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(1914d): Höherentwicklung Und Biologie (kritik Und Antikritik Der Menschenökonomie.) (polemik Gegen Schallmayer).

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ARCHIV FÜR RASSEN- UND GESELLSCHAFTSBIOLOGIE EINSCHLIESSLICH RASSEN- UND GESELLSCHAFTS-HYGIENE EINE DESZENDENZTHEORETISCHEZEITSCHRIFT FÜR DIE ERFORSCHUNG DES WESENS VON RASSE UND GESELLSCHAFT UND IHRES GEGENSEITIGEN VERHÄLTNISSES, FÜR DIE BIOLOGISCHEN BEDINGUNGEN IHRER ERHALTUNG UND ENTWICKLUNG, SOWIE FÜR DIE GRUNDLEGENDEN PROBLEME DER ENTWICKLUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON DR. MED. A. PLOETZ IN VERBINDUNG MIT DR, JUR.A,NORDENHOLZ, MÜNCHEN, PROFESSOR DER ZOOLOGIE DR. L. PLATE, JENA,PROFESSOR DER PSYCHIATRIE DR. E. RÜDIN, MÜNCHEN, UND DR. JUR. R. TH_URNWALD, BERLIN I I. MIT 2 JAHRGANG PORTRÄTS, I STAMMTAFEL, I PROBANDENTAFEL UND VI,ELEN ÜBERSICHTSTABELLEN IM TEXT LEIPZIG UND BERLIN VERLAG UND DRUCK VON B. G. TEUBNER 1914/ IS IV Inhaltsverzelchnis. Aus verwandten Gebieten und aus der nichtwissenschaftlichen Literatur. Seite Zahn, Burte, . i28 129 . Die Frauen von Tannö (Lenz). . . . . . . Wiltfeber, der ewige Deutsche (Lenz) ... Notizen. Die Ansiedlung von Europäern in den Tropen. 4. TeU (Fehlinger) . Bibliographie der Rassenhygiene (Hoffmann) . Unsere Bilder (Ploetz) . Aus der Gesellschaft für Rassenhygiene (Ploetz) Zeitschriftenschau . . . . . . Eingegangene Druckschriften . 13° 131 132 133 137 139 ; . . . .. Zweites Heft. Abhandlungen. Paulsen, Dr. J. in Kiel. Die Herrschaft der Schwachen und der Schutz der Starken in Deutschland (Fortsetzung von S. 20 und Schluß). . . . . . . . .. .. Kayser, Dr. B., Augenarzt in Stuttgart. Über den Stammbaum einer Familie mit Vererbung von Megalocornea nach dem Hornersehen Vererbungstypus. . .. von Hoffmann, Geza, in Berlin-Grunewald. Rassenhygienische Gedanken bei Platon von Hoffmann. Das Sterilisierungsprogramm in den Vereinigten Staaten von Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .' Weinberg, Sanitätsrat Dr. med. W., in Stuttgart. Zur Frage der Häufigkeit der Syphilis in der Großstadt. . . . . . . . . . . . . . . 145 170 174 184 193 Kleinere Mitteilungen. GraßI, Medizinalrat Dr. J., in Kempten. Der einjährige eheliche Aufwuchs in Baden Fehlinger, Dr. Hans, in München. Rassenbiologische Ergebnisse der letzten Volkszählung in Britisch-Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lenz, Dr. med. Fritz, in München. Ein weibliches Urteil gegen die Emanzipation 210 215 218 Diskussion und Erklärungen. Lenz, Bemerkungen zu Weinbergs Syphilisstatistik . . . . . . . . . . . . . Weinberg, Zur Fruchtbarkeitsberechnung und Mischehenstatistik ... . . . . Kammerer, Privatdozent Dr. Paul, in Wien. Höherentwicklung und Biologie . Schallmayer, Dr. W., in Krailling-Planegg bei München. Antwort auf P. Kammerers Plaidoyer für R. Goldscheid . . . . . 0 • • • • • • • • • • • • • • • 220 221222 • • 233 Kritische Besprechungen und Referate. • • • • • • e , • • • • • • • • • • • • Seite Preuß, Die geistige Kultur der Naturvölker (~rof .. Dr. Moritz Ho~rne~, Wien) ... Klaatsch, Die Anfänge von Kunst und Religion in der Urmenschheit (Hoernes) . Schallmayer, Rassenprobleme (Lenz) ... : .... Lanz-Liebenfels, Rassenmetaphysik oder die Unsterblichkeit und Göttlichkeit _ des höheren Menschen (Lenz) . . Snow~'an, Jewish Eugenics (Paul Kaznelson, Prag). . . . .. . . Schlatter, Die Mendelschen Vererbung~ges~tze be!m Menschen an Hand zweier Syndaktylie-Stammbäume (Dr. Otto I?le~ in He~lsau). . : . . . . . . .. ' : Greenwood and Yule, On the determination of SIze of family and of the distribution of characters in order of birth from samples taken through members of the sibships (Weinberg) '" .. : . Greenwood and Wood, The relation between the cancer and diabetes deathrates (Wein berg) '. " . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eugenics record office. Bul_letin No. II. Davenport and Rosanoff. Reply of the criticism of recent American work by Dr. Heron of the Galton Laboratory (Weinberg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Brown, Greenwood and Wood, A Study of index correlations (Weinberg) .. Peller, Der Einfluß sozialer Momente auf den körperlichen Entwicklungszustand der Neugeborenen (Dr. Hans Fehlinger) ... Kötscher, Kriminelle Anthropologie (Fehlinger) . . . . . . . . . ... v. Hentig, Alkohol und Verbrechen in Bayern (Diem) .......•. Most, Bevölkerungswissenschaft (Dr. Felix A. Theilhaber, ~harlottenburg) Sellh eim, Produktionsgrenze und Geburtenrückgang (Theilhaber) . . Grassl, Der Geburtenrückgang. Seine Ursachen und seine Bedeutung (Theilhaber) Sellheim, Das Geheimnis vom Ewig-Weiblichen (Theilhaber) . Lis smann, Geburtenrückgang und männliche sexuelle Impotenz (Theilhaber) R ö sie, Die Organisation der Morbiditätsstatistik in Rußland (Theilhaber) . . Sanarelli, Tuberculosi ed Evoluzione Soziale (Dr. Paul Cattani, Engelberg) . He g ar, Zur chinesischen, deutschen und amerikanischen Kriminalistik. Der Kampf gegen Minderwertigkeit und Verbrechen (Cattani). . . . . . . . . . . . . . For r er, Rassenhygiene u. Ehegesetzgebung i. schweizerisch. Zivilgesetzbuch (Cattani) Müller und Zürcher, Zur Kenntnis und zur Behandlung der Prostitution, ausgehend von der Prostitution in der Stadt Zürich (Cattani). . . . . . . . . . Collin, De la decadence et du relevement des peuples (v. Hoffmann) . Fischer-Eckert, Die wirtschaftliche u. soziale Lage der Frauen in dem modernen Industrieort Hamborn im Rheinland (Dr. Wilhelm Feld, Zürich) . Ehinger, Die sozialen Ausbeutungssysteme, ihre Entwicklung und ihr Zerfall (Dr. Michael Hainisch, Wien). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . " . . Lich tenfelt, Die Geschichte der Ernährung (Dr. W. Claaßen, Berlin-Lankwitz) .. o •• 0 '.' •••••• 254 255 256 259 259 •• 274 277 Aus verwandten Gebieten und aus der nichtwissenschaftlichen Literatur. Du Bois Re y m o n d , Über Neo-Vitalismus (Dr.Oskar Prochnow, Gr. Lichterfelde) von U exküll, Bausteine zu einer biologischen Weltanschauung (Prochnow) . . . Preyer, Lebensänderungen (Prochnow) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zellenund Gewebelehre, Morphologie und Entwicklungsgeschichte (Dr. med. et phil. H. v. Alten, Freiburg i. Br.). . r . • • • • • • . . • • • Gates and Thomas, A cytological study of Oenothera mut. lata and Oenothera mut. semilata in Relation to Mutation (Dr. E. Lehmann, Prof. der Botanik in Tübingen) . . . . . . , . . . . Greil, Tafeln zum Vergleiche der Entstehung der Wirbeltierembryonen (Dr. J. Schaxel, Privatdozent für Zoologie in Jena) Loeb, Artificial Parthenogenesis and Fertilization (Dr. E. Hirsch, Jena) . . . . . Harter, Das Rätsel der denkenden Tiere (Hirsch). v Me hel y, Species generis Spalax. Die Arten "der Blindmäuse in systematischer und phylogenetischer Beziehung (Prof. Dr. L. Plate, Jena). . . . . . . . . . Stromer v. Reichenbach, Lehrbuch der Paläozoologie. II. Teil: Wirbeltiere (Dr. C. Diener, Prof. der Geologie in Wien). . . . . • . . . . . . . . . . 0 v Inhaltsverzeichnis. • • • • • • • • • • • • • • 241 241 244 246 246 Po p e r t , Helmut Harringa. Eine Geschichte aus unserer Zeit (Lenz} 279 Rassenhygiene im Lehrplan der nordamerikanischen Universitäten (v. Hoffmann) . Leipziger Medizinerbund für Sexualethik (Lenz). . