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Aktuelle Informationen Für Mandanten

aktuelle Informationen für Mandanten Ausgabe II/2012 Recht aktuell Aktienrechtsnovelle 2012 in Vorbereitung RA Dr. Hans Mewes Seite 2 Restrukturierung von Anleihen nach Schuldverschreibungsgesetz RA Dr.

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aktuelle Informationen für Mandanten Ausgabe II/2012 Recht aktuell Aktienrechtsnovelle 2012 in Vorbereitung RA Dr. Hans Mewes Seite 2 Restrukturierung von Anleihen nach Schuldverschreibungsgesetz RA Dr. Stephan Bauer, LL.M. Seite 4 Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats RA Dr. Hans Jürgen Hilling, RAin Eva Homborg Seite 5 BGH zur Haftung im Inland durch Auslandshandlungen RA Dr. Christoph Cordes, LL.M., RA John S. Chudziak, LL.M Seite 6 Reichweite von Patentverletzungsurteilen RA Olaf Gelhausen Seite 7 Neues Kreislaufwirtschaftsgesetz tritt am in Kraft RA Dr. Martin Dieckmann, LL.M. Seite 9 Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Dr. Jan Boris Ingerowski, LL.M. Seite 9 Steuern aktuell Passivierung angeschaffter Verbindlichkeiten RA StB Dr. Felix Reiche, RA Thomas Schäffer Seite 10 Verlustabzug nach 8c KStG bei unterjährigem schädlichen Beteiligungserwerb RA StB Dr. Felix Reiche, RA Thomas Schäffer Seite 11 Passivierungsverbot bei Rangrücktritt RA StB Dr. Felix Reiche, RA Thomas Schäffer Seite 12 Umsatzsteuerliche Änderungen im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2013 StB Markus Konheiser, RA Dr. Stefan Rogge Seite 13 Erbschaftsteueroptimierung im Bereich des Finanzdienstleistungs- und Bankaufsichtsrechts RA Dr. Hans Mewes, StB Bastian Bockhoff, LL.M Seite 15 Keine Angst vor dem Finanzgerichtsverfahren RA StB Jürgen E. Milatz, RA Dr. Stefan Rogge Seite 16 Wirtschaftsprüfung aktuell Was gilt bilanziell, wenn das Unternehmen nicht mehr weitergeführt wird? WPin StBin Astrid Busch, RA Dr. Oliver Heising Seite 17 ESC intern Veranstaltungen Seite 19 In eigener Sache Seite 20 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, wir freuen uns besonders, Sie mit dieser zweiten Ausgabe von ESC compact über die Verstärkung unseres Teams zu informieren: Zum ist Dr. Stephan Bauer als neuer Partner im Gesellschaftsrecht zu uns gestoßen. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte werden Beatrix Arlitt und Michael Kapitza den Bereich der Wirtschaftsprüfung als Partner verstärken (s. S. 20). Damit hat die Sozietät für ihre weitere Entwicklung drei erfahrene Spezialisten gewinnen können. Ebenfalls ein Grund zur Freude: Zur Jahresmitte kann die Sozietät auf eine mittlerweile 190-jährige Geschichte zurückblicken (s. S. 20). Zuvor informieren wir Sie im Rahmen unserer Vortragsveranstaltung zum gewerblichen Rechtsschutz am darüber, wie Sie der Haftung für fremde Rechtsverletzungen im Internet entgehen und Ihre eigenen Rechte schützen können (s. S. 19). Auf stehen drei neue Spezialausgaben zum Download für Sie bereit: ein ESC compact Spezial Umsatzsteuer (s. dazu auch den Beitrag auf S. 13), ein ESC compact Spezial Stiftungen/gemeinnützige Organisationen zu Neuerungen im Gemeinnützigkeitsrecht und eine Spezialausgabe zu den Entwicklungen im internationalen Steuerrecht. Unter können Sie diese und andere Publikationen einfach und bequem per abonnieren. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! Mit freundlichen Grüßen Ihr Redaktionsteam Recht aktuell Aktienrechtsnovelle 2012 in Vorbereitung Verschiedene Finanzierungserleichterungen für Unternehmen geplant Dr. Hans Mewes Aus der bereits vor einem Jahr angekündigten Aktienrechtsnovelle 2011 soll nunmehr die Aktienrechtsnovelle 2012 werden. Ursprünglich war hier u.a. zum Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung geplant gewesen, nicht börsennotierten Aktiengesellschaften eine verbindliche Pflicht zur Namensaktie vorzuschreiben und insoweit keine Inhaberaktien mehr zuzulassen. Hiervon wären sog. kleine Aktiengesellschaften betroffen, aber auch Unternehmen, deren Aktien lediglich in den Freiverkehr einer Börse einbezogen sind (beispielsweise in den Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse). Diverse Stimmen aus der Praxis hatten sich im Gesetzgebungsverfahren frühzeitig gegen ein solches Vorhaben und für die generelle Möglichkeit der Ausgabe bzw. Beibehaltung von Inhaberaktien durch die betroffenen Unternehmen ausgesprochen. 