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B) DRESDEN zwischen LICHT und SCHATTEN Inhaltsverzeichnis 1. Motivierung ................................................................................................. 23 2. Verzauberung Dresdens im Märchen : “ Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit ” von E.T.A Hoffmann............................. 24 2.1. Grundmotiv der Untersuchung : Die Stadt zwischen Phantasie und Wirklichkeit , Mythos und Realität. ........................................................................................... 24 3. Kriegswirklichkeit aus Dresden im Tagebuch : “DresdnerTagebücher von Victor Klemperer. ................................................................................ 28 3.1. Grundmotiv der Untersuchung : Zerstörung der Stadt ; Überleben im Feuersturm. ................................ .28 4. Untergang und Erhebung der Stadt zum “Symbol Dresden” im Anti – Kriegs Roman : “ Schlachthof fünf oder Der Kinderkreuzzug ” von Kurt Vonnegut. .................................................................................... 31 4.1. Grundmotiv der Untersuchung : Absurdität des Krieges; Ausruf gegen die Vernichtung des Menschen. ..................................... 31 Addendum: “Kinderkreuzzug” von Bertolt Brecht .....................................................34 5. Schlussfolgerung ...................................................................................... 35 6. Bibliographie .............................................................................................. 36 7. Materialien ( Abbildungen 1 – 16 ; u.a) ..................................................... 37 22 1. Motivierung Im Rahmen des gemeinsamen Projektes “Große Deutsche Städte auf der Landkarte der Weltliterartur” habe ich als Thema meines Projektsegmentes, die städtische Welt und ihr Lebensgefühl, unter dem Einfluss verschiedener Faktoren, wie Frieden und Krieg gewählt. Meine Auswahl der Stadt Dresden hängt direkt von ihrer weltberühmten geschichtlichen und kulturellen Rolle ab. Weil sich mit Dresdens Schicksal sowohl Licht als auch Schattenseiten verbinden, möchte ich in meiner Arbeit in Vordergrund stellen wie Schriftsteller diese erleben. Die romantische Erzählung “Der Goldene Topf “ von E.T.A Hoffmann öffnet mir die Möglichkeit zur Analyse der Stadt während des 19 Jahrhunderts und des damit verbundenen Lebensgefühls – die Verzauberung der Stadt. Schattenseiten wiederfinden sich in den Werken von Viktor Klemperer dessen Tagebücher eine detaillierte Kriegswirklichkeit darstellen. Auch Kurt Vonnegut beschreibt in seinem Roman “Schlachthof fünf oder der Kinderkreuzzug“ die selbsterlebte Brutalität des Krieges. Der Untergang Dresdens spielt eine so gewaltige Rolle, dass dieses Werk als wichtigster Antikriegsroman betrachtet wird - die Stadt erhebt sich zum Symbol. 23 2. Verzauberung Dresdens im Märchen : “ Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit ” von E.T.A. Hoffmann. 