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter internationaler Kongreß für Vererbungs- und Züchtungsforschung (Lenz). . Zeitschriftenschau . . . .'. . . . . . . Eingegangene Druckschriften . . . . . . ~ . . 0 247 249 249 . . . Notizen. • • • • • • 281 281 281 28~. 285 Drittes Heft. Abhandlungen. 0, 250 253 Wrzosek, Dr. Adam, Prof. der Pathologie, und Maciesza, Dr. Adolf in Krakau. Über die . Entstehung, den Verlauf und die Vererbung der durch Rückenmarksverletzung hervorgerufenen Meerschweinchen-Epilepsie . . . . . . . . . . . . -~ 290 Disiussion und Erkläf'Ungen. 222 gelitten habea. Diese war jedenfalls noch erheblich ungenügender, als sie nach Theilha b er s Darstellung erscheint. . Was die Mischehen anbelangt, so wäre es jedenfalls erwünscht, wenn Theilhaber einmal feststellen würde, wie viele davon tatsächlich Rassenmischehen und nicht. nur Konfessionsmischehen waren . und wie sich das Alter der Eheschließenden in diesen beiden Gruppen im Vergleich mit dem sämtlicher Eheschließenden verhält. Ferne); wurde es sich empfehlen, eine Anzahl solcher Mischehen einmal individualstatistisch zu verfolgen, da selbst bei normalen Heiratsaltersverhältnissen. über deren Bestehen wir noch nicht orientiert sind, ~ es immerhin möglich. wäre, daß nach Übertritt des zweiten Ehegatten die weiteren Kinder sich der statisti .. sehen Erfassung entziehen: Verdächtig ist jedenfalls, daß die Fruchtbarkeit der Mischehen nach den Angaben Theilhabers schon 1875-81 mit 1,0 .kaum größer war als 19°2-11 (0,8),u~d es sollte jeder Zweifel über diesen' Punkt behoben werden. Damit würde die im übrigen verdienstliche Arbeit Theilhabers auf diesem Gebiete entschieden an Wert gewinnen e, Höherentwicklung und Biologie. (Kritik und Antikritik der Menschenökonomie.) Von PAUL KAMMERER in Wien. "N aturwissenschaftlichdenken, heißt aber an neue, große Möglichkeiten g lauben und nicht ap o s t e r io r isc h wähnen, es könnte nichts außer uns und in uns vollkommener sein, als es ist." R. Goldscheid, Höherentwicklung, S.246. "Mißverst~hen ist nicht nur viel leichter als verstehen, sondern auch Viel förderlicher bei der Bekämpfung einer Lehre." W.Schallmayer, Höherentwicklung,S. 167. In Heft 3 und 4 (1913) der Zeitschrift für Sozialwissenschaft unterzieht W. Schallmayer das Werk "Höherentwicklung und Menschenökonomie" vonRudolf Goldscheid einer Kritik, die den Zweck verfolgt, einer Überschätzung vorzubeugen, die jenem "so wenig wissenschaftlichen Werk sogar von manchen , die nicht von seiner Tendenz bestochen sind", unverdient zuteil geworden sei. Schallmayers Kritik. gipfelt im Vorwurf, daß die biologischen Prämissen, deren sich Goldscheid zu seinen soziologischen Folgerungen bedient, unrichtig seien, ja daß Goldscheid die wichtigsten Tatsachen der Biologie teils nicht kennt, teils nicht versteht. . Lediglich hie r setzt meine Antikritik ein, da dies für mich als Biologen am nächsten liegt; einer Verteidigung des soziologischen Teiles bedarf GoI d s ch eid nicht, - oder wenn, so ist er selbst dazu berufen. Schallmayer meint, das Buch sei "von manchen Rezensenten sehr gerühmt worden, weil sie die Hinfälligkeit seiner biologischen Grundlagen nicht kennen". In der Klage üb er den Mangel an naturwissenschaftlicher, speziell biologischer Schul u n g der Schriftsteller (die aber in zünftigen '"zoologisch- Diskussion' und Erklärungen. 223 botanischen Fachkreisen" meines 'Erachtens 'im Gegensatze zu Schallmayers be'rechtigter Erwartung noch 'w'eni~er "vertieft" anzutreffen ist als unter .den Sozio}oaen) komme ich ganz mit ihm überein; jedoch mit dem Unterschiede, d~ß ich di:sem bedauerlichen Umstande nicht die zu zahlreichen günstigen, sondern die noch im~er nicht genug anerkennenden Besprechungen 'zuschreibe •. Gerade unter den eigentlichen Biologen hat das .Goldscheidsche Werk bisher viel zu wenig Beachtung gefunden; nicht weil es mißfiel, sondern weil zu wenige ee lasen. Gut die Hälfte von Schallmayers Einwürfen wenden sich nicht gegen die im Goldscheidschen Buche vorgebrachten Tatsächlichkeiten, sondern gegen bloße Begriffsanwendungen; ja nicht einmal gegen hypothetische und theoretische Deduktionen, denen Schallmayer im Gegenteile einige Male Beifall zollt oder seine prinzipielle Übefeinstimmung zuerkennt, - freilieh mit denjenigen charakteristischen Einschränkungen, die gelegentlich gegnerischerseits widerwillig gemachtet Einräumungen üblich sind, nämlich daß es sich um "nichts Neues", sondern nur um "Selbstverständliches" handelt. Mehr als die. Hälfte von Schallm ay er s Einwänden sind also, wie gesagt, reine Wortdifferenzen., terminologische Auseinandersetzungen: Anlagen, Anpassung, Aszendenz, Generationswechsel, Kreuzung, Latenz, Naturauslese, Selektion, Teleologic, Variation und Vererbung seien von Goldscheid in mißverständlichem Sinne gebraucht worden. Zugegeben, daß er sie manchmal in etwas erweiterte~ oder vere~gert~m S~~~e g~braucht, oder daß sonstwie ihr- Geltungsbereich bel Goldscheid nicht völlig mit dem traditionellen übereinstimmt, so ist das allerdings, wie mir wohlbekannt, in den Augen des' typisch-:systemisierenden 'Gelehrten ein ungeheuerliches Verbrechen, aber ein gwßes Unglück ist es nicht, am wenigsten für Gültigkeit der damit ausgedrückten Tatsachen. Höchstens könnte man die F~rderung erheben, in solchen Fällen an Stelle der erweiterten oder in engerem Sinne gebrauchten neue Termini zu prägen; aber auch das will Schallmayer (S. 152 Note 2 und S. I67 Note I) nicht gestatten, obschon Goldscheid mit neu~n ~orte~~fü~ru~g~n keinen Mißbrauch treibt; manche gelehrte Veröffentlichung, die SIch förmlich WIe eine ganz fremde Sprache liest, könnte sich ein Beispiel. daran .ne~men. Go.lds ch e i d s Fremdwörter dienen stets entweder zur Vermeidung stilstörender Wortwiederholungen oder zur schärferen Herausarbeitung eines wic~tigen W or~sinnes, wobei die Etymologie jener so hart gerügten lateinischen WortbIldungen nirgends Schwierigkeiten bereitet. . Weiter+ tadelt Schallmayer den Reichtum von Goldscheids Sprache an "Superlativen und. Übersuperlativen"; auch da weiß ich a~s eig~~er Erfahrung, wie der rechte Gelehrte derartiges als Vergehen ahndet, WIe er N ucht~rnheit mit Trockenheit gleichsetzt und jede Temperamentsäußerung strenge ~us semen Worten und Werken verbannt; aber im vorliegenden Falle hat das Abweichen von dieser Regel wenigstens den Vorteil , daß sich Goi d sc he ids dickleibig:es We:k trotz seines erstaunlichen Ideengehaltes ver-hältnismäßig leicht, ohne "großen Zeit ... und Energieverlust", lesen läßt. In der Tat ist es m.ir noch ..mit. keinem wisse~schaftliehen Buche so gegangen wie mit seinem, daß Ich es nämlich sozusagen In einem Zuge, d. h. während eines Sommerurlaubs vom MOl:g~n bis .. zum Abend las, . bis ich damit fertig war; hingegen durch Schallmayers preisgekröntes W~rk h.abe ich mich nie bis zu Ende dnrchbohren können. Und wenn sich Goldscherd einer "ausgesucht zynischen Ausdrucksweise" befleißigt, die selbst Bezeichnungen wie 225 Diseussior: und Erklärungen. Diskussion und Erklärungen. .