagsgäste. Die häufigen Besuche prominenter deutscher und türkischer Persönlichkeiten gaben immer wieder Veranlsssung zu Einladungen. Natürlich sah ich auch die fuhrenden georgischen Persönlichkeiten und die höheren deutschen Offiziere bei mir zu Gast. Leider musste ich den ganz ausgezeichnet kochenden russischen Koch, den ich zuerst engagiert hatte, wegjagen, weil er zu unverschämt stahl, aber auch sein Nachfolger kochte recht gut. lch habe wohl in meinem ganzen Leben nicht so gut gelebt, wie während des kurzen Aufenthaltes in Tiflis. Im Grossen und Ganzen fühlte ich mich auch gesundheitlich. während meines Aufenthaltes im Kaukasus recht wohl - trotz der grossen sommerlichen Hitze - besonders nachdem es mir mit vieler Mühe gelungen war, ein Pferd zu beschaffen und ich jeden Morgen meinen Spazierritt machen konnte. Leider vertrugen nicht alle meiner Herren das Tifliser Klima und den vielen Alkohol. Auch der Krankenstand bei der Truppe war ziemlich hoch. Ich möchte aber glauben, dass daran weniger die klimatischen Verhältnisse Schuld trugen als unvernünftige Lebensführung. Eine besonders schwierige und heikle Frage war unsere Einstellung zu den Wünschen der Ciskaukasier und der Bergvölker.Diese hatten sich zunächst mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung an die Türken gewendet, und diese hatten sie ihnen in weitgehendem Maße 54 zugesichert. Es entsprach durchaus den turanistischen Ideen Envers, dass er den grössten teil muhamedanischen Bergvölkern nicht nur Instrukteure, Waffen und Munition versprach, sondern ihnen auch die Entsendung einer türkischen Division zu ihrer unmittelbaren Unterstützung in Aussicht stellte. Um nicht in einen neuen Krieg mit Russland verwickelt zu werden, müss- ten wir den Türken in den Arm fallen. Nur die Entsendung von Instrukteuren konnten und wollten wir nicht verhindern. Dies genügte, um bis Ende des Jahres eine recht merkliche Abkühlung der Sympathien der Bergvölker für ihre türkischen Freunde eintreten zu lassen - wie dies ja auch in Asserbeidshan der Fall war. Wir wurden während der Dauer unseres Aufenthaltes in Tiflis ständig von Abgesandten und Deputationen der Ciskaukasier und Bergvölker überlaufen, die verlangten, wir Deutsche sollten ihnen helfen, wenn wir dies schon den Türken nicht erlaubten. „Wir wollen unsere Selbständigkeit. Ob Ihr oder die Türken oder Beide gemeinsam uns helft, ist uns ganz gleichgiltig. Wir wollen frei sein und in kein Abhängigkeitsverhältnis treten weder zu Euch noch zu den Türken noch zu den Russen. Wenn Ihr uns nicht helft, sind wir für alle Zeiten verloren.“ Es war erschütternd, den Jammer und die Verzweiflung der Leute anzusehen, wenn ich ihnen erklären muste, dass die allgemeine Lage und unsere materiellen Mittel uns zur Zeit nicht erlaubten, ihre Wünsche zu erfüllen. Kurz vor dem Waffenstillstand kam es dann doch noch zu einer Abmachung, wonach sich der Chef der Deutschen Delegation verplichten wollte, deutsche Truppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe in der Republik der Bergvölker zur Verfügung zu stellen und bei seiner Regierung dafür einzutreten, dass die Selbständigkeit der Republik der Bergvölker Von Deutschland und seinen Verbündeten sowie von Russland anerkannt und Staatsverträge zur Regelung der politischen, wirtschaftlichen und kulturel1en Beziehungen abgesohlossen würden. Die Ereignisse verhinderten den Abschluss des im Entwurf fertiggestellten Vertrages. Die Sperrung der Masutzufuhr aus Baku zwang die Georgior dazu, den Eisenbahnbetrieb von Masut auf Kohlenheizung umzustellen.Trotz der Geschicklichkeit und des Fleisses des Hauptmanns Gemoll und seiner Mitarbeiter gelang es uns nicht, den wünschenswerten Einfluss auf das Eisenenbahnwesen zu gewinnen. Wir stiessen hier auf Widerstände, die teils in der Person des Eisenbahnministers, teils in der Angst der Regierung vor der besonders guten und straffen, sozialiatischen Organisation der Eisenbahner begründet waren. Nachdem es endlich mit vieler Mühe gelangen war, die Lokomotiven von Masutheizung auf Kohlenheizung umzubauen, stellte sich heraus, dass das durch die bequeme Masutheizung verwöhnte Heizerpersonal den physischen Anstrengungen der Kohlenheizung nicht gewachsen war. Wiederholte, nicht ohne Verschulden der georgischen Regierung in den Kohlengruben ausgebrochene Streiks stellten zeitweise die Versorgung der Eisenbahn mit der nötigen Kohle in Frage - kurz die Eisenbahn blieb dauernd ein Sorgenkind. Ich hatte vom frühen Morgen bis zum späten Abend Besuche zu Empfangen und Beschwerden, Klagen und Hilfeschreie anzuhören. Die Tartaren beschwerten sich uber das georgische Militar,das - mit der Entwaffnung der Tartarendörfer beauftragt – die Gelegenheit; zum Stehlen und Plundern ausnutzte. Vertreter der nationaldemokratischen Partei versuchten mich gegen die sozialdemokratische Regierung aufzuhetzen und für ihre Pläne zu gewinnen. Hohe georgische Offiziere erbaten meine Hilfe gegen die Rote Garde, der von der Regierung Alles bewilligt werde, während für die Armee nichts vorhanden sei.-Ein georgischer Notabler, der von der georgischen Regieirung beauftragt war, in der Ukraine Mehl aufzukaufen, bat mich. um Empfehlungen an die dortigen deutschen Stellen. Der Vorstand des deutchen Nationalrates 55 wünschte meine Unterstützung, um die Auflösung der Miliz in den deutschen Kolonien zu verhindern. Eine Deputation der Katholiken in Georgien erbat Schutz gegen die Unterdückung ihrer Glaubensgenossen durch die Türken. Der in Tiflis begläubigte Gesandte Asserbeidchans, Herr Djafaroff - ein sehr geschickter, tüchtiger Mann – ersuchte mich um Vermittlung in Grenzstreitigkeiten zwischen seiner und der georgischen Regierung. Kaum war diese Angelegenheit erledigt, so musste ich wieder zwischen den beiden Regierungen vermitteln, weil sie sich über die Liquidation der russischen Hinterlassenschaft in die Haare geraten waren. Vertreter des armenischen Nationalrates berichteten über neue Grausamkeiten der Türken und baten flehentlich um Hilfe. Voll Sorge erzählten sie von dem Umsichgreifen der verschiedensten Seuchen unter den armenischen Flüchtlingenen. - Ein türkischer Offizier hatte in Georgien eine grosse Menge von Bohnen aufgekauft. Nun kommt er zu. mir und ich soll ihn die Ausfuhrerlaubnis der georgischen Regierung verschaffen. Dabei haban die Türken jegliche Ausfuhr aus den von ihnen besätzten Gebieten nach Georgien verboten. - Eeinem Vertreter der Nationaldemokratisch eingestellten, georgischen Oftiziere versuchte ich klar zu machen, dass die vaterländische Pflicht ihm und seinen Kameraden gebiete, sich bei Aufstellung der neuen Armee der Regierung zur Verfügung zu stellen, und zu verhindern, dass die Oftiziersstellen mit ungeeigneten Elementen besetzt würden. Bei allen Unterredungen mit den Herren der nationaldemokratischen Partei kam immer wieder die tiefe Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass ich nicht radilkaler in ihre innerpolitischen Verhältnisse eingriff und sie nicht rnehr bei ihrem Kampf gegen die Sozialdemokraten un-terstützte. So lebhaft sie übrigens in innerpoltiischen Fragen der Regierung Opposition machten, so war doch sehr anzuerkennen, dass in allen nationalen und aussenpolitischen Fragen jede Opposition verstummte. - Die in Tiflis lebenden Reichsdeutschen baten mich, sie bei der Gründung eines deutschen Klubs zu unterstützen. Ein Kosakenoffizier berichtete über die Zustände in Giskaukasien. Er behauptete, dass, es mit den Bolschewiken zu Ende gehe und dass die Kosaken deutschfreundlich orientiert seien. - Ein deutscher Ingenieur glaubt in Georgien, in der Nähe von Notanebi, abbauwürdiges Vorkommen von Öl festgestellt zu haben und bittet um Staatliche Unterstützung.. - Ein Offizier aus dem Stabe Nuri Paschas überbringt einen flammenden Protest, weil die Georgier – ohne sein Wissen. - in ultimativer Form die Zurückziehung asserbeidshanischer Truppen aus einem strittigen Grenzort verlangt und mit Entwaffnung der Asserbeidshaner g,edroht hatten. Jordania beklagt sich über die Einstellung der „Kaukasischen Post“ und erblickte in ihrer antisozialistischen Haltung den hauptsächlichsten Grund der Animosität der georgischen Sozialdemokraten gegen uns Deutsche. Von der von mir erneut angeregten Auflösung der Roten Garde wollte er nichts wissen. - Ein russischer General, von dem wir wussten, dass er der spiritus rektor der russischen Intriguen gegen die georgische Regierung und gegen uns Deutsche war, besuchte mich und bat mich Schritte zu tun für die Befreiung seiner von den Georgiern verhafteten Kameraden. In ergreifenden Worten schilderte er das Elend, in dem die im Kaukasus zurückgelassenen russischen Offiziere und ihre Familien leben mussten. Gelegentlich einer langen Unterredung mit dem Führer der nationaldemokratischen Opposition, Herm Spiridion Kedia gewann ich den betrilbenden Eindruck, dass den Angehörigen dieser Partei jedes Organisationstalent, jede Tatkraft and Schaffensfreude abging und sie sich in hohlen Phrasendreschereien erschöpften. Wir waren uns einig darüber, dass die so notwendige Besserung der innenpolitischen Zustände in Georgien nur auf dera Wege der Evolution und nicht durch Revolution zu erzielen war, aber statt durch straffe Parteiorganisation und zielbewusste Propaganda, durch Bereitstellung von Mitteln und Schaffung einer ihre Bestrebungen fordernden Parteipresse praktische Arbeit zu leisten, erschöpfte sich die Tätigkeit der Herren Nationaldemokraten in Spintisieren, Kritisieren und Deklamieren. Eingeschüchtert durch den Terror der regierenden Partei setzte man alle Hoffnung auf fremde Hilfe; man wollte nur ernten ohne zu pflügen und zu säen. So glühend der Wunsch der Georgier nach Unabhängigkeit und Freiheit war, so wenig reif und befähigt waren sie noch für die Losung der ihnen daraus erwachsenden Aufgaben - ganz gleich ob sie 56 marxistisch oder reaktionär eingestellt waren. Vor Allem fehlte es ihnen noch an qualifizierten Führerpersönlichkeiten. Eine grossere Deputation des grusinischen Adels aus dem Bezirk Gori - Typen vom Schlag des Götz von Berlichingen - erbat meine Fürsprache bei der georgischen Regierung. Die Herren konnten nicht auf ihre Güter zurück, weil sie fürchten mussten von den Bauern totgeschlagen zu werden. Aller Mittel und Einkünfte beraubt, hungerten sie tatsächlich mit ihren Familien. Ich sollte ihnen dazu verhelfen, dass sie wenigstens den Pachtzins erhielten, den ihnen die Bauern noch aus der Zeit vor der Revolution schuldeten. lch sprach mit dem Innenminister Ramischwili über die Angelegenheit und machte ihm ernste Vorstellungen, stiess aber nur anf wenig Verständnis und Entgegenkotemen. Ein Herr Kutschek, Vizepräsident der Ciskaukasischen Republik besuchte mich bei seiner Rückkehr von einer Reise nach Kiew und Rostow. Er behauptete, dort von den deutschen Stellen die Zusicherung erhalten zu haben, dass Deutschland seine Republik mit Geld, Waffen und Munition in grossem Maßstabe unterstützen werde. Mich - den Nächstbeteiligten - haben weder Auswärtiges Amt noch OHL von diesen Absichten unterrichtet. Dabei ist es allerdings keineswegs sicher, dass Herr Kutschek die Wahrheit gesagt hat. Der georgische Finanzrainister, Herr Juruli - ein sympathischer, aber herzlich unbedeutender Mann - suchte mich auf und schilderte mir die höchst unerfreuliche Finanzlage Georgiens.Er bat mich schliesslich zu veranlassen, dass Deutschland einen Finanzberater nach Georglen schickte. lch sagte dies umso lieber zu, als ich selbet schon das Fehlen eines sachverständigen Beraters in Finanzangelegenheiten - besonders bei den Verhandlungen über die Gründung einer deutsch=kaukasischen Bank - schmerzlich vermisst hatte. - Herr Artur Leist – einer der angesehensten Deutschen in Tiflis erbat meine Hilfe bei der von ihm für notwendig gehaltenen Reorganisation der „Kaukasischen Post“ usw. usw. - Ich erzähle diese wenigen Einzelheiten, um ein Bild davon zu geben, wie vielseitig und wie interessant die an uns herantretenden Aufgaben waren. So sehr , erfreulich das grosse Vertrauen zu uns Deutschen war, das dadurch bekundet wurde, dass man sich von allen Seiten mit seinen Sorgen, Schmerzen und Wünschen an uns wendete, so stellte dies doch auch hohe Anforderungen an unsere Arbeitskraft und brachte uns vielfach in recht grosse Verlegenheit, weil wir eben beim besten Willen nicht im Stand waren die von uns erwartete und erhoffte Hilfe za leisten. Mein Arbeitstag begann um 6 Uhr früh und endete oft sehr spät in der Nacht. In den ersten Tagen des August brachte die Corcovado einen Regimentsstab unter dem Bayerischen Oberstleutnant Aschenauer, 2 Jagerbataillone und 2 Batterieen (diese ohne Pferde). Eine weitere Batterie und eine Panzermaschinengewehrabteilung sollten mit dem nachsten Transport eintreffen. Die Fliegerabteilung 28 war bereits mit einem früheren Transport eingetroffen und hatte sich auf dem Flugplatz der georgigchen Fliegerschule bei Titlis eingerichtet. Am 4. August traf Halil Pascha, der Oberbefehlshaber der türkischen Heeresgruppe, die angeblich im nächsten Frühjahr Bagdad zurückerobern sollte, zu einern Staatsbesuch bei der georgischen Regierung in Tiflis ein. lch empfing ihn bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof. Halil, etwa 35 Jabre alt, ein selten gut aussehender und liebenswürdiger Türke, ist ein Onlkel Enver Paschas. Klug und gewandt, grosszügig und nicht ausgesprochen deutschfeindlich, aber weil er wie die meisten iungtürkischen Offiziere viel zu rasch avanciert war - ohne gründliches 57 Können und Wissen schien er den besten Willen zu haben, sich mit uns und den Georgiern zu verständigen. Sein Stabschef der sehr tüchtige Bayerische Generalstabsoberstleutnant Paraquin genoss offenbar sein Vertrauen und übte günstigen Einfluss auf ihn aus. Sowohl die georgische Regierung als auch ich taten dem eitlen Pascha sehr schön. Er war mit seinen Begleitern zweimal bei mir zu Tisch und die georpische Regierung veranstaltete ihm zu Ehren eines ihrer grossen Feste. Während dieses Bankettes traf die Nachricht ein, dass Nuri Pascha trotz aller Versprechungen Envers und trotz seiner mir und Oberstleutnant von Feldmann gegebenen Versicherung, dass er Baku nicht angreifen würde, dies doch getan und dabei eine empfindliche Niederlage erlitten hatte. Er hatte den Angriff auf Baku mit unzureichenden Kräften durch einen ganz unfähigen General ausführen lassen, während er selbst mit seinem Stab ruhig in Gendscha sitzen blieb. Er richtete nun dringende Hilferufe an Halil. Ich fuhr am nächsten Tag mil Halil im Extrazug nach Gendscha, um an Ort und Stelle die nötigen Massnahmen zur Wiederherstellung der Lage su besprechen. Statt zu arbeiten, mussten wir aber grosse Feste feiern, die zu Ehren Halils gegeben wurden. Dass ich mit Halil zusammen im besten Einvernehmen nach Gendscha kam, machte starken Eindruck auf alle, die hofften aus einer Misßtimmung zwischen uns und den Türken Nutzen ziehen zu können. Für mich war es bei allen diesen Gelegenheiten, bei denen Reden gehalten werden mussten, eine grosse Erschwerung, dass ich mangels aller Instruktionen aus der Heimat nicht offen Farbe beknnen konnte, sondern stets lavieren musste. Die asserbeidshanischen Regierungsmitglieder waren übrigens sehr verständig und sichtlich bemüht gute Beziehungen mit uns anzuknüpfen. Die Selbstherrlichkeit Nuri Paschas schien ihnen bereits etwas auf die Nerven gefallen zu sein. Vor meiner Abreise aus Tiflis hatte ich noch ein dringendes Telegramm an das Auswärtige Amt gerichtet mit der Bitte, angesichts der veränderten Lage und des Umstandes, dass die Anwesenheit englischer Truppen in Baku nunmehr einwandfrei restgestellt und infolgedessen ein Einspruch von russischer Seite nicht mehr zu erwarten sei, zu gestatten, dass sich deutsche Truppen an dem nunmehr unvermeidlichen Angriff auf Baku beteiligten. Halil musste sich in Gendscha davon überzeugen, dass sein Neffe Nuri, der sich zwar als Propagandist und Organisator be- währt hatte, militärisch unfähig und nicht im Stande war, die militärische Lage zu meistern. Er beantragte bei seiner Regierung die Unterstellung der sogenannten Islam Armee d.h der in Asserbeidshan stehenden türkischen Truppen unter sein Kommando. Der Verkehr mt den ihm vorgesetzten Behördsn wurde Halil dadurch ausserordentlich erschwert, dass der eigensinnige Essad Pascha in Batum es bisher trotz meiner und Halils wiederholter Vorstellungen nicht für notwendig befunden hatte, in Notanebi den Anschluss an das georgische Telegraphennetz wiederherzustellen, wie überhaupt alle Massnahmen Halils dadurch erschwert wurden, dass ihm die 3.türkische Armee unter Essad Pascha nicht unterstellt war. Die bei den türkischen Generalen besonders stark ausgeprägte Neigung, nur an das eigene Interesse und die Belange der unmittelbar unterstellten Truppen zu denken, machte sich hier ebenso nachteilig fühlbar wie der starike Einfluss ihrer politischen Einstellung auf die Leistung und den Gehorsam der Generale. Der Hass gegen die Armenier und der wunsch, diese Nation vollig auszurotten, gab Anlass zu vielen Reibungen und Intriguen innerhalb der türkischen Generalität. Während alle türkischen Stellen ihre volle Kraft für die Wiederherstellung der Lage vor Baku hätten einsetzen sollen, hielt Essad Pascha gerade diesen Zeitpunkt für geeignet, um etwa 600 Soldaten in türkischer Uniform mit einigen Maschinengewehren in kleinen Trupps an der georgischen Küste bei Suchum landen zu lassen. Im Einverständnis mit der georgischen Regierung schickte ich den Kommandeur des Sturmbataillons mit einigen Kompagnien nach Suchum mit dem Auftrag, sich - möglichst ohne von der Waffe Gebrauch zu machen - der türkischen Soldaten zu bemächtigen, sie zu entwaffnen und sie als aufgefangene Deserteure an Essad zurück zu schicken. Die Reinigungsaktion vollzog sich rasch und ohne Zwischenfälle. 58 Um mich zu entlasten betraute ich den inzwischen eingetrofenen, mir von Palästina her bekannten und von mir geschätzten Oberst Freiherr von der Goltz - den Sohn des Generalfeldmarschalls, aber lange nicht so bedeutend wie sein Vater – mit dem Kommando überr die in Georgien stehenden deutschen Truppen und stellte ihm unter der Bezeichnung „Truppenkommando“ einen kleinen Stab zur Verfügung. Während das Kaukasische Jagerregiment unter Scheurings bewährter Führung keinen ernsten Anlass zu Beanstandungen gab, bereitete mir das preussische Sturmbataillon durch sein allzuschneidiges und forsches Draufgehen mancherlei Sorgen und Unannehmlichkeiten. Die Herren konnten und wollten nicht einsehen, dass im befreundeten Georgien andere Methoden am Platze waren als in Feindesland. Trotz aller meiner Weisungen und Befehle wurden von den Offizieren Todesurteile ausgesprochen und vollzogen, Kontributionen verhängt, Häuser niedergebrannt, ganzen Ortschaften das Vieh weggetrieben und dergleichen mehr Dinge, die nicht dazu beitrugen, uns Sympythien zu erwerben und die dauernd Beschwerden der Bevölkerung und der georgischen Regierung zur Folge hatten. Ende August entschloss sich Enver endlich dazu, die türkischen Truppen aus den widerrechtlich besetzten Gebieten von Achalzik und Achalkalaki zurück-zuziehen. Am 25 August sollten die Transporte der 10. türkischen Division durch Georgien beginnen, aber eine angeblich durch Unwetter verursachte Unterbrechung der Eisenbahn verzögerte den Beginn der Transportbewegung um einige Tage. Vollig unverständlich und unausführbar war der in diesen Tagen eintreffende Befehl der OHL, ich solle nur Munitions und Materialtransporte, aber keine Truppentranaporte nach Baku durchlassen; diese sollten alle nach Alexandropol geleitet werden. Weder vom Auswärtigen Amt noch von der OHL erhielt ich Bescheid auf meine Anfrage, ob deutsche Truppen zum Angriff auf Baku eingesetzt werden dürften, wohl aber von der OHL die Mitteilung, dass eine Bayerische Kavallerie Brigade nach Georgien geschickte werden würde und wenige Tage später folgten die telegraphische Nachricht, dass auch eine gemischte Infanterie Brigade zu meiner Verfügung gestellt werden würde. Erst am 9.September sollte ich die Lösung dieser Rätsel und den Grund dieser Massnahmen erfahren. Halil Pascha hatte Frankenstein und mich dringend gebeten,ihn nach Eriwan zu begleiten, wo er der armenischen Regierung einen Staatsbesuch abstatten wollte. Da auch die armenissche Regierung grossen Wert auf unsere Anwesenheit bei diesem Besuch legte, entschlossen wir uns schweren Herzens die Reise zu unternähmen. Das beschemende Gefühl, dass alle unsere Bemühungen, den Armeniern zu helfen und ein christliches Volk vom Untergang zu retten, vergeblich waren, erschwerte uns diesen Entschluss. Am Abend des 29. August, verliessen wir Tiflis. Halil hatte telegraphiert, dass alle Vorbereitungen für unsere Reise nach Alexandropol seinem damaligen Hauptquartier - getroffen seien; trotzdem wurden wir an der Grenze durch die türkische Wache 4 ½ Stunden lang aufgehalten.Unsere starke Verstimmung über diesen Vorfall, aus der wir in Alexandropol - einer sehr reizlosen asiatischen Stadt und Festung - keinen Hehl machten, hatte wenigstens den Vorteil, dass Halil, im Bestreben uns zu versöhnen, sich besonderer Liebenswürdigkeit und Nachgiebigkeit bafleissigte. Die Rede, die er in Eriwan bei dem üblichen grossen Bankett hielt, floss uber von Freundschaftsbeteuerungen für die Armenier und von Versprechungen. Ich konnte mir nicht versagen, in meiner Ansprache die Armenier dazu auf das herzlichste zu beglückwunschen, denn wenn ein Halil Pascha, einer der grossen türkischen Heerführer, einer der nächsten Verwandten Enver Paschas in feierlicher Weise und in Gegenwart der Vertreter verbündeten Mittelmächte solche Versprechungen mache, dann dürfe man mit Sicherheit darauf rechnen, dass den Worten auch die Taten folgen wurden. lch glaube auch, dass Halil sein Versprechen hielt und sein Möglichstes tat, um in Konstantinopel die irrigen Vorstellungen von einer Bedrohung der türkischen Armee durch die Armenier zu 59 entkraften und die wissentlich falschen Berichte der armenierfeindlichen türkischen Generale zu widerlegen. Praktischen Erfolg haben aber seine Bemühungen nicht gehabt. Zwar verfügte die türkische Regierung, dass die geflüchteten Armenier in ihre Heimat zurückkehren dürften; der mit der Durchführung dieser Verfügung beauftragte Essad Pascha machte aber die Erteilung seiner Genehmigung zur Rückwanderung von der Vorlage so vieler Gesuche und Urkunden ebhängig dass die unter unserem Druck erfolgten Zugeständnisse der türkischen Regierung in der Praxis wertlos waren. Als Franckenstein und ich. deshalb bei Essad vorstellig wurden, speiste er uns mit der Lüge ab, Enver habe eine Änderung der Kommandoverhältnisse verfügt und er sei deshalb nicht mehr zuständig. Auf der Rückreise entgleiste infolge der Unachtsamkeit des türkischen Betriebspersonals unser Zug auf freier Strecke in der Gegend von Karakliss. Es dauerte 36 Stunden bis die beiden, umgestürzten Lokomotiven gehoben wurden und wir unsere Reise fortsetzen konnten. Glücklicher Weise hatten uns die Armenier bei der Abreise aus Eriwan so gut mit Verpflegung ausgestattet, dass wir keine Not litten. In Tiflis war inzwischen als diplomatischer Vertreter der Türkei der mir aus Syrien bekannte General Abdul Kerim Pascha eingetroffen - ein liebenswürdiger, aber herzlich unbedeutender Mann, der sich bei allen Verhandlungen hinter der Ausrede verschanzte, dass er von seiner Regierung keine, Instruktionen erhalten habe. Ausserdem war in Tiflis auch die mir aus Palästina bekannte und von mir hochverehrte Schwester Brigitte, Prinzessin Reuss mit noch einer anderen Schwester eingotroffen, um ein deutsches Soldatenheim einzurichten. Sie löste wie in Paläslina so auch hier ihre Aufgabe sehr gut und ihr gemütliches Heim fand lebhaften Zuspruch. Nach dem Zusammenbruch übte sie unverkennbar guten Eitnfluss auf die revolutionierten Soldaten aus und für mich war das Zusammensein mit ihr, einer wahrhaft vornehmen, liebenswerten Dame stets etne Freude und Erholung. Sie starb einige Jahre nach dem Krieg in noch jugendlichem Alter an Lungenschwindsucht und ich furchte, dass sie sich den Keim dieses Leidens während ihres Aufenthaltes in Tiflis geholt hat. In übertriebenem Diensteifer und falscher Sparsamkeit verzichtete sie auf die Hilfe bezahlter Kräfte in ihrem grossen Betrieb und unterzog sich trotz aller Warnungen Arbeiten, denen ihre Kräfte auf die Dauer nicht gewachsen waren. Am 7. September fuhr Halil mit seinem Stabe nach Gendscha, um dort die Vorbereitungen fur einen erneuten Angriff auf Baku zu treffen. Zwei Tage später erhielt ich ein Telegramm, das uns zwar darüber aufklärte, weshalb die Verstärkungen an deutschen Truppen nach dem Kaukasus geschickt wurden und weshalb keine türkischen Truppen nach Baku befordert werden sollten, das gleichzeitig aber auch den erschütternden Beweis dafür erbrachte. dass trotz aller meiner Berichte und trotz aller Berichte der Botschaft in Konstantinopel in der Heimat grundfalsche Vorstellungen über die Lage bei uns und über die Einstellung der Türken in der Kaukasusfrage bestanden. Deutschland hatte sich am 27.August 1918 in einem Zusatzvertrag zum Brest-Litowsker Vertrag verpflichtet, zu verhindem, dass sich die Türken Bakus bemächtigten. Wenn die Engländer Baku nicht räumten, sollten sich Deutsohland und Bolschewiken gemeinsam in den Besitz von Baku setzen. Baku und Umgebung sollten russisch bleiben, die Russen wollten ein Viertel der Naphtaproduktion an die Mittelmächte abgeben. Ich gebe zu, dass es wohl nicht möglich war, ohne die gemachten Zugeständnisse das Einverständnis der Russen zur Besitznahme Bakus zu erhalten, aber wie stellte man sich 1m Auswärtigen Amt und bei der OHL vor, dass sich die vollige Ausschaltung der Türken in der Bakufrage in der Praxis durchführen liess? Ganz abgesehen davon, dass das Prestige der Türken in der muhamedanischen Welt verlangte, dass sle die am 4 August erittene Schlappe auswetzten, standen sie mit nicht unbeträchtlichen Kräften schon unmittelbar vor Baku. Durch das Zugeständnis, dass Baku russisch bleiben sollte, würden sie alle Sympathieen der Asserbeidshaner, deren Land ohne Baku nicht lebensfähig war, verloren haben, alle ihre turanistischen Ideen und Hoffnungen waren erledigt gewesen und die Schwere Enttäuschung der 60 zahlreichen, einflussreichen türkischen Kriegsgewinnler hätte wahrscheinlich den Sturz Talaats und Envers zur Folge gehabt. Wir selbst hatten uns die Asserbeidshaner zu Todfeinden gemacht; sie konnten uns durch Eisenbahnzerstörungen, Unterbrechung der Ölleitung und Kleinkrieg die Lösung unserer Aufgabe empfindlich erschweren. Selbst wenn es wider Erwarten gelungen wäre, auf die türkische Regierung einen solchen Druk auszuüben, dass sie sich mit den Bestimmungen des Brest-Litowsker Zusatzvertrages abgefunden hatte, würden doch die in Asserbeidshan kommandierenden Generale die