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„die Leiden Des Jungen Werthers“ Und „gut Gegen Nordwind“ – Epistolares Erzählen Im Deutschunterricht

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Universität Duisburg-Essen Fakultät für Geisteswissenschaften Institut für Germanistik Fachbereich Literaturdidaktik Sommersemester 2016 Prüferin: Dr. Liane Schüller Die Leiden des jungen Werthers und Gut gegen Nordwind – epistolares Erzählen im Deutschunterricht Maximilian Lippert ES0228449600 Kastanienallee 14 45127 Essen [email protected] LA MA GyGe Deutsch 2. Fachsemester 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Epistolares Erzählen im Wandel der Zeit 4 2.1 Der empfindsame Briefroman 4 2.2 Der zeitgenössische E-Mail-Roman 7 2.3 Der E-Mail-Roman als Briefroman des 21. Jahrhunderts? 9 3 Die Leiden des jungen Werthers und Gut gegen Nordwind – Liebe in medialisiertem Erzählen 10 4 Didaktische Potentiale und Möglichkeiten der Thematisierung im Unterricht 13 4.1 Begründung der Lektürewahl und unterrichtsmethodische Hinweise 14 4.2 Werther im Kontext von Adoleszenz und Brückenschlag zu Gut gegen Nordwind 15 4.3 Dramatisches Erzählen und szenisches Interpretieren 18 4.4 Leerstellen und kreatives Schreiben 20 4.5 Konzeptionelle Mündlichkeit in Brief und E-Mail 22 5 Resümee und Ausblick 24 6 Literaturverzeichnis 27 6.1 Primärliteratur 27 6.2 Forschungsliteratur 28 6.3 Zeitungsartikel 35 6.4 Internetquellen 35 7 Anhang 36 8 Versicherung Eides Statt 44 3 1 Einleitung Obwohl der Begriff der Medialisierung des Erzählens in der Literaturwissenschaft verhältnismäßig jung ist, lässt sich das Einbinden verschiedener Medien in den Erzähltext des Romans und der damit eng verbundene Aspekt der Genreentstehung auf eine lange Tradition zurückführen. Und so wie Genres kulturell und zeitlich bedingte Konventionsformen darstellen, sind Medialisierungsprozesse, auch im Kontext der Gattungsentwicklung, als „Ausdruck kultureller Veränderungen“1 zu betrachten und stehen im Dialog mit sozialen und kulturellen Kontexten ihrer Entstehung. Dabei lassen sich auch anhand der verwandten Gattungen Brief- und E-Mail-Roman nicht nur Veränderungen in verschiedenen Kategorien der narrativen Struktur sondern ebenso ein Wandel in einge- und verarbeiteten Denkstrukturen der jeweiligen Zeit, in der das spezifische Werk verfasst worden ist, feststellen. Eine Gegenüberstellung jeweils eines typischen Vertreters beider Genres im Deutschunterricht ist deshalb so interessant, da sich also hier literaturwissenschaftliche Betrachtungsweisen neben sprach- auch mit medien- und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen verknüpfen lassen und so im Sinne eines verzahnenden Unterrichtkonzeptes Verbindungen zwischen vermeintlich getrennten Kompetenzbereichen und wiederum Anbindungen an die Lebenswelt der Schüler herstellen werden können.2 So soll im Rahmen dieser Arbeit, nachdem ein kurzer Abriss über die Entwicklung vom Briefroman des 18. Jahrhunderts bis hin zum zeitgenössischen E-Mail-Roman und eine Vorstellung zweier Bestseller des jeweiligen Genres, Die Leiden des jungen Werthers von Johann Wolfgang Goethe sowie Gut gegen Nordwind von Daniel Glattauer, dargeboten worden ist, das Potential einer kontrastiven oder ergänzenden Behandlung eben dieser Werke im Deutschunterricht aufgezeigt werden. Zuerst wird die thematische Aktualität des Werthers für heutige jugendliche Leser bewiesen, aber auch die Verankerung der Darstellungsform in einem vergangenen Jahrhundert, was zur Frage einer angemessenen zeitgenössischen Form und schließlich zum Roman Gut gegen Nordwind führt. Ein unterrichtsmethodisch handlungsorientierter Ansatz beschäftigt sich dann mit der Nähe beider Ro- 1 Kusche, Sabrina: Der E-Mail-Roman. Zur Medialisierung des Erzählens in der zeitgenössischen deutschund englischsprachigen Literatur. Stockholm 2012. S. 30. Vgl. dazu in Bezug auf die Entstehung neuer Genres Nünning, Ansgar/Rupp, Jan: Hybridisierung und Medialisierung als Katalysatoren der Gattungsentwicklung: Theoretischer Bezugsrahmen, Analysekategorien und Funktionshypothesen zur Medialisierung des Erzählens im zeitgenössischen Roman. In: Dies. (Hrsg.): Medialisierung im englischsprachigen Roman der Gegenwart. Theoretischer Bezugrahmen, Genres und Modellinterpretationen. Trier 2011. S. 3-43. 2 Vgl. Abraham, Ulf et al.: Praxis des Deutschunterrichts. Arbeitsfelder, Tätigkeiten, Methoden. Donauwörth 6 2009. S. 81. 4 mantypen zum dramatischen Erzählen und dem Theater, ein weiterer rezeptionsästhetischproduktionsorientierter Ansatz mit dem Verfassen eigner Texte unterschiedlicher Textsorten. Zuletzt sollen mit Merkmalen konzeptioneller Mündlichkeit in den E-Mails bzw. Briefen der Romane sprachliche Phänomene in Funktion betrachtet werden und so zum Ausgangspunkt über Reflexion über Sprache werden. Diese Darstellung endet schließlich mit einem kurzen Ausblick zu weiteren Aspekten unterrichtlicher Behandlung von Brief- und E-Mail-Romanen. 2 Epistolares Erzählen im Wandel der Zeit 2.1 Der empfindsame Briefroman Im Kontext der Ausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit 3 im 18. Jahrhundert, deren Mitglieder jedoch weiterhin von Prozessen politischer Willensbildung und vor allem Entscheidungsfindung ausgeschlossen sind, „sucht und findet das bürgerliche Individuum für sein Bedürfnis nach Objektivation des gesteigerten individuellen Selbstverständnisses das Medium der Kultur, zumal das Medium der Briefkultur“4. Auch die religiösen Strömungen des Pietismus stellen anfänglich eine potentielle Kraft für die Ausbildung einer neuen Privatbriefkultur dar. Das nicht zu Unrecht als „Jahrhundert des Briefes“5 bezeichnete 18. Jahrhundert bedeutet zugleich auch einen Höhepunkt in der Geschichte des Briefromans, welcher zusammen mit dem Emotionalismus in Erscheinung tritt und zum „bevorzugten Romantyp der Empfindsamkeit“6 rangiert. Spätestens seit Samuel Richardsons Pamela (1740) und Clarissa (1748) zählt der emotionalistische Briefroman zum Kreis der „identitätskonstitutiven Medien der sinnlichkeitsrehabilitierenden Aufklärung“7 und etabliert sich als eigenständige Kunstgattung. In Deutschland liegt dieser Höhepunkt in der Zeit um 1780, als „von den in der fraglichen Zeit erscheinenden Romanen jeder dritte ein Briefro3 Vgl. Habermas, Jürgen: Strukturwandel und Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Sammlung Luchterhand 25). Neuwied/Berlin 71975. Vgl. auch im Speziellen für die Bedeutung von Literatur, Publizität und auch Briefkultur S. 48ff. 4 Stiening, Gideon: Epistolare Subjektivität. Das Erzählsystem in Friedrich Hölderlins Briefroman „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“ (Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext 105). Tübingen 2005. S. 10. Vgl. hierzu auch Reitz, Tilman: Bürgerlichkeit als Haltung. Zur Politik des privaten Weltverhältnisses. München 2003. S. 42ff. sowie paradigmatisch zum bürgerlichen Selbstverständnis Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815. München 42006. S. 326ff. 5 Voßkamp, Wilhelm: Dialogische Vergegenwärtigung beim Schreiben und Lesen. Zur Poetik des Briefromans im 18. Jahrhundert. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 45/1 (1971). S. 80. 6 Nickisch, Reinhard M.G.: Brief. (Sammlung Metzler. Realien zur Literatur 260). Stuttgart 1991. S. 190. 7 Stienig: Epistolare Subjektivität. S. 21. 5 man ist“8. Der anfangs sittsam-natürliche (literarische) Brief mündet später bei den Stürmern und Drängern in kraftgenialischem, regellosen „Sichauslassen der Gefühle“9. Seine höchste Steigerung des ihm eigenen Ausdrucksvermögens und gleichzeitig auch einen vorläufigen Endpunkt10 erfährt der Briefroman letztlich im 1774 erschienen Jugendroman Johann Wolfgang Goethes Die Leiden des jungen Werthers. Briefromane sind Romane, „die eine Geschichte in einer und als Folge von Briefen präsentieren“11 und somit ein schriftliches Äquivalent mündlichen kommunikativen Erzählens bilden. Ein bezeichnendes Charakteristikum des Briefromans – ob ‚einseitig-monologisch„, ‚zweiseitig-dialogisch„ oder ‚mehrseitig-polylogisch„ – ist also in jedem Fall eine prinzipiell dialogische, nähesprachliche12 Tiefenstruktur,13 die nicht zuletzt aus der Brieftheorie des 18. Jahrhunderts resultiert. So übernahmen namhafte Briefsteller wie Christian Fürchtegott Gellert einen antiken Topos der Briefkultur14, der die Korrespondenz an die „Stelle eine Gespräches“15 setzen will, und fokussierten gleichfalls die Nähesprachlichkeit von Briefliteratur. Man solle sich der „Sprache des Herzens“16, der „freiwilligen Folge seiner 8 Honnefelder, Gottfried: Der Brief im Roman. Untersuchungen zur erzähltechnischen Verwendung des Briefes im deutschen Roman (Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur 28). Bonn 1975. S. 106. 9 Müller, Wolfgang G.: Der Brief. In: Klaus Weissenberger (Hrsg.): Prosakunst ohne Erzählen. Die Gattungen der nicht-fiktionalen Kunstprosa. Tübingen 1985. S. 86. 10 Engel postuliert, dass alles, „was dem ‚Werther„ in diesem Jahrhundert noch folgte“ sei „literarisch von minderer Qualität“ gewesen. Vgl. Engel, Ingrid: Werther und die Wertheriaden. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte (Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft 13). St. Ingbert 1986. S. 43. Sicher lässt sich jedoch festhalten, dass keine innovativen Neuerungen oder extremere Auswüchse des Briefromans folgten. 11 Stiening, Gideon/Vellusig, Robert: Poetik des Briefromans. Wissens- und mediengeschichtliche Perspektiven. In: Dies. (Hrsg.): Poetik des Briefromas. Wissens- und mediengeschichtliche Studien (Frühe Neuzeit. Studien zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext 176). Berlin/Boston 2012. S. 7. 12 Zu den Konzepten von Sprache der Nähe und Sprache der Distanz bzw. konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit vgl. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf: Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanistisches Jahrbuch 36 (1985). S. 15-43.; Dies.: Schriftlichkeit und Sprache. In: Hartmut Günther/Otto Ludwig (Hrsg.): Schrift und Schriftlichkeit/Writing and Its Use. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung/An Interdisciplinary Handbook of International Research 1 (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10). Berlin/New York 1994. S. 587-604. Vgl. ebenso die Erweiterung durch Dürscheid, Christa: Einführung in die Schriftlinguistik (UTB 3740). Göttingen 52016. S. 43ff. 13 Auch monologisch organisierte Texte können als „Dialog[e] ohne Sprecherwechsel“ eine interne Dialogizität aufweisen. Vgl. Tschauder, Gerhard: Dialog ohne Sprecherwechsel? Anmerkungen zur internen Dialogizität monologischer Texte. In: Edda Weigand/Franz Hundsnurscher (Hrsg.): Dialoganalyse II. Referate der 2. Arbeitstagung, Bochum 1988 1 (Linguistische Arbeiten 225). Tübingen 1989. S. 191-205. Zur Frage, ob Wilhelm antwortet, vgl. Anm. 88. 