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Die Traditionsfigur Teufel Im Heavy Metal. Geschichte, Funktionen, Transformationen

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Humboldt- Universität zu Berlin Institut für Kulturwissenschaft Seminar: Einführung in das wissenschaftliche Schreiben Dozent: Dr. Scharbert Sommersemester 2014 Die Traditionsfigur Teufel im Heavy Metal Geschichte, Funktionen, Transformationen Abgabedatum: eingereicht von: Johanna Warda Matr.Nr.: 552238 Sonnenallee 112 12045 Berlin Mobil: 01758370011 Mail: [email protected] BA Hauptfach Erziehungswissenschaften, Nebenfach Kulturwissenschaft, 3. Semester Inhaltsverzeichnis Eigenständigkeitserklärung .................................................................................................... 3 Einleitung .................................................................................................................................. 4 Kurze Geschichte der Traditionsfigur Teufel in der Musik ................................................ 5 Kurze Geschichte der Traditionsfigur Teufel im Rock'n'Roll und Heavy Metal ............. 7 Die Hauptfunktionen der Teufelsfigur im Heavy Metal ...................................................... 9 Der Teufel als Horrorelement ........................................................................................... 10 Der Teufel als Mittel zum Konventionsbruch ................................................................. 11 Der Teufel als religiöse Figur ............................................................................................ 12 Der globalisierte Teufel ...................................................................................................... 12 Fazit ......................................................................................................................................... 13 Quellenverzeichnis ................................................................................................................. 15 2 Eigenständigkeitserklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Referatsverschriftlichung selbständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln verfasst habe. Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der Arbeit verwendeten fremden Quellen, auch aus dem Internet, als solche kenntlich gemacht habe. Insbesondere bestätige ich, dass ich ausnahmslos sowohl bei wörtlich übernommenen Aussagen bzw. unverändert übernommenen Tabellen, Grafiken u. Ä. (Zitaten) als auch bei in eigenen Worten wiedergegebenen Aussagen bzw. von mir abgewandelten Tabellen, Grafiken u. Ä. anderer Autorinnen und Autoren (indirektes Zitieren) die Quelle angegeben habe. Mir ist bewusst, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Selbstständigkeit als Täuschung betrachtet und entsprechend der Prüfungsordnung und/oder der Allgemeinen Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten der HU (ASSP) geahndet werden. Die Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form bisher bei keiner anderen Institution eingereicht. Berlin, .......................... (Unterschrift) 3 Einleitung Schon seit frühesten Zeiten gibt es die Assoziation des Erlebnisses von Musik und Rhythmus mit dem Bösen, dem Dionysischen und dem Sündhaften. Schon im frühen Christentum galten bestimmte Instrumente als "Beiwerk des Teufels", Paganini wurde wegen seines virtuosen Geigenspiels als "Teufelsgeiger" bezeichnet - und Robert Johnson verkaufte laut des Mythos seine Seele zugunsten des Blues an den Teufel. Im 20. Jahrhundert wurde der