~,Menschenfabrikation", "Schundware Mensch" und "lfleischverwertung" nicht scheut, so tut er das wahrlich nicht in seinem Sinne, sondern teils um eine sehr instruktive" Homologisierung der gesellschaftlichen Bewegungen mit den k 0 nom i s ehe n zu erreichen" teils .um das' in der Praxis übliche Verfahren zu ' kennzeichnen, zu geißeln: Goldscheid sagt es, seine Gegner tun oder empfehlen es, wennselbst unter Anwendung einer ausgesucht humanen Ausdrucksweise. Mitunter sind die terminelogischen Einwände Schallmayers bloß fiktiv oder .konstrukti v, .so . besonders an Stellen. wo er Gold s ch e.i d Widersprüche im Ge .. brauch der Termini nachweisen will. In der Tat, wenn ich Goldscheids Buch nicht selbst, sondern bloß Schallmayers Bemerkungen dazu gelesen hätte', so wäre ich aufs äußerste betroffen und vielleicht sogar voreingenommen bei Einsichr, nahme der S. '240 wörtlich zitierten Stellen, wonach "Anpassung" von Goldscheid zuerst als unbedingt nützlich definiert und nachher das Vorkommen "schädlicher' Anpassungen" konstatiert werde. Liest man die inkriminierten Seiten im Goldscheidsehen Original (S. 84ff.), so findet man eine durchaus konsequenn, Begriffskritik , die das bisher oft für jed e Veränderung mißbrauchte Wort. "Anpassung" (es wird nur provisorisch und unter ausdrücklichem Vorbehalt noch in jenem generalisierenden Sinne gebraucht) auf die dem Organismus, förderlichen Veränderungen beschränken und alle übrigen äußerlich bedingten Veränderungen, die indifferenten sowohl wie die schädlichen, lieber als "Ausgleichungen" (sc, zwischen Organismus und Umwelt) bezeichnen will. . Ebensowenig ist es bei Goldscheid ein "Selbstwiderspruch "', wenn er Unterernährung, Überarbeit, Schlafmangel usw. als Quellen erblicher Entartung, geistige Schulung als Hirnevolution ansieht, bzw. zwischen jenen die Person treffenden Einflüssen und diesen Folgen davon für die Rasse keinen Unterschied mehr macht. Er setzt sich darüber schließlich nur deshalb hinweg, weil er vorher auf Grund biologischer Fakten nachgewiesen zu haben glaubt, daß jener Unterschied nicht existiert. Wie wenig unser biologisches Tatsachenmaterial zur Errichtung eines derartigen Unterschiedes ermutigt, soll- noch betont werden; für jetzt wollte ich .nur ausführen" daß man demgegenüber von einem Autor nicht sagen darf, er "wisse" nicht zu unterscheiden. Nicht unterscheiden zu können, wo Unterschiede fehlen, wie z. B. zwischen Beeinflussungen des Individuums und der Rasse, wovon es ein Teil ist, erscheint als kleineres Übel demjenigen gegenüber, nicht vorhandene Unterschiede künstlich, zu errichten. Erweist sich so Schallmayers Vorsatz, in Darstellung der Goldscheidschen 'Anschauungen trotz aus ihrem Zusammenhange gelöster wörtlicher Zitate "nirgends gegen den Sinn und Geist des Verfassers zu verstoßen", als mißlungen, so wird die mißverständliche Darstellung geradezu gefährliches Verhängnis, wenn Go I ds c h e i d sche Begriffserwei teru ngen ganz oberflächlich ausgelegt und abgeurteilt werden, - in einer Weise, die dem Leser des Schallmayerschen Aufsatzes, der mit Goldscheids Werk selbst nicht bekannt ist, plausibel ersch~inen müssen und dennoch schwere Verkennungen involvieren. Dies gilt fast am meisten von willkürlicher Herauslösung des Satzes: "In einem anderen Fall werden bestimmte Funktionsreize im Soma hervorgerufen, die Kontrastreaktionen im Keimplasma zur Folge haben, so daß hier gerade die Nichtvererbung der Ausdruck der Vererbung' ist." Wer nicht das ganze betreffende Kapitel studiert hat, dem kann jener Satz unsinnig vorkommen; aber doch schon der Satz allein muß jeden, der nicht am bioßen Wort und herkömmlichen Begriff hängt, zum Nachdenken anregen. GoI dscheid hat hier in der Tat einen Punkt berührt, worin unser Vererbungsbegriff (natürlich nicht der 'starre W e is m.a n n sche, denn der ist nicht erweiterungsfähig) erweiterungs bed ürf'ti g erscheint. Derselbe kontinuierliche Lebensprozeß , dessen eine Phase wir "Vererbung" nennen, erschöpft sich nicht in unveränderter Produktion des Gleichen: auf Übersehen dieses Umstandes beruht es z. B., wenn man je die Vererbung von Verstümmelungen erwartete. Die Verletzung als solche ist nämlich, wie jüngst Sem 0 n überzeugend auseinandersetzte , selbstredend keine Reaktion des Organismus, sondern seine Reaktion auf die Verletzurig ist die Wundheilung und das Ersatzwachstum; sie ist in diesem Falle eine Reaktion, die genau das Gegenteil am Individuum hervorzubringen bestrebt ist und am Keim wirklich hervorzubringen vermag, als was. die zuerst sichtbar werdende Veränderung hervorbringt: keinen Defekt, sondern eine Restitution, 'die am entwickelten Organismus mehr oder weniger unvollkommen sein kann, am Keim aber vollkommen ist nach der Regel, daß das Regenerationsvermögen desto größer ist, je geringer das ontogenetische, und je höher das phylogenetische Alter. Die Reaktion des Organismus ist demnach hier eine Kontrastreaktiön, und sie ist es, die an den Nachkommen zum Vorschein kommt: statt des Fehlens' eines Körperteiles sein vollständiges V orhandensein. Da jeder Defekt, auch die Hypotypie des schon vom verletzten Individuum gebildeten Regenerates, infolge stärkerer regenerativer Potenzen des Keimes an den Nachkommen zu fehlen pflegt, ist es schwer, nachzuweisen, daß am Keim überhaupt eine korrespondierende Reaktion vonstatten gegangen ist. Doch gelingt dieser Nachweis bei Formen, die nach einer Verstümmelung mehr restituieren, als sie verloren haben, nicht als sog. Hyperregenerate, ,die durchwegs MißbÜdungen darstellen, für deren Entfernung oft schon beim. Individuum durch besondere Mechanismen gesorgt ist, - sondern als Superregenerate, die ein völlig harmonisches, nur mit größerer Wachstumsenergie begabtes Gebilde zu liefern imstande sind (vgl. eine vorläufige Erwähnung meiner. diesbezüglichen, noch unveröffentlichten Untersuchungen bei Semon S. 581)). Ähnlich wie das Verhältnis zwischen Verletzung und Regeneration ist dasjenige zwischen Vergiftung und Immunität. Auch hier kann das erbliche Resultat als Kontrast 'er- 224 -ö scheinen. Übrigens bezeichnet Schallmayer selbst (S.,241) - freilieh in anderem. Si~ne, worauf wir noch zurückkommen - die Vererbung als Quelle der Va r ia t i o n und gibt dadurch zu, daß der Vererbungsbegriff nicht auf den Vorgang beschränkt zu sein braucht, der strenge Gleiches von Gleichem herleitet. Das hindert S challmayer nicht, ,G old sc he i d auch dort anzugreifen" wo er "Vererbung", noch in.diesem, nicht seiner eigenen, sondern der traditionellen Meinung entsprechenden Sinne gebraucht. Das geschieht in der Auseinendersetzung des Verhältnisses von V ererbu~g und Variabilität ; "Hundertprozentige Vererbung heißt Invariabilität. Schrankenlosigkeit der Variabilität ist gleichbedeutend mit Ohnmacht der Vererbung'" (G 0 Ids eh eid S.266). Der unbefangene Leser dieses Satzes wie auch derjenigen Sätze gleicher Bedeutung, die S challmayer zitiert, wird zugeben, daß sehr gutverstanden werden kann, wie sie gemeint sind: in ihrer aphoristischen Kürze e~thalten sie dennoch ein ganzes I) Vgl. bei allen Namen~nennungen das dem Schlusse angefügte Schriftenverz e ich n is, Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie. 1914. 