14 Gellert selbst bezieht sich auf einen Brief von Seneca an Lucilius: „Wie meine Rede wäre, wenn wir beisammen säßen oder Seite an Seite umherspazierten, unvorbereitet und zwanglos, so sollen auch meine Briefe sein; sie sollen nichts Gesuchtes, nicht Gekünsteltes haben.“ Vgl. Seneca, Luciuis Annaeus: Seneca seinem Lucilius Gesundheit. In: Ders.: Philosophische Schriften. Lateinisch und Deutsch 4: An Lucilius. Briefe über Ethik. Hg v. Manfred Rosenbach. Darmstadt 1984. S. 85. 15 Gellert, Christian Fürchtegott: Praktische Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen. In: Ders.: Sämtliche Schriften. 10 Teile in 5 Bänden 4. Reprograf. Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1769. Hg. v. Johann Adolf Schlegel/Gottlieb Leberecht Heyer. Hildesheim 1968. S. 4. 16 Gellert: Praktische Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen. S. 44. 6 Gedanken“17 und „seinem eigenen Naturell“18 überlassen. Neben das Primat von Empfindsamkeit und Emotivität tritt nicht nur in der Brieflehre und -praxis sowie gleichfalls im Briefroman des 18. Jahrhunderts das Primat assoziativen Schreibens, welches Richardson auf die Formel „written, as it were, to the moment“19 bringt, wie jenes der Individualität. Epistolares Erzählen ist stets an die empirische individuelle Psyche gebunden und schafft nicht zuletzt dadurch, dass die Distanz zwischen Erleben und Erzählen zumeist sehr gering ist, neue Möglichkeiten, „das Innere des Menschen darzustellen“20. Das erzählende Ich des Briefschreibers berichtet also in der Regel über Ereignisse, welche nicht weit zurück in der Vergangenheit liegen. Dabei bleibt das berichtende Ich niemals statisch, sondern verändert durch die im Briefwechsel mit dem Kommunikationspartner generierten Informationen und die Geschehnisse, welche parallel zur Briefkommunikation in der textual actual world21 passieren, immer wieder seinen zeitgebundenen Erlebnis- und Wissenshorizont sowie seine Perspektive.22 So ist der Brief im Roman in der Lage, über längere Distanzen äußerst subjektiv gefärbte, von Spontaneität geprägte Wahrnehmungen wiederzugeben. „Niemals zuvor sind Leserinnen und Leser zu so intimen Zeugen dieses inner- und interpersonalen Geschehens gemacht worden“23, was sicherlich mitunter zu jener hohen Korrelation von der Gattung des Briefromans und der Epoche der Empfindsamkeit beigetragen hat und den Briefroman zum Vorläufer des modernen Romans macht. Jenes psychologische Interesse des Lesers im 18. Jahrhundert für das Innenleben des fühlenden Individuums wurde zudem durch eine möglichst unmittelbare, authentische und glaubwürdige Präsentation der Briefe bedient. Der Dokumentationscharakter, welcher bereits durch die schlichte Integration einer Aneinanderreihung von Briefen in den Roman geschaffen wird, wurde oft durch einen weiteren Kunstgriff verstärkt: einen fiktiven Herausgeber, welcher sich in Vor- und Nachwort sowie in Kommentaren einzuschalten vermag.24 17 Gellert: Praktische Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen. S. 37. Ebd. S. 58. 19 Richardson, Samuel: The History of Sir Charles Grandison. In: Ders.: The Novels of Samuel Richardson. Complete and unabriged 13: Sir Charles Grandison 1. Reprint of the 1902 edition. Hg. V. William Lyon Phelps. New York 1970. S. XXXXIX. 20 Huber, Martin: Der Text als Bühne. Theatrales Erzählen um 1800. Göttingen 2003. S. 93. 21 Zu den von Ryan postulierten „possible worlds“ vgl. Ryan, Marie-Laure: Possible Worlds, Artificial Intelligence, and Narrative Theory. Indiana 1991. [Glossary]. Die textual actual world bezeichnet „the image of TRW [textual reference world, M.L.] proposed by the text”. Die textual reference world wiederum meint die „world for which the text claims facts; the world in which the propositions asserted by the text are to be valued”. 22 Vgl. Honnefelder: Der Brief im Roman. S. 109.; Neuhaus, Volker: Typen multiperspektivischen Erzählens. Köln 1971. S. 32ff. 23 Stiening/Vellusig: Poetik des Briefromans. S. 7. 24 Vgl. Picard, Rudolf: Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman des achtzehnten Jahrhunderts (Studia Romanica 23). Heidelberg 1971. Vgl. ebenso Miller, Norbert: Der empfindsame Erzähler. Untersuchungen 18 7 2.2 Der zeitgenössische E-Mail-Roman Zwar erschienen auch im 19. Jahrhundert einige Werke, die der Gattung des Briefromans zuzuordnen sind und innovative Momente hervorbringen konnten, ohne dabei auf empfindsame Sprach- und Deutungsmuster zurückzugreifen,25 und auch in der Gegenwartsliteratur finden sich einige Veröffentlichungen epistolarer Narrativik wieder,26 doch erreichte die Gattung nie wieder die Bedeutsamkeit und Popularität wie im 18. Jahrhundert.27 Mitte der 1950er Jahre stellt schließlich Björck fest, dass der moderne Briefroman deshalb so sehr im Rückgang begriffen sei, da die Menschen einfach immer weniger Privatbriefe schreiben.28 Eines der Medien, die dem Brief seinen Platz als alltägliches Kommunikationsmittel streitig gemacht haben, ist die E-Mail.29 Wie das „zum omnipräsenten Metamedium avanciert[e]“ Internet seit den 1990er Jahren immer wieder Eingang in die Literatur fand,30 so wird auch die E-Mail entsprechend als Prosa-Miniatur, also als eigenständige Textsorte,31 erprobt, wobei sich Thematik, Erzählweise und -strukturen des Erzählens durch die neuen Möglichkeiten und Kodes des Mediums veränderten. Erste deutschsprachige Versuche, die E-Mail-Korrespondenz auf Romanlänge auszuweiten, erfolgten nach anfänglichen Experimenten im Internet32 zunächst in der Kinder- und Jugendliteratur33 und an Romananfängen des 18. Jahrhunderts (Literatur als Kunst). München 1968. S. 154ff. Der Drang hin zum Authentischen und Dokumentarischen stellt hierbei das literarische Pendant zum philosophischen Empirismus jener Zeit dar. Vgl. Stiening: Epistolare Subjektivität. S. 22. 25 Vgl. Altman, Janet Gurkin: Epistolarity. Approaches to a Form. Columbus 1982. S. 195. 26 Vgl. die Literaturangaben bei Stiening/Vellusig: Poetik des Briefromans. S. 4. 27 Honnefelder sieht diesen Rückgang der Gattung in drei Momenten begründet: einerseits in der Gewöhnung des Publikums an die ursprüngliche Andersartigkeit der Gattungsform, andererseits und weniger plausibel nachvollziehbar im Konflikt mit der Funktion des Romans, die Welt zu spiegeln, was der Brief als privates Kommunikationsmittel in einer authentischen Form nur schwer leisten kann, sowie weiterhin in der Gefährdung der Einheit des Erzählens, die durch konsequente Multiperspektivität gesprengt zu werden droht. Vgl. Honnefelder: Der Brief im Roman. S. 111f. Weitere Begründungsansätze zum „Niedergang des Briefromans“ mit dem Fokus auf „einer Veränderung an die ästhetischen und moralischen Anforderungen an Literatur“ im Kontext von zunehmender Brüchigkeit aufklärerisch-empfindsamen Denkens liefert Scharnowski, Susanne: Ein wildes gestaltloses Lied. Clemens Brentanos „Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter“ (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft 184). Würzburg 1996. S. 29. 28 Björck, Staffan: Romanens formvärld. Studier i prosaberättelsens teknik (Natur och Kultur). Stockholm 7 1983. S. 45f. 29 So geben über 80 Prozent der Teilnehmer einer Studie an, dass die Kommunikation via E-Mail fester Bestandteil ihres Alltags sei. Vgl. Meder, Kathrin: E-Mail-Kommunikation. Zwischen Individualität und Konventionen. Eine Untersuchung des Nutzerverhaltens im Alltag. Saarbrücken 2006. S. 107. Vgl. ebenso Schmitz, Ulrich: Emails kommen in die Jahre. Telefonbriefe auf dem Weg zu sprachlicher Normalität. In: Arne Ziegler/Christa Dürscheid (Hrsg.): Kommunikationsform E-Mail (Textsorten 7). Tübingen 2002. S. 38f. 30 Dupont, Bruno: Erzählen im Zeitalter des Internets. Daniel Kehlmanns Ruhm und Daniel Glattauers Gut gegen Nordwind. In: Germanica 55 (2014). S. 189. 31 Vgl. zur Diskussion zur E-Mail als Textsorte oder Kommunikationsform Ziegler, Arne: E-Mail – Textsorte oder Kommunikationsform. Eine textlinguistische Annäherung. In: Ders./Dürscheid (Hrsg.): Kommunikationsform E-Mail. S. 9-32. 32 So beispielsweise http://www.litart.ch/email/ und http://www.scarlettunddean.de/. 8 Mitte der 2000er Jahre in diversen Varianten der ersten E-Mail-Romane.34 Dabei schreibt Schneider-Özbeck jedoch allein dem Bestseller von Daniel Glattauer Gut gegen Nordwind eine „echte formale Innovation“, die sich „von anderen zeitgenössischen Rettungsversuchen des Genres deutlich abgrenzt“35. Alle grundsätzlichen Charakteristika des Briefromans, so die durch die Dialogizität hervorgerufene Nähe zum Gesprächsstil, die Bindung der Nachrichten an die individuelle Psyche der Korrespondenten, eine mögliche Multiperspektivität aufgrund verschiedener erzählender Personen auf der intradiegetischen Ebene, die suggerierte Authentizität sowie hohes Potential zur Intimität, treffen dabei auch auf den prototypischen E-Mail-Roman zu. Dabei erlaubt die von den Romanen imitierte Kommunikation via E-Mail aufgrund der Digitalität eine Mitteilungsfrequenz, die um ein vielfaches höher als beim Briefschreiben und sicherlich das besondere Spezifikum dieser Romangattung ist. So können die erlebten Ereignisse viel näher an den Zeitpunkt des Erzählens heranrücken, was mitunter neue Konfliktpotentiale und ganz andere Plotstrukturen erzeugen kann. Außerdem können so die beiden Räume, die Lebenswelten der Schreibenden, zu einem gemeinsamem virtuellen Raum, der textual virtual world36, zusammenfließen. Generell radikalisiert und verzerrt die E-Mail als potentiell quasi-synchrones Kommunikationsmedium37 im Verhältnis zum Brief auch das Spannungsfeld zwischen zeitlicher und auch gefühlter räumlicher Distanz. Gerade im ‚Gespräch„ über Zwischenmenschliches kommt jene „Dialektik […], zugleich zu verbinden und zu trennen“38, zum Tragen und verschärft den Anspruch der Kommunizierenden auf Nähe. Dies führt auch zum Zusammenführen von virtuellem und analogem 33 Vgl. dazu die Literaturangaben bei Schneider-Özbeck, Kathrin: Daniel Glattauers E-Mail-Roman Gut gegen Nordwind: Nur die Modernisierung eines alten Genres? In: Michael Boehringer/Susanne Hochreiter (Hrsg.): Zeitenwende. Österreichische Literatur seit dem Millennium: 2000–2010. Wien 2011. S. 355. 34 Ein kurzer Überblick zu verschiedenen Veröffentlichungen bei Schneider-Özbeck: Daniel Glattauers EMail-Roman Gut gegen Nordwind. S. 355ff. 35 Ebd. S. 358. 