Teufel zur zentralen Identifikationsfigur einer neuen Art der Populärmusik: des Hard Rocks und Heavy Metals. Der Zugang dieser inzwischen sehr weit ausgefächerten und differenzierten Genres ist sehr vielfältig, und doch zieht sich der Teufel wie ein roter Faden durch alle Bereiche dieser Subkultur. Teufel ist nicht gleich Teufel: verschiedene Subgenres rekontextualisieren die Teufelsfigur auf verschiedene Arten. Er wird neu kombiniert, bewertet und erfüllt völlig neue Funktionen. Welches diese sind, wie es dazu kam und inwiefern es sich dabei noch um den Teufel aus der Bibel handelt, werde ich in dieser Arbeit skizzenhaft erläutern. Dafür werde ich zuerst eine kurze Einführung in die Geschichte des Teufels in der Musik allgemein geben. Anschließend werde ich die Fragen klären, wie und wann der Teufel im Heavy Metal und Hard Rock zur zentralen Identifikationsfigur wurde, um dann auf die drei wichtigsten Traditionslinien des Teufels im Heavy Metal und Hard Rock einzugehen: der Teufel als Horrorelement, als Brecher von Konventionen und als nach wie vor religiöse Figur. Außerdem kommt seit jüngster Zeit eine vierte, neue Dimension dazu: der globalisierte Teufel. Anschließend werde ich einen kurzen Ausblick geben. 4 Kurze Geschichte der Traditionsfigur Teufel in der Musik Die Konstruktion des Teufels als antagonistischer Bösewicht, Widersacher und Hüter des Bösen ist alt - und beginnt bereits vor Christi Geburt. Die Teufelsgestalt hat ihren Ursprung bereits in vorchristlichen Religionen, "seine Entstehung fällt unter den Einfluss verschiedener Ethnien, Nationen und Glaubenssysteme"1. Götter im alten Ägypten und Kanaan sowie Teufelsfiguren aus Mesopotamien und Persien haben Teil an der Entstehung der christlich-abendländischen Teufelsfigur.2 Die Geschichte des Teufels und der Positionen, die er im Laufe der Geschichte eingenommen hat, ist extrem komplex und kann daher an dieser Stelle nur kurz angeschnitten werden. Im Alten und Neuen Testament wird die Figur des Teufels präzisiert und erhält schon hier sehr verschiedene Charakterzüge: "Satan ist 'der Opponent', der sich gegen den Menschen und auch gegen Gott stellt. Satan ist 'der Verleumder', der Gott über die Verfehlungen der Menschen unterrichtet, und 'der Ankläger', der die Bestrafung der Menschen durch Gott bewirken will.3" Allgemein lässt sich sagen, dass die Teufelsfigur an sich schon von Anfang an sehr unterschiedliche Wertigkeiten besitzt, die sich im Laufe der Geschichte immer mehr vervielfachen und verändern. Im Hinblick auf das spätere Kernthema - der Traditionsfigur Teufel in Heavy Metal und Hard Rock - lassen sich jedoch vier zentrale Feststellungen und Gemeinsamkeiten aller Erscheinungsformen des Teufels festhalten4: 1. Der Teufel steht gegen die göttliche Ordnung. Er befindet sich außerhalb gesellschaftlicher Normen und Werte. 2. Er versucht, diese Ordnung zu zerstören und zu untergraben. Er ist der elementare Antagonist zu Gott und dem "Guten". 3. Er agiert in unterschiedlichen Formen und unter unterschiedlichen Namen. 4. Er bleibt eine einzelne Gestalt, vereint aber eine Unzahl dämonischer Kräfte unter sich (Hexen, Okkultismus, Dämonen, usw.). In Bezug auf Rhythmus, Gesänge und Musik hat der Teufel seit seinem ersten Auftauchen im frühen Christentum seine Finger im Spiel. 