Befehle Konstantinopels eintach nicht vollzogen haben. Die Gefahr, dass es dann zwischen uns und den Türken und Asserbeidshanern zu bewaffneten Zusammenstössen gekommen wäre, war ohne Zweifel gross. Botschafter Graf Bernstorff beurteilte die durch den erwähnten Zusatzvertrag geschaffene Lage ebenso ernst wie ich; in einem sehr besorgten, an mich gerichteten Telegramm brachte er die Befürchtung zum Ausdruck, dass über die Kaukasusfrage unser Bündnis mit der Türkei in die Brüche gehen konnte. Erschwert wurde die Lage noch dadurch, dass die in Poti eintretfenden deutschen Truppen weder Geld noch Verpflegung mitbrachten und dass die georgische Bahn infolge von Streiks in den Kohlengruben und infolge der Disciplinlösigkeit der sozialdemokratischen Eisenbahner wieder einmal besonders schlecht funktionierte. Eine Anzahl von Stationen [Staionen] (sic) war verstopft, die Züge von Poti nach Titlis waren statt 14 Stunden vier Tage unterwegs. Wir benötigten im Monat etwa 10 Millionen Rubel; in Berlin verfügte man über keinen Rubel mehr und die georgische Regierung wollte uns kein Geld mehr geben, well sie der meines Erachtens berechtigten - Anschauung war, dass der von Berlin festgesetzte Kurs von einem Rubel gleich 80 Pfennigen mindestens auf einen Rubel gleich einer Mark erhöht werden müsste. Die Verbindung mit der Heimat war noch immer so schlecht, dass ein Meinungsaustausch mit den vorgesetzten Behörden völlig ausgeschlossen war. Kurz ich stand wieder einmal einer sehr schwierigen Lage gegenüber, die mich an meine schwersten Zeiten in Palästina erinnerte; ich benötigte alle Energie und allen Optimismus, um den Mut nicht zu verlieren. Durch einen Kurier übersandte ich Halil eine Abschrift des unheilvollen Telegramms mit der Bitte, von einem Angriff auf Baku abzusehen bis er Weisungen von seiner Regierung erhalten habe - im Stillen hoffend, dass Halil solche Weisungen nicht abwarten, sondem durch, die baldige Einnahme von Baku ein Fait accompli schaffen werde. Ich sollte mich in dieser meiner Hoffnung nicht täuschen. Am Morgen des 15.September nahmen die Türken nach einem offenbar nicht sehr schweren Kampfe Baku in Besitz. Die Engländer hatten sich über das Kaspische Meer nach Persien zurückgezogen. Leider liessen sich im Anschluss an die Erobenung von Baku die Asserbeidshaner und offenbar auch ein Teil der türkischen Truppen die unerhörtesten Grausamkeiten, Massakres und Plünderungen zu Schulden kommen. Die türkischen Generale wollten Oder konnten vielleicht auch nicht den sich hauptsächlich gegen die Armenier richtenden Grausamkeiten Einhalt gebieten. Die sehr energischen Bemühungen des über die Vorgänge aufs Tiefste emporten Oberstleutnants Paraquin, der von allen Seiten mil Hilferufen bestürmt wurde, Nuri Pascha zur Einstellungen der Plünderungen und Massakres zu veranlassen, hatten zur Folge, das Halil Pascha seinen bewährten Stabschef mit; sofortiger Wirkung seiner Stellung entzoh und ihn nach Konstantinopel zurückschickte. Der Umstand, dass auch einige Deutsche unter dem Verhalten der Marodeure zu leiden gehabt hatten, gab mir den erwünschten Vorwand, Nuri mitzuteilen, dass ich zum Schutze der Deutschen ein Bataillon nach Baku senden würde. Nurl erwiderte mir, die mir zugegangenen Nachrichten über die Zustände in Baku seien unrichtig und erlogen, es herrsohe dort vollkommen Ruhe, er betrachte es als seine heilige Pflicht, den deutschen Staatsangehörigen den gleichen Schutz angedeihen zu lassen wie seinen eigenen Landsleuten und die Entsendung deutscher Truppen nach Baku sei deshalb unnötig und unerwünscht. Ich entschloss mich daraufhin, den Oberst Frhr.von der Goltz mit einem allerdings ziemlich grossen Stabe als meinen Vertreter nach Baku zu schicken, um auf diese Weise wenigstens einigen Einfluss auf die Vorgänge in Baku und vor Allem auf eine pflegliche handlung der Ölquellen zu gewinnen. An 61 Stelle von der Goltzs betraute ich den Kommandeur der inzwischen eingetroffenen Bayerishen Chevauxlegers-Brigade, Oberst Frhr. von Eyb mit dem Truppenkommando. Als von der Goltz und sein Stab am 25.September in Gendscha eintrafen, fanden sie die Schienen aufgerissen und unsere lieben Bundesgenossen verweigerten ihnen die Erlaubnis zur Weiterreise. Auf Grund falscher Meldungen hatte Nuri geglaubt, es handle sich bei dem Transport um das von ihm abgelehnte deutsche Bataillon und es bedürfte längerer Verhandlungen, bis die Angelegenheit beigelegt war. Auch Frankenstein fuhr nach Baku und bestätigte die Richtigkeit der uns über die Vorgänge in Baku zugegangenen Nachrichten. In Unkenntnis des Sachverhaltes machten uns die Armenier scwersten Vorwürfe daraus, dass wir den Tiirken nicht in den Arm gefallen waren und sie nicht an den an den –Armeniern begangenen Greueltaten verhindert hatten. Nach dem ich so lange vergeblich auf Wesungen meiner vorgesetzten Stellen gewartet hatte, trafen nun, nachdem die Frage Baku eriedigt war, verschiedene Anordnungen und Befehle für die gemeinsam mit den Bolschewiken auszuführende Aktion gegen Baku ein. Die nach dem Kaukasus beorderte geomischte Infanterie Brigade, deren erste Staffel bereits in Poti eingetroffen war, wurde nach Macedonien abgedreht. Die Ereignisse auf den europäischen und asiatischen Kriegsschauplätzen, der Zusammenbruch Bulgariens, der Verlust Palästinas und Syriens, die unsichere Lage an unserer Westfront und nicht zuletzt die Einführung des parlamentarischen Systems in Deutschland blieben nicht ohne Rückwirkung auf unsere Lage. Zwar wurden die Türken merklich bescheidener und zahmer, beaonders nachdem ihre Regierung am 31.0ktober den Waffenstillstand abgeschlossen hatte, aber unsere Beziehungen zur georgischen Regierung verschlechterten sich von Tag zu Tag. In geheimer Sitzung erörterten Regierung und Parlamentsausschuss sogar die Frage, ob die deutsohe Orientierung beibehalten oder eine Schwenkung in der Aussenpolitik vollzogen werden sollte. Da sich Letzteres als unmöglich erwies, blieb es bei der bisherigen Orientierung. Die Mißstimmung der Georgier war wohl in erster Linie zuruckzuführen auf die wachsende Besorgnis, dass sie auf das falsche Pferd gesetzt hatten; dann aber auch auf die Enttäuschung darüber, dass sie von Deutschland nicht in dem Maße unterstützt wurden, wie sie es sich - unberechtigter Weise - erhoftt hatten. Die Bedingungen, unter denen ihnen Deutschland eine kleine Anleihe bewilligt hatte, waren tatsächlich sehr hart. Begreifllcher Weise war ihnen auch die Bevormündung durch die Deutsche Delegation - auch wenn sie noch so diskret erfolgte - mit der Zeit lästig und endlich trug bis zu einem gewissen Grade auch das Verhalten der deutschen Truppen dazu bei, die Mißstimmung gegen uns zu verstärken. Die vier harten Kriegsjahre waren an der Disciplin und Moral auch der deutschen Truppen nicht spurlos vorübergegangen. So liessen sich auch die bayerischen Chevauxlegers mancherlei Ausschreitungen und Übergriffe zu Schulden kommen. Vor Allem aber schädigten unser Ansehen die sich mehrenden Fälle, in denen schwere Trunkenheit der des kräftigen kaukasischen Weines ungewohnten deutschen Offiziere und Mannschaften unliebsames Aufsehen erregten. Als allerdings später Ententetruppen im Kaukasus auftraten, waren diese Zwischenfälle und Übergriffe, die sich deutsche Heeresangehörige hatten zu Schulden kommen lassen, sehr bald vergessen. Der Vergleich zwischen dem Verhalten des deutschen Militärs und dem der Ententetruppen fiel restlos zu unseren Gunsten aus. Insbesondere löste das brutale Auftreten der engllschen und franzosischen Offiziere bei den Georgiern stärkstes Missfallen aus. Dem der Delegation zugeteilten Vertreter der deutschen Schwerindustrie, Dr. Kind, war es inzwischen gelungen mit der georgischen Regierung eine Reihe Von wirtschaftlichen Vertägen 62 abzuschliessen, die für Deutschland und Georgien gleich vorteilhaft waren.93 Danach sollten durch deutsch-georgische Gesellschaften, an denen die deutsche Industrie mit 51 % beteiligt war und in denen ihr die Führung zugesichert war, der Hafen von Poti erweitert, die Manganerzbahn nach Tschiaturi ausgebaut und vor Allem sämtliche georgische Manganerzgruben vertrustet, modernisiert und rationeller ausgebeutet werden. Durch unseren Zusammenbruch wurden leider diese Verträge hinfällig. Wie schon erwähnt, war die Nachrichtenverbindung nach Deutschland ausserordentlich mangelhafl und so kam es, dass wir nichts von den Vorgängen erfuhren, die sich in Deutschland während der ersten Novembertage abspielten. Mir war nur aufgefallen, dass sich Jordania mehrmals bei mir erkundigte, welche Nachrichten ich aus Dentschland hatte und ganz besorgt äusserte „Wenn es nur in Deutschland keine Revolution gibt!“ So fiel ich aus allen Himmeln, als in der Nacht vom 9. auf lO. November ein Unteroffizier der eben betriebsfertig gewordenen Grossfunckstation an mein Bett trat und mir die Proklamation Eberts mit der Nachricht von der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik vorlas. In den nächsten Tagen erreichte uns dann die Nachricht vom Abschluss des Waffenstillstandes und die Befehle Hindenburgs über Einsetzung von Soldatenraten und den baldmöglichsten Abtransport der im Kaukasus eingesetzten deutschen Truppen. Die Mannschaften benahmen sich im Grossen und Ganzen ordentlich und liessen sich keine groben Excesse zu Schulden kommen. Sie sahen wohl ein, dass sie im fremden Land die Führung durch ihre Offiziere nicht entbehren konnten. Die georgische Regierung lehnte es anständiger Weise ab, sich in Verhandlungen mit dem Soldatenrat einzulassen. Immerhin war die ganze Lage in hohem Grade unerfreulich. Von der Goltz und ich stimmten darin überein, dass wir unter allen Umständen vermeiden müssten, dass es im fremden Land unter unseren Leuten zur offenen Revolte kam, dass wir deshalb in der Behandlung der Leute den Verhältnissen Rechnung tragen müssten und dass Sturheit und Unnachgiebigkeit nicht angezeigt waren - ein Standpunkt, den einzuhalten gegenüber der Nassforschheit mancher junger Offiziere nicht immer leicht war. Wir hatten das Glück, dass zum Vorsitzenden des Soldatenrates ein ganz besonders eitler Kerl gewählt wurde - ein ehemals fürstlicher Kammerdiener, der über ein grosses Mundwerk verfügte und sich als Festredner an Kaisersgeburtstag und bei sonstigen Gelegenheiten einen Ruf gemacht hatte. Unter dem Vorwand, dass den Soldatenrat sein hohes Ami zur posiliven Mitarbeit verpflichte, brachten wir ihn im Offiziershotel unter und sicherten uns dadurch starken Einfluss auf ihn. Insbesondere wurden wir durch ihn dauernd und rechtzeitig über die Stimmung der Leute und über ihre Wünsche und Absichten auf dem Laufenden erhalten. Seine Kameraden waren mit ihm weniger zufrieden und er bezog mehrfach ausgiebige Prügel von ihnen. Der erste mir vorgetragene Wunsch der Mannschaften war, dass sie nicht mehr zum Gottesdienst kommandiert werden sollten. Demnächst kam dann das Verlangen, nicht mehr zum Exerzierdienst herangezogen zu werden, denn der Krieg sei ja jetzt doch zu Ende. Dagegen trieben sie gerne Sport und Schiessdienst. Obwohl die Leute es in jeder Beziehung sehr gut in Georgien hat-ten und sich bis dorthin auch sehr wohl im Kaukasus gefühlt hatten, war doch der Wunsch nach baldiger Heimkehr bei ihnen allgemein verbreitet. Die guten Elemente waren um ihre Familien und ihr Hab and Gut besorgt und die schlechten hatten Angst, dass sie zur allgemeinen Teilung zu spät kommen konnten. Mangels der nötigen Schiffe verzögerte sich aber der Abtransport immer mehr und mehr und die Leute wurden ungeduldig. Eines schönen Tages verbreitete sich unter ihnen das 93 Siehe den Anhang: Doc. 6; Doc. 7; Doc; 8; Doc. 11. 63 Gerücht, ich hatte mir im Kaukasus grosse Waldungen gekauft und wollte zur Sicherung meines Besitzes die deutschen Truppen hier behalten. Dabei hatte ich das grösste Interesse daran, die revolutionierte Truppe so bald wie möglich los zu werden. Anfang Dezember konnten endlich die ersten deutschen Truppen in Poti eingeladen und nach Odessa abtransportiert werden. Es waren dies die in Truppenteilen stehenden Elsass-Lothringer und die ältesten Jahrgange. Die schweren Waffen, das Geräte und die Pferde übergaben wir den Geogiern, um es nicht in die Hände der Entente fallen zu lassen. Unmittelbar nach dem Eintreffen des Befehles zum Abtransport der Truppen hatte Ich mich zu Jordania begeben und ihm erklärt, dass Deutschland an dem weiteren Verbleiben seiner Delegation im Kaulcasus kein Interesse mehr habe, dass ich jedoch gerne bereit sei, beim Auswärtigen Amt die Erlaubnis zum weiteren Verbleiben der Delegation zu erbitten, wenn Georgien ein ausgesprochenes Interesse an ihrem weiteren Verbleiben habe. Jordania bat mich dringend im Interesse Georgiens so lange wie nur irgend möglich in Tiflis zu verbleiben. Das Auswärtige Amt entschied, dass die Delegation so lange in Tiflis zu verbleiben habe als es die Verhältnisse gestatteten. Später wurde mir dann noch mitgeteilt, dass unsere Waffenstillstandskomission in Spa freies Gebeit für die Delegation bewilligt erhalten habe. Anfang Dezember kamen die ersten Vertreter der Entente nach Tiflis: ein franzosischer Oberstleutnant und zwei oder drei englische Majore oder Hauptleute, Herren die früher im Kaukasus als kleine Geschäftsleute in ganz untergeordneten Stellungen tätig gewesen waren und sich nun ohne jede Beglaubigung als Vertreter ihrer Mächte aufspielten. In der unverschämtesten Weise verlangten sie von der georgischen Regierung die sofortige Ausweisung aller Deutschen, wurden aber von Jordania mit erfreulicher Entschiedenheit abgewiesen. Durch ihre auffallend schlechten Manieren, ihre Arroganz und ihre unglaubliche Taktlosigkeit haben diese Herren ihren Regierungen sehr schlechte Dienste geleistet und für uns Deutsche die beste Propaganda gemacht. Innerhalb weniger Tage trat in der Presse und in der öffentlichen Meinung ein ganz auffallender Umschwung zu unseren Gunsten ein. Die wenigen Georgier, die uns bis dahin gleichgültig oder misstrauisch gegenüber gestanden waren, selbst Ententefreunde und Armenier wendeten sich voll Enttäuschung von der Entente ab und nahmen Partei für uns. Wir haben gerade in diesen Tagen aus allen Kreisen der Bevölkerung eine Menge aufrichtiger Sympathiekundgebungen erhalten. Im Laufe des Dezember trafen nach und nach englische Truppen - darunter auch Schwarze - in Transkaukasien ein. Deutsche und englische Truppen lebten zeitweise neben einander in Tiflis ohne dass es jemals zu irgendwelchen Reibungen oder Zwischenfällen gekommen wäre. Mitte Dezember brannte das Palacehotel in Tiflis, in dem ausschliesslich deutsche Offiziere und Bureaus untergebracht waren - wahrscheinlich Infolge von Brandstiftung durch Armenier - vollkommen aus. Am 23. Dezember verliess das Kaukasische Jägerregiment als letzte deutsche Truppe die georgische Hauptstadt. Am nächsten Tage bereits überschritten starke armenische Kräfte ohne vorherige Kriegserklärung die georgische Grenze und rückten bis auf 40 Kilometer gegen Tiflis vor. Die Armenier hielten den Zeitpunkt für gekommen, sich der Stadt Tiflis zu bemächtigen und mit Hilfe der Engländer ihre Vorherrschaft in Transkaukasien aufzurichten. Bei der deutschen Kolonie Katharinenfeld kam es zwischen den Armeniern und den in aller Eile zusammengerafften georgischen Truppen zu einem Gefecht, in dem die Armenier entscheidend geschlagen wurden. Die Ausnutzung ihres Sieges wurde den Georgiern durch die Engländer verwehrt. Als die Feindseligkeiten bereits eingestellt waren, erhielt ich ein Telegramm unseres Auswärtigen Amtes, durch das mir jedes Eingreifen in den armenisch-georgischen Konflikt; untersagt wurde! Trotzdem wir den Georgiem in ihrem Kampfe mit den Armeniern keinerlei Hilfe hätten leisten können, hatten wir doch der Hinterhältigkeit und Treulosigkeit der Armenier eine weitere Zunahme der Sympathien des georgischen Volkes zu verdanken. Nicht nur verbreitete sich das völlig unzutreffende Gerücht, ich hätte den Plan für die erfolgreiche Operation der Georgier 64 entworfen, sondem vor Allem sahen nun weite Kreise des georgischen Volkes ein, wie sehr wir im Interesse ihres Landes gehandelt hatten, als wir ihre marxistlsche Regierung zur Aufstellung einer regulären Armee veranlassten. Nach Massgabe des Anwachsens der englischen Kräfte im Kaukasus wurde das Auftreten der Engländer der georgischen Regierung gegenüber immer selbstbewusster und entschiedener. In den ersten Tagen des Januars traf ein englischer General in Tiflis ein und förderte, dass die Deutsche Delegation und der Rest der deutschen Truppen sofort den Kaukasus verlassen müssten. Mit mir persönlich setzten sich die Engländer nicht ins Benehmen; sie liessen ihre Wünsche und Forderungen stets durch die georgische Regierung gehen. lch hörte wohl unter der Hand von den Absichten der Engländer, erhielt aber von der georgischen Regierung keinerlei offizielle Mitteilung. Am 4. Januar kam der Gehilfe des Kriegsministers, General Gedewanoff, mit dem ich ganz besonders gute Beziehungen unterhielt, zu mir und lud mich und meine Herren im Auftrag des Kriegsministers zu einem Abschiedsessen ein. Nach langem Hin und Her rückte er damit heraus, dass die Engländer in Form eines Ultimatums von den Georgiern verlangt hätten, dass die Delegation bis zum Abend des 5. Tiflis verlasse. Ich lehnte zunächst die Einladung mit der Begründung ab, dass die Zeit zu ernst sei urn Feste zu feiern, musste dann aber schliesslich doch dem liebenswürdigen und freundschaftlihen Drängen Gedewanoffs nachgeben. Das Essen fand statt; es wurden ausserordentlich herzliche Abschiedsreden gewechselt und der Kriegsminister überreichte mir im Namen der georgischen Armee eine wertvolle Erinnerungsgabe - auf moderner silberner Platte einen alten georgischen Weinkrug aus getriebenem Silber und ein altes silberbeschlagenes Trinkgefäss. Während der Kriegsminister uns Deutsche verabschiedete, gaben die anderen Minister den Engländern ein Begrüssungsessen! Eine Schilderung der Tragikomödie, die sich nun abspielte, bis wir Tiflis glücklich verliessen, würde zu weit führen. Den Georgiern war es in hohem Masse peinlich uns zum Verlassen ihres Landes aufzufordern; andererseits wurde der Druck, den die Engländer auf sie ausübten, immer stärker. Statt offen und ehrlich mit uns zu reden versuchten sie auf alle mögliche Weise und durch die törichtesten Intriguen uns zu veronlassen, dass wir freiwillig ihr Land verliessen. Besonders ungeschickt und unanständig benahm sich der Aussenminister Gegetsohkori, der seit seinem Besuch in Berlin aus mir unbekannten Gründen ein ausgesproohener Deutschenhasser geworden war. Ich war ohne Weiteres bereit, sofort den Kaukasus zu verlassen. Nicht nur war es klar, dass wir uns auf die Dauer doch nicht in Tiflis halten könnten, sondem es lag mir auch vollkommen ferne, den Georgiern irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. Auch fürchtete ich, die Lage der im Kaukasus verbleibenden Deutschen und der in unserem Lazarett verbleibenden 150 Kranken zu verschlechtern, wenn ich den Forderungen der Engländer Widerstand entgegensetzte. Aber Ich verlangte, dass sich unser Abgang in Formen vollzog, die einer diplomatischen Mission des Reiohes würdig waren. Am Abend des 7. Januar verliess die Deutsche Delegation – etwa 100 Köpfe stark - mil Extrazug die Stadt Tiflis. Der Abschiedsbesuch, den mir Jordania und Gegetschkori am Vormittag dieses Tages gemacht hatten, war ziemlioh frostig verlaufen. Es erschien auch keiner der Minister zu unserer Verabschiedung am Bahnhof. Der Kriegsminister und der Aussenminister hatten ihre Gehilfen (Staatssekretäre) geschickt. Das Haus, in dem ich gewohnt hatte, war dem persischen Generalkonsul übergeben und von diesem versiegelt worden. Unsere Akten hatten wir einem Vertrauensmann zur Aufbewahrung übergeben. Am 9. Januar trat die Delegation in Poti ein und wurde dort von den georgischen Zivil und Militärbehörden auf das Liebenswürdigste begrüsst. Entgegen den Versprechungen der Engländer war kein Schiff zu unserem Abtransport eingetroffen und da es nicht möglich war, uns in dem kleinen Städtchen unterzubringen, blieben wir in unserem Eisenbahnzug wohnen. Am 9. und 10. wurden wir von den Georgiern zu grossen Festen eingeladen und am 11.gab ich in einem der Hotels von Poti ein Diner. Am 4.Januar war ein englisches Bataillon in Poti ausgeladen worden und hatte in den am 65 Hafen gelegenen Gebäuden Unterkunft bezogen. Trotz der nahen Nachbarschaft kam es zu keinerlei Reibereien und Zwischenfällen zwischen den Tommies und unseren auf der im Hafen liegenden „Varna“ untergebrachten Soldaten. Es entwickelte sich sogar sehr bald ein lebhaftes Tauschgeschäft zwischen ihnen. Die englischen Soldaten hatten seit langer Zeit nur Schiffszwieback erhalten und waren nun besonders scharf auf unser Brot; sie gaben dagegen Tabak, Schokolade und Conserven. Auf dem Dampfer „Varna“, der ein Passungsvermögen von 790 Mann hatte, waren 1450 Menschen in drang voll fürchterlicher Enge untergebracht. Aus uns unbekannten Gründen versagten die Engländer dem Schiff die längste Zeit die Ausfahrtserlaubnis und erst am 6. Februar durfte es die Fahrt nach Konstantinopel antreten. Nachdem bis zum 13. Januar kein englisches Schiff zu unserem Abtransport in Poti eingetroffen war, fuhren wir an diesem Tage im Einverständnis mit der georgischen Regierung nach Kutais - der alten Hauptstadt Georgiens - um dort die weiteren Ereignisse abzuwarten. Auch in Kutais wurden wir von der Bevölkerung und den Behörden auf das Liebenswürdigste und Gästlichste aufgenomrnen. Insbesondere nahm sich ein Herr Dadischidse94 unserer in der liebenswürdigsten Weise an. Die kleine, altertümliche Stadt ist sehr hübsch am Rion gelegen und muss in der guten Jahreszeit ein landschaftllch sehr reizvoller Ort sein. Ich war in einem Hotel recht gut untergebracht. Wir benutzten die dreiwochigen Ferien, die wir in Kutais verbrachten, zu einer Anzahl hübscher und interessanter Ausflüge in die Umgegend. Unter Anderem besuchten wir die uralten Klöster Mozambethi und Gelathi. Sehr interessant war auch eine Autofahrt auf der Ossetischen Heeresstrasse nach Oni.Ich konnte mich davon überzeugen, wie wenig diese sehr schmale, durch das sich stellenweise schluchtartig verengende Riontal führende Strasse mit Ihren engen Kurven, grossen Steigungen und wenigen Ausweichstellen für militärische Zwecke geeignet ist. Interessant war auch der Besuch einer georgischen Armenschule, die eine Schülerin des Münchener Professors und bekannten Schulmannes Kerschensteiner nach dessen Prinzipien aufgezogen hatte und mit sichtlichem Erfolg leitete. Am 19. Januar wurden wir vom georgischen Militärbefehlshaber in Kutais zur Teilnahme zu dem zur Erinnerung an die Taufe Christi stattfindenden Festgottesdienst mit darauf folgender Wasserweihe, Parade und Diner eingeladen. Festgottesdienst und Wasserweihe vollzogen sich mit grösstem kirchlichem Pomp und Prunk; nicht weniger als drei Bischöfe zelebrierten neben zahlreichen anderen hohen Geistlichen, die alle mit den prunkvollsten Gewändern bekleidet waren. Das Drängen und die Aufregung der zahlreichen Gläubigen, die mit dem geweihten Wasser des Rion bespritet würden and das im Rion getaufte Kreuz küssen wollten, liess erkennen, dass die Masse des georgischen Volkes noch in hohem Masse gläubig und seiner Kirche ergeben war. Die sozialdemokratischen Zivilbehörden hielten sich in ostentafiver Weise von der Feier fern, während das Militär regen Anteil an ihr nahm. Der unzutreffende Bericht einer georgischen Zeitung, dass ich bei dieser Gelegenheit die Parade über die georgischen Truppen abgenommen hatte, gab den Anstoss, dass die Engländer neuerdings unsere Abreise aus Georgien verlangten. Nach recht unerquicklichen Verhandlungen mit der georgischen Regierung, die es auch bei dieser Gelegenheit an Offenheit und Ehrlicbkeit fehlen liess, verliessen wir am Nachmittag des 3.Februar Kutais und fuhren nach Batum. Die Behörden und unsere Freunde in Kutais überboten sich bei unserer Abreise an Liebenswürdigkeit. Insbesondere legte auch der sozialdemokratische Regierungspräsident anerkennenswerten Takt und grösste Liebenswürdigkeit an den Tag. Bei herrlichstem Frühlingswetter fuhren wir durch die landschaftlich höchst reizvolle Gegend mit einer Vegetation, die nahezu tropischen Charaker aufwies. In Batum wurden wir trotz des uns zugesicherten freien Geleites als Gefangene behandelt. Wir wurden in einem kleinen Hotel miserabel untergebracht, mit Ausnahme des langen Seitengewehres nahm man uns 94 soll sein Dateschidse. Siehe das Foto. 66 unsere Waffen ab, zwischen 8 Uhr Abends und 10 Uhr Morgens dürften wir das Haus nicht verlassen. Der in Batum kommandierende englische General Cook-Collis benahm sich, als ich ihm meinen Besuch machte, unglaublich unhöflich und unritterlich. Was wir an engischen Truppen sahen, machte einen guten Eindruck. Gutes Soldatenmaterial, schöne Reitpferde, wundervolle Maultiere, tadellose Bekleidung und Ausrüstung. Die Mannschaften benahmen sich gegen uns Deutsche einwandfrei, während das Bennehmen der engischen Offiziere in hohem Masse unhöflich und unanständig war und jede Ritterlichlceit gegenüber dem besiegten Feinde vermissen liess - eine Erscheinung, auf die wir nicht nur in Batum, sondern auch wahrend unseres Aufenthaltes in Konstantinopel und Prinkipo stiessen. Am 8.Februar bei strömendem Regen wurden wir endlich eingeschiftt : wir Männer auf einem kleinen, schmutzigen und nicht beladenen Frachtdampfer, die Frauen und Kinder zusammen mit einem grösseren Militärtransport auf einem anständigen grossen Passagierdampfer. Während der viertagigen Überfahrt nach Konstantinopel erhielten wir keine warme Verpflegung, sondern nur Tee, Cornedbeef und Brot. Den kleinen Salon mussten wir nach beendeter Mahlzeit sofort räumen. Die See war sehr unruhig, das Wetter stürmisch und regnerisch; mangels eines geeigneten Aufenthaltsortes und teilweise wegen Seekrankhelt brachten wir den grössten Teil der Zeit in unseren Kojen liegend zu. Wegen Schneetreibens und Nebels mussten wir vor dem Eingang in den Bosporus stundenlang vor Anker liegen. Am ll.Februar um 2 Uhr mittags trafen wir in Konstantinopel ein und gingen zunächst in der Nähe des Heroturmes vor Anker. Zum ersten Mal sah ich Konstantinopel im Schnee. An den nächsten Tagen hatten wir wieder herrliches Frühlingswetter und im Hafen herrschte der lebhafteste Verkehr. Am Naohmittag des 13. Februar wurden wir an Bord des entsetzllch schmutzigen und unbequemen türkischen Dampfers Tir i Midschigen überführt, wo wir die Frauen und Kinder der Delegation wieder trafen. Die Engländer hatten unsere Uberwachung und Betreuung den Türken übertragen. Bei der Abfahrt von dem englischen Frachter mussten wir noch eine empörende Scene erleben. Unter den Augen und mit dem Beifall Ihrer Offiziere bewarfen uns beim Umsteigen auf den kleinen Hafendampfer, der uns zu dem tü.rkischen Schiff bringen sollte, die sich an Bord eines neben uns liegenden grossen Passagierschiffes befindlichen englischen Soldaten mit Rüdben und anderen harten Gegenständen. Es war gut dass man uns unsere Revolver abgenommen hatte. Der schwedische Gesandte, dem die Vertretung der deutschen Interessen übertragen war, lag leider Krank im Hospital. Sein Stellvertreter war der schwedische Militärattache, ein Oberst Aalgreen. Obwohl er in München im Infanterie Leib Regiment unter meinem Vetter Fritz gedient hatte, ihm mein Name also bekannt war, kümmerte er sich in keiner Weise um uns; ich habe ihn überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Am 18.Februar wurden die mit der Delegation reisenden deutschen Zivilisten auf der „Gorcovado“ eingeschifft, um in die Heimat überführt zu werden - mit ihnen auch mein Adjutant Rittmeister von Lersner, der sich durch Vermittlung des holländischen Gesandten diese Vergünstigung erwirkt hatte. Wir Militärs und die beiden Schwestern wurden bei stürmischer See nach der Insel Prinkipo überführt. Unsere Bewachung und Betreuung war dem türkischen Oberstleutnant Kemal Bey übertragen worden. Er unterzog sich dieser Aufgabe mit anerkennenswertem Takt und grosser Liebenswürdigkeit. Wir dürften uns auf der Insel frei bewegen. Nachdem wir die ersten Nächte in einem der grossen Hotels von Prinkipo verbracht hatten, bezog ich mit den beiden Schwestern, Danzer, meinen beiden Dienern und Herrn von Hamrn eine kleine Villa, die wir um teueres Geld Von einem in Konstantinopel lebenden griechischen Notar gemietet hatten. Glückticher Weise hatten uns die Engländer unser Geld nicht abgenommen. Das Häuschen lag am Westende des Ortes Prinkipo mit herrlichem Blick auf das Meer und die gegenüberliegende Insel Halki. Die beiden Schwestern führten uns den Haushalt und kochten für uns. An manchen Tagen herrschte bereits sommerliche Temperatur. 