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Missbrauch Und Gebrauch Des Peculium

Missbrauch und Gebrauch des peculium

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  XXIV2 / 2005HerausgegebenvonHANS-JOACHIM DREXHAGEundKAI RUFFING SCRIPTA MERCATURAE VERLAG  Münstersche Beiträge z. antiken Handelsgeschichte Bd. XXIV,2 (2005), 125–145 125 Missbrauch und Gebrauch des  peculium Von Nadine Grotkamp „Sed et si quis, cum suspicaretur alium secum acturum, alio peculium avertat, dolo non caret   – Auch wenn jemand, wenn er vermutet, dass ein anderer gegen ihn klagen wird, das Sondergut anderswohin ableitet, ist er nicht frei von Arglist.“ 1  Im antiken Rom konnte nicht jeder, der Geschäfte tätigte, auch vor Gericht ver-klagt werden. Beklagte konnten nur gewaltfreie Personen sein, nicht aber Sklaven oder gewaltunterworfene Kinder. Trotzdem sind sie auch als Händler bezeugt, und ihre Geschäfte waren auch nicht ohne juristische Relevanz, denn in bestimmten Fällen konnte gegen den Gewalthaber, den Eigentümer des Sklaven oder den Va-ter des gewaltunterworfenen Kindes, vorgegangen werden. 2  Die Sondergutsklage ( actio de peculio ) war einer dieser Fälle. Wenn der Eigentümer aus einem Ge-schäft, das einer seiner Sklaven mit  peculium  getätigt hatte, vor Gericht belangt wurde, haftete er allerdings nur bis zum Wert des  peculium . 3  Das  peculium  war also ein Mittel, mit dem theoretisch (und unter bestimmten Voraussetzungen) die Haftung für riskante Geschäfte begrenzt werden konnte, und das möglicherweise deshalb auch für den Herrn eine vorteilhafte Form der Vermögensverwaltung war. Dass der Missbrauch für Juristen wie Ulpian, von dem der eingangs zitierte Satz stammt, ein Thema war, legt nahe, dass es auch in der Praxis dafür eingesetzt wurde.Das  peculium  erregt schon so lange das Interesse der Forschung, sowohl das der Historiker als auch das der Juristen, dass man meinen könnte, zu dem Thema nichts mehr sagen zu müssen. 4  Doch stehen die Überlegungen von Historikern und 1  Ulpian, l. 29 ad edictum , D. 15,1,21, pr. 2  Wenn im Weiteren nur noch von Sklaven die Rede ist, soll dies der Vereinfachung die-nen. Juristisch bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem  peculium  eines Sklaven und dem eines Kindes. 3  Gai. 4, 72a–74a; Ulpian, l. 29 ad edictum , D. 15,1,1,pr.; I. 4,7,4.4b. 4  Trotz des allgemeinen Interesses sind spezielle Untersuchungen zu dem Thema selten: I. Zerber, A study of the peculium of a slave in pre-classical and classical Roman Law, War-schau 1981; J. J. Brinkhof, Een studie over het peculium in het klassieke Romeinse recht, Meppel 1978; G. Mandry, Über Begriff und Wesen des Peculium, in: Herrn Geheimenrath und Professor Dr. Karl Georg von Wächter in Leipzig bringt zur Feier seines fünfzigjähri-gen Amtsjubiläums am 13. August 1869 ihre Glückwünsche dar die Juristenfacultät in Tü- bingen. Faks.-Neudr. d. Ausg. Tübingen: Laupp 1869, Tübingen 1987, 1–92. Interessanter ist die ausführliche Darstellung der adjektizischen Klagen in A. Bürge, Römisches Privat-recht. Rechtsdenken und gesellschaftliche Verankerung, Darmstadt 1999, 171–203.  126Juristen vielfach unverbunden nebeneinander. 5  Für Historiker ist das  peculium  vor allem ein eigenes, kleines Vermögen besonders tüchtiger Sklaven, die mit einer Art Taschengeld belohnt wurden und sich so durch einen kleinen Nebenerwerb das Geld für ihre Freilassung verdienen konnten. 6  Aber auch wenn nach Ulpian  pe-culium  von  pusilla pecunia  (kleines Geld) hergeleitet wurde 7 , konnte es beträcht-liche Ausmaße annehmen, was wiederum für die Sozialgeschichte interessant ist, da es zeigt, dass rechtlicher und sozialer Status nicht identisch sein mussten. 