2. Heft. IS 226 Diskussion und Erklärungen. Programm, gleichsam das theoretische Monogramm des ganzen Buches. Vor allem einmal ist Variabilität nicht das~elbe wie Variation: De Vries, Jennings,' und namentlich, Pet e r (der die übrige Literatur zitiert) machen nachdrücklich dar.auf aufmerksam, Variabilität ist "der Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, unter einer gegebenen Anzahl von Individuen individuelle Verschiedenheiten der Merk_ male anzutreffen", Variation dagegen der "Vorgang, dessen Resultat innerhalb der Spezies individuelle Verschiedenheiten der einzelnen Merkmale sindv, Varia_ bilität kann also nur an einer Vielheit von Varianten (Individuen oder Teilen derselben) erkannt, die Variation und ihre Größe schon aus Vergleich von zwei oder wenigen Varianten erschlossen werden, " Die Variation ist groß, der Vorgang der Veränderung stark in Wirkung getreten, wenn die Abweichungen eines oder mehrerer Individuen vom Mitteloder von ihren Vorfahren bedeutende sind";-- die Variabilität ist groß, wenn bei gegebener Individuenzahl viele vom Mittelwert abweichen, sei es auch nur um einen geringen Betrag. Obwohl Variations- und Variabilitätsgröße meist Hand in Hand gehen, kommt es doch vor, daß die eine groß, die andere klein ist oder umgekehrt. Gewinnen die Go l d s c h ei-d schen Sätze schon angesichts dieser unumgänglichen Unterscheidung ein ganz anderes Ge- präge, als ihnen Schallmayer supponiert, so fällt seine Auslegungvollends zusammen vor der Erwägung, daß die der Variabilität zugrundeliegenden Variationen hier selbstverständlich als ab sol ute Variationen gemeint sind, nicht, als jene r e l ativen Variationen, die sich in beständigen Spaltungen und abermaligen Kombinationen gelegentlich Reduktion und Amphimixis äußern. Das Relative dieser mit Vererbungsprozessen einhergehenden "Variation'.' äußert,Schallmayer selbst seht' gut, indem er (S. 241) sagt: "Dieselbe Eigenschaft, die gegenüber dem einen Aszendenten als Variation, erscheint, erscheint gegenüber einem anderen Aszendenten als Vererbung", .:__ dem einen gegenüber als Abweichung, dem anderen als Gleichheit und deshalb gar nicht als Variation. Nur für wirkliche Variatio~en,. Veränderungen, Neuerwerbungen gilt Goldscheids Satz, nicht für bloße Abweichungen unter Individuen, denen der Schatz des Ahnenerbes ungleich 'zugeteilt worden war. Um daher das Zutreffende, die philosophische Tiefe des Satzes. zu erfassen, muß man eben hinter den Worten mehr suchen als Worte, nämlich deren gedanklichen Inhalt. Diesen so auszudrücken, daß er gleichsam auf dem Präsentierteller. bereit liegt, ist unserer Sprache leider nichtimmer gegeben, - sie ist, wie wir wissen, unzulänglich, um einigermaßen tiefgründige Dinge so zu nennen, daß Wort und Sinn einander restlos entsprechen. Die Erkenntnis käme nicht weit, wollte sie sich an Grenzen binden, die ihr vom sprachlichen Ausdruck gesteckt sind, :_ versteht sich von dessen buchstäblicher Auslegung, der, aus' kraß un •. wissenschaftlichem Volkstum übernommen, von falschen Gleichnissen, Bedeutungswechseln und jahrhundertelang mitgeschleppten Irrtümern wimmelt. S6 mancher berühmte Gelehrte wäre nie verstanden worden, hätte man sich an den Wortlaut seiner Werke halten müssen. " der Noch mehr als vom Ausdruck "Variation", hier nicht zwischen Abweichung' :und Veränderung unterscheidet, gilt die Unzulänglichkeit 'der Sprache VOIP< Ausdruck "Vererbung": diese dem äußeren Erbe menschlichen Besitztums. entlehnte Metapher wird in der Biologie mit mäßigem Glücke aufs Fortbestehen organischen Besitzes übertragen, einen in Wirklichkeit kontinuierlichen Vorgang, worin das Vererbungsmoment nur eine willkürlich herausgegriffene Phase bedeutet .. Diseussion und Erklärungen. 227 Das Herausarbeiten solch~r Begriffe ist zweifellos' eine Aufgabe der Wissenschaft, . aber nicht die einzige: der Analyse muß immer wieder die Synthese folgen; und die Systemisierung wird fortschrittsfeindlich, .sobald wir, die Begriffsgrenzen für wirklich~ Schranken zu halten beginnen (man denke nur an den Artbegriff im Konstanzglauben 'und im Lichte der Deszendenzlehre), statt uns ihrer zwar. als Abstraktionen bewußt zu bleiben, a.ber gleichzeitig auch ihres Verfließens, Ihrer Übergänge zu Nachbarbegriffen gewahr zu werden. Erstarrung begrifflicher Grenzen ist für die Wissenschaft ebenso nachteilig wie deren völliges Übersehen; um die Gefahr der Erstarrung abzuwenden, ist es aber gut, wenn einmal-gesagt wird, Vererbung sei ein bloßes 'Bild, kein reelles Geschehen. Es ist deshalb ein gutes Zeichen für Goldscheids Begriffskritik, wenn ,er für ein Ding, das innerhalb der übrigen organischen Reproduktionen keine selbständige Realität hat, auch keinen Begriff besitzt. Zu meinem eigenen Bedauern mußten die bisherigen Ausführungen mehr ph i lo l o g is ch als bi~logisch sein: ich bin bereit, gleichwie die Sc ha l lmaye~schen Einwände dieser Beschaffenheit, so auch meine Gegeneinwände nicht sehr schwer zu 'nehmen: sie sollen nur zeigen, daß ebendort, wo 'ein Beurteiler, der mit .der Grundanschauung nicht einverstanden ist, alles zu bemängeln findet, ein anderer Beurteiler, der sich denselben Gedanken zuneigt oder von ihnen "bestechen" läßt, mit gleichem Recht Beifall spenden darf. Ernster sind die Bedenken, die gegen Schallmayers tatsächliche Einwendungen sprechen. Beginnen wir mit solchen, die eine gewisse Berechtigung oder einen Schein der Berechtigung für - sich haben: da stößt man vor allem auf GoI dscheids Äußerungen betreffs der Reifeteilungen: gewiß, laut Paradigma sollen beide der Befruchtung vorangehen. Aber bei sehr vielen Tieren, ganzen Klassen, ~ fällt das Eindringen des Spermiums zwischen beide Reifeteilungen (Amphioxus, Frosch) oder wird gar erst von ihnen gefolgt (Nematoden, Anneliden, Gasteropoden). Angenommen, Golds c h e i d hätte das wirklich nicht gewußt: sondern seine Aussprüche, die nicht dem schematischen Vorgang entsprechen, gmgen aus Unkenntnis hervor, - was verschlägt das gegenüber den Endergebnissen? Schon daß tatsächlich oft eine oder beide Reifeteilungen erst auf die Befruchtung folgen, zeigt, daß es keinen ~esentIichen Unterschied macht. So belanglos sind ab.er , auch die übrigen Ungenauigkeiten und .Unrichtigkeiten, die man Goldscheid nachsagen könnte: sie bedeuten etwa ebenso viel, wie, wenn man das mechanische, Prinzip einer Maschine richtig beschreibt und dabei die Länge einiger die Teile zusammenhaltender Schrauben um etliche Millimeter zu lang, oder zu kurz angibt. Jedem, der ein Grenzgebiet bearbeitet, werden solche Unstimmig~eit~n bei Erörterung ihm weniger geläufiger Teilgebiete unterlaufen: Goldsch~ld ist Soziologe und wollte doch keine Naturgeschichte der Tiere und Pfianz~n schreiben; man kann für seine Zwecke billigerweise auch nicht verlangen, daß er z. B. die . Chro~osomenverhältnisse 'der Nematoden oder die Phylogenese der Scyphomedusen beherrscht. Mit dem I-rrtum, der Goldscheid angeblich - ich betrachte es aus den von Schallmayer angeführten Sätzen nicht als bewiesen - hinsichtlich des Keimp la s ma b eg r iffe s unterlaufen ist, steht die Sache sogar noch etwas anders. Vielleicht zwar müssen dann die Hormonwirkungen, die sich für den Einfluß der ,$eimsphäre" aufs Soma verwerten ließen, entfallen. Ich sage "vielleicht", weil ' 15* Diskusslon 'und Erklärungen. 228 ihre auschließliche Herleitung von den Zwischenzellen noch mancher widerspre .. ehenden Tatsache begegnet: so bleibt das Männchen, dessen Samenkanälchen unter Schonung der Zwischensubstan~ durch Röntg~.