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Mach Dir Ein Bild Von Einem Bild - Fotografische Nachbilder Kunsthistorischer Vorbilder

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Anna-Maria Loffredo Mach Dir ein Bild von einem Bild – fotografische Nachbilder kunsthistorischer Vorbilder Fotografische Selbstporträts von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 11 Die vorliegende gestalterische Aufgabe wurde in drei Grundkursen der Jahrgangsstufe 11 an einem Gymnasium durchgeführt. Die Schüler (1) sollen eine für sie sinnhafte Verknüpfung von kunsthistorischem Wissen mit ihrem jugendlichen Blick und Eigeninteresse verbinden, indem sie die tradiert erscheinende Malerei als Ausgangspunkt nehmen und mit einem aktuellen Medium, nämlich der DigitalFotografie, im Sinne einer CrossoverMethode aus ihrer Sicht ergründen. In Zeiten der Bilderflut (2) verlangsamen die Schüler exemplarisch ihren Blick in der Auseinandersetzung mit einem selbst gewählten Gegenstand (Gattung Selbstporträt) und können vom malerischen Vorbild zum fotografischen Nachbild kulturrelevante Bezüge von Früher und Heute vernetzen. Zur Fotoarbeit von David LaChapelle (*1969 in Connecticut/USA) David LaChapelle ist ein zeitgenössischer „Allround“-Künstler der Pop-Kultur. Er studierte Kunst an der „North Carolina School of the Arts“ und stand in Verbindung zu Andy Warhol, der ihm u.a. zu seinem ersten Auftrag als Fotograf verhalf. Mittlerweile hat LaChapelle mit allen Stars und Sternchen aus der Glitzer- und Glammerwelt wie Paris Hilton, Pamela Anderson, Naomi Campbell und vielen mehr gearbeitet. Leuchtende Farben, Erotik und schockierende Posen der abgelichteten Stars sind prägende Merkmale seiner Hochglanzfotografien, die er z.B. für „Vanity Fair“, „The Face“ und „The Rolling Stone“ anfertigte. Darüber 18 BDK-Mitteilungen 3/2009 hinaus hat er auch Music-Videoclips (Elton John/Justin Timberlake, Christina Aguilera, Moby) und CD-Cover (Lil’ Kim, Madonna) sowie Werbekampagnen (Pepsi, Levi’s, Camel) und Showkonzepte (MTV Music Awards 2000) gestaltet. David LaChapelle ist zwar in der Regel als Bildautor den Schülern nicht namentlich bekannt, seine Arbeiten und die Protagonisten sind dafür umso mehr Teil der kommerzialisierten Jugendkultur. Daher wurde eine seiner Arbeiten als Einführung in die hier vorgestellte Aufgabe ausgewählt, nämlich die Pietà-Darstellung von Courtney Love. (3) Als Witwe des durch Drogen umgekommenen Sängers der Band Nirvana lässt sie sich von LaChapelle als heilige Trauernde darstellen, die ein Double ihres verstorbenen Ehemannes im Schoß haltend beweint. Das Spiel mit Erotik, Tabus und anbetungswürdigen Heiligen als Parallele zu Michelangelos Pietà erscheint ausgerechnet vor dem Hintergrund der Lebensstile der Dargestellten paradox und provokant. An diesem Bildbeispiel können die Schüler mittels der Perzept-Methode (4) zahlreiche Bildzeichen der biblischen Symbolik und der Gegenwart entdecken, ihre Bezüge zueinander decodieren und in den Kontext von Selbstporträt sowie Raum-, Farb- und Lichtkomposition setzen. Spätestens an dieser Stelle kann dann der Begriff „Pietà“ eingeführt werden, sofern nicht ohnehin aufgrund von Urlauben/Klassenfahrten Bezüge seitens der Schüler zu der Skulptur Michelangelos im Petersdom gezogen werden. Das Thema der Pietà lässt sich dann bis zu den Vesperbildern aus dem 14. Jahrhundert (5) zurückverfolgen. Hier entsteht die Chance, das Fach Kunst und den geschulten Umgang mit Bildern in der „Bild“ungsanstalt Schule als