36 Der Term wird als Anlehnung an Ryans textual alternative possible world benutzt. “TAPWs [textual alternative possible worlds, M.L.] are textually presented as mental constructs formed by the inhabitants of TAW [textual actual world, M.L.]. Vgl. Ryan: Possible Worlds, Artificial Intelligence, and Narrative Theory. [Glossary]. Vgl. auch Anm. 19. Hier ist jene Welt eben nicht nur mental sondern auch durch moderne Technologie geformt. 37 Zur Unterscheidung von synchroner, quasi-synchroner und asynchroner Medienkommunikation vgl. Dürscheid, Christa: Medienkommunikation im Kontinuum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Theoretische und empirische Probleme. In: Zeitschrift für angewandte Linguistik 38 (2003). S. 37-56. 38 Flusser, Vilém: Kommunikologie (Forum Wissenschaft: Kultur und Medien 13386). Frankfurt a.M. 42007. S. 306. 9 Raum, 39 ein Motiv, das in einer Vielzahl von Romanen aufgegriffen und von den schreibenden Figuren bewusst thematisiert wird. 2.3 Der E-Mail-Roman als Briefroman des 21. Jahrhunderts? Der E-Mail-Roman ist in der bis heute überschaubaren Anzahl wissenschaftlicher Texte zu diesem Thema wie in feuilletonistischen Kritiken einzelner Werke immer wieder mit dem Briefroman in Zusammenhang gebracht worden.40 So wird auch Gut gegen Nordwind als „Briefroman im modernen Gewand“41 bezeichnet. Beide Romantypen weisen schließlich auch die oben erwähnten narratologisch-strukturellen Parallelen auf, welche auf dem literarischen Verfahren der Integration eines schriftlichen Kommunikationsmediums in Erzähltes beruhen, vor allem die tendenzielle „Gegenwärtigkeit des Erzählten“42. Dazu sind weiterhin auch die performative Eigenschaften der geschriebenen Mitteilungen, Raum- und Zeitstrukturen der Romane sowie das Nähe-Distanz-Verhältnis der Figuren zueinander prägnante Merkmale beider Genres. Doch neben den grundlegenden Gemeinsamkeiten können in allen diesen Punkten eben auch in Abhängigkeit der spezifischen Ausprägungen der jeweiligen Medialität von Brief und E-Mail gewisse Unterschiede auftreten und ebenso wie die durch die jeweiligen Medien typischerweise hervorgerufenen Kommunikationsereignisse43 zu divergenten potentiellen Inhalten und Strukturen der Romane führen.44 Beide Genres lassen sich unzweifelhaft als „Antwort auf eine kulturelle Praktik“45, als Bezug auf gängige gesellschaftliche Kommunikationsformen betrachten. Konträr zu dieser systematisch-entstehungsgeschichtlichen Gemeinsamkeit erwähnt Kusche jedoch noch die mentalitätsgeschichtlich unterschiedlichen Wertvorstellungen und fokussiert dabei das 39 Erforscht wurde dies ausführlich in der Chat-Kommunikation. Vgl. Beißwenger, Michael: Raumorientierung in der Netzkommunikation. Korpusgestützte Untersuchungen zur lokalen Deixis in Chats. In: Barbara Frank-Job/Alexander Mehler/Tilmann Sutter (Hrsg.): Die Dynamik sozialer und sprachlicher Netzwerke. Konzepte, Methoden und empirische Untersuchungen an Beispielen des WWW. Wiesbaden 2013. S. 207258. 40 Vgl. Keskinen; Mikko: E-pistularity and E-loquence: Sylvia Brownrigg‟s The Metaphysical Touch as a Novel of Letters and Voices in the Age of E-Mail Communication. In: Critique. Studies in Contemporary Fiction 45/4 (2004). S. 383-404.; Schneider-Özbeck: Daniel Glattauers E-Mail-Roman Gut gegen Nordwind.; Müller, Burkhard: Wenn Festplatten fremdgehen. In: Süddeutsche Zeitung. Ausgabe vom 15.06.2009. S. 12; Anonymus: Sie mailen wieder! Der österreichische Autor Daniel Glattauer entlässt sein „E-Paar“ ins Leben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ausgabe vom 07.02.2009. S. Z5. 41 Gaiser, Martin: Ein Briefroman im modernen Gewand. Daniel Glattauers "Gut gegen Nordwind" als Hörbuch. 2007. 42 Picard: Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman des achtzehnten Jahrhunderts. S. 11. 43 Vgl. Siegert, Paul Ferdinand: Die Geschichte der E-Mail. Erfolg und Krise eines Massenmediums. Bielefeld 2008. S. 286. 44 Vgl. Kusche: Der E-Mail-Roman. S. 35. 45 Ebd. S. 32. 10 Spiel mit Identitäten im Netz46 im Vergleich zum klassischen Bekenntnisbrief zur Mitteilung wahrer Stimmungen und Gefühle.47 Die bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Struktur, Entstehungsgeschichte und Kontext legen also nahe, den E-MailRoman nicht als ‚Briefroman des 21. Jahrhunderts„, vielmehr Letzteren als „Bezugsfolie“ hinsichtlich Termini und Typologien für seinen jüngeren Verwandten zu verwenden.48 3 Die Leiden des jungen Werthers und Gut gegen Nordwind – Liebe in medialisiertem Erzählen Goethes Romane gehören zu den ersten im deutschsprachigen Raum, die Konflikte in der Beziehung des einzelnen Individuums zur determinierenden Gesellschaft als Thema aufgreifen und ästhetisch zu lösen versuchen. Allen voran und am reichsten an Subjektivismus und Ausdrucksstärke ist sein autotherapeutischer Jugendroman Die Leiden des jungen Werthers, welcher wie kein anderer Roman seiner Zeit Gefühle, Stimmungen, Sprache und Welthaltung der jungen Generation trifft und „zum ersten weltliterarischen Ereignis der deutschsprachigen Literaturgeschichte“49 rangiert. Dementsprechend zahlreich sind die Deutungsversuche. Ob biographische Spurensuche oder psychoanalytische Untersuchung50, werkimmanente Mikroanalyse51, sozialgeschichtliche Einordnung52, deren systemtheoretische Abänderung53 oder diskursanalytische Erweiterung54, dekonstruktivisti46 Vgl. Bignell, Jonathan: Media Semiotics. An Introduction. Manchester/New York 22002. S. 222. „The social world is itself simulated by the interactive conversations of e-mail. Interacting with people remotely by means of written linguistic signs offers the user freedom to enjoy different and fluid identities […].” Hierbei darf man jedoch nicht allzu schnell pauschalisieren, da erst ein relativ ungefestigtes bzw. unvertrautes Verhältnis der E-Mail-Schreibenden ein solches Spiel überhaupt zulassen kann. Vgl. auch mit Fokus auf Gut gegen Nordwind Wilke, Beatrice: Computervermittelte Kommunikationsformen in literarischen Texten (Sandra Hoffmann und Daniel Glattauer). In: Testi e Lingiaggi 1 (2007). S. 159. 47 Vgl. Kusche: Der E-Mail-Roman. S. 34. 48 Vgl. Ebd. S. 35f. 49 Jeßing, Benedikt: Johann Wolfgang Goethe (Sammlung Metzler. Realien zur Literatur 288). Stuttgart/Weimar 1995. S. 112. 50 Vgl. etwa Schmiedt, Helmut: Woran scheitert Werther? In: Ders. (Hrsg.): „Wie froh ich bin, dass ich weg bin!“ Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ aus literaturpsychologischer Sicht. Würzburg 1989. S. 147-172. 51 Vgl. etwa Hass, Hans-Egon: Werther-Studie. In: Richard Alewyn/Hans-Egon Hass/Clemens Heselhaus (Hrsg.): Gestaltprobleme der Dichtung. Bonn 1957. S. 83-125. 52 Vgl. etwa die marxistische Deutung Scherpe, Klaus: Werther und Wertherwirkung. Zum Syndrom bürgerlicher Gesellschaftsordnung im 18. Jahrhundert. Bad Homburg [u.a.] 1970. Sowie für die neuere Forschung Renner, Karl N.: „Laß das Büchlein deinen Freund seyn“. Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ und die Diätetik der Aufklärung. In: Günther Häntzschel/John Ormrod/Karl N. Renner (Hrsg.): Zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur von der Aufklärung bis zur Jahrhundertwende (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 13). Tübingen 1985. S. 1-20. 53 Vgl. etwa Plumpe, Gerhard: Kein Mitleid mit Werther. In: Henk de Berg/Matthias Prangel (Hrsg.): Systemtheorie und Hermeneutik. Tübingen/Basel 1997. S. 215-232. 11 sche Experimente55 oder schließlich sämtliche kulturwissenschaftliche Arten von Betrachtungsweisen56 – alles musste der Werther erdulden. Werther selbst ist ein junger bürgerlicher Intellektueller, der, um Erbschaftsangelegenheiten zu regeln, im Mai 1771 aufs Land zieht, wo er außerdem der überall vorhandenen und ihn zunehmend bedrängenden Begrenztheit der Lebensverhältnisse zu entfliehen und dafür Glücksgefühle und Harmonie in den Erscheinungen der Natur und Literatur zu finden versucht. Als er die Amtmannstochter Lotte kennenlernt, scheint seine Sehnsucht nach Glück kurz gestillt zu werden, doch die Verehrerin will ihre Verlobung, die gleichzeitig eine gesicherte Zukunft bedeutet, nicht aufgeben. Nach einem kurzen Intermezzo am Hofe, wo Werther aufgrund seiner Nonkonformität verstoßen wird, kehrt er zur inzwischen verheirateten Lotte zurück, steigert sich in eine bald kaum auszuhaltende Leidenschaft zu ihr hinein, nimmt sich schließlich sein nicht sinnerfüllendes Leben und beendet so seine Leiden. Präsentiert wird uns die Geschichte des Werthers in Briefen, die er an seinen Freund Wilhelm versendet. Diese einseitig-monologische Form, ein strukturelles Spezifikum des Romans ist gleichzeitig sinnstiftend im Kontext von stürmer-und-drängerischem Subjektivismus. Es wird „der Wirklichkeitsgehalt des dialogischen Modells“ bestritten, da Antworten schwer vorstellbar sind. Die in den Briefen „emphatisch geäußerte Subjektivität“ erfährt keinerlei gesellschaftliche Resonanz, findet keinen Weg zu harmonischer interpersonaler Verständigung.57 Dabei steht das Werk mit seiner regellosen Sprache voller Originalität und Unmittelbarkeit sowie seinem uneingeschränkten Subjektivismus, aber auch aufgrund des Darstellens einer scheiternden Existenz, welche ihren Platz im bürgerlich-rationalen gesellschaftlichen Gefüge nicht findet, zu Recht exemplarisch als authentischer Ausdruck der Tendenzen des Sturm und Drang, wobei mehrere Elemente wie etwa bereits die Verwendung der Briefform und auch literarische Reminiszenzen an Klopstock, Goldsmith oder die Bibel darauf verweisen, dass der Werther ebenso in der Tradition der Empfind- 54 Vgl. etwa die einflussreiche Studie Wegmann, Nikolaus: Diskurse der Empfindsamkeit. Zur Geschichte eines Gefühls in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1988. S. 105ff. Vgl. ebenso Luserke, Matthias: Die Bändigung der wilden Seele. Literatur und Leidenschaft in der Aufklärung (Germanistische Abhandlungen 1977). Stuttgart/Weimar 1995. S. 237ff. 55 Vgl. etwa Forget, Philippe: Aus der Seele geschrie(b)en? Zur Problematik des ‚Schreibens„ (écriture) in Goethes ‚Werther„. In: Ders. (Hrsg.): Text und Interpretation. Deutsch-französische Debatte (UTB 1257). München 1984. S. 130-180. 56 Vgl. für Gesamtdarstellungen Flaschka, Horst: Goethes „Werther“. Werkkontextuelle Deskription und Analyse. München 1987.; Mattenklott, Gert: Die Leiden des jungen Werthers. In: Bernd Witte/Peter Schmidt (Hrsg.): Goethe-Handbuch 3: Prosaschriften. Stuttgart/Weimar 1997. S. 51-101. 57 Vgl. Mattenklott, Gert: Briefroman. In: Volker Meid (Hrsg.): Literatur-Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache 13: Begriffe, Realien, Methoden. Gütersloh/München 1992. S. 131f. Vgl. auch Luserke, Matthias: Der junge Goethe. „Ich weis nicht warum ich Narr soviel schreibe“. Göttingen 1999. S. 115. 