2 Nunmehr liegt der modifizierte Gesetzentwurf der Aktienrechtsnovelle 2012 vor. Dort ist einschränkend für die genannten Unternehmen nur noch vorgesehen, dass die künftige Ausgabe von Inhaberaktien an den Ausschluss des Einzelverbriefungsanspruchs geknüpft ist und die Hinterlegung der Sammelurkunde bzw. eine Girosammelverwahrung der Anteile bei einer Wertpapiersammelbank oder einem vergleichbaren ausländischen Verwahrer stattfindet. Damit bleibt das generelle Wahlrecht zwischen Inhaber- und Namensaktien auch bei Freiverkehrstiteln und nicht börsennotierten Unternehmen im Wesentlichen bzw. unter der genannten Einschränkung bestehen. Für Gesellschaften, deren Satzung bis zur Beschlussfassung der Bundesregierung zum vorliegenden Gesetzentwurf (Dezember 2011) durch notarielle Beurkundung festgestellt worden ist und deren Aktien auf Inhaber lauten, bleibt es auch künftig bei der bereits bislang geltenden Rechtslage ( Altregelung ); dies gilt auch für die zukünftige Ausgabe weiterer Inhaberaktien durch diese Gesellschaften. Weitere Vorhaben des Gesetzentwurfs dienen der erleichterten Finanzierung von Unternehmen: So soll zum einen die Möglichkeit geschaffen werden, Vorzugsaktien auch ohne eine sog. Nachzahlung des Vorzugs auszugeben. Bislang können neue Vorzugsaktien nur ausgegeben werden, wenn zuvor ausgefallene Dividenden alter Aktien nachgezahlt worden sind; dies wird künftig nicht mehr nötig sein, so dass es auf diesem Wege möglich wird, weiteres regulatorisches Eigen- bzw. Kernkapital zu schaffen. Zum anderen ist die Möglichkeit vorgesehen, sog. umgekehrte Wandelschuldverschreibungen zu emittieren. Bei solchen Wandelschuldverschreibungen bekommt neben dem Gläubiger künftig auch die emittierende Gesellschaft als Schuldnerin mittels der Schaffung bedingten Kapitals ein Wandlungsrecht und kann auf diesem Wege Fremdin Eigenkapital überführen. Ein solches Umtauschrecht der Gesellschaft zur Umwandlung von Anleihen gegen Gewährung von Anteilen am Grundkapital kann insbesondere ein sinnvolles Instrument sein, um Unternehmenskrisen zu verhindern oder zu bewältigen. Überdies soll das geplante Gesetz im Rahmen des Beschlussmängelrechts missbräuchlichen Nichtigkeitsklagen von Aktionären entgegenwirken, indem eine relative Befristung zur Erhebung weiterer bzw. weitergehender Klagen wegen der Beanstandung von Hauptversammlungsbeschlüssen eingeführt wird. Praxistipp: Da der Gesetzentwurf materiell-rechtlich bereits ein Kompromissvorhaben darstellt, dürfte damit zu rechnen sein, dass die weiteren parlamentarischen Hürden kurzfristig genommen werden und das neue Recht zügig in Kraft tritt. Erforderliche oder strategisch bedingte Anpassungen auf Seiten der Unternehmen sollten daher ebenfalls frühzeitig in Angriff genommen werden. RA Dr. Hans Mewes Tel +49 (0) Recht aktuell Restrukturierung von Anleihen nach Schuldverschreibungsgesetz Dr. Stephan Bauer Die finanzielle Restrukturierung von Unternehmen stand stets vor besonderen Herausforderungen, wenn sich die Unternehmen über Anleihen finanziert hatten. Die Vielzahl von beteiligten Gläubigern erschwert eine umfassende Einigung auf freiwilliger Basis vor allem dann, wenn keine Mechanismen zur Verfügung stehen, um über Mehrheitsbeschlüsse für alle Anleihegläubiger verbindliche Regelungen herbeizuführen. Denn eine rein freiwillige Beteiligung an Restrukturierungsmaßnahmen birgt stets das Problem obstruierender Gläubiger, die sich durch eine Nichtbeteiligung Vorteile versprechen (sog. Holdout-Problem). Das bis 2009 geltende Schuldverschreibungsgesetz von 1899 sah zwar in geringem Umfang Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss vor (z.b. für eine temporäre Zinsstundung), jedoch keine Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss einen für alle Gläubiger verbindlichen