2.1 Grundmotiv der Untersuchung : Die Stadt zwischen Phantasie und Wirklichkeit , Mythos und Realität. Die Reisen, die der romantische Dichter und Künstler Ernst Theodor Amadeus Hoffmann1 rund 1813 unternahm, führten ihn nach Dresden, wo er die Arbeit an dem romantischen Werk “Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit” beginnt. Anhand der Geschichte des Studenten Anselmus, die Hauptgestalt des Märchens, bearbeitet der Autor Themen wie: der Ausbruch aus der bürgerlichen Gesellschaft, das Zusammentreffen von Wirklichkeit und Phantasie, und die Verzauberung der Stadt. Die ersten Eindrücke, die in der Stadt auf das unvorbereitete menschliche Bewusstsein treffen, ritzen sich wie auf einer Gravurplatte ein. Hoffmann läßt Anselmus seine Bedeutungslosigkeit gegenüber der Gesamtheit der Stadt bereits bei der Ankunft spüren. Obwohl zu Beginn Anselmus nicht von den anderen Bürgern Dresdens zu unterscheiden ist, hat er den Mut die Stadt als überfordernd wahrzunehmen und indessen seine eigene Geringfügigkeit zu akzeptieren. Künstlerisch begabt, er ist ein Virtuoso der Peosie, erlebt der Student die Schwierigkeiten eines wahren Künstlers, der zwischen Traum und Wirklichkeit, also zwischen zwei sich entgegensetzenden Sphären, unterscheiden muss. Hiermit gelingt es Hoffmann seine eigenen Anpassungsprobleme als auch seine Eindrücke gegenüber des städtischen Lebens genau zu schildern. Wegen der Komplexität der Stadt, ist diese nicht mehr mit rationalen Mitteln begreifbar, der Verlust der Realität findet hier am spürbarsten statt und somit ermöglicht sie den Aufbau anderer Wirklichkeiten. Durch den Einfluss des Mythischen in die reale Welt lassen sich diese nicht mehr klar von einander abgrenzen so, dass zwischen Traum und Wirklichkeit ein unbemerkbarer Übergang stattfindet. Die Traumwelt hat dadurch die gleiche Zusammensetzung wie die Wirklichkeit und eine Unterscheidung ist nicht mehr möglich, was zu der Überschneidung der beiden Welten, real und phantastisch führt. Im vorliegenden Märchen geschieht dieser Übergang an 24 spezifische Orte, die genau bennant sind und als Schnittpunkte dieser zwei Welten dienen. So ist das “Schwarze Tor “2 der Einweihungsplatz, der Initiator des Ausbruchs aus der bürgerlichen Gesellschaft. Hier beginnt die Handlung und findet die Prophezeiung der Hexe, Liese Rauerin, statt. Demzufolge hat dieser Ort einen symbolischen Wert, genau so wie der Palast des Archivarius Lindhorst der zum Schauplatz des Wunderbaren innerhalb der realen Welt wird. Hier, durch die Abgeschiedenheit und die zauberhafte Atmosphäre, findet Anselmus den geeigneten Platz für sein Streben nach der Phantasie und auch für das Studium der Poesie. Ein weiterer Ort, der als Schnittpunkt der zwei entgegengesetzten Ebenen dient ist Lindhorsts Garten, der den Laboratorien der frühen Naturwissenschaftlern ähnelt, jedoch von phantastischen Gestalten bewohnt wird. Hier beschreibt Hoffmann die Lichtstrahlen im Garten als ein Bild des Kristalls. Die Verwendung des glasklaren Kristalls vereinigt die Eigenschaften des Hellen, Klaren und Leuchtenden – charakteristisch für die Welt der Transzendenz, aber auch die Kälte, das Schneidende und Scharfe welche man auf dem Weg aus der Wirklichkeit überschreiten muss. Auch Anselmus erlebt die Zwiespaltigkeit des Kristalls3. Im Garten bewundert er dessen Klarheit und ist inspiriert, als er aber aufgrund seiner verlorenen Phantasie eine Schrift des Archivarius beschmutzt, wird er in einer Kristallflasche eingesperrt. Diese symbolisiert den Stumpfsinn des bürgerlichen Alltags und hilft dem Studenten seinen Sinn für die Welt des Wunderbaren wieder zu gewinnen. Als Handlungsort in der realen Welt wählte der Dichter Dresden, das kulturelle Zentrum