1 TRUMMER (2011), S. 41 vgl. TRUMMER (2011), S.41-48 3 TRUMMER (2011), S. 55 4 vgl. TRUMMER (2011), S. 61 2 5 Zwar galt Musik im Frühmittelalter als "Widerhall der Engelsstimmen auf der Erde" 5 und als Verbindung der Menschen mit dem Himmel6, allerdings gehorchte diese Vorstellung einem komplexen Regelwerk - denn nur Musik, die den Chor der Engel nachahmt, galt als legitimiert. "Die Erzählungen von der Übermittlung liturgischer Gesänge durch die Engel dienen nicht der autoritären Legitimation eines neuen liturgischen Gesangs, sondern beruhen auf der Vorstellung, dass die Engel korrigierend in die Liturgie eingreifen"7. Von Menschenhand komponierte, demnach gestaltbare ("kreative") Musik hingegen galt als Teufelswerk: "Vertreter des Teufels auf Erden waren [nach damaligem] Musikverständnis die Spielleute, denn diese hielten sich nicht an die allgemein anerkannten Regeln der liturgischen Musik"8. In Bezug darauf lässt sich sagen, dass die damalige "Teufelsmusik" also das schöpferische und kreative Musizieren der Spielleute - das Bewusstsein für die Möglichkeit der Entstehung von Kunstmusik zumindest geschärft hat 9. Die Darstellung von musizierenden und singenden Engeln mit Instrumenten ist seit dem hohen Mittelalter bis in die Renaissance nachweisbar. Diese Darstellung beruht auf Textstellen der Bibel 10. Im Gegensatz dazu beruht die Vorstellung von teuflischer Musik nicht auf der Bibel, sondern ist eher als Entwicklung eines verzerrten Gegenbildes zu verstehen, das auf das Heidnische hinweist oder eine Pervertierung "himmlischer" Instrumente (wie beispielsweise der Harfe Davids) darstellen11. Manche Instrumente, beispielsweise Fellinstrumente, wurden schon seit der Antike als orgiastisch betrachtet und daher auch im Mittelalter zu den Instrumenten gezählt, die eine Gefährdung der christlich-musikalischen Ordnung darstellten - und daher zur Teufelssphäre zählten12. Im Laufe des Mittelalters kam es zu einer Vielzahl weiterer, derartiger Assoziationen von bestimmter Musik und dem Teuflischen, die ich nicht alle aufzählen werde. Wichtig ist: Das Leitmotiv derartiger Darstellungen und Vorstellungen blieb über den gesamten Zeitraum und bis heute das der Disharmonie - als Gegenentwurf zur christlich-harmonischen, musikalischen Liturgie. Dieses Leitmotiv hat bis heute - inzwischen auch in nicht-christlichen Kontexten - seine Wertigkeit behalten. Das beste Beispiel für diese "zeitlose, teuflische Disharmonie" ist der Tritonus, das "Teufelsintervall", bzw. "diabolus in musica". Der Tritonus, die übermäßige Quarte, wird seit jeher mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Der Ursprung dieser 5 WILLIMANN, S.10 WILLIMANN, S.10 7 WILLIMANN, S. 11 8 WILLIMANN, S. 13 9 vgl. WILLIMAN, S. 14 10 vgl. WILLIMANN, S. 15 11 vgl. WILLIMANN, S. 23 12 vgl. WILLIMANN, S. 23 6 6 Verbindung liegt im Dunkeln. Sowohl in der klassischen wie auch in der modernen Musik spielt dieses disharmonische Intervall eine Rolle, sobald der Teufel auftaucht. Es findet sich bei Bach, Beethoven und Vivaldi genauso wie bei Black Sabbath, Deep Purple und Metallica. Der Teufel hat sich bis heute als Traditionsfigur in der Musik durchgesetzt und taucht bis heute immer wieder in Verbindung mit ihr auf. Kurze Geschichte der Traditionsfigur Teufel im Rock'n'Roll und Heavy Metal "Please allow me to introduce myself I'm a man of wealth and taste I've been around for a long, long year Stole many a man's soul to waste And I was 'round when Jesus Christ Had his moment of doubt and pain Made damn sure that Pilate Washed his hands and sealed his fate Pleased to meet you Hope you guess my name But what's puzzling you Is the nature of my game" THE ROLLING STONES, Sympathy for the devil13 Der Teufel tritt schon immer in Verbindung mit Musik auf - stark vereinfacht könnte man sogar sagen, dass sich ein roter Faden von