12 samkeit verwurzelt ist.58 Die Briefe Werthers werden dem Leser allerdings von einem fiktiven Herausgeber präsentiert, eingeleitet und am Ende auch kommentiert. Dieser sorgt nicht nur für einen Unmittelbarkeits- und Authentizitätseindruck sondern vertritt auch eine moralisch-pädagogische Absicht, wenn einerseits ein distanzierter Tonfall bei den späteren Lücken in den Briefen verwendet, andererseits leidenschaftlich mit lyrischer Pointiertheit zu Mitleid und Verständnis aufgerufen wird.59 Das gute zwei Millennien später erschienene Gut gegen Nordwind (2006) berichtet ebenfalls von einer Liebesgeschichte, welcher der Leser durch die von zwei schreibenden Protagonisten regelmäßig untereinander hin- und hergesendeten E-Mails folgt. Emma Rothner, genannt Emmi, schickt Leo Leike durch einen Tippfehler aus Versehen eine E-Mail, in der sie eigentlich das Abonnement einer Zeitschrift kündigen wollte, sowie eine zweite mit Neujahrgrüßen, da Leo nun bereits in ihrem Adressbuch gespeichert worden ist. Es entspinnt sich eine digitale Korrespondenz, die sich vom amüsanten Small Talk hin zu intimen Geständnissen entwickelt. Die verheiratete Emmi und der frisch getrennte Leo entwickeln Gefühle füreinander, weichen einem realen Aufeinandertreffen jedoch immer wieder aus, bis schließlich Emmis schlechtes Gewissen und die vorübergehende60 Deaktivieung von Leos E-Mail-Account auch einen letzten Versuch, sich einmal wirklich zu begegnen, zunichtemachen und die Geschichte abreißen lassen. Der thematische Konflikt, der ebenfalls die Zuneigung zweier Menschen zueinander betrifft, bewegt sich hier also nicht auf im Spannungsfeld zwischen individueller Subjektivität und gesellschaftlichen Normen sondern entlang „Rissen oder Widersprüchen, die an der Grenze zwischen Virtualität(en) und Realität(en) erscheinen“61 und im Zuge der Informatisierung der Gesellschaft entstandenen sind. Dabei geht es auch um performative virtuelle Subjektkonstitution62, damit einhergehend um die Wirksamkeit von Sprache im CyperSpace und das Motiv virtueller Begegnung mitsamt bestimmter sich von konventioneller Face-to-face-Kommunikation unterscheidender Beziehungsmodi und Verhaltensweisen, 58 Zur Epochenproblematik im Hinblick auf Die Leiden des jungen Werthers vgl. Könecke, Rainer: Stundenblätter. Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ und die Literatur des Sturm und Drang (Stundenblätter Deutsch). Stuttgart 1989. S. 7, 13. 59 Vgl. Miller: Der empfindsame Erzähler. S. 154ff. 60 Dies erfährt der Leser jedoch erst im Nachfolgeroman Glattauer, Daniel: Alle sieben Wellen. Wien 2009. 61 Dupont: Erzählen im Zeitalter des Internets. S. 205f. 62 Vgl. zum Kreieren vom wahren Selbst abweichender oder idealisierter Identitäten Rotunno, Laura: User IDs: Email Novels and the Search for Identity. In: Autobiography Studies 21/1 (2006). S. 80: „… individuals ‚created„ by each epistulary situation, individuals who, as email novels suggest, have little if any connection to real persons.“ 13 weshalb der Text von metamedialen, -sprachlichen und -fiktionalen63 Kommentaren der Figuren durchzogen ist. Hier wird die Geschichte zudem nicht nur aus der Perspektive eines sondern zweier Verfasser von Mitteilungen beleuchtet. Da Emmi und Leo sich im Gegensatz zu Werther auch fast immer auf Vorhergegangenes des E-Mail-Partners beziehen und das am Computer verwendete quasi-synchrone Kommunikationsmedium E-Mail dies begünstigt, wird hier eine als Utopie64 funktionierende „virtuelle Eigenräumlichkeit“ mit „spezifischer Eigenzeitlichkeit“65 geschaffen. Eine Erzählinstanz fehlt gänzlich, nur eine Kompositionsinstanz versieht die E-Mails mit Zeitangaben, die auf den jeweiligen zeitlichen Abstand zur vorangegangenen Nachricht referieren, wobei aus Gründen der „Komplexitätsreduktion“66 auch auf die Darstellung des E-Mail-Kopfes verzichtet wird. 4 Didaktische Potentiale und Möglichkeiten der Thematisierung im Unterricht An dieser Stelle soll es nicht darum gehen, eine vorgefertigte Unterrichtsreihe zu präsentieren oder die Werke in allen Facetten ihrer Möglichkeiten unterrichtlicher Behandlung zu untersuchen. Ebenso wenig geht es um sinnvolle Unterrichtsbeschäftigungen, welche sich jedoch nur auf eines der Werke beziehen, oder um Vergleichspunkte der beiden Romantypen, die sich allerdings schwerlich für den Schulunterricht nutzbar machen lassen. Es sollen vielmehr Anhaltspunkte geboten werden, bei denen sich eine kontrastive, verknüpfende oder ergänzende Betrachtung der beiden Werke oder Romantypen mit Schülern eignet. Die Anordnung der Unterkapitel soll weiterhin nicht festlegen, in welcher Reihenfolge vorgegangen werden soll oder dass zuerst Die Leiden des jungen Werthers, dann im Anschluss Gut gegen Nordwind behandelt werden muss. Es handelt sich also bei Unterkapitel 4.2 wie im ganzen Kapitel nur um Vorschläge möglicher Vorgehensweisen. 63 Auch die beiden E-Mail-Schreibenden in Gut gegen Nordwind bezeichnen sich passenderweise gegenseitig selbst als „Fantasie-Emmi“ und „Virtuell-Leo“. Vgl. Glattauer: Gut gegen Nordwind. S. 84. 64 Emmis Ehemann Bernhard bezeichnet den durch die E-Mail-Kommunikation der beiden konstruierten Raum den „Kosmos ihrer [Emmis] Wunschtäume“. Vgl. Glattauer: Gut gegen Nordwind. S. 183. Ist es ein Zufall, dass Emmi, die eigentlich Emma heißt, denselben Namen trägt wie Gustave Flauberts Hauptfigur aus Madame Bovary, eine Frau, die am Widerspruch von Realität und Illusion zerbricht und obendrein auch noch einen Liebhaber namens Léon hat? 65 Sandbothe, Mike: Virtuelle Temporalitäten. Zeit- und identitätsphilosophische Aspekte im Internet. In: Herbert Willems/Alois Hahn (Hrsg.): Identität und Moderne. Frankfurt a.M. 1999. S. 378. 66 Kusche: Der E-Mail-Roman. S. 35. 14 4.1 Begründung der Lektürewahl und unterrichtsmethodische Hinweise „Wer die Werke Goethes nicht in der Schule kennenlernt, wird sie wahrscheinlich überhaupt nicht kennenlernen“,67 schreibt Kurt Abels Anfang der 1980er Jahre und wird damit wohl auch für die meisten jungen Lesenden oder eben nicht Lesenden dieser Tage Recht behalten haben. Doch obwohl reziprok zur ansteigenden Produktion (literarischer) Texte die Leseleistung vieler Schüler in den letzten Jahrzehnten nachgelassen hat,68 sollte der Fokus nicht darauf liegen, den Komplexitätsgehalt Goethes Lektüre zu reduzieren, dem Werther/Werther sozusagen erneut ‚Gewalt anzutun„ sondern vielmehr Wege zu finden, den Roman für junge Leser interessant zu machen und neue Zugänge zu öffnen. Der zeitgenössische E-Mail-Roman Gut gegen Nordwind erscheint dabei als geeignete Kontrastfolie, um sowohl die inhaltliche Aktualität als auch lohnenswerte Fragestellungen und Untersuchungsgegenstände, welche die Lebenswelt der Schüler tangieren, aufzuzeigen. Die Meinungen über die Sprache des Werthers im Hinblick auf dessen Behandlung im Unterricht reichen weit auseinander. So wird einerseits von einer „Sprachbarriere der Empfindsamkeit“69 gesprochen, wobei eine „zweihundertjährige Trivialisierung der Empfindsamkeitssprache“, welche deshalb heute „lächerlich und übertrieben“70 wirke, bei den jugendlichen Lernenden zu Skepsis und Langeweile führe.71 Andererseits gibt es auch den regel- und zügellosen Aspekt der Sprache, weshalb Eisenträger auch unbedingt zur Fassung von 1774 rät, da diese für Schüler „aufgrund der stärkeren Abweichungen vom heutigen Sprachgebrauch und von der modernen Rechtschreibung den Reiz des Fremden und Wilden hat“72. Für den Unterricht eignet sich vor allem die Taschenbuchausgabe von Suhrkamp73, welche übersichtlich angelegt, mit Worterklärungen am Rand und im Anhang 67 Abels, Kurt: Goethe als Klassiker für die Schule. Forschungsbericht. In: Literatur in Wissenschaft und Unterricht 16/1 (1983). S. 84. 68 Vgl. zur Heterogenität der Leseleistungen jugendlicher Leser Bertschi-Kaufmann, Andrea/Härvelid, Frederic: Lesen im Wandel – Lesetraditionen und die Veränderungen in neuen Medienumgebungen. In: Andrea Bertschi-Kaufmann (Hrsg.): Lesekompetenz, Leseleistung, Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien (Lehren lernen – Basiswissen für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung). Seelze/Zug 42011. S. 31. sowie Bertschi-Kaufmann, Andrea: Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. In: Dies.: Lesekompetenz, Leseleistung, Leseförderung. S. 8-16. 69 Hein, Edgar: Johann Wolfgang Goethe. Die Leiden des jungen Werther (Oldenbourg Interpretationen 52). München 21997. S. 103. 70 Ebd. S. 97. 71 Klagen über dieses Phänomen ebenso bei Ulshöfer, Robert: Gesellschaftskritische Literatur – Kritik an der gesellschaftskritischen Literatur im Deutschunterricht – Probleme einer Erziehung zur Kritik. In: Der Deutschunterricht 25/2 (1973). S. 18. 72 Eisenträger, Ulrike: Materialien zu „Die Leiden des jungen Werthers“ von J.W. Goethe. Begleitmaterial zur Ausstellung „… mein Werther – dein Werther – unser Werther … Ein Roman überwindet Grenzen“. Vom 6. Februar bis 24. März 2013. Frankfurt 2013. S. 2. 73 Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werthers. Text und Kommentar (Suhrkamp BasisBibliothek 5). Hg. v. Wilhelm Große. Frankfurt a.M. 1998. 15 sowie verschiedenen Kommentaren zu Entstehung, Wirkung und Interpretation versehen ist. Als Hilfe zur Rekonstruktion der äußeren Handlung kann für jüngere Schüler ein Handlungsgerüst, z.B. in Form eines Verlaufsdiagramms, hilfreich sein. 74 Für Goethes Briefroman gilt weiterhin, dass seine historische Distanz einer rein werkimmanenten Behandlung des Werks im Wege steht. Die Lernenden benötigen sprachästhetische, literatur- und in diesem Kontext auch rezeptionsgeschichtliche Verständnishilfen. Gut gegen Nordwind hingegen stellt mit einem überschaubaren Umfang von 219 Seiten und jeweils großen Abständen zwischen den gedruckten E-Mails keinen besonders erheblichen Leseaufwand dar. Auch wenn die Sprache streckenweise recht elaboriert ist, dürfte sie jedoch auch Schülern der Sekundarstufe I keine Verständnisprobleme bereiten. Vor allem aufgrund des Diskurses über moderne Kommunikationstechniken und der metamedialen Kommentare dürfte der Roman sehr leicht Anschluss an die Lebenswelten der Lernenden finden, welche sicherlich bereits Erfahrungen mit privaten E-Mails oder Chats gesammelt haben. 