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Die Wasserfrage In Der Israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung Im Spannungsfeld Zwischen Hydrohegemonie Und Rechtlichen Ansprüchen – Eine Einführung In Die Nahöstliche Geopolitik Des Wassers

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Wolfgang Mühlberger Die Wasserfrage in der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung im Spannungsfeld zwischen Hydrohegemonie und rechtlichen Aussprüchen – Eine Einführung in die nahöstliche Geopolitik des Wassers „Each Israeli settler uses five times as much water as a Palestinian neighbor, who must pay four times as much per gallon.“ Jimmy Carter, Palestine: Peace Not Apartheid Executive Summary Diese Untersuchung möchte der Frage auf den Grund gehen, inwiefern sich die Wasserkomponente des israelisch-palästinensischen Konfliktes zwischen den Größen ‚Hydrohegemonie’ und ‚Wasserrecht’ bewegt und ob der Umgang mit diesem Streitpunkt eher zur Verschärfung oder zur Entspannung des übergeordneten politischen Konfliktes beiträgt. Dazu soll untersucht werden, ob Ansprüche auf die Ressource Wasser ‚gerecht’ (im Sinne von fair) und ‚rechtens’, das heißt nach – von beiden Streitparteien akzeptierten – rechtlichen Normen erstens umund zweitens durchgesetzt werden oder ob die offensichtlich hegemoniale Haltung des militärisch stärkeren und politisch einflussreicheren Akteurs Israel die Förderung, Zuteilung und Nutzung der Ressource Wasser signifikant verzerrt und dadurch einen Verteilungskonflikt begründet und die Situation somit zusätzlich polarisiert. 41 Einleitung: Wasser in der Levante als knappes und strategisches Gut Die Levante zeichnet sich durch geringe Niederschlagsmengen, trockene Sommer, starke saisonale und jährliche Schwankungen und massiven demografischen Druck aus. Infolgedessen entsteht das Phänomen des Wasserstresses, weshalb ein vorausschauendes Wassermanagement Qualität und verfügbare Mengen der Ressource maßgeblich determiniert. In Ermangelung eines solchen können Aquifere und Oberflächengewässer schnell an ihre Fördergrenzen stoßen oder nicht mehr die erforderliche Qualität liefern. Im engen Raum der Levante wird das begehrte Gut gleichzeitig von mehreren Staaten nachgefragt und über die Jahre haben sich unterschiedliche bilaterale Einigungen zur Regelung der grenzüberschreitenden Nachfrage entwickelt. Bedingt durch seine geostrategische Lage bei der Staatsgründung im Jahr 1948 sah sich Israel gezwungen, die militärische Situation durch die Erlangung strategischer Tiefe zu verbessern, um zukünftige Angriffe arabischer Armeen besser abfangen zu können. Durch die dieser Logik entsprungene schrittweise territoriale Einverleibung, insbesondere Cisjordaniens (auch Westbank) im Jahr 1967, wurde darüber hinaus zusätzlicher Spielraum für die Ausdehnung der eigenen Bevölkerung geschaffen. Auf diplomatischem Wege gelang das Erzielen strategischer Tiefe durch die Unterzeichnung von Friedensverträgen mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) sowie in einem übergeordneten Rahmen durch sukzessive Allianzbildung mit den Schutzmächten Sowjetunion (indirekt via Tschechoslowakei), Frankreich (bis 1967) und schließlich den Vereinigten Staaten. Auf militärischem Wege gelang es primär durch die Besetzung der so genannten Westbank (in israelischer, historisierender Diktion Judäa und Samaria genannt), des 42 Golan und der Sinaihalbinsel während des Sechstagekrieges im Jahr 1967. Durch die territoriale Eingliederung der Westbank, sowohl im Rahmen einer zivilen, als auch einer militärischen Verwaltung, entstand eine östliche Pufferzone, wodurch Israel auch die direkte Kontrolle über die reichen hydrologischen Ressourcen dieses Gebirgszuges zwischen Galiläa und der Negev-Wüste erlangen konnte. Die Eroberung