und die aufblühendste Stadt der damaligen Zeit. Die Stadt Dresden in ihrer “paradiesischen” Schönheit steht als Beweis, dass hier die alltägliche Realität mehr zu bieten hat als nur die öde Langeweile des Bürgerlebens: sie befähigt die “Präsenz des Wunderbaren im Gewöhnlichen, des Unendlichen im Endlichen”. Die reale Welt kennzeichnet sich durch die Endlichkeit von Raum und Zeit so dass präzise Angaben der Orte nur innerhalb der bürgerlichen Wirklichkeit auftreten. Bezüge zur Wirklichkeit, die gemäß der Auffassung der Künstlerfigur 25 begrenzt ist werden durch geträue Ortsangaben wie zum Beispiel: Kreuzkirche4, Elbbrücke5, Koselscher Garten und Pirnaer Tor6 hergestellt. Jedoch, in Hoffmanns Märchen verschmilzt die Dresdner Realität mit dem Mythos, die Orte der realen Welt lassen sich nicht ganz von dem Reich des Wunderbaren trennen und somit wird das Mythische die Realität. Obwohl Anselmus dies bezüglich, mittels Serpentina und Lindhorst, als auch wegen seines Strebens nach Erfahrung bewusst ist, können die wirklichkeitsgebundenen Bürger sehr mühevoll und nur mit äußeren Mitteln die Welt der Phantasie wahrnehmen. Die Wohnung Paulmanns wird beispielsweise zur Einflußsphäre des Mythischen während der Punschgesellschaft, bei der nur durch die betäubende Wirkung des Alkohols die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verwischt werden. Entlang des Werkes schafft Hoffmann ein Doppelbild der Stadt : das eine sichtbar in der mythischen Welt welches das Streben nach Vollkommenheit erhofft, das andere kalt, distant, die Stadt ist von strengen Regeln, die das Individuum beschränken, begrenzt. Die Künstler können sich in der materiel – bedingten Welt der Stadt nicht zu ihrem höchsten schöpferischen Status entwickeln, so dass sie sich ihre eigene Welt bilden, wo sie frei wirken können. Im Goldenen Topf ist diese Welt das zauberhafte Reich Atlantis, wohin Anselmus letztendlich ankommt. Demnach sind die abrupte Wechsel zwischen Phantasie und Wirklichkeit, die der Protagonist entlang der Handlung erlebt seine Versuche sich einen Platz in der Welt zu finden. Er befindet sich auf einer Wanderschaft von Dresden nach Atlantis. Obwohl er in Dresden nicht die Prämise für sein Schaffen entdeckt, bietet die Stadt ihm die Möglichkeit auf seine Einweihungsreise abzufahern. Hiermit dient die Künstlerfigur für die Entstehung der poetischen Sichtbarwerdung der Stadt, als auch ihrer mythischen Qualität, was letztendlich auch das unreife Bürgertum unwillkürlich betrifft. Die Stadt ist ein Zentrum des Wissens und der Entfaltung, sie hilft den Uneingeweihten, wie Anselmus’ Freunde sich zurechtzufinden, sie bietet dem Menschen die Möglichkeiten nach einer höheren Daseinsform zu streben. Das optimistische Ende der Nebengeschichte Heerbrands, Mitglied der elitistischen 26 bürgerlichen Gesellschaft und Freund des Anselmus, deutet darauf hin, dass die Welt des Kleinbürgertums sich nach Fortschritt sehnt und, dass die Umwelt, in diesem Falle Dresden, die menschlichen Erwartungen und Ideale prägt. Der Konflikt zwischen dem Reich der Phantasie und der bürgerlichen Welt kulminiert mit der Überzeugung, dass die Wirklichkeit mit dem Phantastischen übereinstimmen kann und in den selbem Moment des Daseins verschiedene Wirklichkeiten aufzudeuten sind. Somit leuchtet die Stadt auf und überschreitet in die Transzendenz; sie wirkt verzaubert. 