4.2 Werther im Kontext von Adoleszenz und Brückenschlag zu Gut gegen Nordwind Wie aktuelle Veröffentlichungen zeigen – so etwa autobiographische Romane, Briefsammlungen oder Bekenntnisschriften –, hat das Ich des Schreiben eine große Bedeutung in der Literatur gewonnen, nicht zuletzt da die Bereiche der Subjektivität und Kommunikation den Menschen heute äußerst bedroht erscheinen. So sind eine Reihe der im Werther behandelten Themen wie das Bedürfnis nach Freiheit angesichts ständig wachsender Einschränkungsmöglichkeiten, der Anspruch auf Selbstverwirklichung in Zeiten von Leistungsdruck, freies Entfalten von Liebe und Sexualität in einer von repressiven Normen und Vorstellungen geprägten Gesellschaft sowie Verantwortung und Realitätsflucht für heutige Leser ungebrochen relevant. Weiterhin ist Goethes Lektüre aus entwicklungspsychologischer Sicht besonders für Schüler in der Adoleszenz, einer entscheidenden Phase der Entwicklung der eigenen Identität durch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich bedeutsamen Wertvorstellungen,75 sinnvoll, da sich anhand des Gegensatzes ‚Aufklärung – Sturm und Drang„ Wertvorstellungen im Allgemeinen reflektieren und bewerten lassen. Und wenn Neumann anmerkt, dass „contemporary literature […] is indeed obsessed with ques- 74 Lambertz, Peter/Siefer, Claus: Materialien-Handbuch Deutsch 1/I. Romane und Erzählungen I. Köln 2001. S. 64. 75 Vgl. Silbereisen, Rainer K./Weichold, Karina: Jugend (12–19 Jahre). In: Wolfgang Schneider/Ulman Lindenberger (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. Weinheim [u.a.] 72012. S. 252f. 16 tions of identit[ies]” in Form von „imaginative (re)constructions which are always in flux and open to negotiation“76, lässt sich anknüpfend daran feststellen, dass sich auch Gut gegen Nordwind in diesen Trend einreiht und wie viele andere E-Mail-Romane durch die Thematisierung des Internets als Parallelwelt eine neue Facette zum Diskurs beisteuert. Die Aktualität des Werthers soll hier auch mit den Schülern explizit thematisiert, genauer untersucht und so anschließend eine Überleitung zum E-Mail-Roman Gut gegen Nordwind gefunden werden. Bereits Goethe war der Meinung, dass die Leiden seines jungen Protagonisten „nicht dem Gange der Weltkultur“ sondern „dem Lebensgange jedes Einzelnen“ angehören, also zeitlos für die Jugend relevant seien. Ein leicht modifizierter Auszug jenes Gespräches zwischen Goethe und seinem Sekretär Johann Peter Eckermann – in einer Art und Weise, die den Schülern weder Urheber der Worte noch Entstehungszeitraum zugänglich macht – kann als Einstieg in die Unterrichtsstunde dienen. Die Lernenden diskutieren darüber, aus welcher Zeit die Aussage des Autors selbst, dass „das Buch auf ein gewisses Jünglingsalter noch heute wirkt wie damals“ 77, stammt. Anschließend ließe sich mit Schülern der Mittelstufe, die sich zu diesem Zeitpunkt größtenteils in der Hauptphase der Pubertät mitsamt Schwierigkeiten bei der Verarbeitung emotionaler Reize befinden sollten,78 eine arbeitsteilige Gruppenarbeit zu den Themenkomplexen ‚Depression„, ‚Pubertät„ und ‚Liebeskummer„ im Hinblick auf Werther durchführen. Die Fragestellung bezieht sich auf die Beurteilung von Werthers Verhalten nach heutigen Maßstäben. Den Lernenden soll verständlich werden, dass alltägliche Phänomene und Symptome auf die Figur zutreffen, diese allerdings durch die historische Differenz im literarischen Werk anders dargestellt und gewertet werden.79 Die Schülergruppe, welche sich mit Werther als depressivem Menschen beschäftigt, wendet den Depressionstest Goldbergs, welcher im Internet abrufbar ist,80 auf Goethes Figur an. Diejenigen Schüler, welche sich mit den Anzeichen pubertierenden Verhaltens bei Werther auseinandersetzen, lesen einen Artikel der Jugendzeitschrift Bravo auf derer 76 Neumann, Birgit: Narrating Selves, (De-)Constructing Selves? Fictions of Identity. In: Dies./Ansgar Nünning/Bo Pettersson (Hrsg.): Narrative and Identity. Theoretical Approaches and Critical Analyses (Giessen contributions to the study of culture 1). Trier 2008. S. 66. 77 Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens (Reclam Universalbibliothek 2002) Hg. v. Otto Schönberger. Stuttgart 1994. S. 559f. Der leicht modifizierte Auszug befindet sich in Anhang 1. 78 Vgl. Silbereisen/Weichold: Jugend (12–19 Jahre). S. 238ff. 79 Kernlehrplan für den verkürzten Bildungsgang des Gymnasiums – Sekundarstufe I (G8) in NordrheinWestfalen. Deutsch. Hg. v. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Frechen 2007. S. 40f. 80 http://www.depressionen-depression.net/goldberg/goldberg-test.htm. Hierbei ist jedoch die Anleitung zum Test und vor allem zur Auswertung der Ergebnisse in Hinsicht auf mögliche Schlussfolgerungen genau zu beachten. Weitere Informationen zu Depression finden sich auf selbiger Homepage. 17 Internetpräsenz81 durch und bekommen dazu einen Auszug aus einem Vortrag über die Verschiebung der Pubertätsphase seit dem 18. Jahrhundert82 vorgelegt. Anhand dieser Materialen lässt sich erkennen, dass Werthers Stimmungsschwankungen und Gefühlsausbrüche schließlich auch unter anderem Folgen entwicklungsphysiologischer Hormonüberproduktion sein können. Auch das letzte Thema ‚Liebeskummer„ dürfte sehr nah an der Lebens- und Erfahrungswelt vieler Schüler sein. Hier sollen Auszüge eines Zeitungsartikels83 die klassischen Symptome von Liebeskummer bei Werther auffindbar machen dabei helfen, sein Schicksal in den thematischen Kontext einzubetten. Am Ende der Gruppenarbeit, die bestenfalls immer zwei Lernende zusammen gestalten, können die Ergebnisse entweder im Plenum – beispielsweise in Form einer Blitzlicht-Präsentation84 – vorgestellt und diskutiert oder in einer Zusammensetzung von jeweils drei Zweiergruppen, welche jeweils unterschiedliche Themen bearbeitet haben, untereinander besprochen werden. Nachdem die Relevanz der Lektüre von Goethes Jugendroman nun aufgezeigt sein sollte und die Schüler auch einen Bezug zu ihren eigenen, oftmals ihren Lebensalltag bestimmenden, Problemen hergestellt haben sollten, lässt sich gut eine Brücke zum Roman Glattauers schlagen. Man kann gemeinsam überlegen, wie man heutzutage via schriftlicher Kommunikationsmedien über Liebe und Sorgen kommuniziert, welche Rolle Sprache dabei einnimmt und ob ein Briefroman im 21. Jahrhundert die geeignete Kunstform für den Liebesdiskurs darstellt. Wie auch immer die Schülerantworten zu letzterer Frage ausfallen, mit Gut gegen Nordwind wird eine Antwort präsentiert und im Unterricht genauer behandelt werden. Gerade für jüngere Schüler bietet es sich noch an, anfangs an der Tafel oder mit dem Ausfüllen eines Arbeitsblatts die medialen Unterschiede zwischen sowie die formalen und technischen Modalitäten jeweils von Brief- und E-Mail-Kommunikation bewusst zu machen, zu klären und eventuell bereits über mögliche Folgen für den Inhalt der Nachrichten nachzudenken. 81 http://www.bravo.de/dr-sommer/stimmungsschwankungen-warum-du-sie-hast-was-dagegen-hilft235605.html. 82 Hurrelmann, Klaus: Schwindende Kindheit – Expandierende Jugendzeit. Neue Herausforderungen für die biografische Gestaltung des Lebenslaufs. Vortrag bei der Dr. Margit Egnér Stiftung in Zürich. Zürich 2003. Der Auszug befindet sich in Anhang 2. 83 Schmidt, Nicola: Gemischte Gefühle: Liebeskummer. In: Süddeutsche Zeitung. Ausgabe vom 19.08.2010. Der Auszug befindet sich in Anhang 3. 84 Zur Methode ‚Blitzlicht„ vgl. Wahl, Diethelm: Lernumgebungen erfolgreich gestalten. Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. Bad Heilbrunn 32013. S. 137. 18 4.3 Dramatisches Erzählen und szenisches Interpretieren Sowohl Brief- als auch E-Mail-Roman fallen aufgrund der fehlenden Erzählinstanz nicht nur durch ihre Nähe zum Dialogroman sondern ebenso durch dramatisch-dialogische Erzählcharakteristika auf.85 Die Handlungen werden fast gänzlich durch Briefe bzw. E-Mails erzählt, vermittelnde, kommentierende oder von außen beleuchtende Erzählinstanzen treten kaum auf. So lassen sich beide Romantypen nach Moravetz-Kuhlmann als „epischdialogische Mischform[en]“ bezeichnen, wobei die beiden Modi telling und showing86, also nacherzählende und performative Elemente, sich miteinander vermischen oder abwechseln können. Im Unterricht lässt sich anhand der Texte Die Leiden des jungen Werthers und Gut gegen Nordwind die in der Klassenstufe 9 zu lernenden Gestaltungsmittel, welche den Modus einer Erzählung beeinflussen,87 untersuchen. So könnte man mit einer kurzen Wiederholung von Begrifflichkeiten der erzähltheoretischen Beschreibung der Darstellungsform eines Textes beginnen. Ein Einordnung der einzelnen Passagen bzw. Sätze innerhalb der Briefe bzw. E-Mails als Präsentation von Rede auf ihre Mittelbarkeit unter Hinzunahme der bekannten Kategorien scheint später dann im Kontext einer Wesensbestimmung des gesamten Romantypus nicht allzu fruchtbar zu sein, da erstens innerhalb der Nachrichten die Form der Präsentation von Rede und zweitens auch die Erzählebene je nach Inhalt der Nachricht und der dort auftretenden Personen wechseln kann. Da die Schüler allerdings Kenntnisse über die verschiedenen Modi des Erzählten besitzen, ließe sich eine Diskussion anregen, inwiefern der gesamte Roman überwiegend im dramatischen Modus verfasst ist, indem die Briefe bzw. E-Mails als autonome direkte Rede aufgefasst werden. Für jüngere Lernende kann als Einstieg hierbei die für Schüler relativ leicht zugängliche Definition des Rechtschreibwörterbuches Duden, welche den Roman als „literarisches Werk erzählender Dichtung in Prosa“88 beschreibt, nützlich sein. Dabei soll es dann um die Frage gehen, wer denn eigentlich erzählt, wo die Romane doch nur aus Mitteilungen bestehen, die man also 85 Zur dramatischen Struktur im Briefroman vgl. Moravetz-Kuhlmann, Monika: Formen der Rezeptionslenkung im Briefroman des 18. Jahrhunderts. Richardsons Clarissa, Rousseaus Nouvelle Héloise und Laclos„ Liasions Dangereuses (Romanica Monacensia 34). Tübingen 1990. S. 25.; Picard: Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman des achtzehnten Jahrhunderts. S. 14. und am ausführlichsten Voßkamp: Dialogische Vergegenwärtigung beim Schreiben und Lesen. 86 Vgl. zu den Modi des Erzählens Bonheim, Helmut: The Narrative Modes. Techniques of the Short Story. Cambridge 1982. S. 20ff. Der Autor wählt passenderweise einen Briefroman, um den narrativen Modus „speech“, welcher am stärksten am Pol des showing zu verankern ist, zu beschrieben. 87 KLP Sek. I. Deutsch. S. 42. 88 Roman. In: Duden. Das Bedeutungswörterbuch (Der Duden in zwölf Bänden 10). Hg. v. der Dudenredaktion. Mannheim/Zürich 42010. S. 770. 