des Golan ermöglichte ebenfalls die Kontrolle nicht unwesentlicher Wasservorkommen, die in Summe in Richtung Jordantal strömen. Das 1995 unterzeichnete Oslo II Abkommen zwischen Israel und der in diesem Zuge gebildeten Palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde enthält auch Regelungen über die Zuteilung, Verwendung und Verwaltung von Wasser, welches seinen Ursprung im besetzten palästinensischen Gebiet hat. Dabei wurden auch gemeinsame Gremien ins Leben gerufen, die bei näherer Betrachtung jedoch primär der israelischen Interessenvertretung dienen und Mittel zum Zweck der Hegemonieumsetzung darstellen. 1. Israels Wasserverwaltung und Entwicklung zum hydropolitischen Hegemon In der semi-ariden Region der Levante ist Wasser von Natur aus ein begehrtes, relativ knappes Gut. Zudem sind die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen rar und die lokale Lebensmittelproduktion kann mit der demografischen Entwicklung oft nicht mithalten. Einer der Gründe, warum der von der UN vorgeschlagene und sanktionierte Teilungsplan des historischen Palästina von den arabischen Staaten abgelehnt wurde, fußt denn auch auf der Tatsache, dass die den Palästinensern zugeschriebenen Gebiete für die Landwirtschaft vergleichsweise ungeeignet waren. Die Verfügbarkeit über Ressourcen spielte daher seit Beginn 43 des israelisch-arabischen Konfliktes eine nicht unerhebliche Rolle. Mit der Frage der Landverteilung eng verbunden, zusätzlich vorgegeben durch die Intensität der landwirtschaftlichen Kultur und der künstlichen Bewässerung, den Verbrauch der Bevölkerung oder den Bedarf der Industrie, ist somit auch der Umgang mit dem Rohstoff Wasser. Bis in die 1930er Jahre wurden von den jüdischen Siedlern und dem Yishuv1 lediglich lokale Quellen genutzt. In seltenen Fällen kam es ab Mitte der 30er Jahre auch zu Zusammenschlüssen zwischen Gemeinden, wie in den Siedlungen des Jordantals beobachtet werden konnte.2 Durch die Eröffnung des Wasserreservoirs von Ras al-Ain für Jerusalem wurde ab 1936 beispielsweise erstmals die Versorgung der gesamten Stadt aus einem zentralen Reservoir gewährleistet. Mit dem in den späten 1940er Jahren einsetzenden Staatsaufbau Israels veränderte sich jedoch die Dynamik dieser kleinteiligen Organisation und wurde fortan durch einen umfassenden „hydrologischen Imperativ“ bestimmt.3 Dabei galt es, das zionistische Staatsprojekt, die jüdische Besiedlung des Territoriums und die Wasserfrage in Einklang zu bringen. Zu diesem Zwecke wurden ab den 1950er auch erstmals landesweite Pläne der Wasserbewirtschaftung ausgearbeitet. Wie Feitelson und Fischhendler zudem in ihrer Studie anmerken, war „[…] the underlying motivation for the canals they proposed was the facilitation of settlements to secure territories for a Jewish national home.“4 In der frühen zionistischen Phase hatte Chaim Weizman, 1 Die traditionell im britischen Mandatsgebiet Palästina und zuvor in den entsprechenden osmanischen Provinzen und Sandschaks (Jerusalem) lebende jüdische Bevölkerung. 2 Feitelson/Fischhendler (2009), 732. 3 Op. cit., 730. 4 Op. cit, 733. 44 damals Präsident der World Zionist Organisation, noch den Litanifluss im Libanon als nördliche Grenze für einen zu gründenden israelischen Staat reklamiert.5 Diese Ansprüche wurden aber mit dem UN-Teilungsplan 1948 zunichte gemacht. Die Umsetzung der nationalen Pläne zur Wasserversorgung begann 1955 mit der Fertigstellung der Yarkon-Negev Pipeline6, die 1964 in den umfassenderen NWC (National Water Carrier) integriert wurde und eine landesweite Bereitstellung von Wasser aus dem See Genezareth ermöglicht. Auch die jüdischen Siedlungen in der Westbank werden zu einem nicht unerheblichen Teil durch Seitenarme des NWC versorgt.7 Dieser Trend begann laut dem israelischen Hydrologen Haim Gvirtzman mit dem Ausbau der jüdischen Siedlungen im besetzten Gebiet: „In the late 1970s and 1980s, as many Jewish settlements were built in Judea and Samaria, they were connected to the National Water Carrier […] by long pipelines.