Forderungsverzicht zu beschließen. Es galt nur für Anleihen deutscher Emittenten nach deutschem Recht. Wegen der fehlenden Möglichkeiten zur verbindlichen Änderung der Anleihebedingungen, z.b. im Hinblick auf einen Forderungsverzicht oder einen Debt-Equity-Swap, spielten Anleihen nach deutschem Recht lange Zeit nur eine geringe praktische Rolle. Dem sollte durch die Änderung des 2009 neu gefassten Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) abgeholfen werden. Das neue SchVG sieht die Möglichkeit für alle Gläubiger verbindlicher Restrukturierungsmechanismen (sog. collective action clauses) vor. So erlaubt 5 SchVG Klauseln in den Anleihebedingungen, nach denen die Anleihegläubiger mit mindestens einer Dreiviertel-Mehrheit der abstimmenden Gläubiger (bzw. mindestens der einfachen Mehrheit für Nebenbestimmungen) Änderungen der Anleihebedingungen beschließen können, die für alle Anleihegläubiger verbindlich sind. Dazu gehören unter anderem Anspruchsverzichte, Stundungen, Zinsvereinbarungen, Debt-Equity-Swaps oder der Austausch und die Freigabe von Sicherheiten (siehe 5 Abs. 3 SchVG). Das Schuldverschreibungsgesetz 2009 gilt grundsätzlich nur für Schuldverschreibungen, die nach dem ausgegeben wurden. Nach 24 Abs. 2 SchVG ist aber mit Zustimmung des Schuldners eine nachträgliche Einführung von collective action clauses durch Änderung der Anleihebedingungen oder einen Umtausch der alten Anleihe gegen eine neue (mit collective action clause) möglich, wenn die Gläubiger dem mit Dreiviertel-Mehrheit zustimmen (sog. Opt-In). Solch eine nachträgliche Einführung von collective action clauses hat die Rechtsprechung jetzt allerdings erheblich erschwert. Im Fall der Pfleiderer AG entschied das OLG Frankfurt a.m. am , dass ein nachträglicher Opt-In nur für Alt-Anleihen deutscher Emittenten, die sich vollständig nach deutschem Recht richten, möglich sein soll (OLG Frankfurt a.m., Beschluss v , 5 AktG 3/11). Da die Anleihe der Pfleiderer AG in Bezug auf eine Klausel niederländischem Recht unterlag, hielt das OLG Frankfurt a.m. die nachträgliche Einführung der collective action clause für nicht zulässig. 4 Praxistipp: Bei finanziellen Restrukturierungen, die eine vor dem begebene Anleihe betreffen, muss stets genau geprüft werden, ob die Anleihe vollständig deutschem Recht unterliegt und von einer deutschen Emittentin begeben wurde. Nur dann können über eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen collective action clauses eingeführt und für alle Gläubiger verbindliche Mehrheitsbeschlüsse über Maßnahmen wie z.b. Forderungsverzichte herbeigeführt werden. RA Dr. Stephan Bauer, LL.M. Tel +49 (0) Recht aktuell Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats Pflichtgemäße Ausübung der Überwachungspflicht oder unzulässige Einmischung in die Geschäftsführung? Die Kompetenz- und Aufgabenverteilung der Organe einer Aktiengesellschaft ist durch eine scharfe Trennung von Unternehmensführung und Kontrolle gekennzeichnet. Der Vorstand leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortlichkeit, der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand. Eingriffe des nur kontrollierenden Aufsichtsrats in die aktive Geschäftsführung sind nicht zulässig; vielmehr enthält das Aktiengesetz ein ausdrückliches Geschäftsführungsverbot für den Aufsichtsrat. Um seinen Überwachungs- und Kontrollpflichten ordnungsgemäß nachzukommen, ist der Aufsichtsrat indessen berechtigt, die Vornahme bestimmter Geschäfte durch den Vorstand an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden. Dies soll es dem Aufsichtsrat ermöglichen, seine Überwachungspflichten nicht nur nachträglich, sondern zweckmäßigerweise auch präventiv zu erfüllen. Ein Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte muss in der Satzung der Aktiengesellschaft enthalten sein oder vom Aufsichtsrat insbesondere in einer Geschäftsordnung für den Vorstand festgelegt werden. Die Leitungsverantwortung des Vorstands darf jedoch nicht durch einen zu weit gespannten Katalog von Zustimmungsvorbehalten ausgehöhlt werden. Zu weit gehende