67 Eine Reihe deutscher und türkischer Kameraden besuchten mich während der ersten Wochen unseres Aufenthaltes in Prinkipo. Man erzählte mir zahllose Gerüchte, aber nur sehr wenig Tatsachen. Wertvoll waren lediglich die Mittellungen des Legationsrates Schwarpel, der der schwedischen Gesandtschaft in Konstantinopel zur Bearbeitung der deutschen Angelegenheiten zugeteilt war. Aus seinen Mitteilungen ging hervor, dass im feindlichen Lager und bei der türkischen Regierung grosses Durcheinander, Uneinigkeit und gegenseitige Anfeindung bestand. Am 26. Februar erhielt ich die Nachricht, dass die Waffenstillstandskommission aus Paris den Befehl erhalten habe, keinen der deutschen Generale aus der Türkei abreisen zu lassen. Ich sollte einen Offizier namhaft machen, der mit mir in Prinkipo verbliebe, während die anderen Mitglieder der Delegation demnächst nach Deutschland abtransportiert werden wurden. Hauptmann Kurt Sterke -mein alter bewährter Kampfgenosse aus der Wüste und aus Palästina bot sich freiwillig und ohne von mir aufgefordert zu sein an, mit mir sich in Prinlcipo internieren zu lassen. Als ich Düsel mitteilte, er konnte nun auch heimreisen, meinte er unter Tränen: „Ich müsste mich ja vor der gnädigen Frau Baronin und dem Herrn Bruder zu Tode schämen, wenn ich meinen Herm jetzt im Stiche liess.“ So brave and anständige Soldaten hat es damals trotz der Revolution noch gegeben. Auch der unverheiratete Theodor erklärte, dass er selbstverständlich bei mir bleiben würde. Sehr schwer lastete in diesen Wochen auf uns die Unsicherheit über die Lage in der Heimat. Insbesondere beunruhigten mich die Gerüchte, die über die Lage in Bayern, die Ermordung Eisners und deren Folgen umliefen. Wir waren ausschliesslich auf Feindzeitungen angewiesen, von deren Nachrichten wir nie wussten, ob und wie weit sie der Wahrheit entsprachen. Während der ganzen Dauer meiner Intenierung in Prinkipo hat mir die englische Zensur auch nicht einen der vielen für mich eingetroffenen Briefe ausgehändigt. Am 9.März gingen die Herren der Delegation an Bord der „Mina Horn“ und am nächsten Tag die Schwestern an Bord „Tir i Midigan“, wo sie ganz miserabel mit den vielfach kranken Soldatenweibern untergebracht wurden - eine nicht unbetrachtliche Anzahl deutscher Soldaten hatten sich Frauen der schlechtesten Klasse aus dem Kaukasus mitgenomnaen. Der Abschied fiel uns allen schwer; während unseres langen Zusammenlebens war auch nicht einmal eine Trübung der guten Beziehungen unter den Delegationsmitgliedern eingetreten. Sterke zog in mein Haus ein und die Küche wurde nun von Theodor und Düsel besorgt. Letzterer entpuppte sich als ein recht guter Koch. Wir durften die Insel nicht verlassen, konnten uns aber auf ihr frei bewegen und nutzten dies zu ausgiebigen Spaziergängen aus. Am 29.Marz erschien überraschend Graf Schulenburg. Er war bereits am 25. in Konstantinopel eingetroffen, war vier Tage lang im Gefängnis in Galata unter höchst unwürdigen Zuständen eingesperrt gewesen und sollte nun unser Schicksal teilen. Er zog in unser Haus. Für mich war es eine grosse Freude und Wohltat einen mir so sympathischen Herrn als Gesellschafter zu bekommen. Die immer unverschämter werdenden Förderungen des griechischen Hausbesitzers zwangen uns zu einem Wohnungswechsel. Wir bezogen ein im Inneren des Ortes gelegenes, gleichfalls einem Griechen gehörendes Haus, in dem wir ganz gut untergebracht waren, dem aber die schöne Aussicht auf das Meer abging. Die uns Ende April über das Auftreten und die Tätigkeit Mustafa Kemals zugehenden Nachrichten riefen bei uns den Gedanken wach, nach Anatolien zu fliehen und uns Mustafa Kemal zur Verfügung zu stellen. Da wir zur Durchführung dieses Planes türkischer Hilfe bedurften - Bereitstellung von Pferden, Führern und Dolmetschen - brachte ich gelegentlich 68 eines Besuches von Reffed Pascha unseren Plan zur Sprache und erbat mir seinen Rat. Reffed erschrak sichtlich und bat mich dringend von diesem Gedanken Abstand zu nehmen, weil wir durch unsere Flucht die türkische Regierung in die grösste Verlegenheit bringen würden. Ich sah die Berechtigung seiner Einwände ein und versprach ihm, unsere Pläne fallen zu lassen. Er scheint aber meinem Versprechen nicht getraut und den Engländern von unseren Absichten Meldung gemacht zu haben. Als wir am lO.Mai unseren übichen Spaziergang um die Insel machten, wurden wir von einem Auto eingeholt, dem ein englischer Offizier entstieg und uns aufforderte, sofort nach Hause zurückzukehren, da Befehle fur uns vorlägen. Wir fanden unser Haus von einer englischen Kompagnie umstellt, ein englischer, sehr manierloser Generalstabsotfizier untersuchte unser Hab und Gut und unterzog uns auch einer Leibesvisitation ohne irgendwelches belastendes Material zu finden. Meine in hohlen Stiefelhölzern verborgenen Tagebücher wurden nicht gefunden. Es wurde uns eröffnet, dass wir, unsere Diener und die griechischen Hausleute das Haus nicht ohne Begleitung verlassen dürften. Tag und Nacht wurde das Haus von vier Posten bewacht. Wir wurden von jedem Verkehr abgeschlossen und dürften keine Besuche mehr empfangen. Der Chef der eigens zu unserer Bewachung nach Prinkipo verlegten englischen Kompagnie - ein biederer, sehr anständiger kleiner Farmer - erschien jeden Morgen, fragte nach unseren Wünschen und kaufte dann hüchst persönlich auf deim Markte unsere Küchenbedürfnisse ein. Mit einer Bedeckung von drei Mann, die jeweils vor unseren Augen auf sein Kommando ihre Gewehre scharf luden, führte er uns dann eine Stunde lang spazieren. Weder über die englischen Subalternoffiziere noch über das Benehmen der englischen Soldaten hatten wir jemals die geringste Klage, wogegen das Verhalten der höheren englischen Offiziere - unserer Berufsgenossen - in hohem Grade gehässig und unritterlich war. Bei unseren Spaziergängen hatten wir Gelegenheit zu beobachten, wie unfreundlich die Beziehungen zwischen den englischen und französischen Offizieren waren. Auch bei den nicht selten im Internierungslager „Moda“ stattfindenden Raufereien zwischen den Soldaten der verschiedenen Nationalitäten hielten stets Engländer und Deutsche zusammen gegen die Franzosen. Einwandfrei war das Verhalten der in Prinkipo stationierten italienischen Carabinieri. lch benutzte die viele freie Zeit zur Lektüre und zur Erweiterung meiner Kenntnis der englischen Sprache. Allabendlich klopften wir zu meiner geringen Freude zu Drift Bridge. lch habe niemals eine Bestätigung dafür erhalten, dass meinlangjähriger Kriegskamerad und schwieriger Untergebener Reffed Pascha gegen mich Anzeige erstattet hat. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass ich ihm mit meinem Verdacht Unrecht tue und dass es andere, mir unbekannte Gründe waren, die die Engländer zur Verschärfung der Überwachungsmassnahmen veranlassten. Am lO.Juni um 11.30 Vormittags erhielten wir die Mitteilung, dass wir um 15 Uhr an Bord des „Gül Dschemal“, der die letzten deutschen Truppen aus der Türkei nach der Heimat brachte, eingeschifft würden. Die Einschiffung vollzog sich wieder unter Formen, die jede Ritterlichkeit gegen den besiegten Feind bei den Engländern vermissen liess. Unsere Reise durch das Mittelmeer war vom herrlichsten Wetter begünstigt. Trotzdem war sie keine reine Freude. Das alte schmutzige Schiff war überfüllt und wenn die deutschen Soldaten sich auch gegenüber ihren Offizieren nichts ernstliches zu Schulden kommen liessen, so war das Zusammenleben mit den sich in Haltung und Anzug vernachlässigenden, revolationierten Leuten für den alten Soldaten doch ein sehr trauriges Erlebnis. Auch die Herren Kavaliere litten nach dem langen Leben im Konzentrationslager vielfach unter der Drahtkrankheit und waren von solcher Reizbarkeit, dass es fast täglich zu mehr oder minder ernsten Zusammenstossen kam. Dabei spielte die verschiedene politische Einstellung bereits eine verhängnisvolle Rolle. In Gibraltar hielt uns ein Streik der spanischen Kohlentrimmer zwei Tage lang auf und in Falmouth lagen wir wiederum zwei Tage, um die Unterzeichnung des Friedensvertrages abzuwarten. Der dortige englische Hafenkommandant hatte lange Jahre in Deutschland gelebt. Am Morgen des 22. Juni kam er ganz aufgeregt zu uns an Bord. „Haben Sie schon gehört, Ihre 69 Marine hat ihre Schiffe in Scapa Flow versenkt. Jetzt bekommen doch diese Schweine, die Franzosen Eure schönen Schiffe nicht!“ Am 27.Juni trafen wir in Bremerhaven ein und wurden auf einen Weserdampfer umgeladen. Der Anblick der stillgelegten Werften und Fabriken an den Ufern des Stromes war für uns ein erschütternder Eindruck. In Bremen fand grosser Empfang statt. Die Stimmung der uns begrüssenden und recht unverdienter Weise feiernden Bremenser war denkbar schlecht und niedergesohlagen. Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches hat die Ausnutzung und das Auswerten der materiellen Erfolge verhindert, die unsere Tatigkeit im Kaukasus zu zeitigen begonnen hatte und vor Allem für die Zukunft versprach. Als grossen und positiven Erfolg für Deutschland dürften wir aber die Tatsache buchen, dass wir bei den Kaukasusvölkern und insbesondere bei den Georgiern ein sehr stattliches Kapital an Freundschaft, Sympathie und Vertrauen für uns Deutsche erworben hatten, das uns bei richtiger Ausnutzung und richtiger Politik auch in diesem Kriege von grossem Nutzen hatte sein können. lch mache mich nicht der Unbescheidenheit und Überheblichkeit schuldig, wenn ich für mich das Verdienst in Anspruch nehme, durch meine Person und durch die von mir betriebene Politik wesentlich dazu beigetragen zu haben, dass bis vor Kurzem der Deutsche Name einen so guten Klang im Kaukasus hatte. Unsere Reichsleitung hat geglaubt, es ablehnen zu müssen, dass den Kaukasusvölkern die von ihnen ersehnte und erstrebte Unabhangigkeit in Aussicht gestellt würde. Sie hat dadurch auf die Ausnützung des von uns erworbenen wertvollen Kapitales verzichtet. Bei der von ihr geplanten Eroberung des Kaukasus wurde uns zwar die Freundschaft der Kaukasier nicht sehr grosse positive Vorteile gebracht, ihre Feindschaft aber die Lösung unserer Aufgabe ganz ausserordentlich erschwert haben. 70 General von Kress in Kutaissi, im Büro der Zeitschrifft „Imereti“. (30 Januar 1919). Rechts von ihn: General - D. Artmelidse, Bürgermeister von der Stadt - D. Kalandarischwili, K. Dateschidse. Links: General -T. Waschakidse, der Adjutant des Generals von Kress - Freiherr von Hamm und der Schriftsteller - D. Kldiaschwili. 71 Friedrich Werner, Graf von der Schulenburg Eine Zeichnung von seiner Tochter Freifrau Christa von Lindenfels 72 Der Anhang Dokument № 1 Provisorisches Abkommen95 zur vorläufigen Regelung der Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien. Zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung einerseits, vertreten durch den Königlich Bayerischen Generalmajor v o n L o s s o w und der Georgischen Regierung andererseits, vertreten durch den Minister des Äußern, Herrn A k a k i T s c h e n k e l i , ist in der Absicht, die Beziehungen zwischen den beiden Völkern vorläufig zu regeln, Folgendes vereinbart worden: Artikel I. Die Georgische Regierung erkennt die Bestimmungen des Friedensvertrages zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei einerseits und Rußland andererseits vom 3. März 1918 als Grundlage ihrer Beziehungen zu dem Deutschen Reiche an, soweit die Bestimmungen ihrer Natur nach auf diese Beziehungen anwendbar sind. Daher werden Deutschland gegenüber die Anlage 2 des Hauptvertrages sowie der deutsch-russische Zusatzvertrag maßgebend sein. Artikel II. Für die Dauer des Krieges wird die Georgische Regierung gestatten, die auf georgischem Gebiet gelegenen Eisenbahnen für Transporte von Truppen und Kriegsmaterial der vier verbündeten Mächte zu benutzen. Zu diesem Zweck wird in Tiflis eine unter deutscher Leitung stehende Militärkommission eingesetzt werden, 95 A.A. Georgien № 1 Bd 1. f. Bd 2 (R 7308). Das Abkommen ohne den Zusätzlichen Dokumenten hat veröffentlicht Wolfdieter Bihl, Deutsche Quellen zur Geschichte des ersten Weltkrieges. Darmstadt., S.S. 428-431. So daß die Veröffentlichung des ganzen Vertragspackets, unseres Erachtens, sollte gewissen Wert haben. 73 die im Benehmen mit der Georgischen Regierung den Betrieb der genannten Eisenbahnen regeln soll. Dieser Militärkommission können Mitglieder der vier verbündeten Mächte angehören. Die an den Durchfuhrlinien liegenden Bahnhöfe sowie der Hafen von Poti werden von deutschen Wachkommandos und Kommandanten besetzt. Artikel III. Eine deutsche diplomatische Vertretung wird am Sitz der der Georgischen Regierung eingerichtet und desgleichen eine georgische diplomatische Vertretung in Berlin eingesetzt werden. Artikel IV. Die Georgische Regierung wird in allen Orten des Staates, wo es der Kaiserlich Deutschen Regierung erforderlich erscheint, deutsche Konsuln zulassen. Für die georgischen Konsuln wird seitens der Deutschen Regierung entsprechend verfahren werden. Artikel V. Vorstehendes provisorisches Abkommen, das mit dem Tage seiner Unterzeichnung in Kraft tritt, wird, sobald wie möglich, durch einen zwischen den beiden Parteien vereinbarenden Staatsvertrag ersetzt werden, der die Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien festsetzen wird, sofern nicht Teile dieses Abkommens durch einen allgemeinen Vertrag ersetzt werden, zwischen den vier verbündeten Regierungen einerseits und der georgischen regierung andererseits. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den 28. Mai 1918 gez. von Lossow (Siegel) gez. A. Tschenkeli (Siegel) 74 I. Zusatzabkommen zu der am 28. Mai 1918 zu Poti abgeschlossenen provisorischen Übereinkunft zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung und der Georgischen Regierung, betreffend die vorläufige Regelung der Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien. Da die Georgische Regierung beschlossen hat, mit der Deutschen Regierung wegen Aufnahme einer Anleihe in Unterhandlungen zu treten, sind: der Vertreter der Deutschen Regierung, nämlich der Königlich Bayerische Generalmajor Herr v o n L o s s o w und der Vertreter der Georgischen Regierung, der Minister des Äußern Herr A k a k i T s c h e n k e l i übereingekommen über die Regelung derjenigen Wirtschaftsfragen, die für die Gewährung dieser Anleihe in erster Linie von Wichtigkeit sein werden, Nachstehendes zu vereinbaren: Artikel I. Die Georgische Regierung erklärt, daß alle auf georgischem Gebiet befindlichen sowie dort neu anzulegenden Eisenbahnen Staatseigentum sind und ausschließlich vom Staate betrieben oder beaufsichtigt werden. Auch wird der Hafen von P o t i , der sich zur Zeit noch im Eigentum der Stadt Poti befindet, und von dieser verwaltet wird, in staatliche Verwaltung übernommen werden. Sollten die Einnahmen der Georgischen Staatseisenbahnen und des Hafens von Poti die Sicherheit für den Zinsendienst der aufzunehmenden Anleihe bilden, so wird eine deutsch-georgische Kommission eingesetzt werden, der es obliegen wird, den Betrieb der Bahnen und des Hafens von Poti zu kontrollieren. Artikel II. Die Georgische Regierung verpflichtet sich, die Ausbeutung sämtlicher durch Bergbau zu gewinnender Bodenschätze Georgiens gesetzlich dem Staate vorzubehalten und ausschließlich einer vom Staate zu beaufsichtigenden Gesellschaft übertragen, deren Anteile je zur Hälfte Deutschland und Georgien zufallen. Zu diesem Zwecke wird die georgische Bergbaugesetzgebung die erforderlichen Vorschriften wegen Ablösung der bereits in Betrieb befindlichen Bergwerkunternehmen un der bestehenden Rechte auf die Gewinnung von Bodenschätzen enthalten. Die ablösung bestehender Bergbaurechte wird soweit tunlich durch vertragliche Regelung mit den Betriebsinhabern erfolgen. Die Georgische Regierung verpflichtet sich, die Ausbeutung der durch die Bergwerkgesellschaft geförderten Bodenschätze weder durch Verbote noch durch Ausfuhrzölle zu beschränken. 75 Artikel III. Die Georgische Regierung verpflichtet sich, alle auf dem georgischen Gebiet befindlichen Rohstoffe, soweit sie nicht für den inländischen Bedarf benötigt werden, für die Zwecke des Krieges ausschließlich Deutschland zum Ankaufzu überlassen und ihre Ausfuhr weder durch Verbote zu hindern noch durch Sonderzölle zu erschweren. Artikel IV. Deutschland wird, sobald wie möglich, einem regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen Deutschland und Georgien einrichten, die Ausfuhr von Fertig- und Halbfabrikaten nach Georgien tunlichst erleichtern und die Zufuhr von Lebensmitteln nach Georgien zu ermöglichen suchen. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Zusatzabkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift, P o t i , den 28. Mai 1918. gez. von Lossow (Siegel) gez. A. Tschenkeli (Siegel) 76 II. Zusatzabkommen zu der am 28. Mai 1918 zu Poti abgeschlossenen provisorischen Übereinkunft zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung und der Georgischen Regierung betreffend die vorläufige Regelung der Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien. Zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung einerseits, vertreten durch den Königlich Bayerischen Generalmajor v o n L o s s o w, und der Georgischen Regierung andererseits, vertreten durch den Minister des Äußern, Herrn A k a k i T s c h e n k e l i , ist bezüglich der deutschen Kolonisten in Georgien Folgendes vereinbart worden: Artikel I. Die deutschen Konsuln in Georgien, desgleichen die am Sitz der Georgischen Regierung zu errichtende deutsche diplomatische Vertretung sollen außer ihren sonstigen Befugnissen das Recht haben, die Interessen der in Georgien angesessenen deutschen Kolonisten, auch wenn diese georgische Staatsangehörige sind, wahrzunehmen. Artikel II. Die Georgische Regierung wird denjenigen deutschen Kolonisten, die nach Deutschland zurückzuwandern und die deutsche Reichsangehörigkeit zu erwerben wünschen, auf Antrag die Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband erteilen. Auch verpflichtet sich die Georgische Regierung die Ukase der russischen Kaiser, soweit sie sich auf die deutschen Kolonisten in Georgien beziehen, nicht abzuändern und die diesen gewährten Freiheiten und Vorrechte aufrecht zu erhalten. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Zusatzabkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den 28. Mai 1918. gez. von Lossow (Siegel) gez. A. Tschenkeli (Siegel) 77 Abkommen zwischen der Kaiserlich Deutschen und der Georgischen Regierung betr. die Überlassung des Georgien zur Verfügung stehenden Schiffsraums an Deutschland. Zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung einerseits, vertreten durch den Königlich Bayerischen Generalmajor Herrn von Lossow, und der Georgischen Regierung andererseits, vertreten durch den Minister des Aeußern Herrn Akaki Tschenkeli , ist Folgendes vereinbart worden. Artikel I. Die Georgische Regierung überläßt für die Dauer des Krieges der Kaiserlich Deutschen Regierung die in ihren Häfen befindliche gesamte Schiffstonnage(Passagierdampfer, Schlepper, Leichter, Motorschiffe, Bagger usw.) zur freien Benutzung. Artikel II. Alle Einzelheiten, insbesondere die Ausstellung von Chartverträgen für die in Betracht kommenden Schiffe, werden, sobald wie möglich, durch eine gemischte nautisch-technische Kommission festgelegt werden, über deren Zusammensetzung und Zusammentritt Näheres vereinbart werden wird. Artikel III. Dieses Abkommen tritt mit dem Augenblick seiner Unterzeichnung in Kraft. Den Kapitänen der in Artikel I bezeichneten Dampfer usw. wird ein provisorischer Ausweis über ihren Übergang in deutschen Dienst ausgestellt werden nach folgendem Muster: Ausweis Der Name: Größe: netto brutto Rhederei: Heimatshafen: Kapitän: fährt vom ......ab für Rechnung und im Auftrag der Kaiserlich Deutschen Regierung. Alle Zivil- und Militärbehörden der verbündeten und befreundeten Mächte werden ersucht, den .......frei passieren und im gegebenenfalls Schutz und Beistand angedeihen zu lassen. 78 Poti, den Mai 1918 Kaiserlicher Konsul Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Zusatzabkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den 28. Mai 1918. gez. von Lossow (L.S.) gez. A. Tschenkeli (L.S.) 79 Аbkommen zwischen Deutschland und Georgien zur beschleunigten Herbeiführung des Austausches der beiderseitigen Kriegsgefangenen. Zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung einerseits, vertreten durch den Königlich Bayerischen Generalmajor von Lossow und der Georgischen Regierung andererseits, vertreten durch den Minister des Äußern, Herrn Akaki Tschenkeli, werden zum Zwecke des beschleunigten Austausches der beiderseitigen Kriegsgefangenen nachstehende Vereinbarungen getroffen: Artikel I. Die allgemeinen Bestimmungen über den Austausch der beiderseitigen Kriegsgefangenen, welche in Artikel 17 des deutsch-russischen Zusatzvertrages zu dem am 3. März 1918 zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei einerseits und Rußland andererseits in Brest-Litowsk abgeschlossenen Friedensvertrag niedergelegt sind, finden auf den Kriegsgefangenen-Austausch zwischen Deutschland und Georgien sinngemäße Anwendung, soweit nicht die nachstehenden Vereinbarungen abweichende Bestimmungen enthalten. Artikel II. Das vorliegende Abkommen ist auch auf diejenigen deutschen Kriegsgefangenen anzuwenden, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Herrschaftsbereich des georgischen Staates gelangen, und die gegenwärtig noch in einem anderen Teile des ehemaligen Russischen Kaiserreichs interniert sind. Die Georgische Regierung verpflichtet sich außerdem, auch ihrerseits mit allen Mitteln darauf hinzuarbeiten, daß die in anderen kaukasischen Ländern sowie in den übrigen an das Kaspische Meer angrenzenden Gebietsteilen des ehemaligen Russischen Kaiserreichs untergebrachten deutschen Kriegsgefangenen baldmöglichst aus ihrer gegenwärtigen Lage befreit und auf Georgisches Territorium überführt werden. Artikel III. Die beiden vertragschließenden Teile verpflichten sich gegenseitig, alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind zur Erleichterung und Beschleunigung des Kriegsgefangenen-Austausches beizutragen. Die Georgische Regierung erklärt ihr Einverständnis damit, daß deutscherseits eine Kommission nach Poti eingesetzt wird, die sich mit den zuständigen Georgischen Behörden über alle zu treffenden Maßnahmen verständigt, in Sonderheit für Beschaffung von Unterkunft und Verpflegung sowie für die Regelung des Transportwesens Sorge trägt und die Ausführung der gegebenen Anordnungen überwacht. Die Kommission erhält das Recht, nach vorheriger Benachrichtigung der 80 Georgischen Regierung im Bedarfsfalle Unterkommissionen an anderen Orten des Georgischen Staates einzusetzen. Artikel IV. Die Kaiserlich Deutsche Regierung hat die Entscheidung darüber, ob sie den sofortigen Abtransport der deutschen Kriegsgefangenen in ihre Heimat verfügen will oder die Aufstellung militärischer Verbände aus deutschen Kriegsgefangenen zur Verwendung innerhalb des Georgischen Staates bezw. der ihm angegrenzten Gebiete für erforderlich erachtet. Artikel V. Die gemäß Artikel IV ohne Verzug in ihre Heimat abzubefördernden Gefangenen werden in der Stadt bezw. dem Hafen Poti der Deutschen Kommission von Seiten der Georgischen Behörden übergeben. Bis zum Augenblick der Übergabe trägt die Georgische Regierung sämtliche für den Unterhalt und den Transport der Gefangenen erwachsenden Kosten. Die Kaiserlich Deutsche Regierung ihrerseits verpflichtet sich, die für die Abbeförderung dieser Leute erforderliche Schiffstonnage zur Verfügung zu stellen. Artikel VI. Die Georgische Regierung wird mit allen verfügbaren Mitteln die in Artikel IV vorgesehene Aufstellung militärischer Verbände unterstützen. Zu diesem Zweck wird siedie Entscheidung deutschen militärischen Hilfspersonals sowie die Zoll- und gebührenfreie Einfuhr aller Art Kriegsgerät(Uniformen, Waffen, Munition etc.) in Georgien gestatten und der Tätigkeit der mit der Bildung der Verbände betrauten deutschen Befehlsstellen keinerlei Hindernisse in den Weg legen. Sie verpflichtet sich im Besonderen, die Beschaffung der für den Unterhalt dieser Verbände sowie der neu zu entsendenden deutschen Heeresangehörigen erforderlichen Lebensmittel aus dem Innern des Landes in jeder Hinsicht nachdrücklichst zu fördern. Die Entnahme der Lebensmittel erfolgt gegen Barzahlung seitens der deutschen Kommission. Artikel VII. Soweit nicht durch unmittelbare vertragliche Bindung zwischen ÖsterreichUngarn einerseits und Georgien andererseits abweichende Vereinbarungen getroffen werden, besteht zwischen der Kaiserlichen Deutschen und der Georgischen Regierung Einverständnis darüber, daß die obigen Bestimmungen sinngemäß auch auf österreichisch-ungarische Kriegsgefangene Anwendung finden können. Die Zustimmung k.u.k. Österreichisch-Ungarischer Regierung hierzu bleibt vorbehalten. Artkel VIII. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit der Unterzeichnung des Vertrages in Kraft. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Zusatzabkommen eigenhändig unterschrieben. 81 Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den 28. Mai 1918. gez. von Lossow (L.S.) gez. A. Tschenkeli (L.S.) 82 Abkommen zur vorläufigen Regelung der Währungsverhältnisse zwischen Deutschland und Georgien. In der Erwägung, daß die auf Wunsch der georgischen Regierung nach Georgien zu entsendenden deutschen Truppenteile ihre laufenden Bedürfnisse in erster Linie aus Vorräten des Landes bestreiten müssen, und hierzu ein gesichertes von Wertschwankungen unabhängiges Zahlungsmittel benötigen, sind der Vertreter der Kaiserlich Deutschen Regierung, der Königlich Bayerische Generalmajor Herr v o n L o s s o w und der Vertreter der Georgischen Regierung, der Minister des Äußern Herr A k a k i T s c h e n k e l i übereingekommen, nach dem Vorbilde der von Deutschland mit Bulgarien und Rumänien getroffenen diesbezüglichen Vereinbarungen Folgendes festzusetzen: Artikel I. Die Georgische Regierung verpflichtet sich, deutsche Währung in gleicher Weise wie einheimische unbeschränkt als gesetzliches Zahlungsmittel im Lande zuzulassen, und zwar zu einem festen noch näher zu bestimmenden Kurse. Die Bestimmung des Kurses soll unmittelbar nach Abschluß dieses Abkommens durch besondere Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen erfolgen. Als einheimische Währung gelten nur die von der Georgischen Regierung durch Gesetz festgesetzten oder noch festzusetzenden Geldsorten. Artikel II. Die Gültigkeit dieses Abkommens, das mit dem Tag der Unterzeichnung in Kraft tritt, erlischt mit dem Abschluß eines endgültigen Staatsvertrages zwischen den beiden Ländern. Außerdem hat jeder Teil das Recht, das vorliegende Abkommen mit sechsmonatlicher Kündigungsfrist zukündigen. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den 28. Mai 1918 gez. von Lossow (L.S.) gez. A. Tschenkeli (L.S.) 83 Geheimes Abkommen96 zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung und der Georgischen Regierung zur Ergänzung des am ........... Mai zu Poti geschlossenen Abkommens zwischen Deutschland und Georgien betr. die vorläufige Regelung der Beziehungen zwischen den beiden Völkern. Die Kaiserlich Deutsche Regierung vertreten durch den Königlich Bayerischen Generalmajor Herrn von Lossow und die Georgische Regierung, vertreten durch haben zur Ergänzung des heute zwischen den beiden Regierungen abgeschlossenen Abkommens betreffend die vorläufige Regelung der Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien folgende geheime Vereinbarung getroffen: Artikel I. Die Kaiserlich Deutsche Regierung erklärt sich bereit, Georgien bei seinen Verhandlungen mit der Russischen Regierung über die Ablösung Georgiens vom Russischen Reiche ihre Unterstützung zu gewähren und nach der Ablösung Georgien als freien und unabhängigen Staat anzuerkennen. Die Kaiserliche Regierung wird Georgien bei der Sicherung seiner Grenzen und bei der Regelung seiner Beziehungen zu den Nachbarstaaten ihre Hilfe angedeihen lassen. Artikel II. Die Kaiserlich Deutsche Regierung gewährleistet die Unverletzlichkeit des georgischen Gebietes innerhalb folgender Grenzen: Von dem Punkte, wo die Nordgrenze des Gouvernemetns Kutais das Schwarze Meer trifft, läuft die Grenze länge der Küste dieses Meeres bis zur Südgrenze des Gouvernements Kutais. Sie folgt darauf der Grenze dieses Gouvernements bis zu dem Schnittpunkt mit der Ostgrenze des Bezirks Batum, sodann der Grenze des Gouvernements Tiflis bis zu ihrem Zusammentreffen mit der Nordgrenze des Gouvernements Kutais und läuft dieser entlang bis zum Schnittpunkt mit der Nordgrenze des Bezirks Suchum, der sie bis zum Schwarzen Meere folgt. Artikel III. Das vorliegende Geheimabkommen muss ratifiziert werden und die Ratifikationen sollen, sobald wie möglich, in Berlin ausgetauscht werden. Das Abkommen vom heutigen Tage betreffend die vorläufige Regelung der Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien nebst seinen Zusätzen tritt 96 In dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes ist uns gelungen leider nur die Arbeitswarianten der Verträge zu bekommen, also nicht originell unterzeichnet. Komischer Weise liegen die Geheimabkommen - die unmitelbare Bestandteile des Packets unter den anderem Register. Siehe: A. A. Russland 97a Bd. 16. (Die Zwei Geheimabkommen sollen zu der im Artikel 1 des Provisorischen Abkommens genannten Anlage gehören) 84 unbeschadet der Bestimmungen des Artikels VI des genannten Abkommens erst in Kraft, wenn die Ratifikation des vorliegenden Geheimabkommens erfolgt ist. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Geheimabkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den Mai 1918. 85 Geheimes Zusatzabkommen zu dem geheimen Abkommen vom heutigen tage zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung und der Georgischen Regierung zur Ergänzung des am ...... Mai 1918 zu Poti geschlossenen Abkommens zwischen Deutschland und Georgien beteffend die vorläufige [Regelung der] Beziehungen zwischen den beiden Völkern. Die Kaiserlich Deutsche Regierung vertreten durch den Königlich Bayerischen Herrn Generalmajor von Lossow und die Georgische Regierung, vertreten durch haben zur Ergänzung des heute zwischen den beiden Regierungen getroffenen geheimen Abkommens noch folgende geheime Vereinbarung getroffen: D[er]as [Artikel II] vorgenannte[n] Geheime[n] [sic.] Abkommens vom heutigen Tage soll auch für den Bezirk Suchum einschließlich des Kreises Gagry Geltung haben, und zwar so lange als Georgien eininnerhalb Kaukasiens alleinstehender unabhängiger Staat bleibt. Bildet sich dagegen eine Conföderation der Kaukasischen Völkern, der sich Georgien anschließt, so soll es den Bewohnern des Bezirks Suchum einschließlich des Kreises Gagry freistehen [,] über ihre Stellung innerhalb der Kaukasusländer nach eigener Wahl zu entscheiden. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten Zusatzabkommen eigenhändig unterschrieben. Ausgefertigt in zweifacher Urschrift. P o t i , den ...... Mai 1918. (Unterschriften) 86 dieses geheime Dokument № 2 Besprechung über die georgische Frage97 Berlin, den 4. Juni 1918 Anwesend waren: Seine Exzellenz der Herr Staatssekretär, General von Bartenwerffer, General von Lossow, Oberst Freiherr von Kress, Gesandter von Rosenberg, Geheimrat Göppert, Major Duesterberg, Major von Ramsay, Legationssekretär von Wesendonck. Oberst Freiherr von Kress: Es muß nunmehr eine Entscheidung getroffen werden über das Anerbieten der Georgier, in ein näheres Verhältnis zu Deutschland zu treten, sei es als Kolonie, sei es als Protektorat oder Dominium. Die militärischen Stellen sind dafür, auf das Angebot einzugehen, da sich eine solche Gelegenheit so bald nicht wieder bieten wird. In Georgien könnte Deutschland eine Kolonie erwerben, die sich leicht selbst verteidigen könnte. Er nehme an, daß eine Form gefunden werden könnte für die Angliederung Georgiens an das Deutsche Reich, so daß der Kaiser die Spitze bilden würde und Georgiens auswärtige Vertretung, Militär-, Zollwesen usw. völlig unter deutschen Einfluß kommen würden. Gesandter von Rosenberg: Es seien zwei Vorbehalte zu machen: 1. müsse, wenn wir nicht Gefahr laufen wollten, in einen neuen Krieg mit Rußland zu geraten, die Loslösung Georgiens von Rußland anerkannt werden, bevor wir endgültige Abmachungen in bindender Form treffen könnten. 2. müsse alles auf die Dauer des Krieges abgestellt werden. Was nach dem Kriege komme, lasse sich nicht übersehen. Man dürfe nicht mit einem zu weitgehenden Programm beginnen, müsse aber von unten aufbauen. Zweifellos seien bei den Georgier jetzt die besten Dispositionen vorhanden. Man wisse aber nicht, ob nicht die georgier einfach aus der Not der Stunde heraus handelten. Die Verhältnisse müßten erst genau erkundet werden. Georgien liege eingekeilt zwischen zwei verhältnismäßig starken Mächten, Rußland und und der Türkei. Die Zufahrtswege nach Georgien führten für Deutschland immer durch Österreich-Ungarn, Bulgarien oder Rumänien, eien Festsetzung in Georgien bedinge also ein dauerndes gutes Verhältnis Deutschlands nicht allein zu Österreich-Ungarn, sondern auch zu Rumänien und zu Bulgarien. 97 A.A. Georgien № 1 Bd 1- f. Bd 2 (R 7308) 87 Oberst Freiherr von Kress: Es fragt sich, ob wir nicht die Gelegenheit ausnützen müssen und ob wir nicht durch eine Zurückweisung des georgischen Angebots eine Unterlassungssünde begehen würden. Die Verbindung mit Georgien werde immerhin besser sein als die mit unseren überseeischen Kolonien. Gesandter von Rosenberg: Eine Zurückweisung des georgischen Angebots kommt nicht in Frage, wir dürfen ihnen wohlwollende Prüfung ihrer Vorschläge in Aussicht stellen, können auch das eine oder das andere provisorisch vereinbaren, sollten uns aber noch nicht auf lange Sicht hinaus fest binden. Oberst Freiherr von Kress: Abmachungen nur für die Kriegszeit seien bedenklich, weil wir dann im Frieden Österreich-Ungarn und Bulgarien nach Georgien mit hinein bekommen. Gesandter von Rosenberg: Österreich-Ungarn und Bulgarien werden sowieso Gelegenheit haben mitzusprechen, da wir der Türkischen Regierung zu erklären beabsichtigen, wir könnten einen türkischen Separatfrieden mit den Kaukasiern nicht anerkennen und verlangten Beteiligung aller vier verbündeten Mächte. Es würden deshalb Verhandlungen à quatre mit den Georgiern stattfinden. Oberst von Kress: Es kommen demnach drei getrennte Akte in Frage: 1. die Loslösung Georgiens von Rußland, 2. der Friedensschluß mit den vier verbündeten Mächten, 3. die Behandlung des georgischen Anerbietens. Bei den Verhandlungen in Konstantinopel wäre die Berührung wirtschaftlicher Fragen möglichst zu vermeiden. Gesandter von Rosenberg: Die Einigung der Georgier mit Rußland schwierig sein und lange auf sich warten lassen, währenddessen müssen wir die Friedensverhandlungen führen. Es ist anzunehmen, daß die Bulgaren dort den Türken Schwierigkeiten machen und die Österreicher auch für sich selbst wirtschaftliche Interessen in Anspruch nehmen werden. Geheimer Legationsrat Göppert: Die Türkei kennt unseren den Batumer Verhandlungen zugrunde gelegten Entwurf bereits und die Österreicher haben auch schon ihre wirtschaftlichen Ansprüche angemeldet. Staatssekretär: Eine wirtschaftliche Beteiligung der Österreicher halte ich für nicht allzu bedenklich, da sie bei der Kapitalarmut Österreich-Ungarns doch nur auf dem Papier stehen würde. Eine Entscheidung über das kaukasische Problem ist ohne den Herrn Reichskanzler und die Krone unmöglich. Vorläufig müssen wir uns damit begnügen, alles Erreichbare zu sichern, die Entwicklung der Verhältnisse abzuwarten und die Lage sorgfältig zu beobachten. Den Georgiern können wir die wohlwollendste Erwägung ihrer Vorschläge in Aussicht stellen. Oberst Freiherr von Kress: Als Bedingungen für den Friedensschluß Georgiens mit den vier Verbündeten käme demnach folgendes in Betracht: 1. der Brester Friede muß die Grundlage bilden, die Türken müssen die Masse ihrer Truppen hinter der Brester Grenze zurückziehen. 2. Gemischte Kommissionen müssen eingesetzt werden zur Regelung des gesamten kaukasischen Bahnnetzes, namentlich auch zur Festlegung der Tarife. Die Bahnen müssen verpflichtet sein, bis zur Hälfte ihrer Höchstleistung für deutsche und türkische militärische Zwecke zu arbeiten. Deutsche Bahnhofswachen sollten auf der Strecke Notanebi-Santredi-Tiflis-tatarische Grenze und Tiflis bis einschließlich Alexandropol eingesetzt werden, türkische Bahnhofswachen auf der 88 Linie von Alexandropol bis Dschulfa, wobei Alexandropol aber nicht von Türken besetzt werden dürfe. Der Gedanke eines Bündnisses mit der Türkei muß fallen. Um die Türkei gefügig zu machen, wird ein scharfer Druck nötig sein. Hierfür käme in Frage: 1. eine Eröffnung an die Türkische Regierung, daß Deutschland sich von seiner Garantie bezüglich Mesopotamiens, Arabiens und Palästinas für ledig erachte, wenn die Türkei sich im Kaukasus in Abenteuer stürze. Käme es infolge der türkischen Politik im Kaukasus zu einem Bruch zwischen der Türkei und Rußland, so dürfe die Türkei auf keinerlei deutsche Unterstützung rechnen. 2. Die Oberste Heeresleitung müsse der Türkei erklären, daß die Türkei alle ihre verfügbaren Truppen durch Nordpersien nach Mesopotamien werfen müsse. Den Schutz gegen eine eventuelle Bedrängung vom Kaukasus her werde Deutschland übernehmen. Staatssekretär: Der Türkei sind bereits ernsteste Vorstellungen gemacht worden, wir dürfen aber nicht den Bogen überspannen und die Türkei zum Abspringen vom Bündnis bringen. Gegen die geplante Eröffnung durch die Oberste Heeresleitung habe ich keine Bedenken. Oberst Freiherr von Kress: 3. Eine stillschweigende vorläufige Einstellung der deutschen Lieferungen an die Türkei wäre zu erwägen. Es sind zunächst Erhebungen im Gange, ob wir durch ein Aufheben der türkischen Lieferungen nicht einen schlechten Tausch machen würden. Staatssekretär: Gegen die Maßnahmen habe ich kein Bedenken, natürlich ist eine verständige Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen erforderlich. Oberst von Kress: 4. wäre eine stillschweigende vorläufige Sperrung des Hartgeldbezugs der Türkei möglich. Der Geldbedarf vom Jilderim könnte gedeckt werden, indem das Hartgeld nicht den Türken, sondern der deutschen Militärmission überwiesen wird. Staatssekretär: Eine Verzögerung der Hartgeldlieferung ist zweckmäßig. Die Anwendung der von Freiherr von Kress vorgeschlagenen Druckmittel muß natürlich ganz allmahlich erfolgen, damit sie wirksam bleiben. Oberst Freiherr von Kress: Ein deutsche Bataillon befindet sich in Konstantinopel zum Versand nach Palästina. Der Abmarsch dieses Bataillons sollte verzögert und angedeutet werden, es könnte möglicherweise im Kaukasus Verwendung finden. Staatssekretär: Hiergegen habe ich keine Bedenken. General von Bartenwerffer: Die Oberste Heeresleitung werde das Erforderliche veranlassen. gez. Wesendonck. [orig. i. a. Georgien 1] 89 Dokument № 3 Berlin, den 8. Juni 191898 Die Kaiserlich Deutsche Regierung hat beschlossen, den Königlich Bayerischen Generalmajor Freiherrn K r e ß von K r e s s e n s t e i n zeitweilig als ihren diplomatischen Vertreter bei der Regierung der Georgischen Republik, die gegenwärtig die Staatsgewalt in Georgien ausübt, nach Tiflis zu entsenden. Freiherr K r e ß von K r e s s e n s t e i n ist beauftragt, die deutschen Interessen wahrzunehmen und im Namen der Kaiserlichen Regierung alle Verhandlungen zu führen, die zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlich sind. Zu seiner Legitimation ist ihm das gegenwärtige Einführungsschreiben ausgestellt worden. Ich bitte, ihm in allen, was er im Namen meines Kaiserlichen Herrn oder im Auftrage der Kaiserlichen Regierung vorzubringen berufen sein wird, vollen Glauben beizumessen. gez. Graf von Hertling An die Regierung der Georgischen Republik 98 A.A.. Georgien № 1 Bd. 1-f.Bd.2 (R 7308). 90 Dokument № 4 Protokoll der am 4. Juni im Auswärtigen Amt stattgehabten Besprechung über Kaukasusfragen99 Anwesend: Staatssekretär v. Kühlmann Gesandter v. Rosenberg Geh. Legationsrat Goeppert vom Auswärtigen Amt Legationsrat Trautmann Legationssekretär v. Wesendonk Legationssekretär v. Blücher Staatssekretär Frhr. v. Stein Geheimrat Flach 99 vom Reichswirtschaftsamt Georgien № 1 Bd. 1-f.Bd.2 (R 7308). 91 Geheimrat Kissel Amtsrichter Trendelenburg Unterstaatssekretär v. Radowitz von der Reichskanzlei. Oberst v. Winterfeldt General v. Bartenwerffer Major v. Ramsay von der Obersten Heeresleitung vom Kriegsministerium Major Düsterberg Dr. Silber vom Reichsschatzamt General von Lossow Oberst Frhr. v. Kreß Hauptmann v. Hülsen vom Generalstab Rittmeister Frhr. v. Lernser General von Lossow: Nach einleitenden Worten über den Beginn seiner Mission: Die Türken stellten in der ersten gemeinsamen Sitzung Forderungen auf, die weit über das hinausgehen, was sie bisher verlangt hatten. Türkei wollte alleiniger Kontrahent sein. Friede von Brest-Litowsk komme nicht mehr als Basis in Betracht, da Kaukasier der Besetzung der Gebiete von Kars, Ardahan und Batum bewaffneten Widerstand entgegengesetzt hätten. Forderungen auf weitere Grenzberichtigungen wurden erhoben. Auf wirtschaftlichem Gebiete beanspruchten sie unbedingte Vorherrschaft und wollten den ganzen Bahnbetrieb in ihre Hand bekommen. Ein deutscher Einschlag, den sie zugestehen wollten, sollte darin bestehen, daß einige deutsche Offiziere in türkischer Uniform beim Bahnbetriebe Verwendung fänden. 92 Wie dann deutscher Einschlag in praxi aussehen würde, zeigte die Behandlung, die der von Konstantinopel nach Batum gesandte deutsche Hauptmann und türkische Major von Kreß erfuhr, der von Wehib quasi gefangen gesetzt wurde. Sobald die Kaukasusvertreter von der Forderungen der Türken Kenntnis erhielten, begannen sie sich von Türken abzuwenden und bei uns Stütze zu suchen. Sie traten sogar an uns mit dem Angebot heran, daß der Kaukasus in irgend einer Form – Kolonie, Dominion – an Deutschland angegliedert würde. Die Türken arbeiteten während dessen durch ihre Agenten im mohamedanischen Teil von Transkaukasien. Nuri Bey und seinen Offizieren war es gelungen, die vox populi dort im Sinne des Anschlusses an die Türkei zu gewinnen. Die Tataren fingen an, sich von der Transkaukasischen Republik abzusondern und Deputationen an Halil zu schicken, in denen sie Anschluß an die Türkei forderten. Andererseits kam allerdings aus den von Türken besetzten mohamedanischen Gebieten moslemische Delegierte zu mir, um Hilfe gegen die Türkei zu erbitten. Ich mußte ausweichend antworten. Da ich den Türken nicht offen entgegentreten konnte und andererseits ihre Forderungen auch nicht vertreten konnte, kamen die Kaukasier allmählich auf den Gedanken, daß die Türkei und nicht Deutschland die führende Macht im Vierbunde wäre. Da eine weitere erfolgreiche Tätigkeit unmöglich war, entschloß ich mich zur Abreise. Als ich abgereist war, kam das Telegramm, der Transkaukasische Seyn habe sich aufgelöst, die Regierung sei zurückgetreten, Tataren und Georgier hätten sich selbstänig erklärt. Armenier verhielten sich noch abwartend,da sie fürchteten, sonst von Türken völlig aufgerieben zu werden. Inzwischen hat Türkei an Transkaukasische Regierung oder an ihre Stelle getretenen Staaten Ultimatum gestellt und darin die in der ersten Sitzung geltend gemachten Forderungen aufgestellt. Wie sich die Dinge weiter entwickelt haben, weiß ich nicht. Nach Telegrammen aus Konstantinopel haben die türkischen Delegierten am 31. Mai mit dem Kaukasus frieden geschlossen. Mir haben die hiesigen vertreter erklärt, es sei unmöglich, daß ihre Regierung den Frieden unterzeichnet hätte. Es könnte sich höchstens um eine Zeichnung unter dem Vorbehalte handeln, daß dieser Frieden von den übrigen Zentralmächten gut geheißen würde. Zur Zeit ist die Lage im Kaukasus nun die: Graf von der Schulenburg ist von mir als Vertreter der Deutschen Regierung nach Tiflis gesandt, und Anders habe ich als Konsul in Poti zurückgelassen. In Poti habe ich aus deutschen Kriegsgefangenen eine einige hundert Mann starke Truppe Aufgestellt, die die Bahnanlagen bis Alexandropol bewachen und unser Interesse am Lande zeigen soll. Deutsche O.H.L. hat weiter zwei Bataillone in Aussicht gestellt, ein Bataillon soll dieser Tage bereits abgehen. Mit Ramischwili und Tschenkeli habe ich eine Reihe provisorischer Verträge abgeschlossen. 1.) Hauptabkommen mit zwei Zusatzverträgen. 93 2.) Abkommen zur vorläufigen Regelung der Währungsverhältnisse. 3.) Abkommen über den Austausch der Kriegsgefangenen. 4.) Abkommen über Überlassung des Schiffsraums. Die Abkommen werden durch den Legationssekretär v. Wesendonk zur Verlesung gebracht. General v. Bartenwerffer: Wie sieht der Hafen von Poti aus? General v. Lossow: Er ist besser als der Hafen von Batum und hat zwei Mal so viel Platz als dieser. Batum ist ein Hafen der nur durch künstliche Tarife und durch Legung der Röhrenleitung dorthin Poti überflügelt hat. Poti ist der natürliche Hafen für das gesamte Gebiet. Geheimrat Flach: Ich habe gehört, daß Petroleumversand über Batum deshalb erfolgt, weil der über Poti sich vollziehende Mangan-Export durch die mit ihm verbundene Unreinlichkeit den Versand von Petroleum über Poti unmöglich macht. Was beanspruchen die Türken von den transkaukasischen Bahnen? General v. Lossow: Türken beanspruchen gesamte kaukasische Bahnen ohne Ausnahme. General v. Bartenwerffer: Ist Bahn von Batum nach Alexandropol nötig für Militärtransporte? General v. Lossow: Wenn die Türken Vorgehen nach Aserbeidschan planen – sie tun es nicht – so ist die Linie Batum-Tiflis-Alexandropol für sie notwendig. Es gibt noch eine Chaussee über Kars, aber die ist gegenwärtig in unbenutzbarem Zustande. Die Kaukasier wollen die Benutzung der Bahn für Militärtransporte auch gerne zugestehen, verlangen aber, daß die Deutschen in irgend einer Form an der Verwaltung beteiligt werden. General v. Bartenwerffer: Wir haben die lage in Nordpersien bisher als so bedenklich angesehen, daß wir die Benutzung der Bahn von Batum bis Djulfa unter allen Umständen durchdrücken wollten. Im übrigen haben wir General v. Seeckt wiederholt darauf hingewiesen, daß die Türken die Augen vom Nordkaukasus jetzt fortwenden und ihre ganze Aufmerksamkeit gegen die Engländer konzentrieren müßten. Staatssekretär Frhr. v. Stein: Wo stehen die Engländer? General v. Bartenwerffer: In ganz Nordpersien. In Baku noch nicht, jedenfalls aber in Enseli. Sie haben Anschluß an englische Truppen im Tigris-Abschnitt. Staatssekretär v. Kühlmann: Es wird sich wohl um einzelne englische Agenten handeln. 94 Stationierung größerer Truppenmassen möchte unmöglich sein. Legationsrat Trautmann: Die Meldungen aus Mossul über das Vorgehen der Engländer basieren auf türkischen Nachrichten. General v. Bartenwerffer: Um ein Land wie Nordpersien zu besetzen, genügt die Besetzung der wichtigsten Bergstraßen und das kann man mit einigen tausend Mark tun. Staatssekretär v. Kühlmann: Das ganze Problem ist außerordentlich schwierig, weil eine Reihe von Erwägungen mitsprechen. Es kann nur behandelt werden im Rahmen unserer Gesamtpolitik. Der Grundsatz ist festzuhalten, daß solange der Krieg dauert und darüber hinaus, unser Verhältnis zur Türkei keinen schweren Erschütterungen ausgesetzt werden darf. Daß diese Aufgabe schwierig ist, weiß jeder, der in der Türkei war. Die Rückgabe der im Brest-Litowsker Vertrage festgesetzten Gebiete an die Türkei war von vornherein eine Maßnahme, gegen die Bedenken sich geltend machen mußten. Die Türkei ist keine kolonisatorische und keine Kulturmacht und die Erfahrungen, die wir in Georgien zu Anfang des Krieges mit ihr gemacht hatten, waren nicht ermutigend. Diplomatisch ist unsere Lage gegenüber der Türkei aber wenig angenehm. Wir haben der Türkei feierlich zugesagt, nur mit ihrer Zustimmung Frieden zu schließen, solange türkisches Territorium vom feinde besetzt ist. Der Krieg ist für die Türkei in Mesopotamien und Palästina unglücklich verlaufen und die militärischen Sachverständigen werden mir zustimmen, daß die militärische Wiedergewinnung dieser Gebiete praktisch nicht in Frage kommt. General v. Lossow: Daß sie garnicht in frage kommt, will ich nicht sagen. Wenn Deutschland frei über seine Kräfte verfügen könnte, wäre zum mindesten in Palästina eine Änderung der Lage möglich. Daß wir mit Hilfe der Bahn Baku-Täbris durch Verwendung deutscher Truppen die Engländer auch aus Mesopotamien herauswerfen können, will ich ebenfalls nicht als ausgeschlossen betrachten. Wir müßten in der Lage sein, mehrere gute deutsche Divisionen über Djulfa-Täbris und über Enseli-Rescht gegen die Engländer vorgehen zu lassen. Voraussetzung wäre, daß wir erheblich mehr freie Hand hätten als bisher. Z.B., daß der Landkrieg in Frankreich zu Ende käme und der Seekrieg mit England und Amerika weiterginge. Ich möchte deshalb solche Möglichkeiten von vornherein nicht von der Hand weisen. General v. Bartenwerffer: Solange in Frankreich gekämpft wird, werden wir nicht in der Lage sein, können wir stärkere Truppenabteilungen nicht abgeben. Staatssekretär v. Kühlmann: Rebus sic standibus ist jedenfalls die Möglichkeit, die verlorenen Gebiete zurückzuwerben eine sehr geringe. Esist deshalb zu wünschen, daß die Türkei an der einen oder anderen Stelle territorial nicht zu schlecht wegkommt. Politisch müssen wir uns auf den Boden des Brester Friedens stellen. Verlangt die Türkei mehr, so sägt sie den Ast ab, auf dem sie sitzt. Türkei hat durch die Versuche, mit dem Kaukasus einen Spezialfrieden zu schließen, gegen die Stipulation, nur gemeinsamen Frieden zu schließen, bereits verstoßen. Wir haben Türkei daraufhin mitgeteilt, daß wir nicht in der Lage sind, sie bei ihrem Vorrücken im Kaukasus, sei es militärisch, sei es diplomatisch, zu stützen und daß sie selbst die Folgen für die durch diese Aktion hervorgerufene Zersplitterung ihrer Kräfte zu tragen hatte. Sollten außerdem neue Armenier-massakers eintreten, so würden auch wir in den Augen der Welt mit neuer Schuld belastet. Wir wären unter diesen Umständen nicht in der Lage, der Türkei früher gemachte Zusagen aufrecht zu erhalten, die auf Gemeinsamkeit der Politik beruhten. Es 95 wird allerdings schwer sein, Türken von ihren Plänen abzuhalten, da besonders Enver der Träger dieser Ideen ist. Die Bahnanlage, die es ermöglicht, durch Persien nach Mossul vorzugehen, kompliziert dir Situation. Wir werden versuchen müssen, durch Besetzung der bahn mit deutschen Truppen, den Storm der türkischen Truppen ungestört durch das Land führen zu können. Ich fürchte allerdings, daß die Türken versuchen werden, die Bahnbenutzung in eine Bahnbesetzung zu verwandeln. Ich sehe Konflikte zwischen den deutschen undtürkischen Truppen voraus. Wie sollen sich die deutschen Truppen in solchen Fällen verhalten? General v. Lossow: Sie sollen es nach ihrer Instruktion zu bewaffneten Zusammenstößen nicht kommen lassen, aber auf ihrem Posten bleiben. Daß die Türken die deutsche Bahnbesatzung zurückzudrängen versuchen werden, befürchte ich auch. Ich hoffe aber, daß die Demonstration , die in dem Einsenden von deutschen Truppen liegt, gewissen Eindruck auf die Türken machen. General v. Kress: Kann Wehib Pascha, dessen Rücksichtslosigkeit unter diesen Umständen besonders bedenklich ich, nicht entfernt werden? General v. Lossow: Wehib hat mir verschiedentlich erklärt, er persönlich wäre gegen das weitere Vordringen der Türken und wolle nur das festhalten, was er erobert habe, er sei auch ein Feind der Armenier-ausrottungen. Er hat vor dem Einrücken in Alexandropol seine Demission gegeben, aber Enver hat sie nicht angenommen. Er sieht in diesem Falle also nicht am Enver´schen Strang. Staatssekretär v. Kühlmann: Wir können vorläufig nicht anders tun, als diplomatisch auf die Türken einzuwirken. Es wird sehr förderlich sein, wenn die Oberste Heeresleitung durch General von Seeckt das Gleiche tun läßt. Man darf bei Behandlung des Kaukasus-Problems unser Verhältnis zur Russischen Regierung nicht aus den Augen verlieren. Unsere Beziehungen zur Sowjetregierung sind sehr gespannt. Sie wird alles tun, um offiziellen Krieg mit uns zu vermeiden. Es läßt sich aber nicht sagen, ob es ihr gelingen wird. Wir dürfen jedenfalls nicht schroff vorgehen. Joffe hat mir keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Einnahme von Baku entscheidende Folgen für die deutsch-russischen Beziehungen haben könnte. Es ist beabsichtigt durch Besprechung in Berlin unser ganzes Verhältnis zu Rußland von neuen zu klären, das durch gewisse militärische Teiloperationen sich getrübt hat. Wir haben also Interesse daran, daß die Operation der Türken gegen Baku hintertrieben wird. Ebenso haben wir Interesse daran, daß die Anlagen in Baku nicht zerstört werden. Da die Armenier erklärt haben, daß sie vor Einnahme der Stadt durch die Türken die gesamten Anlagen vernichten würden, ist nicht zu erwarten, daß die Türken Baku unversehrt in ihre Hand bringen können. Besetzung von Baku könnte nur im Einvernehmen mit Moskau und nur von deutschen Truppen vorgenommen werden. Betreffs Baku muß von uns ein erheblicher Druck auf die Türkei ausgeübt werden. General v. Lossow: Die Leute Nuris, die in das Gebiet von Baku eingedrungen sind, haben dort, unterstützt durch türkische Kriegsgefangene, bereits eine effektive Regierungsgewalt im Einverständnis mit tartarischer Bevölkerung eingerichtet. 