“8 In weiterer Folge kam es nicht nur zu einer wachsenden Zentralisierung des Wassermanagements (zuerst staatlich, dann privatwirtschaftlich über das Unternehmen Mekorot), sondern auch zur Tendenz eine angebotsorientierte Herangehensweise an die Wasserfrage (so genanntes ‚Supply Side Management’) zu forcieren. Das heißt, ausgehend von einem bestimmten Verbrauchsniveau oder einer gar wachsenden Nachfrage, wurde primär darauf 5 Zeitoun/Messerschmid (2009), 150. “Israel inaugurates Yarkon-Negev pipeline amid great festivities”, JTA Jewish News Archive (http://archive.jta.org/). 7 „Wir fördern Wasser von der Küste nach […] Qiriat Arba […] und in weitere jüdische Siedlungen.“ So Ido Rosoljo, Geschäftsführer des israelischen Wassermonopolisten Mekorot, im Interview am 12. November 2009 mit Deutschland Radio (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1068689/). 8 The Israeli-Palestinian Water Conflict: An Israeli Perspective (2012), 4. 6 45 gesetzt, über immer größere Mengen an Wasser verfügen zu können. Dieser Trend hängt nach wie vor mit der partikularen Rolle der israelischen Landwirtschaft zusammen und erklärt die politische Entscheidung, einen weitgefassten JordanbeckenZugang zu wählen, um die Wasserversorgung Israels und der Siedlungen in den besetzten Gebieten auf dem gewünschten Niveau halten zu können. In den Jahren vor dem 6-Tage Krieg (1967) kam es in der Wasserfrage immer wieder zu Spannungen zwischen Syrien und Israel. Von 1953 bis 1955 wurde seitens der USA daher die Johnston Mission verabschiedet, um eine Einigung zu erzielen. Diese Hydrodiplomatie war allerdings nicht von Erfolg gekrönt, da die Vermittlung zu keiner Übereinkunft zwischen den Konfliktparteien führte. Wichtiger für die israelische Wasserversorgung sollte jedoch die Entwicklung des NWC sein. Mit der Eindämmung des Sees Genezareth (auch Kinneret) durch den Alumnot Damm im Jahr 1964 wurde die technische Voraussetzung für eine regelmäßige Wasserentnahme geschaffen. Im Nordwesten des Sees befindet sich die Abpumpanlage Sapir, die den NWC durch die Entnahme des wertvollen Rohstoffs speist. Das Jahr 1964 stellt somit in zweierlei Hinsicht eine „Wasserscheide“ dar: Erstens war vor der Inbetriebnahme des NWC das durch Brunnen und Pumpen geförderte Grundwasser die Hauptquelle. Zweitens verwandelte sich durch die Inbetriebnahme des NWC das im Kinneret gespeicherte Oberflächenwasser zur essentiellen Versorgungsquelle und die Kontrolle der Zuflüsse des Sees avancierte zu einem strategisch bedeutsamen Element. 9 Vor diesem Hintergrund sind auch die Zusammenstöße zwischen Israel und Syrien zwischen 1964 und 1966 einzuordnen. 9 Zeitoun/Messerschmid (2009), 153. 46 Gegenüberstellung der Wasserversorgung Israels und der besetzten palästinensischen Gebiete in den Jahren 1964 und 1995. Quelle: ‚Water Supply Systems in Israel: 1964 and 1995’ in: Feitelson/Fischhendler (2009), 734. Mit der Einnahme und andauernden Besetzung der Westbank im Jahr 1967 gelang es dem Staat Israel nicht nur eine östlich gelegenen Pufferzone zum Schutz des schmalen israelischen Küstenabschnitts abzusichern, sondern wurde dadurch auch die Kontrolle über drei reichhaltige Aquifere und die Oberläufe einiger kleinerer Wasserströme ermöglicht. Insgesamt transformierten die nördlichen und östlichen territorialen Zugewinne infolge des 6-Tage Krieges (Westbank und Golan) Israel quasi zum Oberanlieger des Jordans, der nun einen Großteil der Zuflüsse kontrollieren konnte. Eine Ausnahme stellt der Jarmuk (Yarmouk) dar, der die Grenzziehung zwischen Syrien, Jordanien und Israel definiert. 