~strahlen zerstört wurden, zwar im Vollbesitz seiner' Geschlechtsattribute (Tandler), aber die elektive ZerstÖrun der ovogenen Gewebe bringt beim Weibchen Kastratentypus hervor' (B 0 u i n un~ Aucel). Wägt man alles unparteiisch ab, so scheint es am ehesten, als ob das interstitielle Gewebe für etliche, das generative Gewebe der Keimstöcke (hier also mit Einschluß des eigentlichen Keimplasmas) für andere Wachstumswirkungen verantwortlich sei. Sehen wir aber von den inneren Gonadensekreten ganz ab, so hat sich Goldscheid, wenn' er wirklich die ganzen Keimdrüsen oder Keimzellen statt nur die theoretisch dafür geltenden Kernsubstanzen der letzteren als "Keim~ plasma" ansprach, seinen Standpunkt nicht e~eichtert, sondern erschwert. Daß nämlich ein ganzes, von bindegewebigen Hüllen umschlossenes Organ, und daß die aus dem Verbande des Keimepithels gelösten, zur Ausstoßung be~eiten Sexualzellen gegen Einflüsse ihrer unmittelbaren Umgebung geschützt sein könnten, ließe sich vom gegnerischen Standpunkt aus allenfalls noch plausibel machen; jedenfalls wäre es schwerer zu widerlegen als die vermeintliche Unbeeinflußbarkeit gewisser im Zellkern, noch dazu gerade besonders im Kern der Geschlechtszellen gelegener Stoffe, von' denen wir doch zur Genüge wissen, daß sie mit den Stoffen des Zellplasmas in beständiger Wechselwirkung stehen. Dann kommt noch dazu, daß bei Beschränkung des Keimplasmas s. str. auf das Keimbläscheninnere nicht einmal der Aufbau des neuen Individuums als aus reinem Keimplasma hergenommen garantiert werden kann, weil doch die Zytoplasmen von Ei und Samen, also somatisches Material, ebenfalls' daran Teil haben. Ja nicht einmal die berühmten ontogenetischen Beweise für die Kontinuität des Keimplasmas, wie sie etwa von der Embryogenese des Ascaris dadurch geliefert werden, daß die Urgeschlechtszelle schon von An. fax:g an reserviert und kenntlich ist, behalten dann ihre überzeugende Kraft. Aber wozu das erst lange auseinandersetzen ?: die ganze moderne Zellularphysiologie ist ja geradezu ein Hohn auf jenen immer rein hypothetisch gewesenen Keimplasmabegriff, der sich nur noch durch seine Suggestionsmacht forterhalten kann, . von den+direkten Gegenbeweisen der Entwicklungsmechanik, Regeneration und Vererbung ganz zu schweigen. Indem man dann derartige, ihrer sachlichen Geltung nach eigentlich. bereits historisch gewordene Hypotheser:t schlechthin als bewiesene Tatsachen nimmt, gelingt es leicht, alle anderen Ansichten als "ganz unhaltbar" (S. 156 Note I und 162 Z. 10, 165 7 von unten), die das Individuum treffenden Schäden apodiktisch als "vermeintliche" Entartungswurzeln (S. 160 Z. zvon unten) zu bezeichnen und zu behaupten, daß Rassen- und Personenhygiene gar nichts' miteinander zu tun haben (S. 159, 161 u. a.). Dann kommt "man" aber auch zu den von GoI d sc h eid mit so viel Recht gerügten Widersprüchen, indem häufig das, was' als Personenhygiene gut, als Rassenhygiene schlecht erscheint oder umgekehrt, z. B. Militärkonskription (S. 157) und Lehrerinnenzölibat (S. 158); soll man nun der Rasse oder der Gesellschaft wehe tun? Eine Lehre mit gesundem Wahrheitsgehalt müßte von solchen Verlegenheiten und Halbheiten verschont bleiben und immer den einheitlichen Weg vor sich sehen! Dualismus ähnlicher, nur noch unbegreiflicherer Art ist es, wenn Schallmayer die Vererbung erworbener Eigenschaften, im Falle sie sich dennoch bewahrheiten sollte (!), für praktisch minder z. \ Diskussion, und E rklärung-en.· ,229 wichtig erklärt, da. biologischer Artwandel und Veränderung (Vervollkommnung .oder Verschlechterung) der Rasse grundverschiedene Dinge seien;. bisher dachte ich, dies sei nur Spezialfall von jenem! Oder wenn unveränderte Rassentüchtigkeit der Israeliten als Argument gegen erbliche Wirkung schlechten Milieus ins Treffen geführt wird, -:- in Anbetracht der vielen körperlichen Degenerationssymptome gerade der jüdischen Rasse (vgl. Friedenthai) ein· schlecht gewähltes Beispiel! . An der einzigen Stelle, wo Schallmayer die Möglichkeit einer Vererbung somatogener Eigenschaften als noch schwebende Frage hinstellt. (während er sie sonst von vornherein in verneinendem Sinne als erledigt ansieht), beruft er sich .auf Plate und Semon, nach denen Hdie durch deri Gebrauch oder Nichtgebrauch irgendwelcher Organe des Körpers, z. B. des Gehirns, bewirkten Vervollkommnungen, Verkümmerungen und s_onstigen Veränderungen erst im Laufe einer sehr großen Zahl von Generationen überhaupt merklich werden können". Hier hat er wieder jenen ganzen Komplex passiver Veränderungen des Soma. weggelassen, die. durch bessere oder schlechtere Ernährung" und andere physikalisch - chemische Energi~n der Umw~lt (Licht, ·Wä.rme, .Feuchtigkeit usw.) direkt auf die lebende Substanz '~inwirken und schon in zweiter Generation, selbst beim Aufhören der schuldtragenden Faktoren, erblich sein können. Darüber braucht nicht mehr spekuliert zu werden, denn dafür besitzen wir eine Unsumme experimenteller Beweise, an denen, wenn man. durchaus will, der Übertragungsmechanismus auf die .' Keimzellen, der Vererbungsweg strittig ist, nicht aber die Vererbung selbst. Negative Erfahrungen, wie die von,schCl:lhpayer zitierten Johannsens, können nur beweisen, daß nicht alle derartigen Wirkungen sogleich das Keimplasma erreichen (was ja niemand je behauptete); das Gegenteil jedoch, daß keine ihren Weg dahin findet, beweisen: sie nur in den Augen derj enigen, die sämtliche g~genteiligen Erfahrungen ignorieren. Und wenn uns noch nicht bekannt ist, wie Uberarbeitung, Unterernährung, Licht- und Luftmangel, einseitige Inanspruchnahme ' einzelner Organe, Ermüdungstoxine auf die menschlichen Keime einwirken, so darf uns doch zur Genüge (wenn nicht anders, dann - gleichwie in der Medizin per analogiam vom Tierv'ersuch) bekannt sein, daß sie dort einwirken; und ist ~s. uns nicht im speziellen bekannt, so tragen nur. die Gegner Schuld daran, die .das 'Problem seit Jahrzehnten mit einem 'Wall von Vorurteilen umgeben und unbefangenen Forschern den Weg zu seiner Lösung ve~sperren. Schallmayer wirft Goldscheid vor, daß er vieles nur gemeinhin behauptet, nicht aber genau benennt. Ich will mir das gesagt sein lassen und ganz präzise noch mehr "fundamentale Selbstwidersprüche" aufzeigen, in denen Sch a l lm a y er auf "Weismann und-seiner Schule", dem Neudarwinismus, und auf der modernen genetischen. Schule, dem Neomendelismus, fußt. Das betrifft vor allen Dingen einmal den La t eu z beg r iff: Sc h a.Ilm ayer definiert latente Anlagen als "solche, die zwar in der Erbsubstanz ... eines Individuums enthalten sind und darum von diesem an seine Nachkommen weitervererbt werden ... , die aber für die persönliche Entwicklung des betreffenden Individuums g~r nicht vorhanden, sondern. vollständig ausgeschaltet sind; folglich auch durch keinerlei Ein wirkungen von außen (Entwicklungsreize) zur Entfaltung gebracht werden. können". Aber wie merkwürdig: wenn es gilt, einen klaren Beweis für' die Vererbung irgendeiner künstlich aufgezwungenen Eigenschaft abzuschwächen, lautet der immer wiederkehrende Haupteinwand "Weismanns und seiner Schule", die betreffende Eigen- D~kussio'n und·Erklärungen. ' Di.skussion und Erklärungen. 