19 auch als direkte Rede auffassen kann. Gut gegen Nordwind eignet sich hier wegen gänzlich fehlender Erzählinstanz besser. Wenn erst einmal die Affinität der Romantypen zum dramatischen Modus aufgezeigt worden ist, kann auch die Nähe zum Drama selbst, die schon Zeitgenossen Goethes erkannten,89 thematisiert werden. Zur Verdeutlichung dieses Charakteristikums lassen sich einige Unterrichtsformen zum produktiv-szenischen Erarbeiten von literarischen Texten anwenden. Der Brief- oder E-Mail-Text kann erlesen90 oder durch agierendes Erzählen91 dargestellt werden. Körperhaltungen in Form von Standbildern, (dialogische) Sprechhaltungen und Stellungen von Dialogpartnern im Raum können erarbeitet, dabei sogar innere Vorgänge und unterdrückte Fantasien, welche der reine Text nur sublim äußert bzw. äußern könnte, ausgedrückt werden.92 Mit Hilfe der Inszenierungstechnik der Stimmencollage93 kann die zuvor szenisch dargestellte Thematik auch in der Klasse diskutiert werden. Zwar sind Romantexte keine reinen Inszenierungstexte, die ohne Textinszenierung nur unvollständig rezipiert werden, allerdings kann ein darstellendes Spiel immer neue hermeneutische Interpretationen im Hinblick auf Figurenkonstellationen und Handlungsmotive sowie die Fantasie und Vorstellungskraft des Lernenden anregen.94 Scheller spricht dabei von einer neuen Qualität der Versinnlichung literarischer Texte sowie von einem „Lernen mit allen Sinnen“95. Weiterhin führen dramapädagogische Elemente, bei dem kognitives mit physischem und emotionalem Lernen verbunden wird, zu einem ganzheitlichen, nachaltigeren Lernprozess. Die Lernenden können so auch Teamfähigkeit, Empathievermögen und das Präsentieren vor einer Gruppe schulen. 89 So schreibt Jean Paul: „Der Roman in Briefen, welche nur entweder längere Monologe oder längere Dialoge sind, gränzet in die dramatische Form hinein …“. Vgl. Paul, Jean: Vorschule der Ästhetik. Nach d. Ausg. v. Norbert Miller (Philosophische Bibliothek 425). Hg. v. Wolfhart Henckmann. Hamburg 1990. S. 248f. 90 Ein interessantes Konzept namens Einen Text zum Klingen bringen, welches Vermutungen und Fragen zum Romantext anregen und Mut zum Vortragen von Präsentationen, Referaten etc. schüren soll, bietet Eisenträger: Materialien zu „Die Leiden des jungen Werthers“ von J.W. Goethe. S. 9. 91 Zur Inszenierungstechnik des agierenden Erzählens vgl. Schewe, Manfred Lukas: DaF-Stunden dramapädagogisch gestalten – wie mache ich das? In: Gerald Schlemminger/Thomas Brysch/Manfred Lukas Schewe (Hrsg.): Pädagogische Konzepte für einen ganzheitlichen DaF-Unterricht (Deutsch als Fremdsprache. Mehrsprachigkeit, Unterricht, Theorie). Berlin 2000. S. 94ff. 92 Vgl. zum Repertoire des szenischen Erarbeiten von literarischen Texten vgl. Waldmann, Günter: Produktiver Umgang mit dem Drama. Eine systematische Einführung in das produktive Verstehen traditioneller und moderner Dramenformen und das Schreiben in ihnen. Für Schule (Sekundarstufe I und II) und Hochschule. Hohengehren 62010. S. 120ff. sowie Scheller, Ingo: Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis. Berlin 62012. S. 37ff. 93 Zur Inszenierungstechnik der Stimmencollage vgl. Erzählens Schewe: DaF-Stunden dramapädagogisch gestalten. S.93f. 94 Vgl. Waldmann: Produktiver Umgang mit dem Drama. S. 117ff. Vgl. hierzu auch die Vorgaben des KLP Sek. I. Deutsch. S. 44. 95 Scheller: Szenisches Spiel. S. 13. 20 Nun könnte abschließend über die Tauglichkeit der Romane für mögliche Theateraufführungen nachgedacht werden. Dabei bietet sich einerseits an, die Verfilmung der Aufführung von Gut gegen Nordwind bei den Kammerspielen Wien 200996 im Unterricht anzuschauen oder eine Exkursion in eine Theateraufführung, die auf einem der beiden Romanen beruht,97 zu organisieren, wobei Vergleiche zwischen Buch- und Bühnentext ein weiterer Untersuchungsgegenstand sein können. 4.4 Leerstellen und kreatives Schreiben Picard erkennt, dass die Handlung in Brief- und E-Mail-Romanen mehr oder weniger „ruckweise […] in Schritten von jeweiligen Erlebnis- und Mitteilungseinheiten“, also einer „Reihung derartiger Gegenwartspunkte“ voranschreitet,98 was zur Folge hat, dass der Leser die Leerstellen zwischen jenen Gegenwartspunkten mit den ihm dargebotenen Informationen füllen und eigenständig Verknüpfungen treffen muss. Es entsteht so eine Interaktion zwischen Text und Rezipient.99 In Brief- und E-Mail-Romanen treiben vor allem die Stellen zwischen den einzelnen Mitteilungen das Vorstellungsbewusstsein des Lesers an, wobei die Ereignislücken bei E-Mail-Kommunikation wesentlich kürzer sein können. Gerade solche Leer- und Unbestimmtheitsstellen regen dazu an, die Auseinandersetzung mit den Romantexten nicht schon auf der Darstellungsebene dieser Texte enden zu lassen sondern eine textüberschreitende Auseinandersetzung mit dem literarischen Werk einzuleiten. Hierbei geht es im literaturdidaktischen Kontext vor allem um ein erweitertes Gesamtverständnis des Textes, ein mögliches Einverständnis des Lernenden mit dem Text, seinen Figuren, der Sprache und Form sowie um die Einstellung des Lernenden zum Text.100 96 Zemme, Ulrike/Glattauer, Daniel [Bühnenfassung]/Kreihsl, Michael [Regie]: Gut gegen Nordwind (Edition Josefsstadt 46). DVD. 101 Minuten. Wien 2009. 97 Für Schüler dürfte sich die Inszenierung der Leiden des jungen Wertehrs Karsten Dahlems aufgrund der Integration von rockig bis poppiger Live-Musik sehr gut eignen. Aktuell finden noch Aufführungen in der Region statt. Vgl. Dahlem, Karsten [Bühnenfassung, Regie]/Krampe, Marc-Oliver [Bühnenfassung]: Die Leiden des jungen Werther. Nach dem Briefroman von Johann Wolfgang Goethe. Casa, Essen, 2013/14. 98 Picard: Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman des achtzehnten Jahrhunderts. S. 26. 99 Vgl. Iser, Wolfgang: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung (UTB 636). München 1976. S. 284. 100 Vgl. Waldmann, Günter: Produktiver Umgang mit Literatur im Unterricht. Grundriss einer produktiven Hermeneutik. Theorie – Didaktik – Verfahren – Modelle (Deutschdidaktik aktuell 1). Baltmannsweiler 8 2013. S. 37f. Vgl. dazu ebenfalls den KLP Sek. I. Deutsch. S. 45. Es sind allerdings auch früh Zweifel geäußert worden, ob ein solches Vorgehen zum besseren Verstehen literarischer Texte beiträgt. Schüler neigen dazu, in eigenen Produktionen alltägliche Wahrnehmungsmuster wiederzugeben anstatt durch Literatur nahegelegte neue und fremde Sichtweisen von Wirklichkeit anzuwenden. Vgl. Fingerhut, Karlheinz: Der subjektive Faktor im neuen Literaturunterricht. In: Diskussion Deutsch 84 (1985). S. 353. Und nach Kügler soll gerade ein „Ausfüllen von Leerstellen“ durch materielle Handlungen dazu führen, dass sich eine spontane literarische Rezeption „selbst aufhebt“. Vgl. Kügler, Hans: Die bevormundete Literatur. Zur Entwicklung und Kritik der Literaturdidaktik. In: Jürgen Belgrad/Hartmut Melenk (Hrsg.): Literarisches Verstehen – Lite- 21 Für den unterrichtlichen Umgang mit den Romanen Goethes und Glattauers bieten sich für die Schüler aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an im Roman dargestellten Kommunikationspartnern ebenso unterschiedliche zu produzierende Texte an. Beim dialogisch funktionierenden Gut gegen Nordwind könnte man eine Szene, die Emmi oder Leo erleben und die mit der Beziehung der beiden eng verknüpft ist, erzählerisch gestalten. Dazu werden bestimmte E-Mails als Vorgaben gegeben und eine zu diesen Nachrichten passenden Rahmenhandlung soll – etwa als Hausaufgabe – selbst produziert werden. Die Szene im Kaffeehaus, welche im Roman logischerweise ausgeblendet ist, könnte sich sehr gut dazu eignen, den dortigen Aufenthalt aus der Sicht einer Figur darzustellen, beispielsweise als innerer Monolog Emmis oder Gespräch zwischen Leo und seiner ebenso anwesenden Schwester. Anregungen hierzu fänden die Schüler in den E-Mails, die auf den Besuch des Kaffeehauses folgen.101 Je nach Stand der Lernerschaft ließe sich, um gestalterische Ideen zu sammeln und gewisse Hemmungen beim freien Erzählen abzubauen, ein leitfadenartiger Tafelanschrieb à la Was macht eine lebendige Erzählung aus? mit Hinweisen erstellen. Die monologisch aufgebauten Leiden des jungen Werthers eignen sich hingegen vielmehr dazu, die nicht überlieferten oder gar fehlenden102 Antworten des Briefpartners Wilhelm für den Unterricht fruchtbar zu machen. Die Schüler könnten versuchen, einen Antwortbrief Wilhelms zu entwerfen, der zwischen zwei oder mehrere spezifische Briefe Werthers passen könnte. Dazu eignen sich Briefe, in denen Werther auf eine mögliche Antwort Wilhelms Bezug nimmt, beispielsweise die Briefe vom 3. November [1772] und 15. November [1772]103. Die Lernenden lesen beide Briefe, versuchen einerseits Anzeichen für die rarisches Schreiben. Positionen und Modelle zur Literaturdidaktik. Baltmannsweiler 1996. S. 18ff. Deshalb erscheint es einerseits ratsam, produktive Verfahren stets mit analytischer Betrachtung des jeweiligen literarischen Kontexts in Verbindung zu bringen und andererseits ebenso sinnvoll, im Vorfeld genau zu prüfen, „welche Leerstellen in welcher Phase des Lernprozesses sinnvoll produktiv gefüllt werden können, ohne dass Schüler dabei in Versuchung geraten, den komplexen literarischen Text mit Hilfe von Schemata der Alltagswahrnehmung zu überschreiben“. Vgl. Saupe, Anja: Epische Texte und ihre Didaktik. In: Günter Lange/Swantje Weinhold (Hrsg.): Grundlagen der Deutschdidaktik. Sprachdidaktik – Mediendidaktik – Literaturdidaktik. Hohengehren 52012. S. 269. 101 Vgl. Glattauer, Daniel: Gut gegen Nordwind. Wien 2006. S. 47ff. 102 Ein scharfsinnige und ebenso eigenwillige Beweisführung, die dafür plädiert, dass Werthers Briefe gar nicht erst abgeschickt worden sind, bietet Siegert, Bernhard: Relais. Geschicke der Literatur als Epoche der Post. 1715–1913. Berlin 1993. S. 45f. Auch Storz sieht Werthers Briefe als eigentliches Tagebuch an. Vgl. Storz, Gerhard: Goethe-Vigilien. Oder Versuche in der Kunst, Dichtung zu verstehen. Stuttgart 1953. S. 19ff. Martin hingegen vermag aufzuzeigen, wie sehr Werthers Briefe von Wilhelms Antworten geprägt sind. Vgl. Martin, Dieter: Werthers Brieffreund. In: Kim Hee-Ju (Hrsg.): Wechselleben der Weltgegenstände. Beiträge zu Goethes kunsttheoretischem und literarischem Werk. Heidelberg 2010. S. 197-217. Vgl. ebenso Weymar, Ilse: Der deutsche Briefroman. Hamburg 1942. S. 69ff. 103 Goethe, Johann Wolfgang: Die Leiden des jungen Werther. In: Ders.: Goethes Werke 6: Romane und Novellen 1. Hamburger Ausg. in 14 Bd. Hg. v. Erich Trunz. Hamburg 31958. S. 84ff. 22 Art und den Inhalt eines möglichen „wohlmeinenden Rat[es]“104 von Seiten Wilhelms zu identifizieren und können andererseits eigene Ratschläge in die Textproduktion einbringen. 