96 Auch nach unseren Nachrichten würden bei Besetzung Bakus durch deutsche Truppen die Einwohner, insbesondere die Armenier die Anlagen der Stadt nicht zerstören. General v. Bartenwerffer: Wir haben General von Seeckt Anweisung gegeben, er solle Vorgehen der Leute Nuris hemmen. General v. Lossow: Abgesandte Nuris sind schon im Nordkaukasus, im Dagestan. General v. Bartenwerffer: Es muß von Türkei unbedingt gefordert werden, daß sie die Leute Nuris zurückruft und ihnen Angriffe auf Baku verbietet. General v. Lossow: Die Republik des Nordkaukasus hat – natürlich auf Veranlassung Nuris und seiner Agenten – bei den Türken Entsendung von Truppen, Waffen und Instrukteuren nach Wladikawkas nachgesucht. Türken verlangen bereits von Georgiern, daß sie die grusinische Heerestraße für Transporte zur Verfügung stellen. Übrigens hatten die Abgesandten des Nordkaukasus, die in Konstantinopel eingetroffen waren, auch Briefe für den deutschen Kaiser und die Deutsche Regierung mit. Sie sind aber von den Türken verhindert, diese bei uns abzugeben. Major Düsterberg: Das beste Mittel, um die Türken zum Eingehen auf unsere Forderungen zu veranlassen, scheint mir zu sein, die Lieferungen des Kriegsministeriums an die Türkei abzuschwächen. An den Lieferungen ist nicht nur das türkische Militär, sondern auch der Generalintendant und die hinter ihm stehenden Stellen interessiert. Wenn wir diese ganzen Lieferungen verzögerten, so würde das mehr wirken, als bloßer diplomatischer Druck. Staatssekretär v. Kühlmann: Ist es wirksamer dieses Mittel nach vorheriger Androhung oder ohnedem Anzuwenden. Ist es vom militärischen Standpunkt aus unbedenklich, die Lieferungen zu verzögern? General von Lossow: Was nach Palästina soll, muß geliefert werden, die übrigen Lieferungen können wohl verzögert werden. Staatssekretär v. Kühlmann: Vom politischen Standpunkt aus habe ich keine Bedenken. Nur muß unser Verhältnis zur Türkei mit weicher Hand durchgehalten werden, denn die nationalistischen Kreise sind sehr stark und die Entente versucht, bei diesen Anschluß zu finden. Es wegen dieser Sache zum Bruch mit der Türkei kommen zu lassen, würde ich für einen schweren politischen Fehler halten. General v. Kress: Soll General von Seeckt hierüber orientiert werden? Major Düsterberg: Wir informieren am besten niemanden. Staatssekretär v. Kühlmann: Was die Anerkennung der kaukasischen Staaten anlangt, so steht nur die Anerkennung Georgiens in Frage, die anderen Gebilde sind so nebelhaft, daß auch eine Anerkennung als Defacto-Staaten nicht in Frage kommen kann. Bezüglich Georgiens genügt die Defacto-Anerkennung, die wir durch den Beginn der Verhandlungen abgegeben haben. Wegen endgültiger Anerkennung wird man warten müssen, bis man über unser Verhältnis zu Rußland klar sieht und die Entwickelung im Kaukasus einigermaßen 97 abgeschlossen ist. Was wir brauchen, können wir auf Grund des de facto Zustands erreichen. Gelänge es allerdings Tschenkeli bei der Russischen Regierung die Anerkennung des Kaukasus durchzusetzen, so würden einer formalen Anerkennung durch uns keine bedenken entgegenstehen. Ich will mir aber reservieren, daß wir, wenn die Lage es gestattet auch über russischen Protest hinweg Anerkennung aussprechen können. Wir haben uns ausdrücklich nicht auf die These festgelegt, daß zur Abspaltung eines Randstaates die Genehmigung des Mutterstaates nötig ist. General v. Lossow: Ich habe gestern Herrn Tschenkeli darauf hingewiesen, sich in der Anerkennungsfrage mit Joffe auseinanderzusetzen. Die Georgier meinten, die Lage Georgiens sei glücklicher als die der anderen Staaten. Georgien sei eigentlich immer ein unabhängiger Staat gewesen, der nur in einer Art Union mit Rußland verbunden gewesen sei. Mit Zusammenbruch Rußlands sei Georgien automatisch wieder selbständig geworden. Georgier bereiten hierüber Denkschrift vor. General v. Kress: Wie denkt Tschenkeli sich die Lage der anderen Teile des Kaukasus? General v. Lossow: Georgier hoffen, daß Deutschland sich ein pied à terre in Georgien schafft. Wenn Deutschland sich Georgien angliederte, fielen die anderen Teile des Kaukasus Deutschland in den Schoß. Geheimrat Flach: Zur wirtschaftlichen Seite der Angelegenheit möchte ich bemerken, daß Georgien nur einen Teil des Kaukasus ausmacht. Es ist angeregt worden, das ganze Manganvorkommen zu verstaatlichen. Nun sind aber gerade 75% des Manganvorkommens innerhalb Georgiens in deutscher Hand, sodaß wir schlecht dabei fahren würden, wenn wir nur 50% in der zu gründenden Bergwerkgesellschaft erhielten. Wir müssen 75% beanspruchen. General v. Lossow: Es fragt sich, ob wir nicht auch den anteil der Georgier erhalten können und ob in Georgien nicht noch andere Bodenschätze sind, die von der Monopolisierung erfaßt werden dürften. Geheimrat Flach: Wir müßten versuchen, die Beteiligungsquote Deutschlands an der zu bildenden Gesellschaft zu vergrößern. Legationssekretär v. Wesendonk: Georgier konnten in diesem Punkte nicht weiter nachgeben, da sie nach außen zeigen müssen, daß sie georgische Interessen wahrten. Staatssekretär von Kühlmann: Ich glaube, daß die Verstaatlichung auf große Schwierigkeiten stoßen wird. Ich stelle anheim, in kleinerem Kreise diesen Punkt mit Herrn von Kress zu besprechen. General von Lossow: Herr von Kress muß so bald als möglich nach dem Kaukasus abreisen. Was die Verbindung mit dem Kaukasus anlangt, so haben die „Loreley“ und „Minna Horn“ die uns für den Funkendienst zur Verfügung standen, nur sehr schwache Stationen, sodaß wir nur einmal Verbindung mit Osmanie gehabt haben. Jetzt ist major Schles mit 6 bis 8 98 Funkern nach Tiflis geschickt, um die dortige Station in Gang zu bringen. Außerdem soll ein 10 Kilowattsender, der für Batum bereit war, nach Poti gebracht werden, sodaß wir von Poti bis Nauen direkte Verbindung haben werden. Herstellung einer Drahtverbindung durch den Nordkaukasus ist auf absehbare Zeit nicht möglich. An der Bahnlinie Rostow-Wladikawkas wird die Gegend durch bolschewistische Banden unsicher gemacht. Herr von Kress darf nicht in Batum landen, um dann mit türkischer Gnade nach seinem Bestimmungsort zu kommen, sondern muß in Poti an Land gehen. General v. Bartenwerffer: Soll Herr von Kress in Tiflis bleiben? Staatssekretär v. Kühlmann: Das wird man ihm wohl überlassen können. Legationsrat Trautmann: Wir hören von deutschen Truppensendungen nach dem Kaukasus. General von Lossow: Sie sind auf Anforderung der Georgier verfügt. Staatssekretär v. Kühlmann: Es wäre zweckmäßig, wenn Georgier Joffe mitteilten, daß sie die Entsendung von deutschen Truppen beantragt haben. General v. Bartenwerffer: Um Konflikte mit den Türken zu vermeiden, würde es sich empfehlen, die deutschen und türkischen Schutzbezirke abzugrenzen. General von Kress: Wir müssen außerdem bezüglich des Transportes der türkischen Truppen auf der Bahn Batum-Alexandropol abmachen, daß die Truppen Verpflegung mitbringen und unterwegs nicht aussteigen. Ebenso wären Abmachungen über die Höchstleistungen der Bahn für türkische Militärtransporte zweckmäßig. General von Lossow: Letzteres ist bereits geschehen, hierbei ist Barzahlung abgemacht. Es ist anzustreben, daß die Festsetzung der Schutzbezirke so erfolgt, daß die Armenier die Möglichkeit haben, in ihr Gebiet zurückzukehren. Es ist jetzt kein Land da, wo sie bleiben können. Vor sich haben sie die Türken und hinter sich die Tataren. So sind jetzt 300 000 Armenier nach Tiflis gezogen und auch in Poti haben sich große Armenierbiwake gebildet. Diese Leute konsumieren unter diesen Umständen Lebensmittel ohne welche zu produzieren. General v. Bartenwerffer: Es muß den Armeniern ein bestimmtes Gebiet zugewiesen werden, in dem sie sicher ihrer Beschäftigung nachgehen können. Wie soll sich Herr von Kress Georgien gegenüber verhalten, wenn sie seinen Schutz gegenüber Türken erbitten? Staatssekretär v. Kühlmann: Er kann ihnen Unterstützung und seine Verwendung bei den Türken zusagen, mehr würde ultra vires sein. General v. Bartenwerffer: Würde die Anerkennung Georgiens nicht schon ein Schutz sein? 99 Staatssekretär v. Kühlmann: Die De facto-Anerkennung erfüllt diesen Zweck ebenso gut wie die offizielle. Die übrigen Fragen wegen Abgrenzung der deutschen und türkischen Zone stelle ich den Herren anheim, im kleinen Kreise durchzusprechen. [Orig. i. a. Rußland 97a] Dokument № 5 Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag zwischen 100 Deutschland und Georgien100 Die Kaiserlich Deutsche Regierung und die [Georgische] Regierung [der Georgischen Republik] von dem Wunsche geleitet, im Hinblick auf die Erklärung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Georgiens die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf eine dauerende Grundlage zu stellen und dadurch die politische und wirtschaftliche Entwickelung Georgiens zu fördern, sind übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag abzuschließen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: die Kaiserlich Deutsche Regierung: den………………………………………………………………… ………………….…………………………………………………; die [Georgische] Regierung [der Republik Georgien:] den………………………………………………………………… ………………….…………………………………………………. Die Bevollmächtigten haben sich, nachdem sie einander ihre Vollmachten mitgeteilt und diese in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen geeinigt: 100 Auswärtiges Amt Abteilung A Georgien Nr. 1 Bd. 8/f.Bd. 9 Der Vertrag wurde wegen der Revolution in Deutschland nicht unterzeichnet worden, aber war fertiggeschrieben und vorbereitet. Unseres Erachtens trotz dem soll dieses Dokument besonders interessant sein. 101 Erstes Kapitel Freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien Artikel 1. Deutschland erkennt Georgien als selbständiges und unabhängiges Staatswesen an. Auch wird es sich dafür verwenden, daß die Selbständigkeit und Unabhängigkeit Georgiens von den übrigen Mächten anerkannt wird. Artikel 2. Deutschland und Georgien sind entschlossen, in Frieden und Freundschaft miteinander zu leben. Artikel 3. Deutschland und Georgien sind darüber einig, daß auf ihre Beziehungen der Friedensvertrag zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei einerseits und Rußland andererseits vom 3./7. März 1918 und der Deutsch-Russische Zusatzvertrag zu diesem Friedensvertrag vom gleichen Tage entsprechende Anwendung finden, soweit sich nicht aus dem gegenwärtigen Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag ein Anderes ergibt. Zweites Kapitel Aufnahme der diplomatischen und konsularischen 102 Beziehungen Artikel 4. Die diplomatischen und konsularischen Beziehungen zwischen den vertragschließenden Teilen werden alsbald nach der Ratifikation des Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrags aufgenommen werden. Artikel 5. Jeder vertragschließende Teil wird die Konsuln des anderen Teilen an allen Plätzen seines Gebiets zulassen, soweit nicht bereits vor dem Kriege für einzelne Gebietsteile Ausnahmen bestanden und diese Ausnahmen nach dem Kriege jeder dritten Macht gegenüber gleichmäßig aufrechterhalten werden. Jeder Teil beält sich vor, aus Gründen der Kriegsnotwendigkeit an gewissen Plätzen Konsuln des anderen Teils erst nach Abschluß des allgemeinen Friedens zuzulassen. Artikel 6. Unter Wahrung der Bestimmungen des Artikel 5 soll zwischen dem Deutschen Reiche und Georgien über die Zulassung der Konsuln, über die Vorrechte und Befreiungen der Konsularbeamten sowie über die konsularischen Amtsbefugnisse tunlichst bald ein Konsularvertrag nach dem Vorbild der in letzter Zeit von Deutschland mit anderen Staaten vereinbarten Konsularverträge geschlossen werden. Bis zum Abschluß des im Absatz 1 vorgesehenen Konsularvertrags regeln sich die Vorrechte und Befreiungen der beiderseitigen Konsularbeamten sowie deren Amtsbefugnisse nach den Bestimmungen des Deutsch-Russischen Konsularvertrags vom 8. Dezember/26. November 1874; auch sichern sich die vertragschließenden Teile in dieser Hinsicht unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit die Rechte der meistbegünstigten Nation zu. Drittes Kapitel. 103 Anwendung der deutsch-russischen Staatsverträge Artikel 7. Die Verträge, Abkommen und Vereinbarungen, die zwischen Deutschland und Rußland vor der Kriegserklärung in Kraft gewesen sind, bleiben zwischen den vertragschließenden Teilen vorbehaltlich abweichender Bestimmungen des Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrags bei dessen Ratifikation mit der Maßgabe in Kraft, daß, soweit sie für eine bestimmte Zeit unkündbar sind, diese Zeit um vier Jahre verlangert wird. Die Deutsche Regierung wird der Georgischen Regierung binnen vier Wochen nach der Ratifikation des Vertrags die im Absatz 1 bezeichneten Verträge, Abkommen und Vereinbarungen ihrem Wortlaut nach mitteilen. Die vertragschließenden Teile behalten sich vor, die Verträge, Abkommen und Vereinbarungen, die mit den während des Krieges eingetretenen Veränderungen in Widerspruch stehen, durch neue, den varänderten Anschauungen und Verhältnissen entsprechende Verträge zu ersetzen. Artikel 8. Die Verträge, Abkommen und Vereinbarungen, an denen außer Deutschland und Rußland dritte Mächte beteiligt sind und in welche Georgien neben Rußland oder an dessen Stelle eintritt, treten zwischen den vertragschließenden Teilen bei der Ratifikation des Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrags oder, sofern der Eintritt später erfolgt, in diesem Zeitpunkt in Kraft. Auf die mit solchen Kollektivverträgen in Zusammenhang stehenden Einzelverträge zwischen den beiden Teilen finden die Bestimmungen des Artikels 7 über die Verlängerung der Geltungsdauer keine Anwendung. Wegen der Kollektivverträge politischen Inhalts, an denen noch andere kriegführende Mächte beteiligt sind, behalten sich die beiden Teile ihre Stellungnahme bis nach Abschluß des allgemeinen Friedens vor. Viertes Kapitel 104 Wirtschaftliche Beziehungen Artikel 9. Zur Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien werden die vertragschließende Teile tunlichst bald in Verhandlungen über den Abschluß eines handelsvertrags eintreten. Artikel 10. Bis zum Abschluß des im Artikel 9 vorgesehenen Handelsvertrags sollen die Bestimmungen der Anlage 2 des Friedensvertrags mit Rußland, soweit sie ihrer Natur nach auf die Beziehungen zwischen Deutschland und Georgien anwendbar sind, zwischen beiden Ländern mit folgenden Maßgaben gelten. § 1. Das in Ziffer 2 der Anlage 2 vorgesehene Kündigungsrecht wird im Verhältnis der beiden Länder von der Deutschen und der Georgischen Regierung ausgeübt. § 2. Für den Schutz auf dem Gebiete des gewerblichen Eigentums sollen im Verhältnis der beiden Länder die Bestimmungen der revidierten Pariser Übereinkunft vom 2. Juni 1911 maßgebend sein. § 3. Der Post- und Telegraphenverkehr zwischen beiden Ländern soll unter 105 Zugrundelegung der Bestimmungen des Weltpostvertrags und seiner Nebenabkommen, des Internationalen Telegraphenvertrags und des Internationalen Funkentelegraphenvertrags stattfinden. Die näheren Festsetzungen erfolgen durch Abkommen, die zwischen den beiderseitigen Verwaltungen abgeschlossen werden. [§ 4. Die zwischen der Georgischen Regierung einerseits und der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft Bochum i.W. und anderen deutschen Firmen sowie dem Staatssekretär des Deutschen Reichswirtschaftsamts andererseits am 12. Juli 1918 getroffenen Abmachungen über die Georgische Manganerzgesellschaft, die Eisenbahngesellschaft Tschiaturi und die Hafenbetriebsgesellschaft Poti werden bestätigt; auch wird anerkannt, daß die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen georgischerseits die Gültigkeit der Abmachungen abhängig gemacht worden ist. Von den zur Ausfuhr aus Georgien verfügbaren Mangen von Manganerzen und Mangankonzentraten ist ein Viertel nach Maßgabe einer von den Beiden vertragschließenden Teilen mit der Russischen Regierung zu treffenden Verständigung für die Versorgung Rußlands eigentlich zur Verfügung zu stellen.][sic]101 Fünftes Kapitel Austausch der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten Artikel 11. An die Stelle der im Artikel 17 des Deutsch-Russischen Zusatzvertrags enthaltenen Bestimmungen über den Austausch der beiderseitigen Kriegsgefangenen treten die nachstehenden Bestimmungen. 101 Wie gesagt wir hatten nur die Arbeitswarianten der Verträge vorhanden. 106 § 1. Der bereits im Gange befindliche Austausch der Kriegsgefangenen wird mit möglichster Beschleunigung durchgeführt werden. § 2. Bei der Entlassung erhalten die Kriegsgefangenen das ihnen von den Behörden des Aufenthaltsstaats abgenommene Privateigentum sowie den noch nicht ausbezahlten oder verrechneten Teil ihres Arbeitsverdienstes; diese Verpflichtung bezieht sich nicht auf Schriftstücke militärischen Inhalts. § 3. Eine aus je einem Vertreter der beiden Teile zu bildende Kommission soll alsbald nach der Ratifikation des Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrags in ……………….. zusammentreten, um die Einzelheiten des Austausches, insbesondere die Art und Weise der Heimbeförderung festzusetzen und die Durchführung der getroffenen Vereinbarungen zu überwachen. § 4. Die nach völkerrechtlichen Grundsätzen zu erstattenden Aufwendungen für die beiderseitigen Kriegsgefangenen werden im Hinblick auf die Gefangenenzahlen gegeneinander aufgerechnet. Die Kosten der Heimbeförderung der Gefangenen bis zur Grenze ihres Heimatstaats werden von diesem getragen. Artikel 12. Auf die Heimkehr der beiderseitigen Zivilangehörigen finden die Bestimmungen des Artikels 18 des Deutsch-Russischen Zusatzvertrags mit der Maßgabe Anwendung, daß die im Artikel 11 § 3 des gegenwärtigen Vertrags erwähnte Kommission die Einzelheiten der Heimbeförderung regelt und die Durchführung der getroffenen Vereinbarungen überwacht. 107 Sechstes Kapitel Deutschstämmige Kolonisten in Georgien Artikel 13. Die deutschstämmigen Kolonisten in Georgien, die in Deutschland eingebürgert werden, sollen ihre Entlassung aus der georgischen Staatsangehörigkeit erhalten, auch wenn sie in Georgien verbleiben. Artikel 14. Die gemäß Artikel 13 aus der georgischen Staatsangehörigkeit entlassenen deutschen Kolonisten sollen für die ihnen während des Krieges wegen ihrer Abstammung zugefügten Unbilden eine billige Entschädigung erhalten. Auch sollen den deutschen Kolonisten auf einen innerhalb eines Jahres nach der Ratifikation dieses Vertrags zu stellenden Antrag Grundstücke oder Rechte an einem Grundstück, Bergwerksgerechtsame sowie Rechte auf die Benutzung oder Ausbeutung von Grundstücken, Unternehmungen oder Beteiligungen an einem Unternehmen, die [ihnen] nach dem Ausbruch des gegenwärtigen Weltkriegs in Georgien infolge von Kriegsgesetzen veräußert oder sonst durch Zwang entzogen oder auf Grund allgemeiner Gesetze enteignet worden sind, gegen Rückgewährung der ihnen aus der Veräußerung, Entziehung oder Enteignung etwa erwachsenden Vorteile frei von allen inzwischen begründeten Rechten Dritter wieder übertragen werden. Artikel 15. Die deutschen Kolonisten werden in der Ausübung von Landwirtschaft, Handel und Gewerbe sowie sonstiger Berufe nicht schlechter gestellt werden als andere Inländer oder als die Angehörigen der meistbegünstigten Macht; insbesondere werden sie nicht mit höheren Steuern, Angaben, Auflagen oder Gebühren irgendwelcher Art belastet werden als die anderen Inländer oder die Angehörigen der meistbegünstigter Macht. 108 Siebentes Kapitel Deutsche Kirchengemeinden, Schulen und wissenschaftliche Anstalten in Georgien Artikel 16. Deutsche Kirchengemeinden, Schulen und wissenschaftliche Anstalten in Georgien sollen dort als zu Recht bestehend anerkannt und zur Verfolgung ihrer Rechte vor Gericht zugelassen werden; auch können sie für ihre Zwecke Grundstücke erwerben. Der Gründung neuer deutscher Kirchengemeinden, [Schulen] und wisenschaftlichen Anstalten in Georgien soll kein Hindernis in den Weg gelegt werden. Artikel 17. Die in Artikel 16 bezeichneten Kirchengemeinden, Schulen und wissenschaftlichen Anstalten sollen hinsichtlich der ihnen zu gewährenden Rechte, insbesondere auch auf dem Gebiete der Besteuerung, nicht ungünstiger als die entsprechenden georgischen Einrichtungen behandelt werden. [Unbeschadet der von Georgien ausgeübten Staatsaufsicht soll den Kirchengemeinden, Schulen und wissenschaftlichen Anstalten das Recht zustehen, ihre Verwaltung sowie die Anstellung ihrer Geistlichen, Schulleiter und Lehrkräfte sowie ihres sonstigen Personals, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit, selbständig zu regeln, den Schulen auch das Recht, über ihre Unterrichtssprache, Unterrichtspläne und anderen Schuleinrichtungen nach eigenem Ermessen zu befinden. ][sic.]. 109 [Artikel 18.] [sic.] [Alle] Rechte und Vergünstigungen, die einer dritten Macht oder deren Angehörigen hinsichtlich der Errichtung, der Unterhaltung und der Besteuerung von Kirchengemeinden, Schulen oder wissenschaftlichen Anstalten aller Art erteilt werden, [sollen] ohne weiteres auch Deutschland und seinen Angehörigen zustehen. In dieser Hinsicht sollen die Zugeständnisse, die dem einen Glaubensbekenntnis gemacht werden, in Gleicher Weise für jedes andere Glaubensbekenntnis gelten. Artikel [19.] [18.] Georgien verpflichtet sich, den deutschen Kirchengemeinden, Schulen und wissenschaftlichen Anstalten die ihnen weggenommenen Vermögenswerte zurückzugeben oder, soweit dies nicht möglich ist, zu ersetzen. [Auch sind ihnen etwaige andere durch den Krieg entstandene Schäden in gleichem Umfang wie Deutschen zu vergüten.] [sic.] Artikel [20.] [19.] Die Georgische Regierung wird deutschen Instituten und Gelehrten die Vornahme von Grabungen in Georgien zu archäologischen Zwecken gestatten, auch ihnen die Hälfte der Funde zur Verfügung stellen. Die [deutschen Institute und Gelehrten werden zu solchen Arbeiten und den Veröffentlichungen darüber tunlichst auch georgische Institute und Gelehrte heranziehen.][sic.] Achtes Kapitel Schlußbestimmungen Artikel 20 Dieser Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag soll ratifiziert werden 110 und die Ratifikationsurkunden sollen tunlichst bald in Berlin ausgetauscht werden. Der Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag tritt, soweit darin nicht ein Anderes bestimmt ist, mit seiner Ratifikation in Kraft. Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Freundschafts-, Wirtschafts- und Rechtsvertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen. Ausgefertigt in doppelter Urschrift in Berlin am ……. [September] [Oktober] [sic.]1918. 