23° .schaft sei gar nicht neu, .daher nicht erworben, sondern latent bereits im Keim plasma vorhanden gewesen, - es handle sich bloß um Reaktivierung die .... _ d . . h ,.;' ser la ... tenten 0 er atavistisc en Anl~ge durch den im Experiment verwendeten Milieu .. faktor. Dann also ,konnte,n dIe Lat~.nzen du_r~h "Einwirkungen von 'außen" Zur Entfaltung gebracht werden! Man konnte wohl fragen "ewoher denn di G egner ..' das alles so bestimmt WIssen, denn die "Anlagen" im Keimplasma sieht· . ht: ' hI . '.. man Ja nie t, wo aber sieht man, daß eme bisher unbekannte Eigenschaft am '0 rganls_ . . ' , .mus vollkommen parallel abgestuft mit dem Experimentalfaktor in Ersch . . . ' . ' . elUUng tritt; demungeachtet wurde Jener Einwand unter völliger Außerachtlassun d s~rgfältigsten Kontrollversuche und Kontraargumente (die mindestens ~ätt:r widerlegt werden müssen) beispielsweise in neuester Auflage von Weisman n "Vorträgen '(die cl ~s . . über Deszendenztheorie" gegen meine Untersuchungen "ann erst Jetzt eme Rolle spielen), frisch aufgenommen und in den Besprechungen über .. all gläubig nachgebetet. - Weiter heißt es bei Schallmayer: ;,Diese Latenz ~.pielt in der' Ver~rbungsbi.ologie eine außerordentlich große Rolle." Demgegen_ uber b~haupten die Genetiker , allen voran Johann sen, und' Lang, die Begriffe' Latenz und Atavismus seien in voller Auflösung begriffen; es sei im einzelnen Fall stets etwas anderes dafür einzu~etzen, bald Spaltung (Rezession), bald Kombination (Zusammentreffen vo~ Stoffen, deren einer die vom anderen repräsentierte Eigenschaft erst zu .katalysieren vermag), bald' Fluktuation je nach Gunst der Lebenslage (Shull). e~n daher z. B '. bei günstiger Lebensla~ Anlagen manifest werden, die b~i u~gunst1ger latent bleiben, so darf man in diesem Sinne sogar unter Autorisierung seitens der orthodoxen Genetik sagen ': "Dasselbe Individuum in verschiedener Umgebung hat verschiedene Anlagen." Falls man nicht lieber die ketzerische An .. sicht , daß ein guter Teil erblich noch unfixierter "Anlagen" überhaupt .erst vorn Milieu bestimmt, verändert und geschaffen wird, in ihrem Extrem vertreten will, welches mindestens ebensoviel Wahrscheinlichkeit für sich hat wie die Hypothese von ihrer festen Präformation. Ich würde dann den GoI d s ch eid sehen Satz ein wenig variier~n und so ausdrücken: "Dasselbe Individuum in verschiedener Umgebung bekommt verschiedene Anlagen." So viel genügt, um den Goldscheid~ schen Anlagenbegriff gegen Schallmayer zu rechtfertigen.' . Fe~nere Widersprüche beziehen sich auf den Selektionsbegriff. Hier:zeigt SIch WIeder der durchgängige Dualismus unserer Gegner, der sie Unterschiede , sehen läßt, wo keine sind, worauf sie uns, die wir dort natürlich keine Unterschiede z~ sehen ~e:mög~n, deren Übersehen vorwerfen. Man sollte nicht glauben, es konnte stnttIg sem, daß ~s für die Rasse dasselbe bedeutet, ob ein Individuum jung oder alt stirbt, ohne sich fortgepflanzt zu' haben. Für die Rasse ist beides "letale. Selbstr~~nigung", ist der TOd einer Person, die sich nicht fortgepflanzt hat, ~tet~ e~n.vorzeitIger Tod, und ~ätte sie das Alter Methusalems erreicht. Die S. 242 lnknIDIU1erten Sätze Goldscheids enthalten daher nicht den mindesten Widersp.ruch: sie sind aus verschiedenen Teilen des Buches hergeholt, wo es nötig, war, mit anderen Wort~n das Gleiche zu sagen. ---: Dann meint Schi:tllmayer, die Ausschaltung der gemalen Begabungen im Leben der Gesellschaft habe mit Selektion ni~hts zu tun, "denn das Erlangen sozialen Einflusses geht ja bei uns nicht mit großerer Fortpflanzung Hand in Hand, sondern sogar umgekehrt". Bisher war ich der Ansicht, daß eine gewisse gesicherte sozia~e Lebensstellung zur FamiliengrünN :-v dung nötig oder wenigsten,s förderlich sei, wenn nicht ein Nachwuchs "Vonverkürnmernde~ Proletarierkindern in die Welt. gesetzt werden soll, - wie es' oft geschieht, und dann den Vererbungstheoretil{~rn Anlaß zur" Behauptung gibt, geistige Eigenschaften und erst recht Ausnahmsbegabung~n vererbten sich nicht. Weitere Widersprüche betreffen den Variationsbegriff. Schallmayer bemängelt .in möglichst krasser Weise, daß z. B. "Hühneraugen,' Frostbeulen, rh~umatische Gelenkveränderungen, Knoche~brü~he", uS,w. alle, unter die Gol,dscheidsehen ~,ontogenetischen" oder "somatischen" Variationen entfielen, und fügt hinzu: "Das Bestreben, grundverschieden~ Dinge' durch Bezeichnung mit demselben Wort zu vermengen, entspricht ,gewiß keinem wisse'nschaftlichen, Bedürfnis." Nun haben aber gerade die Noudarwiniaten und Genetiket, zuerst wohl de Vries, dann Johannsen, Baur, Bates~n, aus dem anderen Lager Plate, eine der-, artige Einteilung aller Variationen getroffen, daß sie sie zunächst in erbliche "M utationen" (de Vries) oder "Bla'stovariationen" (Plate) und in nicht erbliche '"Modifikationen" (B a ur), "Somationen" (Pl a t e) oder" V ada tionen" (de Vries) -engeren Sinn~s trennen und innerhalb jeder von diesen beiden Haupt~uppen wieder eine Anzahl Untergruppen unterscheiden, von denen die eine, die "pathologische Variation", die von Schallmayer als so absurd empfundenen (übrigens von Goldscheid mit keinem Wort berührten) krankhaften und .akzidentellen Veränderungen in sich aufnehmen' wqrde. Das geschah mithin durch Autoren, die sich (mit alleiniger teilweiser Ausnahme, Plates) gewiß weit genug von G~ldscheids Anschauungen über Erblichkeit der Variationen fernhalten. Ja, dem einen davon, Bateson, ist in seinen "Materials .for the Study of Variation" das Miß" geschick passiert, eine' ganze Masse solcher von Schallmayer pers.ifliert~r unerb- ' licher Veränderungen, wie Spalt-Doppelbildungen und Bruch-Drelfachblldungen, kurz: mißbildete Hyperregenerate" mit echt erblichen Variationen zu verwechseln. Freilich gesc~ah das vor Einsetzen intensiv experimentierender Tätigkeit auf dem Gebiete der Regenerationslehre , so daß der regenerative Ursprung manch derartiger Bildung noch unbekannt sein durfte; aber jedenfalls zeigt sich die Ungerechtigkeit in Schallmayers Vorwürfen, der solche.Ver~ehe~ nu: unt~r der H~rrschaft einer geradezu, monströsen Unkenntnis der BIOlogIe, WIe SIe selDer AnSIcht nach Goldscheid auszeichnet, geschehen lassen will. Noch weitere Widersprüche betJeffen den Kreuzungsbegriff: Schallmayer , bemäno-elt es, "daß Goldscheid nicht nur die Bastardierung, sondern auch die einfachste' Amphimixis als Kreuzung bezeichnet". Nun, diesbezüglich befindet sich Goldscheid in voller Harmonie sowohl mit dem älteren Begriff, ~er im Gegensatze zur Selbstbefruchtung jed~ Fremdbefruchtung "Kreuzung" nannte, als auch ganz besonders mit den modernen mendelistischen Begriffen, "die überall von Kreuzung sprechen, wo ein Tier- oder Pflanzenpärchen, und gehore es derselben Art; Rasse', ja Familie an, sich in irgendeinem noch so unbedeutenden Merkmal unterscheidet. Pärchen, die sich .nirgendwo unterscheiden, gibt es kau~, und der Mendelismus, z. B. mit starkem N achdruc~e Bau r, betont es immer wieder, daß die geringfügigsten, an Männchen und Weibchen einander entsprechenden Differenzen sich als allelomorphes Merkmalspaar benehmen, d. h. mendeln. . Sind schon das lauter Punkte, worin die ~ eudarwinisten und Mendelisten, mit einem Wort die Antilamarckisten, Schallmayer ebenso unrecht geben werden wie GoI d s ch eid s Anhänger und Verfechter der Vererbung erworbener Eigen- Diskussion und Erklärungen. Diskussio» und E.rklärungen~ schaften , so muß ich jetzt zum Schlusse eines Punktes gedenken, der in dieser Beziehung tatsächlich den Gipfel darstellt. Es empfiehlt. sich, die ganze betreffende Stelle aus Sc h a ll m a y er (S. 242) wörtlich zu zitieren: ;,Nach den schon bisher