27 3. Kriegswirklichkeit aus Dresden im Tagebuch : “DresdnerTagebücher“ von Victor Klemperer7. 3.1 Grundmotiv der Untersuchung : Zerstörung der Stadt ; Überleben im Feuersturm. “Ich will Zeugniss ablegen bis zum letzten” – diese war Victor Klemperers Absicht als er sich entschlossen hat die Periode des Dritten Reiches in Dresden zu beschreiben. Die Dresdner Tagebücher sind unvergleichliche Zeitdokumente die “ beobachten, notieren, studieren” – was eigentlich Klemperers Ziel und Forderung während der ganzen Kriegszeit gewesen ist. Somit wird er zum Chronist des Schicksals einer Nation aber auch einer Stadt; Dresden. Klemperers Tagebuchaufzeichnungen gehören zu den detailliertesten, plastischsten und eindrücklichsten Beschreibungen des alltäglichen Lebens im Dritten Reich. Das wirklichkeitsgetreue Bild der Stadt ist aller anderen zeitgenössischen Quellen überlegen. Die Subjektivität der Aufzeichnungen, die jeder Überprüfung stand halten, und Klemperers persönliche und beurteilende Haltung gegenüber den Aspekten eines Erlebnisses unterscheiden dieses Werk von sterilen Betrachtungen des Hauptstroms der Geschichtsschreibung. Auf diese Weise wird das Tagebuch zum Brückenkopf, von dem aus die Zeitgeschichte an den Handlungsorten mühelos erforscht werden kann. Sogar ein Kleinkind, das Klemperer unmittelbar vor der Bombardierung Dresdens stolz seinen Teddybären zeigt, kann mit allen Lebensdaten bis heute lokalisiert werden. „...als eine Frau mit einem niedlichen, gutgehaltenen Mädelchen von vielleicht vier Jahren kam.[...] Inzwischen drängte sich das Kind an mich, reichte mir seinen Teddybär und erklärte strahlend vergnügt: Mein Teddy, mein Teddy, sieh mal!” Diesbezüglich ist Klemperers Bericht von der erduldeten Zerstörung Dresdens sowohl empatisch und betroffen als auch analytisch und strukturiert, was beim Leser ein Gefühl der Authentizität und des Miterlebens wäckt. Nachdem Dresden in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges kaum etwas von den Schrecken der Frontlinien oder der Luftangriffen verspürt hatte, änderte sich dieser Zustand mit den Rückschlägen die die Wehrmacht nach der Invasion der Allierten unaufhaltsam erlitt. In der Stadt vermehrten sich die Lager zwangsverschleppter 28 Arbeitskräfte verschiedener Nationalitäten, mehr und mehr Schulen wurden in Hilflazarette umgewandelt. Anfang 1945 füllte sich Dresden mit Evakuirten und Flüchtlingen, die alle Säle, selbst größere freie Plätze in der Innenstadt belegeten. Im Hauptbahnhof8 lagerten versprengte Soldaten. In dieser Situation trafen in der Nacht vom 13 zum 14 Februar 1945 drei brutale anglo – amerikanische Luftangriffe die dichtbesiedelte Innenstadt und entfachten einen bisher nie dagewesenen Feuersturm. „Zeitgefühl war mir verlorengegangen. Draußen war es taghell. Am Pirnaischen Platz, in der Marschallstraße und irgendwo an oder über der Elbe brannte es lichterloh. Ein furchtbarer Sturmwind blies. Natürlich oder Flammensturm? Wohl beides.” Gefangen inmitten dieser Vernichtung und dem umgebenden Chaos ist sich Klemperer nur eines einziegen bewusst, er muss überleben: „Ein schwerer Einschlag. Ich drückte mich kniend an die Wand in der Nähe der Hoftür. [….] Schwere Einschläge. Wieder sprang das Fenster an der Wand gegenüber auf, wieder Taghelle, wieder wurde gespritzt. Dann ein Schlag am Fenster neben mir, etwas schlug heftig und glutheiß an meine rechte Gesichtsseite.” Von seinen Instinkten geführt „ Ich dachte nichts, ich hatte nicht einmal Angst, es war bloß eine ungeheure Spannung in mir, ich glaube, ich erwartete das Ende”, befindete sich der ausgebildete Professor in der Unmöglichkeit intelligent zu reagieren “Sie handelte und beobachtete, ich folgte meinem Instinkt, anderen Leuten und sah gar nichts.” 