kulturell gewachsene Koordinate unseres Wahrnehmungs- und Darstellungsvermögens zu legitimieren und das Wissen darüber als unabdingbare Voraussetzung für den Umgang mit Bildern der Gegenwart zu veranschaulichen. Einführung der gestalterischen Aufgabe Die Schüler der Jahrgangsstufe 11 bringen unterschiedliche Erfahrungen und Fertigkeiten ihrer bisherigen Schullaufbahnen (Gymnasium, Wechsel von der Real-, Haupt- und Gesamtschule) im Fach Kunst mit, nicht selten sind sie mit tradierten Vorurteilen belegt, die es immer wieder zu brechen gilt. Wer sich schon mal in der Chat-Community SchuelerVZ umgeschaut hat, wird bemerken, dass die eigene Inszenierung in Fotos ein wichtiger Bestandteil von Schülern ist, was im Zuge der Massenkonsumierung von Digitalkameras beinahe inflationär betrieben wird. Daher ist die Bereitschaft, mit dem Medium Fotografie zu arbeiten, ohnehin bei den Schülern gegeben. Die Aufgabe „Mach Dir ein Bild von einem Bild“ wiederum soll die Schüler mit Eigenantrieb auf die Suche nach einem Bild schicken, das sie in ihre Zeit übersetzen. (6) Das wird teils mit Begeisterung, teils mit Murren und Knurren aufgenommen, weil primär die anstehende Arbeit gesehen wird. Ein Portfolio (7) mit einer Bildrecherche, Analyse und Kompositionsskizze anzufertigen, das Foto/Nachbild ideenreich zu schießen und abschließend darüber noch eine ca. 10-minütige Präsentation zeigen zu können, wird einem Vertreter eines sogenannten „Nebenfaches“ anfangs immer ein wenig übel genommen (siehe Arbeitsblatt). Erarbeitungsphase Wie schon in meinem letzten Beitrag in den BDK-Mitteilungen (8) erwähnt, sollten gestalterische Aufgaben möglichst eine Bearbeitung in der Unterrichtszeit beinhalten. Aber Aspekte wie nötige Locations, Komparsen usw. erzwingen die Öffnung des Handlungsrahmens. Auch hier können die Schüler wieder auf besondere Bedingungen der Schule (Theaterkeller/-fundus, Lichtequipment u.v.m.) zurückgreifen. Der Zeitbedarf liegt bei vier Doppelstunden bzw. einem Arbeitszeitraum von vier Wochen, wovon zwei Doppelstunden für Beratungen und eigenständige Recherchen in der Schulbibliothek bereitgestellt werden, wodurch man einen Teil des Arbeitsprozesses wieder in die Unterrichtszeit hineinholt und für eine Förderungs- und Diagnostikaussprache zugänglich macht. Falls es Schülern schwer fällt, überhaupt ein passendes Bild eingangs für sich zu finden, sollten sie mit dem Angebot aus ihrem Lehrbuch beginnen. Später können Sie dann gezielt via Internet- suche nach Bildern eines bestimmten Künstlers suchen, sobald er ihr Interesse geweckt hat. Hinzu kommt, dass teilweise von traditionellen Ölgemälden der Gattung Selbstporträt abgewichen werden kann und man in Einzelfällen auch Filmstills, -plakate oder Fotografien als Ausgangspunkt erlauben sollte, um das identifikationsstiftende Moment für den Arbeitsprozess nicht zu verlieren. Freilich können die Schüler auch auf die Gestaltung ihrer Nachbilder durch digitale Bildbearbeitung zurückgreifen. Solche Arbeiten werden hier aber nicht dokumentiert. Fazit Am Ende der Arbeitsphase und vor allem bei den Präsentationen herrschte einstimmig Konsens darüber, dass die Schüler vielfältige Erfahrungen sammeln konnten, indem sie ein Stück weit zu Experten eines selbst gewählten Bildes und der damit verbunden kunsthistorischen Epoche geworden sind. Die Mitschüler begegneten sich bei den Präsentationen mit gegenseitigem Respekt für ihre aufwendigen Arbeiten, da alle Teil dieser ganzheitlich konzipierten Aufgabe geworden sind, die einen