8  An-reiz und Belohnung erklären jedoch noch nicht befriedigend, warum Sklaven ein  peculium  eingeräumt wurde, zumal wenn es sehr groß war und der Umfang das überstieg, was zum Freikauf nötig gewesen wäre. 9  Möglicherweise spielten noch andere Gründe eine Rolle.Für Juristen ist die actio de peculio  schon durch ihre Konstruktion faszinie-rend. Denn obwohl das  peculium  ein Teil des Vermögens des  paterfamilias  war, sprechen die römischen Juristen von Forderungen des Herrn gegen den Sklaven, wobei sie ausführen, dass sie aus Verträgen, Rechnungsrückständen oder Delikt resultieren können (D. 15,1,9,6). Sie erwähnen in den Beispielen Geschäfte mit Gewaltunterworfenen, die eigentlich so nicht wirksam sein können, weil sie eine Eigentumsübertragung voraussetzen, etwa Darlehen (D. 15,1,9,8) oder Schenkun-gen an einen Sklaven (D. 15,1,29 u. 57,2). Für die ältere rechtswissenschaftliche Forschung verdeutlicht das  peculium  die Zwitterstellung der Sklaven, gleichzei-tig Mensch und Sache zu sein. Dass sie nämlich ein  peculium  haben konnten, kennzeichne sie als (begrenzt) vermögensfähig und damit als Mensch und nicht als Sache. 10  Die Funktion der actio de peculio im Wirtschaftleben wird heute vor allem darin gesehen, dass so ein mit einem  peculium  ausgestatteter Sklave für sei- 5  Zur Verbindung von Alter Geschichte und Rechtsgeschichte vgl. J.-J. Aubert, B. Sirks (Hrsg.), Speculum Iuris. Roman Law as a Re fl ection of Social and Economic Life in Anti-quitiy, Ann Arbor 2002, insbesondere ihre abschließenden Überlegungen, 169–181. 6  Vgl. F. Vittinghoff (Hrsg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römi-schen Kaiserzeit, Stuttgart 1990, 186 „meist in harter Arbeit gleichsam auf dem Schleich-weg erwirtschaftete Vermögenswerte“, ähnlich M. I. Finley, Die antike Wirtschaft, Mün-chen 3 1993, 67; G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, Wiesbaden 3 1984, 120, 167; J. Heinrichs, s.v. peculium, DNP 9 (2000), 461f; W.v. Uexcull, RE XXXVII (1937), 13–16. 7  Ulpian, l. 29 ad edictum , D. 15,1,5,3. 8  M. I. Finley (wie Anm. 6), 67–69. 9  Vgl. nur die Beispiele bei J. Heinrichs (wie Anm. 6), 461. 10  Bei W. W. Buckland, The Roman Law of Slavery. The condition of the slave in private law from Augustus to Justinian, Cambridge 1908 ist der Abschnitt zum  peculium  Teil eines der Kapitel „Slave as Man“ und dient dazu, die Zwitterstellung des Sklaven als Sache und Mensch zu illustrieren, ähnlich A. Watson, Roman Slave Law, Baltimore u.a. 1987, 95, der von der Humanisierung des Sklaven durch das  peculium  spricht.  127nen Herrn Verträge schließen und Rechte erwerben konnte. 11  Während es nämlich im römischen Recht grundsätzlich nicht möglich war, stellvertretend für andere Verträge zu schließen, eröffnete das Geschäft eines Sklaven, dem ein  peculium  eingeräumt war, auch eine Klagemöglichkeit gegen einen anderen, nämlich seinen  paterfamilias . 12  Derzeit besteht die Tendenz, gewerbetreibende Sklaven als instito-res  anzusehen, ohne andere Möglichkeiten näher in Betracht zu ziehen 13  – wohl in Anlehnung an Aubert,   der das  peculium  jedoch ausdrücklich nicht behandelt, aber  bei einigen Quellen darauf hinweist, dass aus ihnen nicht zu entscheiden sei, ob der Sklave als institor   oder mit seinem  peculium  handelt. 14  In letzter Zeit ist das  peculium  zudem verstärkt als Mittel zur Organisation von wirtschaftlichen Aktivitäten in den Blick geraten, um die These zu widerlegen, in römischer Zeit hätten keine Rechtsformen zu Verfügung gestanden, die den Anforderungen einer entwickelten Wirtschaft gerecht werden würden. Über das  peculium  könnten nämlich Haftungsbeschränkung und Geschäftsanteile konstru-iert werden. 