Zustimmungsvorbehalte, die dazu führen, dass der Aufsichtsrat als Quasi- Vorstand agiert, sind rechtlich unzulässig. Die Zustimmungsvorbehalte müssen daher zur Aufrechterhaltung der internen Kompetenzverteilung zurückhaltend eingesetzt und auf Sachverhalte von wichtiger bzw. grundsätzlicher Bedeutung beschränkt werden. Zustimmungsvorbehalte dürfen insbesondere nicht auf Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs ausgedehnt werden, sie dürfen also nicht das Tagesgeschäft der Gesellschaft betreffen. Der Zustimmungspflicht dürfen vielmehr nur solche Geschäfte unterworfen werden, die nach Umfang, Gegenstand oder Risiko für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind. Einem Zustimmungsvorbehalt zugänglich sind daher sicher grundlegende Entscheidungen zur Unternehmensstrategie sowie Maßnahmen, die die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risikosituation grundlegend ändern, sowie Risikogeschäfte, Dr. Hans Jürgen Hilling Eva Homborg 5 deren nachteilige Folgen sich bei Eintritt des Risikos nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand rückgängig machen oder kompensieren lassen. Der Katalog der Zustimmungsvorbehalte darf allerdings nicht völlig abstrakt formuliert werden. Vielmehr müssen die konkreten Geschäfte oder Arten von Geschäften benannt werden, die der Zustimmung bedürfen sollen. Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, den Katalog der grundlegenden Geschäfte dabei unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gesellschaft zu konkretisieren. So werden z.b. Grundstücksgeschäfte für viele Unternehmen nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören und deshalb zulässigerweise einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. RA Dr. Hans Jürgen Hilling Tel +49 (0) RAin Eva Homborg Tel +49 (0) Praxistipp: Erlässt der Aufsichtsrat für den Vorstand eine Geschäftsordnung mit Zustimmungsvorbehalten, so dürfen diese Zustimmungsvorbehalte nicht so weit gefasst sein, dass sie Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs vollständig oder nahezu vollständig abdecken. Mit derart weiten Zustimmungskatalogen riskiert der Aufsichtsrat die Nichtigkeit des Vorbehalts. Dies wiederum führt dazu, dass die Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen Vorstände bei kompetenzwidrigem Handeln deutlich erschwert wird. Recht aktuell BGH zur Haftung im Inland durch Auslandshandlungen Dr. Christoph Cordes John S. Chudziak Patent-, Marken-, Urheber- und andere Schutzrechte können nur durch Handlungen in dem Land verletzt werden, in dem sie geschützt sind (sog. Territorialprinzip). Beispielsweise kann der Inhaber eines deutschen Patents die Herstellung des patentgeschützten Gegenstands in Deutschland, nicht aber in Frankreich verbieten. Gleichwohl kann es sein, dass Benutzungshandlungen im Ausland zu einer Haftung des Handelnden im Inland führen. Denn das Recht bejaht eine Haftung bereits dann, wenn eine Verletzungshandlung erstmalig droht (sog. Erstbegehungsgefahr; vgl. bspw. 139 Abs. 1 S. 2 Patentgesetz). In seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom (Az. I ZR 23/10 Kinderwagen) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine Erstbegehungsgefahr auch durch Handlungen im Ausland begründet werden kann. In dem zugrundeliegenden Fall war die Klägerin Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Kinderwagen. Dieses schützte vor Nachahmungen im Gebiet der Europäischen Union. Die Klägerin nahm die Beklagte wegen Beeinträchtigung dieses Gemeinschaftsgeschmacksmusters in Anspruch, weil die Beklagte u.a. außerhalb des Gebiets der Europäischen Union ähnliche Kinderwagen herstellen ließ. Der BGH ließ das Herstellenlassen außerhalb der Europäischen Union für eine Haftung der Beklagten ausreichen. Da die Frage des Produktionsstandorts oder einer Eigen- oder Auftragsfertigung bei einem produzierenden Unternehmen in erster Linie eine Kostenfrage sei, die sich fortlaufend ändern könne, sei vorliegend auch von einer Begehungsgefahr 6 für ein Herstellen oder Herstellenlassen innerhalb der Europäischen Union durch die