körperlich-rezeptiven, -produktiven und -reflexiven Umgang mit Bildern ermöglicht. Je nach didaktischer Schwerpunktsetzung kann diese gestalterische Aufgabe in verschiedenen Jahrgangsstufen eingesetzt werden. Für die Jahrgangsstufe 11 eignet sie sich besonders, weil die Lerngruppe mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Meinungsbildern über die Vermittlung des Faches Kunst in der gymnasialen Oberstufe zusammen kommt und darüber eine positive Anbindung an das Fach Kunst erfahren kann. Alternativ kann man den Einsatz von „Mach Dir ein Bild von einem Bild“ auch in den Jahrgangsstufen 12/13 empfehlen, weil im nordrhein-westfälischen Zentralabitur 2010 (9) inhaltliche Vorgaben zur inszenierten Fotografie von Cindy Sherman vorgelegt wurden, deren History-Portraits ebenso in diesen Kontext gestellt werden können. Dieses Unterrichtsprojekt ist Preisträger im Rahmen der Jugendinitiative der Kulturstiftung der Länder „Kinder zum Olymp“. Hier gewann der Unterricht innerhalb des Wettbewerbsbereichs „Bildende Kunst, Architektur und Kulturgeschichte“ „Schulen kooperieren mit Kultur“ 2008/2009 ein Preisgeld von 2.000 Euro. BDK-Mitteilungen 3/2009 19 Anmerkungen (1) Zum einfacheren Lesen wird nur die männliche Form bei Personenbezeichnungen verwendet. (2) Vgl. Niehoff, Rolf/ Wenrich, Rainer (Hg.): Denken und Lernen mit Bildern. Interdisziplinäre Zugänge zur Ästhetischen Bildung, München 2007, S.21. (3) Vgl. www.davidlachapelle.com/exhibitions. php?group=palazzo&image=1, 17.04.2008. (4) Vgl. Bering, Kunibert/ Heimann, Ulrich/ Littke, Joachim/ Niehoff, Rolf/ Rooch, Alarich: Kunstdidaktik, Oberhausen 2004, S.68f. (5) Vgl. Nerdinger, Winfried: Perspektiven der Kunst, München 2002, S.57-61. (6) Vgl. Klant, Michael/ Schulze-Weslarn, Annemarie/ Walch, Josef: Grundkurs Kunst 1, Themen aus: Malerei Grafik Fotografie, Hannover 1988, S.118f. (7) Der Umgang mit einem Portfolio bereitet die Schüler in der Jahrgangsstufe 11 auch auf die bevorstehende Hausarbeit in der Jahrgangsstufe 12 vor. (8) Vgl. Loffredo, Anna-Maria: Gang of Gangsters – typisierende Selbstinszenierungen im Passbildformat. In: BDK-Mitteilungen, Heft 2/2008, S.25-30. (9) Vgl. www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/ abitur-gost/fach.php?fach=18, 19.04.2008. Abbildungen Abb. 1 David LaChapelle (*1969) Pietà-Darstellung von Courtney Love, 2006, Farbfotografie Abb. 2 a u. b Vorbild von Eddie Adams (*1933) Hinrichtung in Saigon, 1968, Schwarz-Weiß-Fotografie; Nachbild von Antonio Avigliano, Constantin Lang, Lars Schmidt Abb. 3 a u. b Michelangelo Caravaggio (1573-1610) Narziss, 1594-1596, Öl auf Leinwand; Nachbild von Fabian Erkelenz Abb. 4 a u. b Caspar David Friedrich (1774-1840) Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817, Öl auf Leinwand; Nachbild von Philipp Eschenauer Abb. 5 a u. b Jan Van Eyck (um 1390-1441) Porträt des Brautpaars Arnolfini, 1434, Öl auf Holz; Nachbild von Jamila Rosengarten und Martin Szigeti Abb. 6 a u. b Edouard Manet (1832-1883) Folies-Bergère, 1882, Öl auf Leinwand; Nachbild von Stefanie Lück Abb. 7 a u. b Vorbild von René Magritte (1898-1967) Les Amants, 1928, Öl auf Leinwand; Nachbild von Christine Schmitz Loffredo, Anna-Maria (Jg. 1978) StR’ für die Fächer Kunst und Sozialwissenschaften am Gymnasium Kerpen – Europaschule, Autorin bei KUNST 5-10; E-Mail: [email protected] Download Zwei Arbeitsblätter, die man unter www.bdk-online.de, BDK-Mitteilungen, „zusätzliche Texte“ herunterladen kann, gibt es zu diesem Aufsatz. 20 BDK-Mitteilungen 3/2009