festgestellten Unzulänglichkeiten der biologischen Orientierung des Autors scheint es kaum noch auffallend, daß er auch von den in der neueren Biologie zu so großer Bedeutung gelangten Mendelschen Regeln keine rechte Vorstellung hat, indem er meint, daß die dominierenden Charaktere allmählich immer mehr überwiegen müssen, während in' Wirklichkeit, wenn jede Nachkommengeneration sich nur durch Vermischung ihrer Individuen fortpflanzt, gerade in den späteren Generationen die rezessiven Charaktere in ungefähr gleicher Zahl wie die domini-; renden zur Erscheinung kommen." "Mit dieser Argumentation beweist" - Schallmayer - "nichts anderes, als daß er nicht einmal die Grundzüge der Lehre kennt, die er zu - verteidigen _ "unternimmt." Denn es ist eine durch Me n d e l sche Züchtungen längst ausgeprobte Tatsache, daß die Zahl der Dominanten (D) gegenüber derjenigen der Rezessiven (R) von Generation zu Generation zunehmen muß, falls alle Geschwister zu wahlloser Paarung beisammen bleiben,' wie dies selbstverständlich in der Natur und ferner in den sog. Ramschkulturen, die von manchen Züchtern (Mc Cracken, Przi brain) zu besonderen Zwecken bevorzugt wurden, stets der Fall ist. "Es gelangen nämlich bei solcher Kulturart neben den D'R und RD in der F2-'Generation -auch die D D-Exemplare mit diesen zur Kopulation, und die Kombinationen dieser drei Formen ergeben neben vier DD, zwei DR und zwei RD bloß ein RR, also bei der äußerlichen Gleichheit der drei ersten Kategorien 8 D : I R" (Przibram, P?ylogenese). Die Urenkelgeneration (Fs) weist dann das Verhältnis von 8 D: I R, F4, von 15 D: I Rauf usw., F; das Verhältnis von (n2 - I) D : I R. "Man gewinnt also den Eindruck, als ob die Dominanz des Merkmals sich immer mehr verstärken würde, je öfter die Dominanten als Eltern auftreten" (Przibram, Phylogenese, S. 144), und was sich tatsächlich verstärkt, ist wohl nicht die Dominanz, aber, ganz wie der Goldscheidsche Wortlaut es in vollkommenem Einklang mit der mendelistischen Lehre besagt, die Zahl der Dominan ten von Generation zu.' Generation, sogar der nur untereinander vermischten Nachkommenindividuen. Die exzeptionelle Seltenheit gewisser Rezessive in freier Natur, wie z. B. der weißen Mäuse und sprichwörtlichen "weißen Raben" und des in der Poesie als Traumphantasma verewigten "weißen Hirsches" findet so ihre befriedigende Erklärung, während ebendieselben Rezessive, Albinos oder sonstigen Abnormitäten selbstredend durch selegierende Inzucht der Domestikation augenblicks in beliebigen Zahlen gewonnen werden können. . Ich darf wohl füglieh schließen mit Schallmayers eigenen, gegen Goldscheid gebrauchten Worten: "Es gehört eine fast bewundernswerte Kühnheit dazu, mit solcher Unkenntnis die biologischen Begriffe und durch sie die Entwicklungslehre reformieren zu wollen." ,J o h a n n s en , W., Elemente der exakten Erblichkeitslehre.. Jena 1-9.°9. Kammerer, P., Vererbung erzwungener FortpflanzungsaIl:p~ssun~en~-III. Archiv für Entwicklungsmecha.nikXXV 1908, XXVIII 1909. . =:» _, Vererbung erzwungener Farbveränderungen I-IV, ebd. XXIX 1910, XXXIII 1912, XXXVI 19'13. Lang, A., Über Vererbungsversuche. Verhand1. d. Deutsch. Zoo1. Ges. 1909, bes. S. 42• Me Cr ac k e n , Inheritance of Dichromatism in Lina and Gastroidea. journ. of Exp. Zoo1. II 1905, III 1906, IV 1907. • Peter, K., Neue experimentelle Untersuchungen über die Größe der Variabilität und ihre biologische Bedeutung. Archiv für Entwicklungsmechanik XXXI 1910 (hier auch die übrige diesen Punkt betreffende Literatur, bes. Jennings und Duncker). PIa te, L., Selektionsprinzip und Probleme' der Ar~bildung: 4· ~ufl. Leipzig 1913. .. Pr z ib r arn , H., Anwendung elementarer Mathematik auf biologische Probleme. Vortrage und Aufsätze über Entwicklungsmechanik, H. 3 1908. Experimentalzoologie III. Phylogenese inkl. Heredität. Leipzig u. Wien 1910. _, _, Albinismus bei Inzucht. Verhandl. Naturforsch. Gesellsch. Brünn XLIX, Festband für Mendel, 1911. Schallmayer, W., Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker. Jena 19°3· __ Höherentwicklung und Menschenökonomie, Zeitschr. f. Sozialwiss.N. F. ~V, S. 151 , bis 167, 236-244, 1913. . Shull, G. 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Dieser lehnte aber, ohne mich zu fragen, die Aufnahme ab, weil eine sozialwissenschaftlicheZeitschrift selbstverständlich nicht in der Lage ist, biologische Erörterungen von geringem Allgemeininteresse bringen zu können, außer~em vermutlich auch deswegen, weil die in dem Artikel enthaltenen Ausfälle gegen mich, von denen er mir in seiner Mitteilung über die erfolgte Ablehnung eine Andeutung machte ihm zu mißfallen schienen. Der sonstige Inhalt dieser Antikritik war mir völlig unbekannt, bis er mir 'im Korrek!Urabzugvorlag.*) Besonders mit Rücksicht auf die Ar~~,ivleser , aber auch auf meine eigene Zeit, die ich lieber auf Fruchtbares verwendet hat~e, bedaure ich, daß der Artikel Kammerers nicht von der Art ist, eine fruch~bare DISkussion über wirkliche biologische Probleme anzuregen. Was herauskommt, 1St hauptsächlich daß das Archiv das bisher noch keine Besprechung des Goldscheidschen Buches ~ebracht hat, nun~ eine doppelseitige bietet, wobei nicht nur ~lar wird, ~us welcher Quelle Goldscheid seine Biologie bezogen hat, sondern .auch.em zum Tell .neuer, nicht uninteressanter Einblick in die - Besonderheit der biologischen Vorstellungen Kammer~rs gewährt wird. Schallmayer. Bateson, W., Materials for the Study of Variation. London 1894. Bau r, E., Einführung in die experimentelle Vererbungslehre. Berlin 191 I. Frieden thaI, H., Das Haarkleid des Menschen, S.62, Note. Jena 1908. GoI d sc h eid, R., Höherentwicklung und Menschenökonomie. Grundlegung der Sozialbiologie 1. Leipzig 1911. *) Als die Antikritik Kammerers bei der Redaktion einlief, wurde ~errr: Dr. Schal.lmayer mitgeteilt, daß sie nur aufgenommen werden würde, wenn er In d~esernArchiv darauf erwidern würde. Herr Schallmayer sagte dies zu und so erfolgte die Aufnahme, zu der sonst kein genügender Anlaß vorhanden gewesen wäre. Pl 0 e tz. 234 Diskussion und Erklärungen. den Kam,mererschen Verteidigungsartikel h'ier zu beantworten, davon abhängig machen sollen, daß ihm oder seinem Klienten die ~ost~n der Herstellung so vieler Sonderabdrucke der beanstandeten Kritik (~5 Druckseiten) als Bedingung der Aufnahme auferlegt würden, daß jedem Exemplar dieses Archivheftes einer beigegeben werden könnte. So könnte ich mich leichter und wirksamer gegen diesen .Angriff, insbesondere gegen den durch ihn herbeigefP.hrt~n Anschein von Unge .. .rechtigkeit verteidigen. Bei meiner Auffassung von der Gerechtigkeitspflicht des Kritikers, als eines Richters, nehme ich einen solchen Anschein und Vorwurf nichts weniger als leicht. K. hat als richtiger Advokat natürlich nur das von meinen Ausführungen für seine' Rettungsaktion ausgewählt, was er im Interesse seines Klienten rügen oder widerlegen zu können meint. - So läßt er unter man ... chem anderen z. B. die überaus kühnen, schlechterdings unentschuldbaren Entstellungen und Unterstellungen unerwähnt, mit denen Goldscheid Darwi"ns Lehre vom Daseinskampf und Weismanns Keimplasmalehre kritisiert und dem "soziologischen Selektionismus" "den Todesstoß versetzt." Trotz der unerfreulichen ~indrücke, die ein solches Gebaren jedem unbefangenen urteilsfähigen Leser verursacht, und trotz der Gewohnheit Go l d s ch e i d s , Ideen , die von anderen stammen, so vorzubringen, daß ein Unkundiger den Eindruck erhält, als wären sie von ihm entdeckt, was ich in der denkbar mildesten Form rügte, habe ich das, was mir, in seinem Buch irgendwie anerkennenswert erschien, gewissenhaft und s ehr ger n hevorgeho ben' - lei der ist es verhäl tnismäßig recht wenig. Auch in den Punkten, die K. für seine Antikritik ausgewählt hat, vermag ich seine Beanstandungen nicht als stichhaltig anzuerkennen. Daß eine Antikritik in einer anderen Zeitschrift erscheint als in der, welche die Kritik gebracht hat, ist ein Ausnahmefall.