75.000 Wohnungen, Krankenhäuser, Schulen und nahezu alle bedeutenden Kulturdenkmäler wurden durch die Bomben zerstört, einige davon wie die Frauenkirche9, Opernhaus10, barocke Bürgerbauten so schwer, dass ihr Wiederaufbau unmöglich schien. „Ich stand dann oben, im Sturmwind und Funkenregen. Rechts und links flammten Gebäude, das Belvedere11 und – wahrscheinlich - die Kunstakademie12.[ …] Im weiteren Umkreis nichts als Brände. Diesseits der Elbe besonders hervorragend als Fackel der hohe Aufbau am Pirnaischen Platz, jenseits der Elbe weißglühend, taghell das Dach des Finanzministeriums.” Diese Nacht ergab sich für Klemperer als eine Gelegenheit den bisherigen Einschränkungen zu entkommen, fürs erste Mal seit viereinhalb Jahren steht er 29 auf offener Straße, frei sich durch die Stadt zu bewegen als ein Bürger. Seine Gedanken richten sich noch immer nur an das Überleben: “Das Brennen ging immer weiter. Rechts und links war mir der Weg wie zuvor gesperrt – ich dachte immer: Jetzt noch zu verunglücken wäre jämmerlich.“ Der Angriff war gegen die ganze Bevölkerung der Stadt gerichtet und machte keine Unterschiede zwischen Rasse, Religion oder politische Auffassung. Alle in Dresden standen machtlos dem Bombenangriff gegenüber:“ Vor der Mauer stand wie gewöhnlich ein Stahlhelmposten. Ich fragte im Vorbeigehen, ob Alarm sei. >Ja.<” „Eine Gruppe Russen – wo kamen sie her? …. Ein Russe hob mich auf. [….]” “Ein andermal kam ein junger Mensch an mich heran, der sich die Hosen festhielt. In gebrochenem Deutsch: Holländer, gefangen... die anderen verbrennen im Gefängniss” – es war ein rücksichtsloses Massaker von Unschuldigen. Dagegen erlitten wirtschaftliche und militärische Anlagen, etwa die Kasernen im Norden der Stadt, die Rangierbahnhöfe, von denen in der selben Zeitspanne noch der Nachschub zur Front rollte, die Elbbrücken, selbst das große Fernheizwerk im Stadtzentrum, kaum Beschädigungen. Der Alptraum vom 13 zum 14 Februar 1945 war ein traumatisches Erlebnis, das Klemperer und eigentlich der ganzen Menschheit eine grauenvolle Lehre mitteilte und zwar, wenn den Prinzipien und der Moralität der Rücken gedreht wird, dann hält die Menschlichkeit auf. Die ungeheure Vernichtungskraft des Bombenanfalls prägte sich in den Gedächtnisen der Überlebenden erst nachdem die unmittelbare Gefahr vorüber war, erst jetzt wird das Glück des Erhaltens wahrgenommen. Bei Klemperer erwecken Gefühle der totalen Gelassenheit gegenüber dem Materiellen, dem Erdlichen. „Nach einer Minute wurde ich angerufen […] Wir begrüßten uns sehr herzlich, und der Verlust unserer Habe war uns vollkommen gleichgültig, und ist uns auch heute noch.