Klägerin auszugehen. Wegen der Gefahr, dass in der Zukunft eine Herstellungshandlung innerhalb der Europäischen Union erfolgen werde, billigte der BGH das Verbot, das der Beklagten bereits jetzt das Herstellenlassen in der Europäischen Union untersagt. Praxistipp: Die Entscheidung des BGH zeigt, dass Benutzungshandlungen im schutzrechtsfreien Ausland nicht zwingend zu einer Haftungsbefreiung im Inland führen. Handlungen im schutzrechtsfreien Ausland stellen zwar grundsätzlich keine Verletzung des inländischen Schutzrechts dar, weil dieses im Ausland keine Wirkung entfaltet. Benutzungshandlungen im Ausland können jedoch die Annahme stützen, dass diese Handlungen später auch im geschützten Inland erfolgen werden. Um dies zu verhindern, billigt der BGH dem Schutzrechtsinhaber das Recht zu, dem Gegner vorsorglich die Benutzung im Inland zu verbieten. Gleichwohl bleibt es dem Gegner unbenommen aufzuzeigen, dass im Einzelfall eine Erstbegehungsgefahr im Inland nicht besteht, weil beispielsweise produzierende Unternehmen im Inland nicht über das entsprechende Herstellungs-Know-how verfügen. RA Dr. Christoph Cordes, LL.M. Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz Tel +49 (0) RA John S. Chudziak, LL.M. Tel +49 (0) Recht aktuell Reichweite von Patentverletzungsurteilen Nach aktuellem BGH-Urteil kann bereits eine geringfügige Produktabwandlung genügen, um ein Urteil zu umgehen Ein Patentverletzer kann sich einem patentrechtlichen Verbotsurteil dadurch entziehen, dass er die vom Gericht als patentverletzend angesehene Ausgestaltung seiner Produkte, die sog. Verletzungsform, ändert. Hierfür genügt es nicht, die Ausgestaltung irgendwie und insbesondere außerhalb der Erfindungsmerkmale abzuwandeln. Auf der anderen Seite fällt ein geändertes Produkt nicht auch dann noch unter das Unterlassungsurteil, wenn auch die abgewandelte Ausführungsform als patentverletzend anzusehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung gilt vielmehr, dass eine Änderung der Verletzungsform von der Urteilswirkung erfasst wird, wenn die Änderung den Kern der Verletzungsform unberührt lässt und sich innerhalb der durch Auslegung zu ermittelnden Grenzen des Urteils hält. Entsprechend gilt das gerichtliche Verbot nicht, wenn durch die Änderung der Kern der Verletzungsform berührt wird und die Grenzen des Urteils überschritten werden. Der Patentinhaber muss in diesem Fall in einem neuen Patentverletzungsverfahren klären lassen, ob auch die abgewandelte Ausführungsform das Klagepatent verletzt. Dasselbe Abgrenzungsproblem stellt sich, wenn der Patentinhaber durch ein neues Gerichtsverfahren klären möchte, ob eine abgewandelte Ausführungsform eines bereits zuvor angegriffenen Produkts das Klagepatent verletzt, woran er durch die Wirkung eines ersten klageabweisenden Urteils gegen den Beklagten gehindert sein könnte. Mit diesem Sachverhalt hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung zu beschäftigen (X ZR 111/09 Rohrreinigungs- Olaf Gelhausen 7 düse II): Die klagende Inhaberin eines Patents auf hydrodynamische Düsen für die Reinigung von Rohren und Kanälen war mit einer ersten Verletzungsklage gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten rechtskräftig unterlegen. Die Klägerin erhob erneut Klage wegen Verletzung des Patents und machte geltend, dass die Beklagte eine im Vergleich zum Vorprozess geänderte Ausführungsform vertreibe, weil die aktuell vertriebenen Rohrreinigungsdüsen bei den Druckwasseraustrittsöffnungen nunmehr einen gleitenden Übergang aufwiesen. Das Berufungsgericht nahm an, dass beide Ausführungsformen im Kern gleich seien, so dass die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess der Zulässigkeit der neuen Klage entgegenstehe. Der BGH hob dieses Urteil des Berufungsgerichts auf. Zur Begründung führte das Gericht an, dass die geänderte Druckwassereintrittsöffnung sich auf ein Erfindungsmerkmal des geltend gemachten Patentanspruchs beziehe. Insofern begründe die Klägerin die Verwirklichung dieses Erfindungsmerkmals mit einer im Vergleich zum Vorprozess abweichenden Ausgestal