47 Israel hat seit dem Krieg 1967 Zugang zum westlichen, unteren Ende des Flussverlaufs und leitet von dort Wasser durch einen Kanal auf den Golan (siehe oben, rechte Karte). Durch militärische Erlässe wurde die gesamte Westbank der staatlichen israelischen Wasserverwaltung zugeschanzt und somit auch eine rechtliche Grundlage für die Ausbeutung der begehrten Ressource geschaffen.10 Diese Phase kann aus israelischer Sicht als Dominanz bezeichnet werden, da die Ausbeutung der Ressource Wasser ab 1967 primär auf Basis unmittelbarer militärischer Vorherrschaft in Kombination mit damit einhergehenden rechtlichen Regelungen (Erlässen) funktioniert. Mit der Vorbereitung und späteren Umsetzung der quasi-bilateralen Abkommen zwischen der PLO (Palestine Liberation Organisation) und dem Staat Israel11 ab 1993 wurde die Phase der Hegemonie eingeleitet, welche trotz bestehender militärischer Komponenten nicht nur auf unilateral bestimmten Gesetzen, sondern auf Abkommen beruht, die in gegenseitigem Einverständnis unterzeichnet worden sind. Das heißt, in der hegemonialen Phase braucht sich der Staat Israel zur Zielerreichung, nämlich der Ausbeutung der Ressource Wasser zu seinen Gunsten und auf Kosten der palästinensischen Bevölkerung, nicht mehr bloß militärisch zu behaupten, sondern kann sich zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen auf internationale Abkommen berufen, die bei näherer Betrachtung jedoch eindeutig im Dienste der militärisch stärkeren und politisch dominanten Konfliktpartei stehen.12 In kritischer Perspektive gelten die 10 Op. cit., 735. Haddadin (2002), 324. 12 Siehe dazu ausführlich: Amnesty International (2009): Wassernöte – Palästinensern wird der faire Zugang zu Wasserressourcen vorenthalten. 11 48 Verträge von Oslo daher als Institutionalisierungsmechanismus der israelischen Kontrolle über das rare Gut Wasser. EXKURS: Landwirtschaft als heilige Kuh – ein veränderungsresistentes Relikt aus sozialistisch-zionistischen Zeiten Die Staatsgründung Israels wurde von den arabischen Staaten auch deshalb abgelehnt, weil der von den Vereinten Nationen vorgesehene palästinensische Teil für den Ackerbau großteils ungeeignet war. Im Umkehrschluss gilt daher auch, dass Israel sich im Rahmen der UN Sicherheitsrats-Resolution 242 die besseren landwirtschaftlichen Flächen sichern konnte. Durch die intensive (im Vergleich zur vormaligen eher rudimentären) Nutzung dieser Böden durch die Siedler und eine aufgrund der Besiedlungskomponente ideologisch geförderte Landwirtschaft entstand freilich ein erheblicher Bedarf am Rohstoff Wasser. Auch heute noch wird die Wassernutzung in Israel grundsätzlich durch dieses Muster geprägt: Die Landwirtschaft, insbesondere durch den Anbau wasserintensiver Feldfrüchte (beispielsweise Zitrusfrüchte) konsumiert knapp 70 % des Wassers, um jedoch lediglich 1,5 % Anteil am jährlichen BIP zu erbringen. In den frühen Jahren der zionistischen Besiedelung vor der Staatsgründung spielte der Jüdische Nationalfonds (siehe Abbildung nächste Seite) eine nicht unerhebliche Rolle beim Erwerb agrarischer Flächen, der Besiedlung und der Sicherung von Wasser. Für Israel birgt die Bedeutung des agrarischen Sektors auch eine Image-Komponente, unter anderem im Ausland.13 Der Export von Zitrusfrüchten (Pomelos, etc.) beispielsweise unterstreicht eine florierende Landwirtschaft und soll den erfolgreichen Pioniergeist 13 „Auch in Deutschland landet Obst und Gemüse aus Israel in den Supermarktregalen […].“ Erdbeeren aus der Wüste in: Zeit online 31.3.2010 (http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-03/israel-wasser-krise). 