111 Dokument № 6 № 70 Die Empfänger sind mit Rücksicht auf den besonders vertraulichen Inhalt dieser nummerierten Vertragsexemplare von uns genau vorgemerkt; sie werden, falls der Vertrag aus irgend einem Grunde nicht zur Durchführung gelangen sollte, um Rückgabe der erhaltenen Exemplare gebeten werden 102 D. d. D. -G. Zwischen der Regierung des georgischen Staates, vertreten durch den Minister des Äußeren Akaki Tschnkely sowie die Mitglirder der Delegation Dr. N. Nikoladse und Fürst Surab Awaloff, einerseits und einem Syndikat, bestehend aus: der Direction der Disconto-Gesellschaft, Berlin “ Bank für Handel und Industrie, ” “ Berliner Handels-Gesellschaft, ” “ Firma S.Bleichröder, ” “ Deutschen Bank, ” “ Dresdner Bank, ” “ Firma Mendelssohn & Co., „ „ „ M.M. Warburg & Co., Hamburg anderseits ist folgender Vertrag 102 A.A. Georgien № 1 Bd. 9 / Bd. f. 10 ( R 7316 ) Das Document wird publiziert mit allen originale Fehlern und Unpünktlichkeiten 112 geschlossen worden. Artikel 1. Die georgische Regierung wird auf dem Verfassungsmäßigem Wege ermächtigt werden, eine Anleihe im Betrage von 54 000 000 M auszugeben. Die Anleihe soll die Bezeichnung tragen: “6% georgische Staatsanleihe vom Jahre 1918”. Artikel 2. Der Erlos der Anleihe soll bis auf Höhe von 50 000 000 M dazu Verwendung finden den Geldumlauf im Staate Georgien auf eine noue Grundlage zu stellen.Die georgische Regierung wird zu diesem Zwecke eine staatliche Bank ins Leben rufen. Dieser Bank wird das ausschließliche Recht zur Notenausgabe in Georgien verliehen und ihr wird der vorerwähnte Erlös der Anleihe behufs Unterlage gegen die auszugebenden Noten zur Verfügung gestellt werden. Artikel 3. Die Anleihe soll mit 6% jährlich verzinst werden. Die Zinsen sind halbjährlich zahlbar,und zwar am 1 April und am 1 Oktober jeden Jahres. Der erste Coupon wird am 1 April 1924 zahlbar sei Artikel 4. Die Anleihe wird innerhalb von 28 Jahren getilgt werden.Die Tilgung erfolgt auf Grund von Verlosungen, welche einmal im Jahre, und zwar im Monat 0ktober in Berlin stattfindet. Die erste Verlosung wird im Oktober 1924 erfolgen. Die Zurückzahlung der verlosten Obligationen findet an dem darauffolgenden 1 April statt. Für die Tilgung werden jährlich 1,459255 % des Nennbetrages der Anleihe zuzüglich 6% des Nennbetrages der im Wege der Verlosung getilgten Obligationen verwendet. Die Nummern der gezogenen Obligationen werden auf Kosten der georgischer Regierung in zwei Berliner Zeitungen, einer Frankfurter Zeitung und einer Hamburger Zeitung veröffentlicht werden. Diese Veröffentlichungen wrden auch die Nummern der früheren Verlosungen gezogenen, aber noch nicht zur Einlösung gelangten Obligationen enthalten. Die Einlösung erfolgt gegen Einlieferung der gezogenen Obligationen, welche mit allen nach Fälligkeit des Kapitals noch laufenden Zinsscheinen versehen sein müssen. Der Betrag etwa fehlender Zinsscheine wird von dem zurückzahlenden 113 Kapitalbetrage gekürzt. Bis zum l.Oktober 1934 findet eine Erhöhung des für die Tilgung der Anleihe vorgesehenen Betrages nicht statt, und bis zu diesem Tage darf die Anleihe weder konvertiert noch zur Zurückzahlung aufgerufen werden. Nach dem 1 Oktober 1934 steht der georgischen Regierung das Recht zu, den noch ausstehenden Betrag der Anleihe ganz oder teilweise mit 105. M für 100 M Nennbetrag zurückzuzahlen. Die Ankündigung einer derartigen vermehrten Tilgung der Anleihe muß im Oktober, die Zurückzahlung an dem darauffolgendem 1 April stattfinden. Artikel 5. Die Obligationen werden in deutscher Sprache ausgestellt und mit allen während der Dauer der Anleihe fällig werdenden Zinsscheinen versehen. Die Einteilung der Obligationen erfolgt nach den Vorschlägen des Syndidikats. Die Kosten für die Anfertigung der Stücke trägt die georgische Regierung, ebenso den deutschen Effektenstempel und die etwa in Betracht kommende Talonsteuer. Alle übrigen mit der Ausgabe der Anleihe zusammenhängenden Kosten trägt das Syndikat. Die Obligationen werden mit dem Siegel der georgischen Regierung und mit der Unterschrifft eines Verträters der Regierung versehen werden zum Zeichen dafür,dass die georgische Regierung die aus den Obligationen hervorgehenden Verpflichtungen anerkennt. Die ausgefertigten Obligationen werden dem Syndikat in Berlin oder an einem mit der georgischer Regierung zu vereinbarenden Platze zur Verfügung gestellt werden. Artikel 6. Die Zahlung der Zinsen und die Rückzahlung der getilgten Obligationen erfolgt in Berlin, Frankfurt a. M. und Hamburg bei den Mitgliedern des Syndikats und deren Niederlassungen. Die georgische Regierung wird dem Syndikat zu Gunsten der mit der Einlösung beauftragten Zahlstellen eine Provision von ¼% auf die eingelösten Beträge vergüten. Kapital und Zinsen der Anleihe werden ohne Abzug von bestehenden oder zukunftigen Steuern, Stempeln und Gebühren des georgischen Staates ausgezahlt. Artikel 7. Die Anleihe wird an den Börsen von Berlin, Frankfurt a.M. und Hamburg zur Einführung gelangen. Der zu veröffentlichende Prospekt wird von dem Finanzminister des georgischen Staates unterzeichnet werden und die georgische Regierung wird die als Unterlage für den Prospekt erforderlichen Dokumente dem Syndikat zur Verfügung stellen. Artikel 8. AIs Sicherheit für die Verzinsung und Rückzahlung der Anleihe verpfändet die 114 georgische Regierung die Einnahmen, welche ihr von den durch Verträge vom 12. Juli 1918 ins Leben gerufenen Gesellschaften zufließen, und zwar: a) die Abgaben, welche die georgische ManganerzGesellschaft der Regierung auf Manganerze zu zahlen hat, b) die Transportabgaben, welche die EisenbahnGesellschaft Tschiaturi an die Regierung zu zahlen hat, c) den Pachtzins und die Umschlagsabgaben, welche die Hafen-betriebs-Gesellschaft Poti an die Regierung zu zahlen hat, d) die Gewinn-Anteile, welche von den unter a bis c genannten Geselschaften an die Regierung zu entrichten sind. Die georgische Regierung wird den drei Gesellschaften den schriftlichen Auftrag erteilen, aus den ihr zustehenden Einnahmen einen der Verzinsung und Rückzahlung der Anleihe entsprechenden Betrag in monatlichen Raten an das Syndikat zu Händen der Direction der Disconto-Gesellschaft in Berlin abzuführen. Die drei Gesellschaften werden diesen ihr von der Regierung erteilten Auftrag dem Syndikat schriftlich bestätigen und sich dem Syndikat gegenüber zur Ausführung des Auftrages dem vorliegenden Vertrage gemäß verpflichten. Der georgischen Regierung werden diese monatlichen Ueberweisungen auf einem besonderen Konto gutgeschrieben und bis 14 Tage vor jeweiliger Fälligkeit der Coupons und verlosten Stücke zu dem Satze verzinst, der auf provisionsfreien Rechnungen in Berlin vergütet wird. Für den FaIl, daß die von den drei GeseIlschaften der Regierung zufließenden Einnahmen für Verzinsung und Rückzahlung der Anleihe nicht ausreichen sollten, wird die georgiscbe Regierung den Fehlbetrag aus anderen Quellen decken. Für die Erfüllung der in diesem Artikel übernommenen Verpflichtungen der georgischen Regierung wird die zu gründende, mit dem Rechte der Notenausgabe auszustattende Bank selbstschuldnerische Bürgschaft leisten und zu Zwecke der Konsolidierung dieser Bürgschaft den ihr von der Regierung zu überweisenden Erlös der Anleihe bei dem Syndikat belassen. Die Bank wird den Syndikat diese Bürgschaft schriftlich bestätigen. Je nach dem Umfange der erfolgten Tilgung der Anleihe geht dieses Guthaben in die freie Verfügung der Bank über. Auf das mit der Bürgschaft verbundene Guthaben werden der Bank Zinsen in Höhe von 1% unter Reichsbanksatz, nicht über 4% jährlich abzüglich Zinssteuer vergütet, und die Bank wird das Syndikat ermächtigen, von dieser Zinsvergütung in gegebenen Falle diejenige Summe zurückzubehalten, welche sich als Fehlbetrag zwischen dem Anleihedienst und den für Rechnung der Regierung erfolgten Überweisungen der vorgenannten drei Gesellschaften zuzüglich der auf diese Überweisungen vergüteten Zinsen ergeben sollte. Artikel 9. Die georgische Regierung räumt dem Syndikat eine Option auf die Anleihe zum Kurse von 95% ein. Spätestens bis zum i.Angust 1923 hat das Syndikat zu erklären, ob es diese Option ausüben will. Im Falle der Ausübung hat das Syndikat der georgischen Regierung den Anleiheerlös am l.Oktober 1923 zur Verfügung zu stellen. 115 Artikel 10. Für die Einräumung der vorstehenden Option gewährt das Syndikat der georgischen Regierung einen Vorschuß bis zn einem Betrage von 50 000 000 M und zwar in der Weise, daß das Syndikat einjährige Schatzwechsel der georgischen Regierung diskontiert mit der Berechtigung für die Regierung, diese Schatzwechsel viermal zu erneuern. Das erste Fälligkeitsdatum der Schatzwechsel wird der 1 Oktober 1919 sein, die letzte Fälligkeit sonach der 1.October 1923. Die Discontierung der Schatzwechsel erfolgt zum Satze von 5%. Den deuthchen Wechselstempel und den etwa fällig werdenden Schlußnotenstempel trägt die georgische Regierung. Diskont und Wechselstempel werden der georgischen Regierung bei dem Syndikat Valuta Tag der Abrechnung belastet und sind bis zur Abdeckung mit 5% zu verzinsen. Die Abdeckung erfotgt durch die Uberweisungen, welche dem Syndikat für Rechnung der Regierung von den drei im Artike 8 genannten Gesellschaften gemäß den im folgenden Artikel enthaltenen Bestimmungen schon gemacht werden müssen, sobald die erste Diskontierung der Schatzwechsel stattgefunden hat. Artikel 11. Bis zur Übernahme der Anleihe dient der Gegenwart der Schatzwechsel als Ersatz des Anleiheerlöses. Er fließt ebenfalls der zu gründenden staatlichen Notenbank zu behufs Verwendung im Sinne des Artikels 2 dieses Vertrages, und wird mit vier Prozent jährlich abzüglich Zinssteuer verzinst. lu gleicher Weise werden auch alle der Anleihe vorbehaltenen Sicherheiten, nämlich: a) die Verpfändung der von den drei in Artikel 8 genannten Gesellschaften der Regierung zufließenden Einkünfte. b) die selbstschuldnerische Bürgschaft der staatlichen Notenbank und im Zusammenhang damit die Konsolidierung dieser Bürgschaft durch den Diskonterlös und dessen Zinserträgnis, bis zur Einlösung der Schatzwechsel auf die letzteren ubertragen. Die Regierung wird hiernach die drei Gesellschaften anweisen, mit den Überweisungen bis auf Höhe des für Diskont und Wechselstempel erforderlichen Betrages alsbald nach Vornahme der ersten Diskontierung zu beginnen. Einen etwaigen Fehlbetrag wird die Regierung aus anderen Quellen decken, soweit hierfür nicht das der staatlichen Notenbank zufließende Erträgnis aus der Verzinsung des Diskonterlöses herangezogen wird. Artikel 12. Die georgische Regierung erklärt, daß alle auf georgischem Gebiet befindlichen sowie dort neu anzulegenden Eisenbahnen Staatseigentum sind, mit Ausnahme der 116 nach Artikel 8b an die Gesellschaft verpachteten Erzbahn Tschiaturi-Scharopan und der Eisenbahn von Kachetin, und ausschließlich vom Staate betrieben werden. Ebenso erklärt die georgische Regierung, daß in Georgien alle drahtlosen Telegraphenanlagen, sämtliche Telegraphenlinien, mit Ausnahme des durch georgisches Gebiet gehenden Drahtes der Indo-European-Telegraphen-Gesellschaft, deren Konzession vom georgischen Staat abzulösen sein wird, sowie die interurbanen Fernsprechanlagen Staatseigentun sind und ausschleslich vom Staate betrieben werden. Für den Fall, daß die georgische Regierung sich des Eigentums an den Eisenbahnen oder der vorstchend aufgeführten Nachrichtenanlagen zu entäußern oder einer Pachtgesellschaft zum Betriebe zu Überlassen oder einen Einfluß darauf einzuräumen beabsichtigen sollte, wird sich die georgische Regierung zunächts an das in diesem Vertrage genannte Syndikat wenden und bei gleichen Bedingungen diesem den Vorzug vor anderen Bewerbern geben. Artikel 13 Den Schriftwechsel und die Abrechnungen für das Syndikat führt die Direction der Disconto-Gesellschaft, Berlin. An dem Geschäfte sind mit Ausschluß der Solidarität beteiligt: die Direction der Disconto-Gesellschaft, Berlin, mit 22 % “Bank für Handel und Industrie “ “ 12% “Berliner Handels-Gesellschaft “ “ 12% “Firma S. Bleichröder “ “ 12% “Deutsche Bank “ “ 12% “Dresdner Bank “ “ 12% “Firma Mendelssohn & Co „ „ 12% „ „ M.M. Warburg & Co Hamburg „ „ 12% Attikel 14 Dieser Vertrag ist in zwei gleichen Ausfertigungen ausgestellt, wovon die eine für die Regierung des georgischen Staates, die andere für das Syndikat bestimmt ist. Berlin, den 15.August gez. A. Tschenkely gez. N. Nikoladze 117 gez. Surab Avaloff Bank für Handel und Industrie gez. Bernhard gez. Rosin Direction der Disconto-Gesellschaft gez. Urbig gez. Pestel Berliner Handelsgesellschaft gez.Fürstenberg gez. Jeidels gez. S. Bleichröder Dresdner Bank gez. Gutmann gez. Nathan Deutsche Bank gez. Wassermann gez. Brackebusch gez. Mendelssohn & Co M.M. Warburg & Co. in Vollmacht gez. Fr. Urbig. 118 Dokument№7 Vertrag zwischen der Regierung des Georgischen Staates vertreten durch den Minister des Äußern Akaki Tschenkely, die Mitglieder der Delegation Dr. Nicolas Nikoladsze und Dr. Fürst Surab Awaloff einerseits und den nachbezeichneten Firmen, nämlich: 1. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft, Bochum vertreten durch Direktor Bergassessor a. D. Herman Wenzel, 2. Fried. Krupp A. G. Essen vertreten durch Bergassessor Dr. Max Wemmer, 3. Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen vertreten durch Direktor Hugo Schreiber, 4. Gewerkschaft Deutscher Kaiser Hamborn vertreten durch Fritz Thyssen, 5. Gutehoffnungshütte Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb zu Oberhausen vertreten durch Direktor Otto Holz, 6. Kaukasischer Grubenverein G. m. b. H. in Liqu. vertreten durch Siegmund Behrendt andererseits wegen der Gründung der Georgischen Manganerzgesellschaft, Aktiengesellschaft. 103 § 1. Die Regierung des Georgischen Staates verpflichtet sich, der unter Führung der nachstehend bezeichneten Firmen, nämlich: 1. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft, Bochum vertreten durch Direktor Bergassessor a. D. Herman Wenzel, 2. Fried. Krupp A. G. Essen vertreten durch Bergassessor Dr. Max Wemmer, 3. Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen vertreten 103 Die Verträge, sowie die Übereinkunft siehe: A. A. Georgien № 1 Bd. 4/f. Bd. 5. (R 7311) 119 durch Direktor Hugo Schreiber, 4. Gewerkschaft Deutsher Kaiser Hamborn vertreten durch Fritz Thyssen, 5. Gutehoffnungshütte Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb zu Oberhausen vertreten durch Direktor Otto Holz, 6. Kaukasischer Grubenverein G. m. b. H. in Liqu. vertreten durch Siegmund Behrendt nach dem Rechte des Georgischen Staates, mit dem Sitz in Tiflis und einer Zweigstelle in Berlin, zu begründenden Georgischen Manganerzgesellschaft, Aktiengesellschaft, von 1 Oktober 1918 an, auf die Dauer von 30 Jahren, das ausschließliche Recht zu übertragen, Manganerze, Manganerzkonzentrate aus dem Gebiet des Georgischen Staates auszuführen. § 2. Das Grundkapitel der Georgischen Manganerzgesellschaft wird 15 Millionen Mark betragen und in auf Namen lautende Aktien zerlegt werden. Deutsches und Georgisches Kapital werden an seiner Aufbringung je zur Hälfte beteiligt sein. Der Georgische Staat kann die auf das Georgische Kapital entfallende Hälfte der Aktien selbst übernehmen oder georgischen Kapitalisten überlassen. Von diesem letzteren Fall abgesehen, sind Aktien, die veräußert werden sollen, zunächst der Gesellschaft zur Übernahme anzubieten. § 3. Der Vorstand der Georgischen Manganerzgesellschaft besteht aus drei Personen, von denen zwei durch die deutschen Aktionäre, der dritte durch die georgischen Aktionäre vorgeschlagen werden. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats soll ein Angehöriger des Georgischen Staates von den georgischen Aktionären, der Stellvertreter von den deutschen Aktionären vorgeschlagen werden. Über die Wahlen der Mitglieder des Vorstandes und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats wie seines Stellvertreters werden die beiden Aktionärgruppen sich in jeden Falle verständigen. § 4. Von den 10 % des eingezahlten Aktienkapitals übersteigenden Reingewinn der Georgischen Manganerzgesellschaft fällt die Hälfte dem Georgischen Staat zu. 120 § 5. Die Georgische Manganerzgesellschaft entrichtet an den Georgischen Staat eine Abgabe von 3 M für jede Tonne des von ihr ausgeführten Erzes. Der Georgische Staat wird eine Abgabe in gleicher Höhe auch von den inländischen Verbrauchern von Manganerzen, Manganerzkonzentraten erheben. Die Regierung des Georgischen Staates wird eine Abminderung oder Aufhebung der von der Georgischen Manganerzgesellschaft zu entrichtenden Abgabe von 3 M für die Tonne ausgeführten Erzes bewilligen, wenn durch die Beibehaltung der Abgabe die Gesellschaft mit Rücksicht auf den Wettbewerb anderer Manganerze unbillig belastet wird. § 6. Der Georgische Staat wird auf Vertragsdauer die Ausfuhr von Manganerzen durch die Georgische Manganerzgesellschaft weder durch Zölle noch auf andere Weise, insbesondere nicht durch Neueinführung oder Erhöhung der jetzt bestehenden Staatsoder Kommunal- Abgaben auf Manganerze behindern oder erschweren, es sei denn, daß die Gesellschaft einverstanden ist. § 7. Die Georgische Manganerzgesellschaft wird unter keinem Vorwand mit anderen oder höheren Steuern und Abgaben irgend welcher Art belegt werden, als sie andere Erwerbegesellschaften zu Zahlen haben. § 8. Für die Beförderung von Manganerzen, Manganerzkonzentraten dürfen auf allen im Gebiet des Georgischen Staates gelegenen Eisenbahnen und sonstigen Verkehrswegen keine höheren Tarife oder schwerere Bedingungen zur Anwendung kommen, als diejenigen, die für Rohstoffe oder für Bodenerzeugnisse auf irgend einer Bahn oder einem sonstigen Verkehrswege innerhalb des Georgischen Staates in irgendwelcher Richtung angewendet werden. § 9. Der Regierung des Georgischen Staates steht das Recht zu, durch einen ständigen Vertreter die Kontrolle darüber auszuüben, daß die Georgische Manganerzgesellschaft die an die Konzessionserteilung geknüpften Bedingungen einhält. Die Kontrolle kann sich insbesondere darauf erstrekken, daß bei der Preisstellung für die ausgeführten Erze keine Bevorzugungen irgend welcher Art stattfinden, ferner darauf, daß nicht beim Ankauf von Erzen durch die Gesellschaft einzelne Grubenbesitzer begünstigt werden. 121 § 10. Die Georgische Manganerzgesellschaft beabsichtigt, bei ihren Geschäftsabschlüssen zur Bedingung zu machen, daß für Streitigkeiten aus ihren Einkaufsgeschäften die Gerichte in Tiflis, für Streitigkeiten aus ihren Verkaufsgeschäften die Berliner Gerichte zuständig sein sollen. § 11. Der Georgische Staat wird die Anlagen der Gesellschaft unter seinen polizeilichen Schutz nehmen und haftet für alle Schäden und Zerstörungen, die durch Aufruhr oder sonstige innerpolitische Ereignisse an den Anlagen entstehen. § 12. Der Georgische Staat wird während der dauer dieses Vertrags in die bestehenden Rechte auf Ausbeutung von Manganerzen, die deutschen Gesellschaften zustehen, ohne vorherige Vereinbarung mit Deutschen Regierung nicht eingreifen. Berlin, den 12. Juli 1918. 122 Vertrag zwischen der Regierung des Georgischen Staates vertreten durch den Minister des Äußern Akaki Tschenkely, die Mitglieder der Delegation Dr. Nicolas Nikoladsze und Dr. Fürst Surab Awaloff einerseits und den nachbezeichneten Firmen, nämlich: 1. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft, Bochum vertreten durch Direktor Bergassessor a. D. Herman Wenzel, 2. Fried. Krupp A. G. Essen vertreten durch Bergassessor Dr. Max Wemmer, 3. Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen vertreten durch Direktor Hugo Schreiber, 4. Gewerkschaft Deutscher Kaiser Hamborn vertreten durch Fritz Thyssen, 5. Gutehoffnungshütte Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb zu Oberhausen vertreten durch Direktor Otto Holz, 6. Kaukasischer Grubenverein G. m. b. H. in Liqu. vertreten durch Siegmund Behrendt andererseits Aktiengesellschaft. wegen Gründung der Eisenbahngesellschaft Tschiaturi, § 1. Die Regierung des Georgischen Staates verpflichtet sich, der unter Führung der nachstehend bezeichneten Firmen, nämlich: 1. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft, Bochum vertreten durch Direktor Bergassessor a. D. Herman Wenzel, 2. Fried. Krupp A. G. Essen vertreten durch Bergassessor Dr. Max Wemmer, 3. Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen vertreten durch Direktor Hugo Schreiber, 4. Gewerkschaft Deutscher Kaiser Hamborn vertreten durch Fritz Thyssen, 5. Gutehoffnungshütte Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb zu Oberhausen vertreten durch Direktor Otto Holz, 6. Kaukasischer Grubenverein G. m. b. H. in Liqu. vertreten durch Siegmund Behrendt nach dem Rechte des Georgischen Staates, mit dem Sitz in Tiflis und einer Zweigstelle in Berlin, zu begründenden Eisenbahngesellschaft Tschiaturi, Aktiengesellschaft, von 1 Oktober 1918 an, auf die Dauer von 40 Jahren, den Betrieb der Eisenbahn von Scharopan – Tschiaturi – Satschkheri zu übertragen. § 2. 123 Die Eisenbahngesellschaft erhält zur freien und uneingeschränkten Verfügung die Bahn mit allen ihren Anlagen und Betriebsmitteln, die in besonderer Verhandlung übergeben werden. Sie erhält ferner das Recht und jede etwa erforderliche Legitimation nach außen hin, wie ein Eigentümer ihre Befugnisse und Interessen wahrzunehmen. Sie verpflichtet sich, die Anlagen betriebsfähig und die Bahn den allgemeinen Verkehr offen zu halten. Mit Ablauf der Vertragszeit fallen die sämtlichen Anlagen der Bahn im jeweiligen Zustande dem Georgischen Staate ohne Entschädigung zu. Bezüglich der Übernahme des Personals werden noch besondere Vereinbarungen getroffen § 3. Das Grundkapital der Eisenbahngesellschaft wird 5 Millionen Mark betragen und in auf Namen lautende Aktien zerlegt werden. Deutsches und Georgisches Kapital werden an seiner Aufbringung je zur Hälfte beteiligt sein. der Georgische Staat kann die auf das georgische Kapital entfallende Hälfte der Aktien selbst übernehmen oder georgischer Kapitalisten überlassen. Von diesem letzteren Fall abgesehen, sind Aktien, die veräußert werden sollen, zunächst der Gesellschaft zur Übernahme anzubieten. § 4. Der Vorstand der Georgischen Manganerzgesellschaft besteht aus drei Personen, von denen zwei durch die deutschen Aktionäre, der dritte durch die georgischen Aktionäre vorgeschlagen werden. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats soll ein Angehöriger des Georgischen Staates von den georgischen Aktionären, der Stellvertreter von den deutschen Aktionären vorgeschlagen werden. Über die Wahlen der Mitglieder des Vorstandes und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats wie seines Stellvertreters werden die beiden Aktionärgruppen sich in jeden Falle verständigen. § 5. Von den 10 % des eingezahlten Aktienkapitals übersteigenden Reingewinn der Georgischen Manganerzgesellschaft fällt die Hälfte dem Georgischen Staat zu. § 6. Die Eisenbahngesellschaft entrichtet an den Georgischen Staat für die Übertragung des Betriebs der Eisenbahn eine Abgabe von 2 M für jede Tonne des von ihr beförderten 124 Manganerzes, ohne Rücksicht auf die Beförderungsstrecke. Für alle anderen transportierten Güter wird eine Abgabe für die Tonne erhoben, die nach näherer Vereinbarung festgesetzt wird, jedoch nicht über 1 M für die Tonne betragen darf. § 7. Die Tarife für die Beförderung von Personen und Gütern auf der Bahn ScharopanTschiaturi-Satschkheri werden von der Georgischen Regierung im Einvernehmen mit der Eisenbahngesellschaft festgestellt. Die Tarif und die übrigen Beförderungsbedingungen für Manganerze, Manganerzkonzentrate dürfen nicht höher oder ungünstiger sein, als die Tarife und Bedingungen, die für Rohstoffe oder Bodenerzeugnisse auf irgend einer anderen Eisenbahn innerhalb des Georgischen Staates in irgend welcher Richtung zur Anwendung kommen. Die Georgische Regierung verpflichtet sich, auf allen georgischen Bahnstrecken die gleichen Tarife wie auf der Strecke Scharopan-Tschiaturi-Satschkheri für Manganerze, Manganerzkonzentrate zur Anwendung zu bringen. § 8. Die Eisenbahngesellschaft wird unter keinem Vorwand mit anderen oder höheren Steuern und Abgaben irgend welcher Art belegt werden, als sie Gesellschaften ähnlicher Art zu zahlen haben. § 9. Die Regierung des Georgischen Staates verpflichtet sich, alle gesetzlichen Maßnamen und Verwaltungsakte durchführen, damit für die Vertragsdauer die Eisenbahngesellschaft diejenigen Grundstücke, die sie benötigt zur Ausführung von Bahnanlagen im weitesten Sinn, einschließlich der Zufahrtswege aller Art und aller Verkehrswege zum Zwecke eines verbesserten Manganerztransportes von den Gruben zu der Bahn selbst oder anderen Unternehmungen, die an die Bahn angeschlossen sind, auch gegen den Willen der Grundbesitzer, gegen deren Entschädigung, in uneingeschränkten Besitz und Benutzung nehmen kann. Die Übertragung des Besitz- und Benutzungsrechts sowie die Entschädigung vollzieht sich nach dem bestehenden Rechte; derGeorgische Staat wird aber die benötigten Grundstücke mit sofortiger Bauerlaubnis der Gesellschaft unverzüglich zur Verfügung stellen. 125 § 10. Für den Bau und Betrieb etwaiger Anschlußbahnen an die Eisenbahn SharopanTschiaturi-Satschkheri wird der Eisenbahngesellschaft die Priorität gewährt. § 11. Die Regierung des Georgischen Staates hat das Recht, durch einen ständigen Vertreter die Kontrolle ausüben zu lassen, daß die georgische Eisenbahngesellschaft die an die Konzessionserteilung geknüpften Bedingungen einhält. Die Kontrolle kann sich insbesondere darauf erstrecken, daß bei der Beförderung auf der Bahn keine einseitige Bevorzugung einzelner Personen oder Staaten stattfindet. § 12. Der Georgische Staat wird die Anlagen der Gesellschaft unter seinen polizeilichen Schutz nehmen und haftet für alle Schäden und Zerstörungen, die durch Aufruhr oder sonstige innerpolitische Ereignisse an den Anlagen entstehen. Berlin, den 12. Juli 1918. 126 Vertrag Zwischen der Regierung des Georgischen Staates, vertreten durch: 1. den Minister des Äußern Akaki Tschenkely, 2. die Mitglieder der Delegation Dr. Nicolas Nikoladsze und 3. Dr. Fürst Surab Awaloff einerseits und den nachbezeichneten Firmen, nämlich: 1. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft, Bochum vertreten durch Direktor Bergassessor a. D. Hermann Wenzel, 2. Fried. Krupp A. G. Essen vertreten durch Bergassessor Dr. Max Wemmer, 3. Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen vertreten durch Direktor Hugo Schreiber, 4. Gewerkschaft Deutscher Kaiser Hamborn vertreten durch Fritz Thyssen, 5. Gutehoffnungshütte Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb zu Oberhausen vertreten durch Direktor Otto Holz, 6. Kaukasischer Grubenverein G. m. b. H. in Liqu. vertreten durch Siegmund Behrendt andererseits wegen der Gründung der Hafenbetriebsgesellschaft Poti, Aktiengesellschaft. § 1. Die Regierung des Georgischen Staates verpflichtet sich, der unter Führung der nachbezeichneten Firmen, nämlich: 1. Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft, Bochum, 2. Fried. Krupp Aktiengesellschaft Essen, 3. Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen, 4. Gewerkschaft Deutscher Kaiser Hamborn, 5. Gutehoffnungshütte Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb, Oberhausen, 6. Kaukasischer Grubenverein G. m. b. H. in Liqu. Hamburg, nach dem Rechte des Georgischen Staates, mit dem Sitz in Tiflis und einer Zweigstelle in Berlin, zu begründenden Hafenbetriebsgesellschaft Poti, Aktiengesellschaft, vom 1. Oktober 1918 an, auf die Dauer von 60 Jahren, den Betrieb des Hafens von Poti zu übertragen. § 2. Die Hafenbetriebsgesellschaft Poti erhält die freie und uneingeschränkte Verfügung 127 über das gesamte Hafengelände und die gesamten vorhandenen Hafenanlagen und Betriebsmittel. Sie verpflichtet sich, diese Anlagen in dem Umfange betriebsfähig zu unterhalten, der den derzeitigen Verkehrsbedürfnissen entspricht. Die vorhandenen Anlagen und Betriebsmittel werden in besonderer Verhandlung, sobald die Gesellschaft es verlangt, übergeben. Diese Gesellschaft erhält ferner das Recht und jede etwa erforderliche Legitimation nach außen hin, wie ein Eigentümer ihre Befugnisse und Interessen wahrzunehmen. Bezüglich der Übernahme des Personals werden noch besondere Vereinbarungen getroffen. Mit Ablauf der Vertragszeit gehen die gesamten Anlagen und Betriebseinrichtungen der Hafenbetriebsgesellschaft Poti ohne Vergütung an den Georgischen Staat über. Bei Errichtung größerer Anlagen und Vornahme von Arbeiten, die über die ordnungsmäßige Inbetriebhaltung der vorhandenen Anlagen im Laufe der Vertragszeit hinausgehen, wie z.B. Neubau oder Wiederrichtung von Molen, Kaianlagen usw. werden mit der Regierung des Georgischen Staates wegen der Beteiligung an den Kosten besondere Vereinbarungen getroffen werden. § 3. Das Grundkapital der Hafenbetriebsgesellschaft Poti wird 10 Millionen Mark betragen und in auf Namen lautende Aktien verlegt werden. Deutsches und Georgisches Kapital werden an seiner Aufbringung je zur Hälfte beteiligt sein. Der Georgische Staat kann die auf das Georgische Kapital entfallende Hälfte der Aktien selbst übernehmen oder georgischen Kapitalisten überlassen. Von diesem letzteren Fall abgesehen, sind Aktien, die veräußert werden sollen, zunächst der Gesellschaft zur Übernahme anzubieten. § 4. Der Vorstand der Georgischen Hafenbetriebsgesellschaft Poti besteht aus drei Personen, von denen zwei durch die deutschen Aktionäre, der dritte durch die georgischen Aktionäre vorgeschlagen werden. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats soll ein Angehöriger des Georgischen Staates von den georgischen Aktionären, der Stellvertreter von den deutschen Aktionären vorgeschlagen werden. Über die Wahlen der Mitglieder des Vorstandes und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats wie seines Stellvertreters werden die beiden Aktionärgruppen sich in jeden Falle verständigen. § 5. 128 Von den 10 % des eingezahlten Aktienkapitals übersteigenden Reingewinn der Hafenbetriebsgesellschaft Poti fällt die Hälfte dem Georgischen Staat zu. § 6. Die Hafenbetriebsgesellschaft Poti entrichtet an den Georgischen Staat, der sich seinerseits mit der Stadt Poti abfinden wird, als Pachtzins und zur Ablösung der bestehenden staatlichen und kommunalen Lasten und Abgaben eine Abgabe für jede Tonne im Hafen Poti umgeschlagenen Gutes. Die Abgabe wird für die Tonne Manganerz 2 M. Betragen, für alle anderen Güter wird ein besonderer Tarif vereinbart werden. § 7. Die Abgaben für die Benutzung des Hafens, der Hafenanlagen und für die Leistungen der Gesellschaft werden vom Georgischen Staat im Einvernehmen mit der Gesellschaft festgestellt. Die Abgaben dürfen für den Umschlag von Manganerzen, Manganerzkonzentraten nicht ungünstiger sein, als für den Umschlag von Rohstoffen oder von Bodenerzeugnissen. § 8. Die wird unter keinem Vorwand mit anderen oder höheren Steuern und Abgaben irgendwelcher Art belegt werden, als sie Erwerbsgesellschaften zu zahlen haben. § 9. Die Regierung des Georgischen Staates verpflichtet sich, alle gesetzlichen Maßnamen und Verwaltungsakte durchführen, damit für die Vertragsdauer die Hafenbetriebsgesellschaft Poti das Recht erhält, die Grundstücke, die sie zur Ausführung von Hafenanlagen oder zum Betrieb des Hafens im weitesten Sinne benötigt, auch gegen den Willen der Grundbesitzer, gegen deren Entschädigung, in uneingeschränkten Besitz und Benutzung zu nehmen. Die Übertragung des Besitz- und Benutzungsrechts sowie die Entschädigung vollzieht sich nach dem bestehenden Rechte; der Georgische Staat wird aber die benötigten Grundstücke mit sofortiger Bauerlaubnis der Gesellschaft unverzüglich zur Verfügung stellen. 129 § 10. Der Hafenbetriebsgesellschaft Poti wird das Recht verliehen, im Anschluß an die bestehende Petroleum-Rohrleitung Baku.Batum, eine Rohrleitung von Poti nach Supsa oder einem anderen Ort einzurichten, sowie eine Bahn von Supsa oder einem anderen, in dem Bezirk gelegenen Orte der Bahnstrecke Tiflis-Batum zu erbauen und zu betreiben. Der Gesellschaft bleibt auch die Priorität für vorgenannte Anlagen gewahrt. Die Georgische Regierung wird ihr Möglichstes tun, um die dem Ausbau der obengenannten Rohrleitung etwa entgegenstehenden Hindernisse internationaler Art zu beseitigen. Die Hafenbetriebsgesellschaft Poti erhält die Priorität zur Errichtung und zum Betrieb von Hafenanlagen und Umschlagsvorrichtungen aller Art im Süden der Stadt Poti bis zur Grenze des Georgischen Staates, im Norden bis 20 km Luftlinie über die Grenze der Stadt Poti hinaus. Hierbei erhält die Gesellschaft die in § 9 bezeichneten Rechte zur Inanspruchnahme von fremden Grundbesitz. § 11. Der Regierung des Georgischen Staates steht das Recht, durch einen ständigen Vertreter das Recht der Kontrolle darüber zu, daß die Hafenbetriebsgesellschaft Poti die an die Konzessionserteilung geknüpften Bedingungen einhält. Die Kontrolle kann sich insbesondere darauf erstrecken, daß bei der Inanspruchnahme der Anlagen und Betriebseinrichtungen des Hafens keine einseitige Bevorzugung einzelner Personen oder Staaten stattfindet. § 12. Der Georgische Staat wird die Anlagen der Gesellschaft unter seinen polizeilichen Schutz nehmen und haftet für alle Schäden und Zerstörungen, die durch Aufruhr oder sonstige innerpolitische Ereignisse an den Anlagen entstehen. Berlin, den 12 Juli 1918. 130 Die Georgische Regierung, vertreten durch den Minister des Äußern Akaki Tschenkely sowie die Mitglieder der Delegation Dr. Nikolas Nikoladse und Dr.Fürst Surab Avaloff einerseits und der Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts, vertreten durch den Unterstaatssekretär Dr.Göppert anderseits sind heute, nachdem zwischen den Georgischen Staat und der 1. Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft Bochum vertreten durch Direktor Bergassessor Dr.Hermann Wenzel, 2. Fried. Krupp Altiengesellschaft, Essen, vertreten durch Bergassessor Dr.Max Wemmer, 3. GelsenkirchenerBergwerks-Aktiengesellschaft, Gelsenkirchen, vertreten durch Direktor Hugo Schreiber, 4. Gewerkschaft Deutscher Kaiser , Hamborn, vertreten durch Fritz Thyssen, 5. Gute Hoffnungshütte, Aktien-Verein für Bergbau und Hüttenbetrieb, Oberhausen, vertreten durch Direktor Otto Holz, 6. Kaukasischer Grubenverein G.m.b.H. in Liqu. Hamburg, vertreten durch Siegmund Behrendt die Verträge über die georgische Manganerzgesellschaft, die Eisenbahngeselschaft Tschiaturi und die Hafenbetriebsgesellschaft Poti geschlossen worden sind, über folgende Punkte übereingekommen. I Der Georgische Staat stellt eine Landesgesetzliche Regelung der Benutzung der georgischen Gewässer zu Bergbauzwecken entsprechend den industriellen Bedürfnissen in Aussicht. II Der Georgische Staat ist bereit, hinsichtlich der Erzeugung und des Vertriebes von Ferromangan und sonstigen Manganlegierungen und Manganverbindungen unter Ermöglichung der Ausnutzung und Bereitstellung geeigneter Wasserkräfte mit den gleichen Kreisen, vorbehaltlich der Zuziehung anderer Kreise durch die deutschen Beteiligten in entsprechender Weise wie bei der georgischen Manganerzgesellschaft ein 131 Abkommen zu treffen. III Durch die oben genannten Verträge wird das erste Zusatzabkommen zu der am 28 Mai 1918 zu Poti abgeschlossenen provisorischen Übereinkunft zwischen der Kaiserlich Deutschen Regierung und der Georgischen Regierung nicht außer Kraft gesetzt. IV Das Reichswirtschaftsamt wird von der deutschen Kapitalbeteiligung an der Hafenbetriebsgesellschaft Poti 40% den Manganerzhandel, der sonstigen Industrie und den Handel wie der Schiffahrt vorbehalten und die Verteilung der Kapitalsbeteiligung vornehmen. V Die von der Manganerzgesellschaft m. b. H. Berlin gekauften und bis zum 1 Oktober d.J. nicht ausgeführten Manganerze können von der Manganerzgesellschaft auch über diesen Zeitpunkt hinaus direkt ausgeführt werden. Die genannten Mengen fallen nicht unter das Ausfuhrmonopol der georgischen Manganerzgesellschaft. Die nach den 1 Oktober 1918 von der Manganerzgesellschaft m. b. H. in Berlin ausgeführten Manganerze und Manganerzkonzentrate unterliegen aber den gesamten Abgaben, die von der georgischen Manganerzgesellschaft und der Hafenbetriebsgesellschaft Poti zu leisten sind und sofern sie noch die Eisenbahn Scharopan-Tschiaturi-Satschkheri benutzen, auch der Abgabe, die diese Gesellschaft an den georgischen Staat zu leisten hat. Für die Benutzung des Hafengeländes und der Umschlagsvorrichtungen haben diese Erz die festgesetzten Abgaben für Benutzung des Hafens, der Hafenanlagen und für die Leistungen der Hafenbetriebsgesellschaft Poti zu zahlen. VI Die Georgische Regierung erkennt diese Verträge als endgültig nur an, wenn das Finanzabkommen, über das zur Zeit verhandelt wird, zustande kommt und die politischen Beziehungen zwischen der Georgischen Republik und dem Deutschen Reich geregelt wird. Berlin, den 12. Juli 1918 gez. Dr. Göppert. gez. A. Tschenkely N. Nikoladze S. Awaloff 132 Niederschrift über die Sitzung vom 13 Juli 1918 im Reichswirtschaftsamt, betreffend Verteilung der deutschen Kapitalsanteile an der Georgischen Manganerzgesellschaft A.-G., der Eisenbahngesellschaft Tschiaturi A.-G. und der Hafenbetriebsgesellschaft Poti A.-G. auf die deutschen Interessenten. Anwesend waren vom Reichswirtschaftsamt: von Simson, Waldeck, Kind, Trendelenburg, vom Auswärtigen Amt: Göppert, vom Königlich Preußischen Kriegsministerium, Kriegs-Rohstoff-Abteilung: Burgers, Fischer, ferner: Fritz Thyssen, Wenzel, Schreiber, Behrendt. Es wurde folgendes vereinbart: 1. Eine Beteiligung an dem deutschen Teil des Kapitals der Georgischen Manganerzgesellschaft, der Eisenbahngesellschaft Tschiaturi und der Hafenbetriebsgesellschaft Poti wird unter Beobachtung der nachstehenden besonderen Vereinbarungen, sämtlichen deutschen und österreichisch-ungarischen Hochofenwerken, die ausländische Manganerze über 30 % im Jahre 1913 verbraucht haben, sowie dem Kaukasischen Grubenverein in Liquidation, Hamburg, angeboten werden. Die Höhe des Anteils der Hochofenwerke wird nach der Höhe des Verbrauches an ausländischen Manganerzen über 30 % im Jahre 1913 bemessen. Bei der Manganerzgesellschaft und der Eisenbahngesellschaft wird der Kaukasische Grubenverein 3 % des deutschen Kapitalanteils erhalten. Bei der Hafengesellschaft Poti erhalten die obengenannten Hochofenwerke 60 % des Kapitals, die restierenden 40 % werden nach dem Konzern Gelsenkirchener Bergwerks A. G. und Gewerkschaft deutscher Kaiser, dem Kaukasischen Grubenverein, Hamburg und der Firma Iaenequel & Hayn, Hamburg, ferner unter sonstigen Industrie- und Handelskreisen wie der Schiffahrt verteilt. 133 2. Die deutschen Anteilseigner der Hafenbetriebsgesellschaft Poti verpflichten sich, einer Ausübung der in § 10 des Vertrages wegen der Gründung der Hafenbetriebsgesellschaft Poti vorgesehenen Befugnis zur Einrichtung einer Anschlußrohrleitung und zum Betrieb einer Anschlußbahnstrecke an die Strecke Baku-Batum zur im Einverständnis mit dem Reichskanzler (Reichswirtschaftsamt) zuzustimmen. Sie verpflichten sich andererseits, auf Verlangen des Reichskanzlers (Reichswirtschaftsamt) ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Hafenbetriebsgesellaschaft von der in § 10 des Vertrags vorgesehenen Befugnis Gebrauch macht. Die deutschen Anteilseigner werden ihren Einfluß dahin geltend machen, daß hinsichtlich des Baues der Rohrleitung und der Eisenbahn sowie hinsichtlich der Verwaltung und des Betriebes beider Unternehmungen, insbesondere hinsichtlich der Tarifpolitik, den Wünschen des Reichskanzlers (Reichswirtschaftsamt) Rechnung getragen wird. 3. Die deutschen Anteilseigner werden ihre Zustimmung zu der Feststellung der staatlichen Abgaben der Eisenbahngesellschaft Tschiaturi und der Hafenbetriebsgesellschaft Poti für alle anderen Güter als Manganerze, wie zu der Festsetzung der Abgaben für Benutzung des Hafens Poti (§ 7 des Vertrags) nur in Übereinstimmung mit dem Reichskanzler (Reichswirtschaftsamt) geben. 4. Die drei obengenannten Gesellschaften werden zu einer Anlehnung an die evt. gegründete große Finanzierungsgesellschaft bereit sein, damit eine Durchkreuzung der gegenseitigen Ziele und Absichten vermieden wird. 5. Die Hafengesellschaft Poti wird bemüht sein, allen Gütern ohne Unterschied, die Umschlag im Hafen Poti suchen, wie der Schiffahrt jede mögliche und angemessene Erleichterung zuteil werden zu lassen. Die anwesenden Vertreter der industriellen Werke übernehmen die Gewähr dafür daß auch die übrigen deutschen und österreichisch-ungarischen Gesellschafter der drei Gesellschaften die vorstehend aufgeführten Verpflichtungen übernehmen und erfüllen werden. Berlin, den 13. Juli 1918. 134 Document №8 V e r t r a g s – E n t w u r f 104 Zwischen der Georgischen Regierung und der Georgischen Manganerzgesellschaft bezw. Hafengesellschaft Poti. 1. Die Georgische Regierung überträgt der Georgischen Manganerzgesellschaft das alleinige Recht zur Ausfuhr von Manganerzen, Manganerzkonzentraten und Ferromanganen (von Stoffen aller Art, die mehr als 20% Mangan erhalten) über die Grenze des Georgischen Staates auf die Dauer von 100 Jahren, mit Wirkung vom 1. August 1918 ab. Ferner wird der Georgischen Manganerzgesellschaft das Enteignungsrecht sowie das Benutzungsrecht gegen Entschädigung gegenüber demjenigen Grundbesitz verliehen, der zur Anlage von Zufahrtswegen (Bahnen, Landund Wasserstrassen) zu den Manganerzfeldern, sowie gegenüber demjenigen Grundbesitz, der für die Betriebsanlagen aller Art der Georgischen Manganerzgesellschaft erforderlich ist. Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt durch eine Komission, bestehend aus je einem Vertreter der Eigentümer, der Georgischen Manganerzgesellschaft und einem Vertreter der Georgischen Regierung als Vorsitzenden. Die Georgische Regierung wird alsbald die erforderlichen gestzlichen Maßnahmen erlassen. 2. Die Georgische Regierung übereignet der Georgischen Manganerzgesellschaft die Eisenbahn Scharopan – Tschiaturi mit allen zugehörigen Anlagen und Betriebsmitteln. Die Festsetzung des Kaufpreises erfolgt durch eine Komission, bestehend aus je einem Vertreter der Georgischen Regierung, der Georgischen Manganerzgesellschaft und des Königlich Preussischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten als Vorsitzenden. Der Kaufpreis ist in bar zu zahlen. 3. Die Georgische Regierung verpflichtet sich gegenüber der Georgischen Manganerzgesellschaft für einen geregelten Abtransport der Manganerze auf der Strecke Scheropan – Poti-Hafen Sorge zu tragen und wird für diesen Transport Tarife mit der Georgischen Manganerzgesellschaft vereinbaren, die nicht höher sein dürfen als die tarife für irgend einen anderen Rohstoff oder irgend ein anderes Bodenerzeugniß des Landes. Die Bahn Scharopan – Tschiaturi bleibt dem öffentlichen Verkehr erhalten. Die Tarife für die Beförderung von Gütern und Peronen auf der Bahn Scharopan – Tschiaturi werden gemeinsam von der Georgischen Regierung und der Manganerzgesellschaft festgesetzt. 104 Politisches Archiv, Akten., Abteilung I. A., Rußland 97 a ., Beiheft II, Mappe Wesendonck ( R 11110) 135 4. Für jede Tonne des von der Georgischen Manganerzgesellschaft ausgeführten Manganerzes hat die Georgische Manganerzgesellschaft an den Georgischen Staat eine Abgabe von M. 2.- zu zahlen. 5. Die Georgische Regierung überträgt der Hafengesellschaft Poti nach Uebereinkunft mit der Stadtverwaltung den Betrieb des Hafens Poti auf die Dauer von 100 Jahren, beginnend mit dem 1. Oktober 1918. Der Hafengesellschaft Poti steht die freie Verfügung über die gesamten Hafenanlagen und das gesamte Hafengelände sowie die Nutzniessung hieraus zu. Der Hafengesellschaft Poti wird das Recht erteilt, Hafengebühren nach Maßgabe eines zwischen ihr und der Georgischen Regierung zu vereinbarenden Tarifs zu erheben. Für jede Tonne über den Hafen Poti ein- oder ausgeliefertes Gut hat die Hafengesellschaft Poti an die Georgische Regierung eine Abgabe von M. 0,50 zu entrichten. (Die Georgische Regierung erhält die Hälfte des über eine 10 %ige Verzinsung des Gesellschaftskapitals hinausgehenden Reingewinns der Hafengesellschaft Poti.) Die für den Umschlag erforderlichen Anlagen werden durch die Hafengesellschaft Poti errichtet und gehen nach Ablauf des Vertrages in das Eigentum des Georgischen Staates gegen Entschädigung des wirklichen Wertes über, falls eine Verlängerung des Vertrages nicht erfolgt. Falls bei der Liquidation der Gesellschaft der an die Gesellschafter zur Ausschüttung gelangende Betrag das eingezahlte Gesellschaftskapital übersteigt, soll der Georgische Staat den gleichen Anteil von diesem Mehrbetrag erhalten, wie wenn der Mehrbetrag als Dividende ausgeschüttet worden wäre. 136 Document№9 Batum, 21. Mai 1918 P r ä l i m i n ä r – F r i e d e n 105 Zwischen den vier verbündeten Mächten einerseits und der transkaukasischen Republik andererseits wird folgender Präliminärfrieden abgeschlossen: 1. Alle Feindseligkeiten werden eingestellt. Die osmanischen Truppen, die längs der jetzigen Demarkationslinie stehen bleiben sollen, und die Truppen der transkaukasischen Republik verbleiben in den Stellungen, die sie jetzt innehaben. Bezüglich der Truppen, die durch transkaukasisches Gebiet in Richtung Djulfa verschoben werden sollen, erklärt die Osmanische Regierung, daß es sich hierbei keineswegs um eine gegen die transkaukasische Republik gerichtete miliärische Operation handelt, sondern um Verschiebung von Truppen auf einen anderen Kriegsschauplatz. Alle Einzelheiten bezüglich der Demarkationslinie und des Passierens dieser Demarkationslinie in beiden Richtungen werden durch eine türkisch-transkaukasische Militärkommission festgesetzt. 2. Die transkaukasische Regierung gibt die Bahnlinie Alexandropol – Djulfa sowie die Bahnlinie Batum – Tiflis – Alexandropol für Bahntransporte von osmanischen Truppen und Kriegsmaterial frei. Diese Transporte erfolgen auf der Grundlage, daß es sich nicht um Transporte durch feindliches oder okkupiertes Gebiet, sondern durch das Gebiet eines befreundeten Staates handelt. Deshalb erfolgen die Administration und der Betrieb auf diesen Bahnstrecken durch die zuständigen Behörden der transkaukasischen Republik. Die Anforderungen für militärische Zwecke werden an die transkaukasischen Behörden für die Strecke Notanebi bezw. Poti – Tiflis –Alexandropol durch eine deutsche Kommission gestellt, die gleichzeitig die Durchführung der militärischen Transporte überwacht und die Ordnung auf der Bahn durch Einsetzung deutscher Bahnhofswachen auf den Stationen gewährleistet. Für die Strecke Alexandropol – Djulfa verbleibt es vorerst bei den durch die Osmanische Heeresleitung getroffenen Einrichtungen. 3. Die Delegationen werden sich zur Fortsetzung der Verhandlungen sofort nach Konstantinopel begeben, wo der endgültige Friedensvertrag abgeschlossen werden wird. Bei diesen Verhandlungen wird endgültig beschlossen werden, ob der Brester Vertrag die Basis für den Frieden bildet oder nicht, ob und welche Grenzberichtigungen vorgenommen werden sollen, in welcher Weise die Benutzung der transkaukasischen Bahnen während des Krieges zu miitärischen Zwecken 105 A.A. Rußland 97a Beiheft II Wesendonck 137 gesichert werden soll, endlich in welcher Weise die Kriegsrohstoffe, die in den Kaukasusrepubliken aufgekauft werden können, für die 4 verbündeten Mächte nutzbar gemacht werden können. D o c u m e n t № 10 138 Entwurf eines Vertrags zwischen Deutschland und der Türkei einerseits und Transkaukasien andererseits 106 Nachdem die Bevölkerung Transkaukasiens sich aus Anlaß des gegenwärtigen Weltkrieges für unabhängig erklärt und den Wunsch ausgedrückt hat, fürderhin mit dem deutschen und osmanischen Volke in Frieden zu leben, haben die Regierungen Deutschlands und der Türkei beschlossen, unter dem Vorbehalt der Verständigung zwischen der Bevölkerung Transkaukasiens und dem russischen Volke mit der gegenwärtigen Regierung Transkaukasiens einen Friedensvertrag zu vereinbaren, der zur Wiederaufnahme geregelter und freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beteiligten Völkern führen soll. Zu diesem Zwecke haben die bezeichneten Regierungen ihre Bevollmächtigten ernannt, nähmlich: die Kaiserlich Deutsche Regierung: die Kaiserlich Osmanische Regierung: die Transkaukasische Regierung: Die Bevollmächtigten sind zur Durchführung ihrer Aufgabe in ……………. zusammengetreten und haben sich nach Vorlage ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über folgende Bestimmungen geeingt. Artikel I. Die Kaiserlich Deutsche und die Kaiserlich Osmanische Regierung erklären sich bereit, der Regierung der Transkaukasischen Republik bei ihren Verhandlungen mit der Russischen Regierung über die Ablösung Trabskaukasiens vom Russischen Reiche ihre Unterstützung zu gewähren und nach der Ablösung die Transkaukasische Republik als freien und unabhängigen Staat anzuerkennen. Sie werden der Bevölkerung Transkaukasiens bei der Errichtung des transkaukasischen Staates, bei der Sicherung seiner Grenzen und bei der Regelung seiner Beziehungen zu den Nachbarstaaten ihre Hilfe angedeihen lassen. Falls die Gruppe der nordkaukasischen Bergvölker ihren Anschluß an die Transkaukasische Republik erklären sollte, werden die Kaiserlich Deutsche und die Kaiserlich Osmanische Regierung keine Einwendungen dagegen erheben, sondern auch wegen der Anerkennung dieses Anschlusses ihre Vermittlung bei der Russischen Regierung eintreten lassen. Artikel II. 106 Politisches Archiv des Auswärtigen Ametes, Akten Abteilung A Rußland 97 a Bd. 13/f.Bd 14. 139 Die Regierung der Transkaukasischen Republik erkennt die Bestimmungen des Friedensvertrages zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei einerseits und Rußland andererseits vom 3. März 1918 als Grundlage ihrer Beziehungen zu dem Deutschen Reiche und zu dem Osmanischen Reiche an, soweit die Bestimmungen ihrer Natur nach auf diese Beziehungen anwendbar sind. Daher werden Deutschland gegenüber die Anlage 2 des Hauptvertrages sowie der deutsch-russische Zusatzvertrag, der Türkei gegenüber die Anlage 5 des Hauptvertrages und der türkischrussische Zusatzvertrag maßgebend sein. Artikel III. Die Transkaukasische Republik wird in Anerkennung des Nationalitätsprinzips sich damit einverstanden erklären, daß die von Türken bewohnten Teile des Bezirks Kars, Ardahan und Batum an die Türkei und die von Persern bewohnten Teile der Provinz Talisch an Persien fallen. Als von Türken bewohnt gilt das Gebiet südlich einer Linie, die von der Mündung des Tschorokflusses seinem nördlichen Ufer, sodann dem Nordufer des Flusses Adzar-Tschat bis zum Treffpunkt der Grenze der bisherigen Bezirke Batum, Ardahan und Georgien folgt. Als von Persern bewohnt gilt der auf dem Südufer des Araxes und der Kura gelegene Teil der Provinz Talisch. Die Transkaukasische Republik wird demgemäss nach Westen, Süden und Osten folgende Grenzen haben: Das Ufer des Schwarzen Meeres bis zur Mündung des Tschorkflusses; das Nordufer dieses Flusses und sodann seines Nebenflusses Adzar-Tschat bis zum Treffpunkt der Grenze der bisherigen Bezirke Batum, Ardahan und Georgien; von dort die bisherige Grenze der Bezirke Ardahan und Kars zum Araxes; weiterhin das Nordufer des Araxes bis zu seinem Treffpunkt mit der russisch-persischen Grenze; sodann das Nordufer des Araxes bis zur Kura und das Nordufer der Kura bis zum Kaspischen Meere; schliesslich das Ufer des Kaspischen Meeres mit den vorgelagerten Inseln. Die nördliche Grenze Transkaukasiens wird durch Verträge mit den nördlichen Nachbarstaaten festgelegt werden. Artkel IV. Die Kaiserlich Türkische Regierung und die Transkaukasische Regierung schließen mit einander ein ewiges Bündnis ab, in dem sie sich verpflichten, sich für den Fall, daß einer von den beiden Staaten von einer dritten Macht angeggriffen werden sollte, dem anderen Staate mit seiner gesamten Meeresmacht Beistand zu leisten. Artikel V. Die in dem transkaukasischen Gebiet belegenen Eisenbahnen nebst allem Zubehör werden einer nach transkaukasischem Rechte begründeten und unter der Aufsicht der Transkaukasischen Regierung stehenden Gesellschaft übertragen werden, der auch das ausschliessliche Recht zustehen soll, mit Zustimmung der Transkaukasischen Regierung neue Bahnlinien anzulegen und zu betreiben. Von den Anteilen der Gesellschaft entfallen 2/7 auf Transkaukasien, 4/7 auf Deutschland und 1/7 auf die Türkei. Die transkaukasische Eisenbahngesellschaft erhält von der Transkaukasischen Regierung das ausschliesliche Recht auf die Verwaltung des Hafens von Batum. 140 Artikel VI. Die Transkaukasische Regierung verpflichtet sich, die Ausbeutung sämtlicher durch Bergbau zu gewinnender Bodenschätze Transkaukasiens gesetzlich dem Staate vorzubehalten und ausschliesslich einer Gesellschaft zu übertragen, deren Anteile je zur Hälfte Transkaukasien und Deutschland zufallen. Zu diesem Zwecke wird die transkaukasische Berggesetzgebung die erforderlichen Vorschriften wegen Ablösung der bereits in Betrieb befindlichen Bergwerksunternehmungen und der bestehenden Rechte auf die Gewinnung von Bodenschätzen enthalten. Die Ablösung bestehender Bergbaubetriebe und Bergbaurechte soll soweit tunlich durch vertragliche Regelung mit den Betriebsinhabern und Berechtigten erfolgen. Die Transkaukasische Regierung verpflichtet sich, die Ausfuhr der durch die Bergwerksgesellschaft geförderten Bodenschätze weder durch Verbote noch durch Zölle zu beschränken. Artikel VII. Die Transkaukasische Regierung wird in allen Orten des Staates, wo es der kaiserlich Deutschen Regierung erforderlich erscheint, deutsche Konsuln zulassen. Die deutschen Konsuln, desgleichen die am Sitz der Transkaukasischen Regierung zu errichtende deutsche diplomatische Vertretung sollen ausser ihren sonstigen Befugnissen das Recht haben, die Interessen der in Transkaukasien angesessenen deutschen Kolonisten, auch wenn diese transkaukasische Staatsangehörige sind, zu vertreten. D o c u m e n t № 11 141 Konzession zur Landung und zum Betrieb von Kabeln im Gebiete der Republik Georgien107 Art. I. Die Georgische Regierung (nachstehend Regierung genannt) erteilt der Osteuropäischen Telegraphengesellschaft (nachstehend Gesellschaft genannt) die Genehmigung, ein von Konstanza oder von anderen geeigneten Punkten der Schwarze-Meer-Küste kommendes unterseeisches Kabel an der georgischen Küste zu landen und für die Dauer von 50 Jahren zu betreiben. Die Gesellschaft ist berechtigt, unter den Bestimmungen dieser Konzession weitere Kabel zu legen, soweit der Umfang des Verkehrs dies nach der Ansicht der Gesellschaft erforderlich macht. Art. II. Der Landungspunkt der Kabel auf georgischem Gebiete wird im Einvernehmen zwischen der Gesellschaft und der Regierung festgelegt. Die Bauart der Kabel, die aus einer Leitungsader bestehen sollen, wird dem neuesten Stande der Technik entsprechen. Die Kabel werden in ein eigenes oder gemietetes Stationsgebäude der Gesellschaft durch ober- oder unterirdische Leitungen eingeführt. Die Regierung verpflichtet sich, der Gesellschaft die Errichtung von Leitungsstützpunkten sowie die Verlegung von Kabeln auf öffentlichen Wegen und auf Regierungsland unentgeltlich zu gestatten. Art. III. Die Regierung wird der Gesellschaft für die Errichtung eines Kabelhauses an dem Kabellandungspunkt und, falls die Gesellschaft zur Unterbringung der Station und der Beamten eigene Gebäude errichten wird, auch für diese unentgeltlich geeignetes Regierungsland zur Verfügung stellen oder ihr, soweit die Regierung über geeignetes Gelände nicht verfügt, bei dem Landerwerb behilflich sein und den erforderlichen Grund und Boden nötigenfalls enteignen. Art. IV. Die für die Herstellung und Unterhaltung der Kabel, der Landlinien und der Gebäude sowie für deren Einrichtung und Betrieb erforderlichen Maschinen, Apparate, Batterien, Materialien und Einrichtungsgegenstände dürfen zoll- und abgabenfrei in georgisches Gebiet eingeführt werden. Die Grundstücke, die Bauten, das Kapital und Einkommen der Gesellschaft sollen von direkten Abgaben oder irgend welchen anderen Steuern befreit sein. 107 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Akten Abteilung A Georgien 1 Bd. 6 142 Art. V. Die Gesellschaft wird ihre Kabel durch eigenes Personal betreiben und darf Telegramme aus dem Ort der Kabelstation, die ihr zur Beförderung übergeben werden, gegen Erhebung der Taxen annehmen und ebenso die für den Ort der Kabelstation ankommenden Telegramme an die Empfänger abtragen. Die für den Staatstelegraphen bestimmten Telegramme bezw. die vom Staatstelegraphen auf das Kabel übergehenden Telegramme werden zwischen der Gesellschaft und dem georgischen Telegraphenamt am Orte der Kabelstation ausgetauscht; die für den Austausch etwa erforderlichen Verbindungsleitungen wird die Gesellschaft auf eigene Kosten errichten und unterhalten. Für die zwischen der Gesellschaft und dem Telegraphenamt ausgetauschten nach anderen Plätzen der georgischen Republik gerichteten bezw. von anderen Plätzen herrührenden Telegramme wird von der Regierung eine Endgebühr festgesetzt, die nicht höher sein darf, als sie bei Beförderung über Landtelegraphenleitungen erhoben wird. Das Gleiche gilt für die Durchgangsgebühren für die im Durchgang das Gebiet der Georgischen Republik berührenden und mit dem Georgischen Telegraphenamt ausgetauschten Telegramme. Auf die über die Linien der Gesellschaft beförderten und die zwischen der Gesellschaft und dem Staatstelegraphen ausgetauschten Telegramme finden die Bestimmungen des Internationalen Telegraphenvertrags und der dazugehörigen jeweils in Kraft befindlichen Ausführungsübereinkunft, Anwendung. Diese Bestimmungen sind auch für die Aufstellung und den Ausgleich der Abrechnungen maßgebend. Art. VI. Die Regierung wird der Gesellschaft alle internationalen Telegramme ohne Leitvermerk zuführen, die zur Weiterbeförderung über ihr Kabel geeignet sind, vorausgesetzt, daß die Gebühren für die Beförderung über die Linien der Gesellschaft nicht höher sind als auf anderen Linien. Art. VII. Die Regierung gewährleistet den Anlagen der Gesellschaft den gleichen Schutz, als wenn sie Eigentum der Regierung wären. Art. VIII. Die im Art. I festgelegte Dauer von 50 Jahren rechnet von dem Tage ab, an dem das erste Kabel dem Betrieb übergeben wird. Die Arbeiten zur Herrstellung und Legung des Kabels sollen innerhalb dreier Jahre nach dem allgemeinen Friedensschluss begonnen und spätestens nach einem weiteren Jahr beendet sein. Die Regierung wird die letzterwähnte Frist nötigenfalls verlängern. Falls die Gesellschaft innerhalb dreier Jahre nach dem allgemeinen Friedensschluß mit den Arbeiten zur Herstellungdes Kabels nicht begonnen haben sollte, steht es der Regierung, sofern die Verzögerung nicht durch höhere Gewalt verursacht ist, diese Konzession für erloschen zu erklären. 