4.5 Konzeptionelle Mündlichkeit in Brief und E-Mail Die von Gellert und anderen Briefstellern des 18. Jahrhunderts geforderte Nachahmung des natürlichen Gesprächs im Brief, die diesen in die Nähe des mündlichen Gespräches rückt, wurde bereits thematisiert. Goethe treibt jene Anleitung des Verfassens von Briefen, zu schreiben, „wie eine Person im Umgange ohne Zwang sprechen würde“105, sicherlich auf die Spitze, wenn er seinen Werther sprunghaft, voller elliptischer und aposeopetischer Stilfiguren, Auslassungen, Exklamamationen, Anakoluthen, im Ganzen also völlig kraftgenialisch die Unsagbarkeit seiner Gefühle ausdrücken und kohärent lose verbundene Denkbewegungen durch Gedankenstriche aneinanderknüpfen lässt. In Glattauers Roman hingegen sind die E-Mails der beiden Protagonisten – untypischerweise für informelle E-MailKommunikation – streng an korrekter Rechtschreibung und Interpunktion orientiert und beinhalten kaum E-Mail-typische lexikalische oder grammatikalische Erscheinungen wie Emoticons, Fett- oder Kursivdrucke, Inflektive, Abkürzungen oder Akronyme. Bei Kusche erwecken die Imitationen von E-Mails in Gut gegen Nordwind deshalb „einen künstlichen bzw. wenig authentischen Eindruck“106. Dennoch thematisieren Emmi und Leo selbst die Sprache ihrer Korrespondenz, reflektieren diese sowie die medialen Eigenschaften der Kommunikation via E-Mail107 und verwenden Termini zur Beschreibung eines mündlichen Gespräches, wenn sie auf ihre Nachrichten referieren108. Gerade bei diesen metasprachlichen Verweisen im Romantext lässt sich mit Schülern der Sekundarstufe II ein guter Einstieg in die Thematik konzeptioneller Mündlichkeit109 hinsichtlich textanalytischer Fähigkeiten und eigener Textproduktion finden. Man könnte im Plenum mediale Eigenschaften der E-Mail sammeln, was der medienaffinen Jugend durch104 Goethe: Die Leiden des jungen Werther. S. 85. Gellert: Praktische Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen. S. 8. 106 Kusche: Der E-Mail-Roman. S. 145. 107 Vgl. Glattauer: Gut gegen Nordwind. S. 171: „[Emmi:] LEO, ICH MÖCHTE JETZT GERN IHRE STIMME HÖREN. [… Leo:] Und ich würde gerne einmal hören wie sie solche Sätze aussprechen, die Sie in Ihren E-Mails mit Großbuchstaben schreiben. Schreien Sie die? Schrill? Kreischend?“ oder S. 13: „[Emmi:] Trauen Sie mir aber ruhig zu, Ihre Ironie zu erkennen und verzichten Sie auf das Smiley!“ 108 Vgl. Ebd. S. 18: „Oder unterhalten Sie sich nicht gern mit verheirateten Frauen?“ oder S. 99: „… – jetzt habe ich den Faden verloren, …“ 109 Vgl. hierzu Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium / Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch. Hg. v. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 2013. S. 25. „Konzeptionelle Mündlichkeit beim Schreiben“ kann also vor allem im Hinblick auf den Roman Daniel Glattauers passend im Kontext von „Veränderungstendenzen der Gegenwartssprache“, auch im Hinblick auf „Medieneinflüsse“, thematisiert werden. 105 23 aus leicht fallen dürfte. Als Kern des Ergebnisses sollten die Asynchronität des Kommunikationsmediums sowie jenes paradoxe Verhältnis von emotionaler Nähe und räumlicher Distanz festgehalten werden. Gerade in der Liebeskommunikation ist diese Ambivalenz besonders deutlich110 und dürfte von vielen Schülern ebenso bereits erfahren worden sein. Die Lernenden könnten also zu Hause eigene E-Mails mit denen von Emmi und Leo vergleichen und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herausarbeiten. Alternativ – falls keine E-Mails in der Freizeit geschrieben werden – ließe sich ein solcher Vergleich auch mit Nachrichten, welche mit anderen (elektronischen) Kommunikationsmedien versendet werden, anstellen. In der anschließenden Unterrichtssitzung ließe sich dann ein Arbeitsblatt mit Begriffen, welche die von Koch und Oesterreicher zusammengetragenen Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit beschreiben,111 austeilen, wobei die Schüler die jeweils passenden Begriffe einer simulierten Geschäfts-E-Mail bzw. einer Chat-artigen Dialogpassage aus Gut gegen Nordwind zuordnen müssen. Um nun in die Theorie einzusteigen, lesen die Lernenden einen schülergerechten Einführungstext112, der anschließend besprochen wird, sodass keinerlei Unklarheit mehr bestehen sollte. Anschließend können die zum Text gehörigen Aufgaben im Unterricht oder als Hausaufgabe bearbeitet werden. Alternativ lässt sich vor allem auch Aufgabe 1 erweitern, indem viele weitere Textsorten auf dem Kontinuum von konzeptioneller bzw. der Dichotomie von medialer Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Plenum gesammelt und an der der Tafel eingetragen werden. Aufgabe 3 wiederum thematisiert passenderweise noch einmal das Medium Brief in diesem Kontext. Für das Verständnis des Lernstoffes muss jedoch aufgrund dessen Komplexität unbedingt genügend Zeit, auch zur Nachbesprechung und unter Umständen zur Bearbeitung weiterer vertiefender Aufgaben, eingeplant werden. Falls Interesse besteht, lässt sich auch ein Exkurs zu konzeptioneller Mündlichkeit 110 Vgl. hierzu Wölfle, Holger: Liebeskommunikation in E-Mails. In: Ziegler/Dürscheid (Hrsg.): Kommunikationsform E-Mail. S. 189. 111 Mögliche Begriffe sind: „Spontaneität“, „Affektivität“, „Expressivität“, „Prozesshaftigkeit“, „Vertrautheit der Kommunikationspartner“, „geringere Planung“ oder „keine Öffentlichkeit“ bzw. auf der anderen Seite „Reflektiertheit“, „Objektivität“, Endgültigkeit“, „größere Planung“. „Themenfixierung“ oder „Öffentlichkeit“. Vgl. Koch/Oesterreicher: Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. S. 23. Je nach Stand der Lernerschaft können die Begriffe natürlich auch simplifiziert und umformuliert werden. 112 Hier bietet sich der Informationstext Mündlichkeit und Schriftlichkeit im doppelten Sinne an. Vgl. Droll, Hansjörg/Betzel, Dirk: Mündlichkeit - Schriftlichkeit. Sprachverwendungsweisen auf ihre situative Angemessenheit untersuchen (Sek II) (RAAbits Deutsch/Sprache SEK I/II 60667). Stuttgart 2014. S. 7ff. Der Text befindet sich in Form eines für den Unterricht modifizierten Scans in Anhang 4. Für weitere Hinweise vgl. ebd. S. 10. Ein passendes Merkblatt mit dem Titel Im Überblick: Mediale und konzeptionelle Mündlichkeit und Schriftlichkeit, welches sich zum Verteilen an die Schüler eignet, liegt ebenfalls vor. Vgl. Ebd. S. 11. Die Grafik des Merkblatts befindet sich in Anhang 5. 24 in der Netzsprache integrieren. Jedoch sollte die Thematik nicht zu lange zu weit von den Romanen wegführen. Abschließend soll noch einmal zu den beiden Unterrichtslektüren zurückgekehrt werden. Der Informationstext Briefroman und Briefkultur im 18. Jahrhundert113 gibt den Schülern Auskunft über damalige Umstände des Schreibens eines Privatbriefes im Hinblick auf die Verwendung von konzeptionell mündlicher oder schriftlicher Sprache, so etwa über die Verwendung möglichst „individueller Sprache“, geprägt von „Spontaneität und Unverstelltheit“, sowie über einen „bewussten Kunstwillen“ beim Verfassen, welcher allerdings auch „von einem gewissen Kalkül“ begleitet ist, da Briefe oft in einem größeren Rezipientenkreis laut vorgetragen wurden. Nun lässt sich einerseits fragen, inwiefern die Briefe Werthers in das hier suggerierte Bild des Privatbriefes im 18. Jahrhundert, mit besonderem Fokus auf Nähesprachlichkeit, hineinpassen. Andererseits scheint auch ein Vergleich mit den E-Mails aus Gut gegen Nordwind lohnenswert, um so einen historischen Wandel, aber auch Kontinuitäten in zwischenmenschlicher informeller Kommunikation per schriftlichen Medien zu untersuchen. Weiterhin spricht der Text eine „merkwürdige Verbindung von Einsamkeit und Gesellschaftsbezug“ sowie ein „Bedürfnis, eine verloren gegangene Intimität zurückzugewinnen“ an. Dieser Aspekt lässt sich auch sowohl in den Leiden des jungen Werthers als auch in Gut gegen Nordwind entdecken und bietet sich als Diskussionsgegenstand für die Schulklasse an, da die Isolation physischer Körper, welche man durch virtuelle zeichenhafte Körper zu überbücken versucht, also ein Sozialleben, welches sich nur noch über das Internet oder andere digitale Kommunikationsmedien verwirklicht, ein sehr aktuelles Thema vor allem für Jugendliche darstellt. 5 Resümee und Ausblick Gerhard Sauders Diktum, „[d]ie Verwendung von Briefen in modernen Romanen erfolgt ohne besonderen Effekt114“ kann hier insofern revidiert werden, dass man nun neue intermediale Bezüge zu moderneren Kommunikationsmedien herstellen kann, die einerseits zu formalen und „inhaltliche[n] Radikalisierungen“115 der bekannten Briefromancharakteristi113 Schede, Hans-Georg: Johann Wolfgang von Goethe. Die Leiden des jungen Werther (Interpretationshilfe Deutsch). Freising 2005. S. 51f. Der Text befindet sich in einer für den Unterricht modifizierten Form in Anhang 6. 114 Sauder, Gerhard: Briefroman. In: Klaus Weimar (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft 1: A–G. Berlin/New York 31997. S. 256. 115 Schneider-Özbeck: Daniel Glattauers E-Mail-Roman Gut gegen Nordwind. S. 365. 25 ka führen und diese zudem um neue Aspekte, etwa gleichzeitiges Erfahren sowie neben „experimentellen Freiräumen zur Selbstinszenierung“116 auch die Schaffung von digitalen Eigenräumlichkeiten bis hin zu Parallelwelten, erweitern können. Gerade diese Kontinuitäten, aber auch Innovationen, die sich bei epistolarem Erzählen heute im Vergleich zu empfindsamer bzw. stürmer-und-drängerischer Briefromanliteratur entdecken lassen, machen die Behandlung der beiden Romane Die Leiden des jungen Werthers und Gut gegen Nordwind so tauglich für den Deutschunterricht. Neben den oben besprochenen Ansätzen einer Thematisierung der beiden Werke bleiben noch viele weitere Vergleichs- oder Ergänzungsmöglichkeiten offen. Im Hinblick auf sich wandelnde Alltagspraktiken ließe sich ein Vergleich des Weltfluchtmotivs in beiden Romanen anstellen. Dabei kann auf Werther als identifikatorischen Leser und die von ihm rezipierte Literatur (Ossian, Homer und Emilia Galotti), die ihm als Ablenkung dienen soll,117 eingegangen werden, wodurch die Schüler mit Effekten von Intertextualität vertraut werden. Oder aber das Schreiben Werthers kann thematisiert werden, 118 ebenso wie Bernhards E-Mail an Leo, in dem er die Sucht seiner Ehefrau Emmi nach der E-Mail-Affäre anklagt, und die generelle Möglichkeit, durch die gesellschaftliche Informatisierung Virtualitäten als Heterotopien im Sinne Foucaults119 zu schaffen.120 So lässt sich auch nach dem Umgang mit und dem Artikulationsvermögen von Gefühlen, der Stellung gesellschaftlicher Konventionen sowie nach dem Gebrauch von Medien in beiden Werken, die so als sozio- und psychohistorische Quellen fungieren, fragen und mögliche Hypothesen hinsichtlich historischen Wandels aufstellen. Eine weitere Vergleichsmöglichkeit stellt der Umstand dar, dass sich Glattauer unter anderem aufgrund der Nachfrage der Leser dazu entschieden hat eine Fortsetzung zu schreiben.121 Ein solches Vorgehen könnte als Aufhänger fruchtbar gemacht werden, um die 116 Pranz, Sebastian: Theatralität digitaler Medien. Eine wissenssoziologische Betrachtung medialisierten Alltagshandelns. Wiesbaden 2009. S. 119. 