mittelalterlichen Spielleuten bis zu heutigen Erscheinungsformen vor allem in Hard Rock und Heavy Metal erkennen lässt. Immer wieder wurde er mit scheinbar orgiastischen, disharmonischen oder allzu virtuosen Arten 13 THE ROLLING STONES: Sympathy for the Devil. Auf: Beggar's Banquet. Decca SKL4955. UK 1968 7 von Musik in Verbindung gebracht: Paganini galt aufgrund seiner unglaublichen Virtuosität als der "Teufelsgeiger" und noch immer existiert der Mythos, dass der Bluesmusiker Robert Johnson seine Seele dem Teufel gegen seine Gitarrengabe eingetauscht haben soll. Vom Blues aus fand dieser Symbolkomplex Eingang in die Rockmusik. "Im Blues finden sich nicht nur die musikalischen Grundlagen für die Entwicklung der Rockmusik im 20. Jahrhunderts bis hin zum Heavy Metal der Gegenwart, sondern auch zahlreiche Facetten eines tief greifenden Teufelsverständnisses, das, bedingt durch das kulturelle Umfeld der frühen Bluesmusiker, einerseits fest in der christlichen Deutung verankert war, andererseits die Traditionsfigur Teufel mit mannigfachen neuen Aspekten bereicherte."14 Man kann also sagen, dass der Teufel bereits in der Entstehung der modernen Rockmusik eine Rolle gespielt hat. Dort fand er dann (schon seit Elvis Presley15) einen besonderen Nährboden: Bei zahlreichen Bands dieser Zeit finden sich zahlreiche Zeugnisse dessen, und abgesehen von der gesellschaftlichen Sprengkraft, die mit der teuflischen Symbolik einhergeht, erwies sie sich auch als äußerst verkaufsfördernd. Seit den frühen Anfängen des Rock'n'Rolls finden sich zahllose Erscheinungsformen des Teufels. "Das Lied 'Sympathy for the Devil' der Rolling Stones zählt zu den bekanntesten Auseinandersetzungen mit der Figur des Teufels in der Rockmusik."16 Der Teufel, den Mick Jagger besingt, ist nach wie vor in der christlich-abendländischen Tradition verankert, vereint aber völlig neue Züge in sich. "Er ist keineswegs mehr nur der Widersacher und Ankläger des Alten Testaments, ganz zu schweigen von der gehörnten, bocksbeinigen Gestalt, wie sie in zahlreichen populären Bildwerken bis in die Gegenwart zu finden ist. Er hat nichts mehr mit den schockierenden Bestien der mittelalterlichen Bildwelten zu tun und lädt auch nicht als tölpelhafter, leicht zu überlistender Teufel der Schwank- und Märchenliteratur unseren Spott auf sich. Er thront über der Geschichte und wirkt dabei noch nicht einmal unsympathisch.17" Auch in andere Sparten der Populärkultur hat der Teufel längst Einzug gehalten - egal ob in Literatur, Film oder Werbung. Das immer wieder erneute Auftauchen des Teufels in allen möglichen kulturellen Kontexten ist geprägt von einer Wechselwirkung zwischen den Massenmedien und bestimmter okkultistischer, esoterischer und satanischer Milieus18. Auf diese Weise hielt er auch Einzug in den Symbolkomplex des Rock'n'Roll und wurde später zur zentralen 14 TRUMMER (2011), S. 75 vgl. ebd., S. 64 16 TRUMMER (2011), S. 11 17 TRUMMER (2011), S. 12 18 vgl. TRUMMER (2011), S. 64 15 8 Identifikationsfigur des Hard Rocks und des Heavy Metals. In den späten 70ern entstehen die ersten Vorläufer des Heavy Metal. Grundlage gab der Hardrock der 60er Jahre mit Bands wie The Who, dem virtuosen Jimmy Hendrix oder den Rolling Stones. Steppenwolf verwendete in ihrem Song “Born to be wild” erstmals den Ausdruck “Heavy Metal Thunder”. Diesen griff der amerikanische Musikjournalist Lester Bangs auf und betitelte Bands wie Led Zeppelin oder Black Sabbath mit diesem neugeformten Terminus. Festzuhalten ist: Eine zusammenhängende Entwicklung des Teuflischen in der Rockmusik zu formulieren, ist "nicht zuletzt aufgrund der Atomisierung der Rockmusik in den letzten 30 Jahren in eine Vielzahl von Szenen mit unterschiedlichen, teils gegenläufigen Normen und kulturellen Wertvorstellungen nicht möglich19". Außerdem lässt sich festhalten, dass der Teufel zum Zeitpunkt der Entstehung des Heavy Metals bereits eine zentrale Identifikationsfigur in der Rockmusik geworden war. Befeuert von einer Welle des Okkultimus ("Spiritual Turn"20), die sich in Horrorfilmen, Gothic Novels und einem allgemeinen, neuen Interesse am Schaurigen manifestierte, war es nur eine Frage der Zeit, dass sich ein Genre dem Teufel als Identifikationsfigur in besonderer Weise annahm. Im Folgenden werde ich die zahlreichen anderen musikalischen Verbindungen zwischen dem Teufel und der Musik seit den späten 60er Jahren ausblenden und mich lediglich auf das große, weit gefächerte Genre "Heavy Metal" beziehen. Zu der nachfolgenden Thematik habe ich ein Interview mit Dr. Manuel Trummer von der Universität Regensburg geführt, welcher seine Doktorarbeit zu ebendiesem Thema - den Transformationen und Erscheinungsformen des Teufels in der Rockmusik - verfasst hat. Ich werde im Folgenden vermehrt Zitate aus diesem Interview anführen. Die Liaison des Teufels mit Heavy Metal beginnt ebenda, wo Heavy Metal entstand: bei der Band Black Sabbath. Hier setzt auch die erste der drei großen Hauptfunktionen ein, die der Teufel im Heavy Metal innehat. Die Hauptfunktionen der Teufelsfigur im Heavy Metal 19 20 ebd., S. 64 vgl. TRUMMER (2011), S. 101 9 Ende der 60er Jahre manifestierte sich in der jungen, britischen Arbeiterklasse eine Gegenbewegung zum damalig populären San Francisco Sound und der Hippiekultur. Hier vermochten die damalig populären, melodischen Klänge es nicht, der Wut der frustrierten Jugend Luft zu verschaffen. Angeführt von der Band "Black Sabbath" um Frontmann Ozzy Osbourne entstand ein neuer Sound, der um einiges bedrohlicher, härter und düsterer klang als alles, was damals in der Popkultur zugänglich war. In Verbindung mit der Neuentdeckung okkulter Symbolik in der Popkultur (in Form von Filmen, Literatur, aber auch Bands wie beispielsweise "Coven", die sich als okkulte Glaubensgemeinschaft inszenierten) bot sich der Teufel als Symbol auch aus verkaufsorientierter Perspektive geradezu an. "Ein Großteil der Texte im Heavy Metal dreht sich um Grenzüberschreitungen - in der Literatur spricht man von Transgression: Heavy Metal als transgressives Genre. Und es gibt schlichtweg keine bessere Symbolfigur für diese Grenzüberschreitung und für den Widerstand gegen Normen und etablierte Werte als den Teufel. Das hat man de facto schon in seiner theologischen Herkunft: Der Rebell, der sich auflehnt gegen Gott und die Erzengel und aus dem Paradies verstoßen wird. Das ist eine der ältesten Traditionslinien des Teufels - und genau diese Traditionslinie zapfen viele Heavy Metal Bands ab. Wenn sie so ihren gesellschaftlichen Protest, ihren Protest gegen konservative Werthaltungen, gegen das Elternhaus, gegen Kirche, gegen Religion zum Ausdruck bringen wollen: da ist der Teufel tatsächlich das perfekte Symbol für.21" Der Teufel taucht also von Anfang an auf - allerdings noch in einer völlig anderen Funktion, als wir es von späteren Heavy Metal Bands gewohnt sind. "Es gibt unterschiedliche Funktionen des Teufels im Heavy Metal. Wenn man es wirklich auf den Punkt bringen will, könnte man womöglich auf drei große Funktionen kommen.22" Der Teufel als Horrorelement What is this that stands before me? Figure in black which points at me Turn around