“ 30 4. Untergang und Erhebung der Stadt zum “Symbol Dresden” im Anti – Kriegs Roman : “ Schlachthof fünf oder Der Kinderkreuzzug ” von Kurt Vonnegut.13 4.1 Grundmotiv der Untersuchung : Absurdität des Krieges ; Ausruf gegen die Vernichtung des Menschen. Addendum: “Kinderkreuzzug” von Bertolt Brecht Der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut, durch seine satyrischen Werke bekannt, schrieb 1969 den Roman „Schlachthof fünf oder der Kinderkreuzzug“. In diesem aussergewöhnlichen literarischen Werk, verknüpft der Autor historische Fakten mit Fiktion um seine eigene seelische Erschütterung in Dresden während der verhängnisvollen Nacht von 13 Februar 1945 aufzuarbeiten. Heute gilt dieser als wichtigster Antikriegsroman, aber auch ein Buch gegen die Unmenschlichkeit, denn schließlich wird darin nicht nur die Zerstörung der Stadt, sonder die des Menschen beschrieben. Der Roman ist collagenartig zusammengesetzt und behandelt sein Thema auf unterschiedlichen Erzähl- und Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven mit vielen direkten Eingriffe des Autors. Vonnegut ist Zeuge und Erzähler des Unterganges mittels der Hauptgestalt Billy Pilgrim welcher, der Wirklichkeit entfliehend, sich “von der Zeit losgelöst” hat und dabei ohne eigene Kontrolle durch Etappen seines Lebens, vor allem die der Kriegszeit schwankt. Dieser Zustand ähnelt mit dem des Anselmus, die Hauptgestalt des Goldenen Topfes, der sein Leben zwischen Wirklichkeit und Phantasie führt. Diese Wanderungen betonen Billys Zaudern sich in der menschlichen Welt, die von Chaos, Absurdität und Isolation gekennzeichnet ist einzuordnen. Billys Umwelt ist von Vonneguts typischem Pessimismus geprägt. Die Trostlosigkeit wird als ein Bestandteil der menschlichen Natur beschrieben. Selbst der Name der Hauptfigur Billy Pilgrim (Pilger) verweist auf die Kreuzzüge und macht Anspielung auf den Fatalismus des Menschen der unfähig ist sein Tun zu begreifen und aus der Geschichte zu lernen. Pilgrims Herumirren durch die Zeit und auf dem Planeten Tralfamadore, wo er seelische Ruhe findet, können als eine Reise nach dem Sinn des Lebens betrachtet werden. 31 Das Ankommen in Dresden, ist für Billy und den anderen amerikanischen Kriegsgefangenen (POWs) eine Erneuerung, für eine Zeit finden sie inmitten der Enthumanisierung und der Absurdität des Krieges eine Bedeutung für ihr Dasein. Die Stadt, mit ihrer “sich am Himmel abhebende Silhouette mit ihren Kuppeln und Spitztürmen war üppig, zauberisch und absurd”14 Für die meisten Amerikanern, die außerhalb iherer Heimatsstadt und den vom Krieg verrichteten Ruinen nichts gesehen hatten, wirkt Dresden betäubend. Sie erscheint friedlich, vom Krieg verschont, sie bedeutet für die Ankömmlingen das Ende ihres trostlosen Zustandes. Jedoch ist Dresden nicht der Anfang eines neuen Lebens sondern die Endstation ihrer Einweihung, die letzte Probe einer grausammen Erfahrung. Symbolisch für die zukünftigen Erreignisse steht auch der Schlachthof wo Billy und seine Gefährte ihr Zuhause finden. Da Dresden den apathischen Amerikaner Regsamkeit anbietet beginnen diese den Krieg zu ignorieren. Sie schmieden Zukünftspläne und bilden eine Weltanschaung die im Gegensatz zu der trüben Auffassung der Bürgern Dresdens steht. Vonneguts Vision des Schicksalsschlages als Teil unserer grundsätzlischen Natur ist anhand der Bevölkerung, welche die harte Kriegsbedingungen wahrnimmt wiederzufinden. Er vermittelt anhand dieser bivalenten Einstellungen eine scharfe Kritik dem Fatalismus gegenüber. Denjenigen die Gewalttätigkeiten und Terror tolerieren, scheint Vonnegut zu sagen dass für einen Menschen der mit freiem Willen