117 Pütz sieht die Literatur Werthers in ihrer kompensatorischen Funktion als dessen „Droge“ an. Vgl. Pütz, Peter: Werthers Leiden an der Literatur. In: William. J. Lillyman (Hrsg.): Goethe‟s Narrative Fiction. The Irvine Goethe Symposium. Berlin/New York 1983. S. 63. 118 Erhart kommt so zu der Deutung, dass sich Werther ins Schreiben flüchten muss, um sich seiner Befindlichkeiten klar zu werden, letztlich aber auch daran zugrunde geht, dass er das Bedürfnis nach Gemeinschaft außerhalb des Schreibens vollkommen ignoriert. Vgl. Erhart, Walter: Beziehungsexperimente: Goethes „Werther“ und Wielands „Musarion“. In: Hans Peter Herrmann (Hrsg.): Goethes „Werther“. Kritik und Forschung. Darmstadt 21993. S. 403-427. 119 Foucault, Michel: Andere Räume. In: Karlheinz Barck et al. (Hrsg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais (Reclam-Bibliothek 1352). 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Auch die Unterscheidung zwischen der monologisch-einseitigen Form bei Goethe und der dialogischzweiseitigen Form bei Glattauer gibt Anlass zur Frage nach den Effekten auf Rezeptionsverhalten, Wirkung und Botschaft der jeweiligen Romanexte.122 Schließlich bieten sich auch Sprache als Ausdruck von Empfindungen sowie sprachliche Innovationen oder Stilmittel als Gegenstand eines Vergleichs beider Werke an, ebenso wie sich unter erzähltheoretischen Gesichtspunkten nach der Zeit der Erzählung in den verschiedenen Mitteilungen unter Berücksichtigung der jeweils verhandelten Thematik oder hinsichtlich den Geschehnissen in der jeweiligen textual actual world beider Romane fragen lässt. 122 Stiening sieht hier den Unterschied zwischen „reflexionsdominierten“ einerseits und „handlungskonstuituitiven“ sprachlichen Mitteilungen andererseits. Vgl. Stiening: Epistolare Subjektivität. 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Der ‚Werther„ hat Epoche gemacht, weil er erschien, nicht weil er in einer gewissen Zeit erschien. Es liegt in jeder Zeit so viel unausgesprochenes Leiden, so viel heimliche Unzufriedenheit und Lebensüberdruß, und in einzelnen Menschen so viele Mißverhältnisse zur Welt, so viele Conflicte ihrer Natur mit bürgerlichen Einrichtungen, daß der ‚Werther„ Epoche machen würde und wenn er erst heute erschiene.“ „Sie haben wohl recht“, erwiederte [er], „weßhalb denn auch das Buch auf ein gewisses Jünglingsalter noch heute wirkt wie damals. […] Die vielbesprochene Wertherzeit gehört, wenn man es näher betrachtet, freilich nicht dem Gange der Weltkultur an, sondern dem Lebensgange jedes einzelnen, der mit angeborenem freien Natursinn sich in die beschränkenden Formen einer veralteten Welt finden und schicken lernen soll. Gehindertes Glück, gehemmte Thätigkeit, unbefriedigte Wünsche sind nicht Gebrechen einer besonderen Zeit, sondern jedes einzelnen Menschen, und es müßte schlimm sein, wenn nicht jeder einmal in seinem Leben eine Epoche haben sollte, wo ihm der ‚Werther„ käme als wäre er bloß für ihn geschrieben.“ (Aus: Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens.) Anhang 2 Die Lebensphase Kindheit wird immer kürzer, das Jugendalter beginnt immer früher. Der Zeitpunkt der Geschlechtsreife („Pubertät“) hat sich von 1800 bis 2000 um fast fünf Jahre im Lebenslauf nach vorne verschoben, wahrscheinlich wegen ernährungs- und umweltbedingter Beschleunigungen der Hormonproduktion. Es gibt heute schon neunjährige Mädchen, die biologisch gesehen zur Frau geworden sind. Das Durchschnittsalter für das Eintreten der Pubertät liegt bei 11,5 Jahren für Mädchen, Jungen folgen ein Jahr später. (Aus: Hurrelmann: Schwindende Kindheit – Expandierende Jugendzeit.) 37 Anhang 3 Sie randalieren, drohen mit Selbstmord, schreiben wirre Briefe - und sie weinen, weinen, weinen. Wer unter Liebeskummer leidet, scheint jede Verhältnismäßigkeit weit hinter sich gelassen zu haben. Seit einigen Jahren können Wissenschaftler bestätigen, was Poeten schon seit Jahrtausenden wissen: Liebeskummer schmerzt, er macht Menschen krank und verrückt. Er kann einen sogar umbringen. […] Psychologen teilen den seelischen Ausnahmezustand professionell distanziert in verschiedene Phasen ein. Zunächst wollen die Verlassenen nicht wahrhaben, dass es vorbei ist. Es ist die Zeit, in der der Verflossene mit Briefen und Anrufen bombardiert wird. Verantwortlich sind die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin, die im Laufe der Evolution eigentlich dazu dienten, ebenso verzweifelt wie energisch ein verlorenes Muttertier zurückzurufen. Mit der gleichen existentiellen Wucht versuchen verlassene Menschen, den Partner zurückzuerobern. Lässt sich das Ende einer Liebe nicht mehr leugnen, fällt der Dopaminspiegel drastisch ab, meist folgt die Depression. Die Betroffenen können weder schlafen noch essen, zermartern sich das Gehirn nach dem Warum. Manche hetzen rastlos umher, andere verkriechen sich. Am Ende dieser zweiten Phase empfinden sie Wut und Rachegefühle … In einer Studie an Liebeskummerkranken stellte der Verhaltensforscher Michael Bechinie von der Universität Wien schon vor Jahren fest, dass 45 Prozent der Studienteilnehmer Selbstmordgedanken hegten und Trauerreaktionen ähnlich wie beim Tod eines Angehörigen zeigten. […] Die Anthropologin Helen Fisher an der Rutgers University und Lucy Brown, Neurowissenschaftlerin am Albert Einstein College of Medicine in New York, (ließen) College-Studenten Fotos ihrer Verflossenen betrachten und legten ausreichend Taschentücher in Reichweite. Der im Hintergrund arbeitende Kernspintomograph zeichnete in den Gehirnen der jungen Menschen eindeutige Aktivitäten auf: Es arbeiteten vor allem die Areale, die für Motivation zuständig sind, aber auch das nach Erfüllung strebende Dopaminsystem sowie die Inselrinde und der Cortex cingularis anterior (ACC), der bei physischem Schmerz und Stress eine Rolle spielt. „Liebe wirkt nicht wie ein bestimmtes Gefühl, sondern eher wie eine Droge“, erklärt Brown die Ergebnisse, „und entsprechend zeigten unsere Probanden mit Liebeskummer ähnliche Aktivitätsmuster wie beim Drogenentzug.“ Liebe macht süchtig - und Liebesentzug macht krank. […] Ein gebrochenes Herz kann tödlich sein. Beim Syndrom des gebrochenen Herzens reagiert der Körper auf ein emotional belastendes Ereignis wie zum Beispiel die Trennung von einem geliebten 38 Menschen. Plötzlich wird das Herz mit den Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin überschwemmt. Brustschmerzen und Atemnot sind die Folge. […] [Brown] empfiehlt in schweren Fällen den kalten Entzug, also keine Treffen, keine Bilder ansehen, nicht in Erinnerungen schwelgen. Stattdessen sollten Liebeskranke vor allem für Ablenkung sorgen und soziale Kontakte pflegen, um Seele und Hormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen. In Browns Studie zeigte sich, dass auch Entlieben ein Lernprozess des Gehirns ist. Je länger die Trennung bei den College-Studenten zurücklag, desto weniger sprachen die für Paarbindung zuständigen Gehirnregionen auf den Anblick des Ex-Partners an. Offenbar haben die Poeten auch in dieser Hinsicht recht. Die Zeit heilt alle Wunden, auch die der Liebe. (Aus: Schmidt: Gemischte Gefühle.) 39 Anhang 4 40 41 (Aus: Droll/Betzel: Mündlichkeit - Schriftlichkeit.) 42 Anhang 5 (Aus: Droll/Betzel: Mündlichkeit - Schriftlichkeit.) 43 Anhang 6 Briefroman und Briefkultur im 18. Jahrhundert Der Briefroman berührt sich eng mit dem Privatbrief, der im 18. Jahrhundert, in der Epoche der Aufklärung und der Empfindsamkeit, eine bis dahin ungekannte und später nie wieder erreichte Blütezeit erlebte. Man schrieb unermüdlich und las Privatbriefe auch in geselligem Rahmen vor und reichte sie weiter. Viele solcher Privatbriefe wurden von vornherein für einen größeren Adressatenkreis geschrieben und mit genauen Anweisungen versehen, wem sie mitzuteilen seien und wem nicht. Das zeigt, dass der Privatbrief, entgegen seiner Aura von Spontaneität und Unverstelltheit, auch unter Briefeschreibern, die keine Schriftsteller waren, von einem gewissen Kalkül, das man auch als bewussten Kunstwillen bezeichnen kann, getragen war. Der Briefroman imitierte diese nicht ganz echte Unmittelbarkeit. Sowohl das ausufernde Briefeschreiben wie auch die Konjunktur des Briefromans im 18. Jahrhundert sind auf die merkwürdige Verbindung von Einsamkeit und Gesellschaftsbezug zurückzuführen, die für die gebildeten Menschen jener Zeit eine vorherrschende und geschichtlich neue Erfahrung war. Anders als früher kam der Einzelne viel mehr in der Welt herum, geriet in einen vielfältigeren Bezug zum gesellschaftlichen Ganzen und lief dabei, herausgelöst aus den überschaubaren Bindungen seiner Vorfahren, ständig Gefahr zu vereinsamen. Das Netz von Briefen, das die Korrespondenten, die sich nicht mehr von Angesicht zu Angesicht sprachen, untereinander spannen, dient unverkennbar dem Bedürfnis, eine verloren gegangene Intimität zurückzugewinnen. Das lässt sich auch an der Existenz des jungen Goethe deutlich ablesen. Unentschlossen darüber, welche der Lebensmöglichkeiten, die ihm die Gesellschaft bietet, er realisieren soll, bei aller Bekanntschaft einsam und in sich zurückgezogen, ergreift er jede sich bietende Möglichkeit, neue intime Briefpartner und Briefpartnerinnen zu finden, denen gegenüber er sich ganz öffnen und sein Herz ausschütten kann. Aus solchen Zusammenhängen heraus ist es nicht weiter erstaunlich, dass selbst die zahlreichen zeitgenössischen Briefsteller, also Anleitungen zum Schreiben gelungener Briefe, die Aussprache von Herzensangelegenheiten und die freie Selbstmitteilung in individueller Sprache als die Hauptzwecke von Privatbriefen nannten. (Aus: Schede: Johann Wolfgang von Goethe.) 44 8 Versicherung Eides Statt Ich, Maximilian Lippert, ES0228449600, wohnhaft auf dem Taubenacker 19, 40668 Meerbusch, versichere an Eides Statt durch meine Unterschrift, dass ich die vorstehende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe angefertigt und alle Stellen, die ich wörtlich oder annähernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen habe, als solche kenntlich gemacht habe, mich auch keiner anderen als der angegebenen Literatur oder sonstiger Hilfsmittel bedient habe. Ich versichere an Eides Statt, dass ich die vorgenannten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe und dass die Angaben der Wahrheit entsprechen und ich nichts verschwiegen habe. Die Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist mir bekannt, namentlich die Strafandrohung gemäß § 156 StGB bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bei vorsätzlicher Begehung der Tat bzw. gemäß § 163 Abs. 1 StGB bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bei fahrlässiger Begehung. Ort, Datum Unterschrift