143 Art. IX. Die Gesellschaft hat das Recht, im Einvernehmen mit der Regierung im Anschluß an ihre Kabel Landtelegraphenlinien für den internationalen Verkehr im Gebiet der georgischen Republik zu errichten und zu betreiben, sowie sonstige Telegraphen- oder Fernsprechkabel an den georgischen Küsten anzulanden. Die der Gesellschaft in dieser Konzession gewährten Vergünstigungen sollen auch auf die neuen Linien Anwendung finden. Die Regierung erteilt für die Dauer dieser Konzession der Gesellschaft das Alleinrecht zur Anlandung und zum Betrieb von Kabeln an den georgischen Küsten und verpflichtet sich, keinem anderen eine Konzession für den Betrieb einer dem internationalen Verkehr dienenden Landlinie zu geben. Art. X. Mit Rücksicht auf die Nichtigkeit der Kabelverbindung für Georgien wird die Regierung der Gesellschaft für die Dauer der Konzession eine jährliche Beihilfe von 150 000 Franken zahlen. Diese Beihilfe wird, sobald die Gesellschaft aus den Telegrammgebühren des Kabels eine jährliche Bruttoeinnahme von über 200 000 Franken erzielt, für jede diesen Betrag übersteigende volle 5 000 Franken um 1 000 Franken gekürzt. Telegramme der Regierung genießen auf den unter diese Konzession fallenden Kabeln auf die Raten der Gesellschaft eine Ermäßgung von 50 %. Art. XI. Streitfragen, die zwischen der Regierung und der Gesellschaft über die Auslegung oder die Ausführung irgend eines Artikels dieser Konzession entstehen könnten, sollen durch Schiedsrichter entschieden werden, von denen einer von der Regierung und einer von der Gesellschaft ernannt wird. Wenn die beiden nicht einigen können, soll ein dritter Schiedsrichter durch Übereinkommen beider Parteien ernannt werden. Die Entscheidung erfolgt nach Stimmenmehrheit. Art. XII. Spätestens 2 Jahre vor Ablauf der Konzession wird die Gesellschaft mit der Regierung wegen Verlängerung der Konzession in Verbindung treten. Die Regierung wird hierbei, falls Anträge von anderen Seite vorliegen, der Gesellschaft bei gleichen Bedingungen den Vorzug geben. Berlin, den D o c u m e n t № 12 144 August 1918 Entwurf eines deutsch-georgischen Vertrages über die Bezahlung des an Georgien zu liefernden Kriegsmaterials und über die Bereitstellung von Zahlungsmitteln für deutsche Ankäufe in Georgien108 Art. 1. Die Regierung der Georgischen Republik wird zur Bezahlung ihrer Schuld für dasjenige Kriegsmaterial, das ihr auf Grund besonderer Vereinbarung von den deutschen Militärbehörden geliefert wird, der Kaiserlich Deutschen Regierung ein Guthaben in Georgischer Währung bei der Georgischen Staatsbank einräumen lassen. Die Deutsche Regierung wird über das Guthaben bei der Georgischen Staatsbank zur Deckung ihres Zahlungsbedarfs in Georgien frei verfügen. Das Guthaben wird mit 5 % jährlich verzinst. Art. 2. Solange die Georgische Staatsbank ihre geschäftliche Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat, wird die Regierung der Georgischen Republik der Kaiserlich Deutschen Regierung gegen jede Lieferung von Kriegsmaterial in Höhe des Kaufpreises auf Mark lautende Schatzanweisungen der Georgischen Republik übergeben, die spätestens 1 Jahr nach ausstellung zuzüglich 5 % jährlicher Zinsen einzulösen sind. Sobald die Georgische Staatsbank ihre Tätigkeit aufgenommen hat, wird die Georgische Regierung der Kaiserlich Deutschen Regierung in Höhe der Schatzanweisungen zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen ein Guthaben gemäss Art. 1 dieses Abkommens einräumen und dagegen die Schatzanweisungen zurückerhalten. Art. 3. Insoweit die Kaiserlich Deutsche Regierung georgische Zahlungsmittel über den Gegenwert der Kriegsmateriallieferungen benötigt, 108 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Akten Abteilung A Georgien 1 Bd. 6 145 wird die Regierung der Georgischen Republik der Deutschen Regierung auf Wunsch die erforderlichen Beträge bei der georgischen Staatsbank zur Verfügung stellen. Zum Ausgleich wird die Deutsche Regierung bei der Reichsbank der Regierung der Georgischen Republik ein entsprechendes Guthaben in Reichsmark einräumen lassen, worüber nur zum Zweck der Bezahlung deutscher Forderungen verfügt werden soll. Die Regierung der Georgischen Republik hat jedoch auch das Recht das Guthaben der Georgischen Staatsbank als Deckung für deren Notenausgaben zu übertragen. In diesem Falle bleibt das Guthaben für die georgische Staatsbank gesperrt. Die gegenseitigen Guthaben werden mit 5 % jährlich verzinst. Art. 4. Der Kursverrechnung aus Artikel 1 – 3 wird bis auf weiteres das feste Verhältnis von 1 Rubel = 0,80 M zu Grunde gelegt. 146 D o c u m e n t № 13 109 Die Georgier haben folgende Erklärungen von deutscher Seite erhalten: 1. Schreiben des Botschafters von Wangenheim an georgisches Komitee vom 14 September 1914 (liegt bei) Inhalt : Falls Deutsche Regierung bei Friedensschluss in der Lage, ihrer Willen Gegnern aufzuerlegen, verpflichtet sie sich nach Massgabe ihrer Mittel, folgende Wünsche georgischen Volkes zu unterstützen: 1. Georgien Wird unabhängiger Staat werden. 2. Georgien wird folgende Grenzen haben: (rot eingezeichnetes Gebiet auf der anliegender Karte) 2. Schreiben von Exzellens von Jagow an Marschall Fuad Pascha vom 19 Dezember 1915 (A. 36587) Deutsche Regierung ist bereit, den Kaukasiern ihre Unterstützung für die Schaffung eines unabhängigen kaukasischen Staates zu leihen. 3. Mündliche Erklärung des Gesandten in Stockholm an Mitglieder des georgischen Komitees vom 12. August 1917 (A 26624), in schriftlicher Form durch Unterstaatssekretär von dem Bussche in Schreiben an georgisches Komitee vom 14.Dezember 1917 wiederholt. (A 40907). Dem georgischen Komitee bestätige ich auf das gefällige Schreiben vom 5.d.M. ergebenst die im August des Jahres ihren Vertretern in Stockholm mündlich abgegebene Erklärung, dass die Kaiserliche Regierung bereit ist, falls sich im Kaukasus innerhalb der Grenzen des russischen Reiches ein unabhängiger Staat bilden und mit ihm in offizieller Weise in Beziehung treten sollte, diesen Staat anzuerkennen. Die Beziehungen dieses Staates zu seinen Nachbarn werden spätestens bei den Friedensverhandlungen geregelt. 109 A.A. Georgien № 1 Bd.1/f.Bd 2. (R 7308). 147 Türkischerseits sind in Bezug auf Georgien folgende Erklärungen abgegeben worden: I. das Schreiben des türkischen Kriegsministeriums vom 3/16. September 1915 – A 29444 15 – an Fürst Matschabelli 1. Georgien soll unabhängig werden, 2. Die Grenzen Georgiens werden festgesetzt, wobei der Bezirk Batum zu Georgien gehören soll. II. Die von Marschall Fuad Pascha am 17. Dezember 1915 – A 36587 15 – übergebene Resolution der kaukasischen Komités, datiert aus Constantinopel vom 15. Oktober 1915: Bildung eines kaukasischen Staatenbundes. Die Mission Fuad ist auf Betreiben der Türkischen Regierung erfolgt. III. Note der Türkischen Regierung vom 19. November 1917 an den Kaiserlichen Botschafter in Constantinopel – A.39128 17. Kein Widerstand gegen die Bildung eines unabhängigen kaukasischen Staatswesens, spätere Festlegung der Grenzen. 148 149 150 D o c u m e n t № 14110 110 Грузия, данные о вооруженных силах (по состоянию к 1 января 1921.) Материалы стратегической Разведки Р.С.Ф.С.Р. hrg. Кавказский институт Мира, Демократии и Развития., (CIPDD) Тбилиси 1995 151 152 153 154 Dokument № 15 111 Das Projekt der Neutralisierung des Kaukasus und seiner zukünftigen politischen Organisation (Zur Ergänzung der von uns eingereichten Zuschrift vom 24. d. M. 1914) Für die Neutralisierung des Kaukasus sind folgende Mächte und Nationen interessiert: 1. Deutschland und Üsterreich-Ungarn erstens, um das Bestehen des russischen Imperialismus zu beseitigen, der vom Schwarzen Meere durch die Dardanellen nach dem Mittelländischem Meere durchzubrechen und zusammen mit Frankreich und England dasselbe zu beherrschen plant; zweitens um das Eindringen des russischen Einflusses und der russischen Herrschaft in KleinAsien, Mesopotamien und Persien zu verhindern, wo die deutsche wirtschaftliche Entwickelung an Boden gewonnen hat; und drittens, um neue Märkte für Deutschlands Handel und Industrie zu erobern. 2. Türkei und Persien, deren Existenz seitens Russlands direkt bedroht ist, nachdem Russland im vergangenen Jahrhundert diese beiden Staate geschwächt hat; seit kurzem noch hat die rusische Regierung dem ganzen Nord-Persien seine Vormundschaft aufgezwungen und ist geneigt das ganze türkische Armenien unter verschiedene Vorwände einzuverleiben. 3. Die Kaukasische Völker selbst, die wie es schon in der Zuschrift von 24/IX erwähnt wurde, seit mehr als einem Jahrhundert von der rusischen Regierung politisch unterdrückt und wirtschaftlich ruiniert sind. Deshalb streben diese Völker sich von der russischen Herrschaft zu befreien und sich politisch selbständig zu machen. Wie bekannt, ist der Kaukasus von vielen nationen bevölkert, die aber in die grosse Gruppen aufgeteilt werden können, welche die zukönftigen politischen Organismen des neutralen kaukasischen Bundesstaates bilden könnten: 1. Königreich Georgien. 2. Armenisch-Tatarische Kantonen. 3. Föderation der Bergvölker. 1) Das Königreich Georgien hat 23 Jahrhundert lang bis zum Jahre 1801 als selbständiger Staat existiert und nur voröbergehend unter dem Protektorate Persiens oder 111 Bonn. A.A. Der Weltkrieg, Nr. 11 d., secr.. Bd. 1/f.Bd. 2 155 der Törkei; es hat geschlossenes Territorium mit festen Grenzen und ist mit 2/ ½ Millionen Georgiern bewohnen. Das ganze Gebiet grenzt westlich an die schwarze Meeresküste, angefangen von der jetzigen Russisch-Türkischen Grenze bis Gagri, nördlich der Kette des kaukasischen Hochgebirges, östlich Dagestan bis zur Mündung der Flüsse Alasani und Kura und södlich Fluss Kura bis zur Mündung des Agstapha-Flusses, dann die Landgränze bis zur Stadt Artwin und zur Russisch-Türkischen Grenze. Zum wiederherzustellenden Königreiche Georgien mössen deren sämtliche alten Provinzen (Abchasien, Mingrelien, Swanetien, Imeretien, Gurien, Tao-Klardscheti, Samzche, Dschawacheti, Kartalinien, Kachetien, Pschawen, Chewsuren und Tuschen, Saingilo) gehören, die alle mit einer georgischen Nation bevölkert sind. Da in manchen von diesen Provinzen einige alten georgischen Dialekte im Volke im Gebrauch sind, wie z. B. in Mingrelien oder Swanetien, die aber im Grunde nur Provinzialismen sind ( wie Hoch und Plattdeutsch), bemühte sich die russische Regierung und ihre «Politiker» zwischen diesen Provinzen ein Zwist – sie wären keine Georgier – herbeizuführen, der aber ergebnislos war. Sämtliche Bewohner Mingreliens, Swanetiens und anderen Provinzen sprechen neben ihrem Dialekt auch rein georgisch und haben gegen die erwähnten russischen Verleumdungen gekämpft. Diese Sprache war von Anfang unserer Geschichte her als kirchliche und Literatursprache der sämtlichen georgischen Stämme bis zur Gegenwart gewesen. Georgien muss eine konstitutionelle Monarchie werden. Mit Hilfe Deutschlands und Oesterreich-Ungarns wird ein nicht einheimischer Prinz∗ [sic] den Thron besteigen, um die Intrigen zwischen den zahlreichen Erben unserer Dynastie der Bagrationen (Bagratideb) zu vermeiden. Die georgische erste National-Versamlung mit dem König zusammen, dessen Köniliche Rechte als eine Form der Staatseinrichtung vorausgesetzt werden müssen, wird die Verfassung ausarbeiten. 2) Die Armenisch-Tatarischen Kantonen werden hauptsächlich aus zwei russischen Gouvernements Elisavetpol und Baku gebildet; von dem Gouvernement Erivan und dem Bezirk Kars werden ihnen die Teile angegliedert, die von den Armeniern und Tataren bewohnt sind; die anderen Teile dieser Bezirke mit der vorwiegenden türkischen Bevölkerung werden der Türkei zurückgegeben. Es ist unmöglich diese beiden Nationen territorial zu trennen, da sie sehr verwachsen durcheinander wohnen. Infolgedessen müssen sie zusammen einen Staat bilden, aber mit vollständigen kulturellen, nationalen und religioden Autonomien. Als Oberhaupt dürfte ein mohamedanischer Prinz werden**, [sic] ebenso wie für die Bergvölkerföderation, die auch meistens mohamedanisch sind. Die Verfassung für das betreffende Land wird auch eine einberufene Versamlung ausarbeiten, entsprechend seinem Kulturstande. 3) Den dritten Staat sollen sämtliche Bergvölker der kaukasischen Hochgebirgzone von Schwarzen bis zum Kaspischen Meere bilden, d.h. die Tscherkesen, Tschetschenen, Kabardiner, Ingusch-Osetinen u. Lesgier. Sie werden auch ihren Fürsten wählen und eigene Verfassung ausarbeiten. ∗ Ein westeuropäischer Prinz, um den Einfluss von Europa auf den zukünftigen Staat zu verstärken. [sic] Er darf aber unter keinen Umständen später als Vassal des türkischen Sultans oder Schachen von Persien werden. [sic] ** 156 Eine besondere Komission bestehend aus von Vertretern Deutschlands, Oesterreich-Ungarns, Türkei und der obengenannten Kaukasischen Staaten werden die Landesgrenze feststellen, damit später keine Streitigkeiten entstehen können. Jeder von diesen drei Staaten des Kaukasischen Bundes wird souverän soweit seine Souveränität der Interessen sämtlichen Staaten gestatten. Alle drei Staaten werden miteinander verbunden sein in den Fragen, die ihnen allen in gleicher Weise betreffen dürften, z. B. Einheit des Geldwesens, das gemeinschaftliche Zollsystem, gemeinschaftliche Flotte in den beiden anschlissenden Meeren (Schwarzes und Kaspisches), allgemeine Kriegsführung u. s. w. Dies alles wird eine besondere Verwaltungsfunktion entscheiden, in welchen alle diese Staaten vertreten werden. Bemerkungen: In Falle des Ausbruches eines russisch-türkischen Krieges muss die Türkei versprechen: a) Die Kampffelder auf dem georgischen Gebiete ohne eine dringende Notwendigkeit nicht zu zerstören und möglichst zu schonen; Georgien sichert seinerseits die Hilfe mit Proviant und Militär zu; die Törkei muss aber bei der Einfuhr von Waffen nach Georgien beistehen. b) Nach dem Kriege darf die Türkei keines von den Gebieten beansprechen, die im Jahre 1878 an Russland angegliedert worden und die mit Georgiern bevölkert sind, wie z. B. Bezirk Batum, ein Teil des Bezirkes Kars und die Kreise von Achalziche und Achalkalakhi. Jene Gebiete aber, wo der grösste Teil der Bevölkerung Türken sind, wie es schon oben erwähnt wurde, die Teile des Gouvernements Erivan und Kars werden der Türkei abgegeben. Falls der russisch-türkische Krieg doch nicht zu Stande kommt und die kaukasischen Völker eine bewaffnete Revolution gegen Russland nicht durchführen können, auch in diesem Falle hoffen wir, dass Deutschland und Oesterreich-Ungarn die Neutralisierung des Kaukasus, wegen ihrer grossen Bedeutung fordern werdern. Fürst Georg Matschabeli Michael Tsereteli Berlin, d. 27. XI. 14. Konfidentziell 157 Ew. Excelenz Der gegenwärtige Krieg zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn einerseits und Russland andererseits, der als ein Kampf für das Vorherrschen des Germanentums oder des Panslavismus bezeichnet wird, kann bei den Völkern, die mit Angst die Verstärkung der politischen Macht Russlands verfolgen nicht ohne Widerhall bleiben. Deshalb versuchen alle diese Nationen die Mittel auszufinden, die Russlaqnds Kräfte schwächen, um sich von dem lästigen und verachteten Joch zu befreien. Georgien, eine von diesen Nationen, findet diesen günstigen Augenblick passend, um seine gesetzlichen Rechte wiederherzustellen, die von der russischen Regierung mittels Gewalt niedergetretten wurden. „Jetzt oder Niemals“, das sind die entscheidende Worte, die uns der grausame Moment der Gegenwart verkündigt. Das ist der Grund, welcher uns zwingt an Ew. Excellenz ganz ergebens mit der Bitte zu wenden, uns die möglichste Unterstützung für den Kampf gegen Russland leisten zu wollen. Das georgische Volk besteht weder aus Verschwöreren oder aus Verrätern, noch ist es irgendeine unorganisierte Masse, sondern eine einheitliche Nation, die auf eine 23 Jahrhundert alte Existenz zurückblicken kann und trotz seines schweren Schicksals mit seinem Dasein nicht aufgehört hat. Unter Georgien versteht man den grössten Teil des Transkaukasiens mit den Städten Tiflis, Kutais, Batum, Poti u. a. Das Land ist sehr fruchtbar und reich mit Naturschätzen und Mineralien (Petroleum, Kupfer, Mangan, Kohle u. s. w.). Die Georgier gehören zu den ältesten Nationen der Welt. (Die Sage z. B. über die Argonauten Fahrt nach Kolchis, d. h. gegenwärtiges Westgeorgien und viele andere sind die Urkunden unserer Vorgeschichte, worauf wir hier nicht näher eingehen wollen). In Georgien leben ca. 2 ½ Millionen Georgier, von denen der grösste Teil sich zu der Griechisch-Katholischer Religion (seit J. 362) gehören; es sind aber auch ca. 40 000 Römisch-Katholiker vorhanden. Von Urzeit her waren Georgier als tapferes und freiheitliebendes Volk bekannt, das ununterbrochen mit seinen Nachbarn, die das reiche Land erobern wollten, Krieg geführt hat. 12-tes Jahrhundert nach Ch. war für uns die goldene Zeit, die Zeit der höchsten Kultur, der Entwickelung der Wissenschaft und Literatur, dessen übriggebliebene Literaturschätze vielen Gelehrten und Forschern im Erstaunen setzen. Die Tapferkeit unseres vorletzten Königs Heraklius II (1762-1798) war selbst Friedrich em Grossen gut bekannt und von ihm geschätzt. Dieser König Heraklius II, nachdem er vorausgesehen hat, dass sein Land allein zu schwach war, fortwährende Kriege gegen die Türkei und Persien zu führen, hat zuerst seine Beziehungen mit dem Oesterreichischem Hof zu knüpfen versucht, dann mit dem Papst, aber da die beiden Versuche erfolglos blieben, war er gezwungen die Annäherung an Russland zu suchen. Diese Annäherung an Russland trug unwillkührlich zur Ausführung der Absichten der 158 russisxchen Monarchen bei, die seit Peter dem Grossen nach Erweiterung seiner südlichen Grenzen strebten. So kam der Vertrag vom Jahre 1783 zwischen Heraklius II und russischen Kaiserin Katherina II zu Stande, nach welchem Georgien unter das Protektorat Russlands gestellt wurde, aber unter der Beibehaltung seiner politischen Freiheit und vollen Selbständigkeit in der inneren Verwaltung. Dieser Vertrag, der einen Völkerrechtlichen Charakter trägt, wurde in das russische Reichsgesetzbuch eingetragen und ist im Bd. XXI. zu finden. Die Russischen Kaiser, die feierlich geschworen haben die Grundsätze dieses Vertrages auf ewige Zeiten zu respektieren und innezuhalten, haben bald das Wort gebrochen und Georgien in 4 russische Gouvernements aufgeteilt. Als durch diesen Treubruch das selbständige Königreich trotz Protestes unsererseits aufgelöst wurde, begann sofort die bekannte Russifikationspolitik. Bald durch Favorismus, bald mit Waffen in der Hand, bald durch Russeneinwanderung nach Georgien oder durch die Abschaffung der georgischen Sprache aus Schulen und Kirchen, gab sich die russische Regierung alle Möhe in den Georgiern den Trieb zur Selbständigkeit auszurotten. Diese Politik dauerte ein ganzes Jahrhundert und musste unvermeidlich eine tiefgreifende Empörung des georgischen Volkes hervorrufen, die sich wiederholt in verschiedenen Aufständen und Proteste äusserte. Solche sind z.B. die NationalAufstände vom J. 1804, 1812, 1844, 1878, wo sich der georgische Adel mit dem Volke vereinigt, verzweifelt kämpfte um ihr unglöckliches Vaterland aus den Krallen des russischen Doppeladlers loszureissen. Noch unlängst, während der russischen Revolutionszeit von J. 1905 zeigte sich dieser georgische Patriotismus und Versuch zur Befreiung von der Fremdherrschaft. In den schwierigen Tagen des Jahres 1905 war die ganze kaukasische Verwaltung gezwungen, sich von den aufständischen Organisationen der Georgier zu beugen und die russischen Truppen erlitten ganze Reihe von Misserfolge gegenüber die in den zahlreichen Gebirgsgegenden des Kaukasus den Guerilakrieg führenden Abteilungen. Während in Russland die Revolution aufgelöst wurde, war die Verwaltung in Kaukasus noch in den Händen der Georgier. Die russische Regierung musste ernste Schritte mit zahlreichen Truppen begleitet für die Erstickung des Aufstandes vornehmen, worüber seinerzeit auch viel in europäischen Zeitungen geschrieben wurde. Das ganze Land wurde vollständig entwaffnet, ganze Städte und Dörfer geplündert und eingeäschert und die Bewohner zum Teile hingerichtet, zum Teile nach Sibirien geschickt. Selbst diese „Russifikationsversuche° und die 100 Jährige Knechtschaft haben die natürliche Tapferkeit und die Eigenschaften des kühnen Kriegers in uns nicht vertilgen können. Das georgische Volk ist seinen traditionellen Idealen treu geblieben, es ist politisch gut organisiert und wartet auf auf passenden Augenblick die Waffen zu ergreifen, wenn ihm die die Hoffnung auf eine gewisse Hilfe von ausswärts gerichtet wird. Diese Zeit des allgemeinen Kriegsfeuer scheint uns die beste Gelegenheit dazu zu geben. Wenn bis jetzt die Proteste unseres Volkes wegen verschiedenen ungünstigen Umstände leider unhörbar blieben111 und ohne grosse Aufmerksamkeit angehört wurden, so hoffen wir, dass die 111 I Im Jahre 1907 versuchten wir auch friedlich die Aufmerksamkeit Europas auf uns zu lenken, in dem wir eine Petition an die Haager Konferenz einrichteten. Eine Kopie davon erlauben wir uns dieser Zuschrift beizufügen. 159 jetzt lautwerdende Klage gegen die barbarische Herrschaft und Selbstwillkür der russischen Regierung ein Echo finden wird. Jetzt wird uns nichts mit Russland versöhnen können. Keine Versprechungen, keine Gaben werden das entblösstes Schwert friedlich in die Scheide legen. Es wiederholt sich nicht mehr das Bild von 1876, als die georgische Generäle (Amilachwari, Tschawtschawadze, Eristawi), genährt mit verschiedenen Hoffnungen seitens Russland, die nie erfüllt wurden, wie die Helden mit ihren Soldaten den Sieg der Russen über die Türken in Kaukasus verschafft haben. Die Mohamedanische Stämme des Kaukasus die durch Ägenten des panislamistischen Klubs in der Türkei instruiert sind, warten auch nur auf einen Ruf um gegen die gehassten Russen loszugehen. Also ist der Auf [stand] sic. des ganzen Kaukasus als gesichert zu betrachten, fals wir mit den Waffen, Munition und dazu benötigten Mittel von auswärts unterstützt werden. Im Jahre 1904 während des russisch-japanischen Krieges hat die georgische Nationalpartei von einer Macht eine derartige Unterstützung bekommen. Leider scheiterte damals der Versuch – die Waffen einzuführen in Folge der Unerfahrenheit und durch ganz besondere schwierige Verhältnisse. Heute ist die Lage eine ganz andere. Seitens der Türkei ist keine Befürchtung mehr zu erwarten unseren Plan zu vereiteln, welcher nur seinem Vorteile dienen kann. Neben die Beschaffung der Waffen und deren Einfuhr in den Kaukasus kann mündlich mit Ew. Excellenz ausführlich besprochen werden. Den Aufstand im Kaukasus wird, erstens, die dort liegende Armeecorps von dem Kriegsschauplatze zurückhalten. Zweitens, wird derselbe eine weitere Mobilisierung im Kaukasus unmöglich machen und drittens sind als gutes Beispiel für die anderen unterdröckten Völker in Russland dienen, die auch die Gelegenheit nicht verpassen dürften, sich von dem russischen Joch zu befreien. Ausserdem ist nicht zu vergessen, dass för die russischen Revolutionselemente, die von den starken Repressions-Massregeln nicht vernichtet wurden, sondern in breiten Volksschichten glimmern, eine Funke zur Anzündung des Revolutionsfeuer genügen wird. Dies alles wird Russland eine weitere Kriegsführung unmöglich machen, wie es bei dem Japanischen Krieg der Fall war; die russische Regierung wird sich gezwungen sehen, rasch den Frieden mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn zu unterzeichnen um einen weiteren Zerfall seiner Macht zu vermeiden. Gelingt das alles, so werden Deutschland und Oesterreich-Ungarn unbedingt als eine der Bedingungen des Friedensvertrags die Neutralisierung des Kaukasus zu stellen brauchen, nicht nur im Interesse der Kaukasischen Völker oder benachbarten den letzten Staaten, sondern auch im eigenen Interesse. Die Ankündigung des neutralen Kaukasus wird: 1) den weiteren unersättlichen und abenteuerlichen Eroberungsgedanken Russlands im nahen Osten für immer ein Ende machen, 2) der Türkei den gefährlichen Nachbarn beseitigen, 3) Persien von der aufgezwungenen russischen Vormundschaft befreien, 4) als zuverlässige Bürgerschaft für den dauernden Frieden im nahen Osten dienen, 160 5) Ein breites Feld für die Handelwirtschaftlichen Beziehungen für Europa und besonders für Deutschland öffnen, dessen Einfluss ungestört sich im ganzen Kaukasus und in Klein Asien wird verbreiten können. Die Kaukasischen Völker selbst werden seinen Unterstützern in der Befreiung von der gehassten Herrschaft ewig dankbar und verpflichtet bleiben. Fürst Georg Matschabeli M. Tsereteli Berlin den 24 September 1914 161