ausgestattet ist, ein Krieg zu ignorieren und zu rechtfertigen, nicht eine annehmbare Wahl sei. Somit wird durch Billy Pilgrim das Konzept des Freien Willens bezweifelt und Vonnegut ist unsympathisch gegenüber der Philosophie, dass Krieg unvermeidbar ist. Die Lage, die in solchen Fällen anzutreffen ist, führt den Menschen zu einer Existenz, die von Gefühle der Isolation und Unsicherheit geprägt ist, was den normalen Wertesystem verdreht und dem Individuum einen einzigen Ideal überlässt, der des Überlebens. Während der in Dresden verbrachten Zeitspanne wird kein Gefühlsaustausch zwischen den POWs und ihren Wächtern oder der Bevölkerung beschrieben. Das gegenseitige Mißvertrauen und die totale Vereinsamung der einzelnen Person führt zur Automatisierung, zum Verlust der Menschlichkeit. 32 Die Stadt wirkt nicht mehr belebend wie beim Ankommen der Amerikaner sondern hat nur die Rolle einer sterilen Umwelt. Sie verliehrt ihre kulturelle, historische und emotionelle Bedeutung und steht da, um dem Menschen als Lieferant jedes lebenswichtigen Bedarfs zu dienen. Hiermit ist sie identisch der geodesischen Kuppel unter welcher Billy Pilgrim während seinem Aufenthalt auf dem Planeten Tralafamadore dem Publikum vorgezeigt wurde. Sie ähnelt einem Käfig, das die Bewohner von allen äußeren Gefahren schützt, jedoch sie von den natürlichen Triebe die einer normalen Entwicklung dienen, beraubt. Der Verfall der Stadt ist nicht mehr aufhaltbar und indessen ist diese zur Vernichtung verurteilt. Ironischerweise erreicht der Roman seinen Höhepunkt nicht mit der katastrophalen Bombardierung Dresdens sondern mit der Hinrichtung eines Menschen der eine Teekanne aus den Ruinen retten will und dessen Absicht falsch interpretiert wird. Hiermit gelingt es Vonnegut einen Protest gegen die Absurdität des Krieges und dem unlogischen Charakter des Menschlichen Daseins zu erheben. Als hyperbolisierender Beispiel dafür steht der eigentliche Bombenangriff, in welchem mehr als 60.000 unschuldige Einwohner der Stadt ihr Leben verlieren. Das Schrecklichste an diesem Angriff ist sein eigentlicher Ziel, die Zerstörung des Menschen. Obwohl Dresden zu der Zeit keine militärische oder industrielle Anlagen besaß und strategisch wertlos war, führte die Absurdität und die Skrupellosigkeit des Krieges zu ihrer Vernichtung. Sie und ihre Bewohner fallen Opfer einer unersättlichen, unbegreifbaren Maschiene; der Krieg. Die Verwandlung Dresdens zu einer Mondlandschaft15 bedeutet die Beendung von der Reise Billys und eigentlich der Menschheit nach dem Sinn des Lebens, die mit der Frage: Wo liegt die Garantie für unsere Zukunft? kulminiert. Der Untergang Dresdens verkörpert die Zerstörung des Menschen und spielt dadurch eine so gewaltige Rolle, dass sich die Stadt zum Symbol16 erhebt, zu einer Warnung für die zukünftigen Generationen nie mehr auf ihre Menschlichkeit zu verzichten. Weitere Kritik gegenüber der ignoranten Gesellschaft, wie auch eine Deutung des Titels des Romans kann man aus dem folgenden Zitat entnehmen: 33 “Wissen Sie – wir mußten uns den Krieg hier vorstellen und wir haben uns vorgestellt, dass er von älteren Männern wie wir ausgefochten würde. Wir hatten vergessen, dass Kriege von Kindern ausgefochten werden. Als ich diese frisch rasierten Gesichter sah, war das ein Schock. >Du lieber Himmel<, sagte ich mir, > es ist der reinste