quick, and start to run Find out I'm the chosen one Oh nooo! 21 22 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 ebd. 10 Big black shape with eyes of fire Telling people their desire Satan's sitting there, he's smiling Watches those flames get higher and higher Oh no, no, please God help me! BLACK SABBATH - Black Sabbath23 In diesem Songtext von Black Sabbath wird klar, welche Position der Teufel hier, am Beginn des Heavy Metal, einnimmt: er dient vor allem als schauriges Horrorelement. Die Texte von Black Sabbath sind dem Teufel gegenüber noch ausschließlich negativ eingestellt und wirken teilweise sogar christlich. Der Teufel soll auf schaurige Weise unterhalten und reiht sich auf diese Weise in den popkulturellen Okkultismus dieser Zeit ein. Noch ist er keine Identifikationsfigur, sondern dient der Entstehung einer schaurigen Athmosphäre. Der Teufel als Mittel zum Konventionsbruch "Hey Satan Payin' my dues Playin' in a rocking band Hey momma Look at me I'm on my way to the Promised Land I'm on the highway to hell" AC/DC - Highway to Hell24 Als sich das Genre weiterentwickelte und auffächerte, veränderte und vervielfältigte sich auch die Funktion des Teufels. Er war jetzt nicht mehr nur eine Schreckensgestalt, sondern wurde unter anderem auch zum Symbol für das Lustprinzip. "Dann haben wir auf der anderen Seite den Teufel eher als rebellische Figur. Als jemand, der gegen gesellschaftliche Normen aufbegehrt, der eine Symbolfigur ist für Protest und durchaus 23 24 BLACK SABBATH: Black Sabbath. Auf: Black Sabbath, Vertigo Records VO6. UK 1970. AC/DC: Highway to Hell. Auf: Highway to Hell, Atlantic Records. UK 1979. 11 auch politisch konnotiert sein kann - und in dem Sinne auch Sozialkritik transportieren kann. 25" In diesem Zusammenhang taucht er also als Trickster und Verbündeter im Kampf gegen bornierte, gesellschaftliche Normen auf - quasi als Partymonster. Hier wird sich die Sprengkraft, die die Teufelsfigur inne hat, zu Nutze gemacht, um mit Konventionen zu brechen: Eine neue Interpretation der Teufelsfigur, die mit dem Teufel aus der Bibel immer weniger gemein hat. Der Teufel als religiöse Figur "Worship me." BURZUM - Channelling The Power Of Souls Into A New God26 "Dann haben wir drittens den Teufel, der in kleinen Teilen der Szene tatsächlich noch religiöse Wertigkeit hat. Hier sind wir vor allem im Bereich des Black Metal, der Anfang der 90er Jahre - vor allem von Skandinavien aus - entstanden ist und hier gibt es tatsächlich Bands, die behaupten, dass sie Satanisten sind und klassische Teufelsanbetung betreiben also einen Teufel mit einer nach wie vor religiösen Komponente. 27 " Die Black Metal Szene hat als kleine Teilszene des Heavy Metal den theologischen Teufel als zentrale Identifikationsfigur beansprucht. In diesen teilweise schon als Parallelgesellschaften fungierenden Kreisen (die eine starke Hierarchisierung aufweisen) wird tatsächliche Teufelsanbetung betrieben, zahlreiche Kirchen wurden in den 90er Jahren in Norwegen nachweislich von Szenemitgliedern niedergebrannt. Hier fungiert die Musik als Bindeglied eines Kultes. Der globalisierte Teufel "Man könnte auch noch eine vierte Traditionslinie dazu zählen: der globalisierte Teufel. Durch das Medium Heavy Metal hat der Teufel letztlich über die Popkultur einen globalen 25 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 BURZUM: Channeling the Power of Souls Into a New God. Auf: Burzum, Deathlike Silence Productions. Norwegen 1992. 