-' Im vorliegenden Fall erfährt das Ungewöhnliche dadurch noch eine Steigerung, daß nicht der Autor selbst, sondern ein Dritter die Antikritik verfaßt hat. Wenn ich nicht irre, habe ich bisher Kammerers Namen niemals öffentlich genannt. Vielleicht fühlt er sich aber durch meine Kritik des G.schen Buches selbst getroffen. ' Allem Anscheine nach rühren G.s biologische Anschauungen hauptsächlich von Ka m m e r er- her: Dieser erklärt am Anfang seines Artikels: "Einer Verteidigung des soziologi .. sehen Teils bedarf G. nicht, und wenn, so ist er selbst dazu berufen." Folglich ist nach Kammerers Urteil G. zur Verteidigung des biologischen Teils nicht selbst berufen, und das heißt: nicht imstande. Dieser biologische TeÜ füllt aber -4 19 von den 664 Seiten des Buches, d. i. nahezu %) des Gesamtumfanges, und dabei tritt sein Verfasser unglaublich hochfahrend und geringschätzig gegen alle' die Biologen auf, die andere als seine (d. h. eigentlich Kammerers) Anschauungen vertreten, ganz besonders gegen Wei s ill ann' und dessen "Anhänger" . Von diesen wird nach Goldscheid "0.0 auch bewußt mit den Begiffen des Angeborenen und Erworbenen ein nicht genug zu verurteilender Mißbrauch getrieben." Zwar will er Weismann und seine Anhänger "nicht durchwegs tendenziöser Darstellung der Naturtatsachen beschuldigen", aber die Soziologen der Weismannsehen Schule, diese "Selektionisten mit naturwissenschaftlicher Maske", beschuldigt er ganz, all .. gemein und wiederholt .,reaktionärer Tendenzen", einer "heuchlerischen" und "doppelzüngigen Gesinnung", des "Betruges mit verzerrtem Weismannismus", "planvoller Organisation der Entwicklungshemmung" mittels "geflissentlicher Ablenkung der Aufmerksamkeit von den wahren Ursachen der ökonomischen Übel, Dlskuss-lt;Jn und Erklärungen. ,235 um nicht zu all den weitgehenden sozialen Maßnah~en im Interesse der breiten Massen genötigt zu sein, die bei u~voreingenoinmener, Würdigung der Ergebnisse der Wissenschaft unabweisbar wären." 1JDie geschützte Lage des Keimplasmas, 19 4-, B'bl' ' 54 S. 1 lOgraphisches Institut. 6 Die Nagetiere bilden mit 2 " Masse der kleinen Säuger weI 7h54 ~hrten (emschlteßlich der fossilen) die große ' c e SIC von ve t b'l' a gesehen vom Meere die ga W 1 ge a I Ischer Nahrung nähren und b. . ,nze e t erobert hab E" ' WIe dIese riesige Schar von At' h en, s 1St mteressant zu sehen r en SIC den h' d · angepaßt und" dabei doch im d . versc Ie ensten Lebensbedingungen breiten Kopf mit dem durch d' mNer e~ tYPlsch~n Nagetiercharakter , den dicken W.'h Ie Bode" agezahne bedl. ng t en sc h'lefen Profil, bewahrt hat. a rend die Mehrzahl auf dem minge, die Wühlmäuse und H t n lauft, smd die Blindmäuse (Spalax) Lem. .. ams er mehr oder . ' welse ubergegangen und lebe W wemger zur unterirdischen Lebensd' n von urzeln B' d S' un . den Spnngmä.usen (Jaculidae) sind d' el e~ prmghasen (PedeIes caffer) Ie mterbeme und der Schwanz enorm Ir Kritische Besprechungen und Referate. 651 ~================================================== vergrößert, so daß die Tiere nach Art eines Kängeruhs enorm weite Sprünge ausführen können. Sehr viele Nager sind vollendete Baumkletterer geworden, welche sich dabei meist mit den Krallen festhalten. Nur bei den mittel- und südameri~anischen Greifstachlern (Coendu) und den Greifschwanzmäusen von Neuguinea (Chiruromys) kommt dazu als Kletterapparat ein Schwanz, dessen Spitze merkwürdigerweise auf der Rückenfläche nackt ist und zum Umklammern der Zweige dient, während bei den bekannten Wickelschwanzaffen der Neuen Welt die Unterseite der Schwanzspitze zum Greifen umgewandelt ist. Jene Besonderheit findet ihre Erklärung darin, daß sehr viele Nager die Gewohnheit haben, den Schwanz nach oben zu tragen. Eine weitere Stufe der Bewegungsweise finden wir bei den Eichhörnchen, welche von Ast zu Ast springen und sich dabei ihres Schwanzes als Steuer bedienen. Indem sich die Körperhaut zwischen Arm und Bein seitlich ZU einem Fallschirm ausbreitet, gelangen wir zu den Flughörnchen (Petaunsta und Verwandte), welche flugartig durch die Luft schweben. Derselbe Fallschirm kehrt bei den in ihrer phyletischen Stellung noch unsicheren Anomalurus-Arten wieder, welche deutsch als Dornschwanzhörnchen bezeichnet werden, weil die Unterseite der Schwanzwurzel mit starken Hornschuppen besetzt ist welche das Heraufklettern an den Baumstämmen erleichtern. Endlich sind nicht wenige Nager an das Leben im Wasser angepaßt durch Ausbildung von Schwimmhäuten und Verbreiterung des Schwanzes, welcher bei der Bisamratte seitlich, beim Biber dorsoventral abgeplattet ist. So lassen sich unter der kundigen Führung Hecks deszendenztheoretische Ausblicke nach allen Sei~en erschließen, welche dem Leser immer wieder die wunderbare Harmonie zwischen Lebensweise und Organisation vor Augen führen. In dieses Kapitel der Entstehung der Arten gehören auch solche Nager, welche geographische Unterarten gebildet haben und dadurch beweisen, daß eine neue Form vielfach unter dem Einfluß veränderter Lebensbedingungen entsteht. Vom Präriehasen (Lepus campestns) wird hervorgehoben, daß er im nördlichsten Teile seines Verbreitungsgebietes und in den höheren Gebirgen im Winter ganz weiß wird, während er weiter nach Süden oder in tieferen Regionen nur teilweise sich verfärbt. Dasselbe gilt für den nordischen Hasen, Lepus variabilis (= timidus L.). Letzterer bildet bei Dublin eine sehr merkwürdige Lokalform, welche oben hellbraun oder zimtfarbig ist. Der Alpenschneehase, welcher im Winter ebenfalls weiß wird und früher als identisch mit dem nordischen angesehen wurde, wird von Miller auf Grund gewisser Unterschiede als selbständige Art angesehen und Lepus varroms genannt. Der Farbwechsel geht im Frühjahr langsamer vor sich als im Herbst, wie auch der Sieg des Frühjahrs sich langsamer entscheidet als der des Winters. Vom gewöhnlichen Feldhasen gibt es eine schwarze Abart auf der bei der Girondemündung gelegenen Insel Oleron. Aus dem inhaltreichen Werke führe ich noch einige Angaben an, welche mir bei der Durchsicht aufgefallen sind. Hält man eine Wüstenspringmaus Uaculus jaculus) am Schwanz fest, so reißt dieser ungefähr am Anfang des basalen Drittels durch und streift sich ab. Ähnliche "Schwanzautotomie" soll auch bei unseren Waldmäusen vorkommen. Bei den neugeborenen Springmäusen ist das Hinterbein nur wenig länger als der Arm, eine schöne Bestätigung der biogenetischen Regel. Sehr merkwürdig sind die Kahlratten (Heterocephalus glaber Rüpp.) aus Abessinien, welche die Größe einer Maus haben und wie ein Maulwurf eine völlig unterirdische Lebensweise führen. Die Augen sind winzig klein und fast geschlossen, die äußeren Ohren fehlen, und