Kinderkreuzzug<.” Hiermit betont Vonnegut die Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft die zulässt, dass die Jugend in sinnlosen Kriege geopfert wird – eine Idee die auch Bertolt Brecht in seiner Ballade “Kinderkreuzzug”17 darstellt. Addendum Das lyrische Werk spricht in einem einfachen und direkten Ton von der verlorenen Unschuld einer Kindergeneration, die einen Krieg erleben musste, der alle Facetten des Lebens betraf. Ihr Herumirren durch eine hoffnungslose Wirklichkeit, die ihnen ständig Hindernisse hervorhebt, demonstriert die Ähnlichkeiten zwischen der Welt der Kinder und die der Erwachsenen, aber auch den unentwirrbaren Bund der zwischen ihrem Leben und den irrationalen Konflikten herrscht. Die Kraft und Schönheit dieser Ballade entstammen dem unsentimentalen Stil von Brecht. Der Dichter versteckt keine Moral hinter der Schilderung der verlorenen Hoffnung und Ehrlichkeit dieser kleinen Gruppe von Kindern. Sie sind keine Martyre sondern einfach nur einsam, hungrig und müde. Brecht bringt die Hoffnungslosigkeit zum Rang der Alltäglichkeit und verwandlet ein außergewöhliches Erlebniss in ein viel zu oft vorkommendes Erreignis, in dass jede Generation Zeugnis von solchen Kreuzzügen ablegen kann. Sowie die ganze Menschheit, finden die Kinder keinen Ausweg, keine Erlösung, obwohl sie um Hilfe bitten: “Bitte um Hilfe / Wir wissen den Weg nicht mehr.“18 34 5 Schlussfolgerung Anhand dieser literarischen Wanderung durch die Stadt Dresden äusere ich mein Respekt für diese Stadt und ihre mythisch - symbolische Qualität, die ihre reiche Kultur und Geschichte wiederspiegelt. Dresden spannt einen historischen und literar-künstlerischen Bogen zwischen Alt und Modern; Romantik und Realität. Das Zusammentreffen dieser Themen führt durch ihre Komplexität zur Entstehung der „Motive der Stadt “ welche je nach den Umständen, von den gewählten Autoren unterschiedlich erlebt und geschildert wurde, wie ich das auch mittels meiner Untersuchung hervorgehoben habe. Im Rahmen meines Projektes unterscheiden sich hauptsächlich zwei entgegengesetzte Auffassungen – eine lichtvolle die von Dichtern und Künstlern, welche von einem aufblühenden Dresden angezogen wurden, stammt; und eine finstere welche die Stadt Dresden als Schauplatz einer völligen Vernichtung während des Zweiten Weltkrieges zeigt. Meine Absicht war, den bemerkenswerten Impakt und Relevanz dieser beiden Etappen, sowohl auf die Einwohner als auch auf die ganze Menschheit, in Blick zu nehmen und nicht zuletzt, den tiefen Eindruck den mir Dresden überliefert hat, zu betonen. Demnach, diesen literarischen Werken zustimmend, bin ich der Meinung, dass die Stadt Dresden, durch das große Erbe, das sie für unsere Gegenwart hinterlassen hat, unser Ansehen gewinnt und ihre ununterbrochene Bedeutung für die Zukunft sichert. 35 6 Bibliographie E.T.A Hoffmann: „Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit ” , Aufbau – Verlag Berlin und Weimar, 1979 Victor Klemperer: “Ich will Zeugniss ablegen bis zum letzten Tagebücher 1944 – 1945“ , Aufbau Taschenbuch Verlag, 10. Auflage, Berlin 1998 Kurt Vonnegut : “Schlachthof fünf oder Der Kinderkreuzzug”, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 24.Auflage April 2007 „Slaughterhouse five“ – A UNIVERSAL® Picture Production,1979 Bertolt Brecht: “Kinderkreuzzug” www.wikipedia.de www.amazon.de 36