27 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 26 12 Rahmen erreicht und damit auch Gesellschaften, die letztlich gar keine christliche Religion kennen, und die der christlichen Religion entsprechend nicht verpflichtet sind - aber jetzt trotzdem durch den Kontakt mit Heavy Metal Teufelsfiguren aufnehmen. Das ist eine ganz interessante Perspektive, die noch sehr jung ist und spätestens in den letzten 20 Jahren entstanden ist.28" Auch in Gesellschaften und Kulturen, die keine christlich-theologische Fundierung besitzen, entwickeln sich in den letzten Jahrzenten sehr ausgeprägt Heavy Metal Subkulturen. Die gewohnte Metal-Symbolik - mit Pentagrammen, umgedrehten Kreuzen und eben dem Teufel - wird von den Vertretern der dortigen Metal-Szene übernommen. Obwohl diese Gesellschaften keine Teufelsfigur kennen - und er daher auch keine explizit antagonistische Bedeutung hat - hat er dennoch eine starke Sprengkraft inne. "Wenn wir hier mit einem schwarzen Shirt mit Teufelsabbildungen auf die Straße gehen, dann ist das eine massive Bedrohung für die Autoritäten und das führt dementsprechend auch zu Repressalien. 29 " In Ländern wie Marokko, Iran, Ägypten oder Indien gibt es inzwischen eine ausgeprägte Heavy Metal Subkultur, die zum großen Teil auf der Nachahmung der westlichen Erscheinung des Heavy Metal beruht. Anders als im westlichen Kontext ist die Zurschaustellung der Zugehörigkeit zu dieser Subkultur noch mit erheblichen Risiken verbunden. In Iran beispielsweise werden Bandmitglieder als Aufrührer verfolgt, einige mussten deswegen bereits das Land verlassen. Hier zeigt sich: der Teufel ist nicht nur zeitlos, sondern er bedarf zur Entwicklung seiner Sprengkraft nicht mal mehr den theologischen Unterbau. Fazit "Der Teufel blickt auf eine wahnsinnig reiche Tradition zurück: in der Kunstgeschichte, in der Theologie, in der Literatur. Und das macht ihn wahnsinnig anpassungsfähig, sodass wir einerseits einen Teufel haben, der sehr stark in diesen traditionellen theologischen Kontexten drinstecken kann - dann haben wir auf der anderen Seite einen sehr anpassungsfähigen Teufel, der in der Lage ist, sich auf ganz moderne Kontexte einzustellen - und dadurch gewissermaßen zeitlos bleibt.30" Im Heavy Metal zeigt sich diese Zeitlosigkeit und Flexibilität des Teufels sehr eindrucksvoll. In diesem musikalischen Genre hat er im 20. und 21. Jahrhundert eine neue Heimat gefunden, unter deren 28 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 30 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 29 13 Schirmherrschaft er immer wieder neue Funktionen und Wertigkeiten zugeschrieben bekommt. Obwohl die Funktionen des Teufels so vielfältig sind, bleibt er doch immer mit dem theologischen Teufel aus der Bibel verbunden - und behält seine gesellschaftliche Sprengkraft. "Es hat sich die Wertigkeit des Teufels sehr stark gedreht. Er steht nicht mehr nur für das ausschließlich Böse im Heavy Metal, sondern wird eben auch zu einer Symbolfigur für Freiheit, für Aufbegehren, für Spaß, für Action. Und das sind natürlich ganz profane Wertigkeiten, die letztlich erst im 20. Jahrhundert dazu gekommen sind. 31" Er erweist sich als zeitloser Antagonist nicht nur zu Gott, sondern auch zu Normen und Werten der jeweiligen Gesellschaftsform, in der er auftritt (welche nicht mehr christlich geprägt sein muss). In gewisser Weise löst er sich so sogar aus der Bibel: es braucht keinen Gott mehr, um eine antagonistische Teufelsfigur zu entwerfen. 31 Auszug aus dem Interview mit Dr. Manuel Trummer vom 12.02.2014 14 Quellenverzeichnis TRUMMER, MANUEL (2011): "Sympathy for the Devil?" WILLIMANN, JOSEPH (): "Engelsmusik - Teufelsmusik" 15