15  Ein Eigentümer, der einen Betrag, den er in bestimmte Geschäf-te investieren will, seinem Sklaven als  peculium  gibt, haftet wie gesagt aus den dann auf das  peculium  bezogenen Geschäften nur in der Höhe des Wertes dieses Sonderguts. Außerdem könnten auch mehrere Personen Eigentümer eines solchen 11  Hierin sieht z .B. Kirschenbaum die Rolle des  peculium  im Wirtschaftsleben. A. Kir-schenbaum, Sons, Slaves and Freedmen in Roman Commerce, Jerusalem u.a. 1987, 31; auch A. Wacke, Die adjektizischen Klagen im Überblick. Erster Teil: Von der Reeder- und Betriebsleiterklage zur direkten Stellvertretung, ZRG 111 (1994) 356–362, führt in seiner Literaturübersicht (zu allen adjektizischen Klagen, auch zur „Sondergutsklage“) auffällig viele Werke zur Stellvertretung an. 12  Juristisch ist diese Formulierung nicht ganz korrekt: Verp fl ichteter war zunächst der Sklave oder Sohn selbst, doch besaßen diese kein eigenes Vermögen und konnten, solange sie gewaltunterworfen waren, nicht selbst verklagt werden. Mit der actio de peculio  und anderen adjektizischen Klagen konnte aber der  paterfamilias  belangt werden. 13  Etwa A. Lintott, Freedmen and Slaves in the light of Legal Documents from the First-Century A.D. Campania, CQ 52,2 (2002), 555–565. 14  J.-J. Aubert, Business managers in ancient Rome: a social and economic study of insti-tores, 200 B.C. – A.D. 250, Leiden 1994. 15  A. Wacke (wie Anm. 10), 286 spricht von gleichen Interessen bei GmbH und  peculium ; ähnlich A. di Porto, II diritto commerciale romano. Una zona d‘ombra nella storiogra fi a romanisca e nelle ri fl essioni sorico-comparaive dei commercialisti, in: Nozione formazione e interpretazione des diritto dall‘età romana alle esperienze moderne, richerche dedicate al  professor Filippo Gallo, Bd. III, Napoli 1997, 413–452; P. Cerami u. A. Petrucci, Lezioni di Diritto Commerciale Romano, Torino 2002, 61 „impresa a responsabilità limita“.  128Sklaven sein und ihre Anteile am Sklaven (und dem  peculium ) unabhängig von-einander verkaufen. 16 Es besteht jedoch die Gefahr, dass durch eine isolierte Analyse der Digesten-fragmente Möglichkeiten des Einsatzes des  peculium  aufzeigt werden, die den römischen Kau fl euten fern lagen. 17  Daher ist es notwendig, die Digestenexege-se mit der Analyse anderer Zeugnisse zu verbinden. Dies soll an einem kleinen Beispiel versucht werden, indem an einigen Geschäften, die durch die Urkunden des Archivs der Sulpicii 18  bezeugt sind, untersucht wird, welche Rolle dabei das  peculium  gespielt haben kann. Doch zunächst soll das eingangs erwähnte Frag-ment noch genauer betrachtet werden, das aus der Perspektive eines Juristen die Missbrauchsmöglichkeiten der Praxis anschaulich macht. 16   Servi communi : A. di Porto, Impresa collettiva e schiavo ‚manager‘ in Roma antica (II sec. a. C – II sec. d. C.), Milano 1984;  peculium  als company share: B. Sirks, The manage-ment of public loans of towns (the cura kalendarii ) and of their fi nances in general, in: Atti dell‘Accademia Romanistica Costantiniana, XII Convegno Internazionale in onore di Manlio Sargenti, Napoli 1998, 385. 17  Dies kritisiert etwa A. Bürge, Rez. Andrea di Porto, Impresa collettiva e schiavo ‚mana-ger‘ in Roma antica (II sec. a. C – II sec. d. C.), Milano 1984, ZRG 105 (1988) 856–865; zur Kombination des juristischen mit archäologischem Material A. di Porto, 1997 (wie Anm. 15), 422. 18  In einem zur Vorstadt Pompejis gehörigen Haus in der Nähe des antiken Hafens wurde 1959 im triclinium  ein Korb mit etwa 185 Wachstafeln gefunden, vgl. die Einleitung der kritischen Edition: G. Camodeca (Hrsg.), Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TPSulp.). Edi-zione critica dell‘archivio puteolano dei Sulpicii, Roma 1999.