49 der ehemaligen Siedler beschwören: „Für Israelis und Zionisten verkörpert die Orange nationalen Stolz und die zionistische Idee par excellence: eine trostlose Einöde in fruchtbares Land zu verwandeln“, meint der israelische Regisseur Eyal Sivan.14 Briefmarke des Keren Kajemet le-Israel (Jüdischer Nationalfonds) mit Abbildung eines Wasserreservoirs in der Siedlung Gan Schmuel (Datum ca. 1915). Quelle: Wikipedia Dennoch gilt, dass Israel als modernes, industrialisiertes Land im ökonomischen Gedeihen strukturell nicht primär von der Ressource Wasser abhängig ist. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die besetzten palästinensischen Gebiete durch einen nach wie vor relativ ausgeprägten ruralen Charakter (ca. 20 % des BIP) und somit insgesamt durch eine größere Wasser-Abhängigkeit aus.15 14 15 Interview mit Eyal Sivan in: Zenith – Zeitschrift für den Orient, 3/2010. Cf. Heyden (2006), 10. 50 Dieser Umstand wird auch durch die Zahlen der FAO belegt, deren Informationssystem zu Wasser und Landwirtschaft AQUASTAT ‚dependency ratios’ errechnet. Diese Berechnung bringt die langfristige durchschnittliche jährliche Verfügbarkeit erneuerbarer Wasserquellen zum Ausdruck. Israel hat dabei eine Abhängigkeitsrate von 57,87 %, die besetzten palästinensischen Gebiete hingegen 2.987 %.16 Die Zahlen bringen unter anderem zum Ausdruck, dass den Palästinensern beispielsweise der Zugang zum Jordanwasser verwehrt wird, da jenes in erster Linie bereits im großen Stil im aufgestauten See Genezareth entnommen wird, um den NWC zu speisen und darüber hinaus selbst der Zugang zum Jordan im Jordantal aufgrund eines sich dort befindlichen militärischen Sperrgebietes unmöglich gemacht wird. Zudem wird auf Grundlage des Gaza-Jericho-Abkommens aus 1994 den Palästinensern lediglich die Nutzung eines einzigen Westbankaquifers zugesprochen, bei dem es sich um das kleinste der drei Aquifere handelt, welches in südöstliche Richtung (zum Toten Meer) entwässert. Die israelische Wassernutzung befindet sich mittlerweile jenseits der ‚replenishment rate’ (Auffüllrate) der angezapften Aquifere. Dieser Zustand wiederum ist eine grundlegende Motivation für die Nutzung der militärischen Vormachstellung zwecks Ausübung der Wasserhoheit in den besetzten oder annektierten Gebieten. Darüber hinaus ist diese prekäre Versorgungslage auch für die Förderung der Meerwasserentsalzung17 und für den Wasserimport, primär in Form des so genannten ‚virtuellen Wassers’18, zuständig. 16 Cf. ‚Israel’ und ‚Occupied Palestinian Territory’ unter: www.fao.org/nr/aquastat. Im Detail siehe dazu: Sanders (2009), Water desalting and the Middle East peace process. 18 Als virtuelles Wasser wird das in Import-/Export-Produkten gebundene und zu 17 51 Kritiker des angebotsorientierten Managements wie Gidon Bromberg, Direktor der Umweltschutzorganisation ‚Friends of the Earth’, sehen die Lösung denn auch in der kompletten Umkehr der Strategie: „Der Fokus sollte auf Nachfragemanagement liegen. Es sei nicht normal, dass ein Land wie Israel im Sommer grün sei, Bananen anbaue und Tropenobst exportiere.“19 2. Wasser in den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern Unter rechtlichen Gesichtspunkten wird die Frage der Zugangsregelung von Anrainerstaaten zu Wasservorkommen auf verschiedenen Ebenen festgelegt, so auch in UN-Konventionen. Zudem gelten in Fragen grenzüberschreitender Grundwasservorkommen internationale rechtliche Standards. Darüber hinaus erwächst der israelischen Besatzungsmacht aufgrund eben dieser Eigenschaft im Prinzip eine Reihe von rechtlichen Verpflichtungen, die unter anderem auf humanitärem Völkerrecht beruhen und einen Konnex zur Wasserfrage beinhalten. Vor diesem multiplen Hintergrund und der offenen Frage der Einklagbarkeit der Ansprüche seitens der Palästinenser erschiene ein direkter, „bilateraler“ Zugang zur Wasserfrage zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) als naheliegende Lösung zur Schaffung eines rechtlich verbindlichen Rahmens. Daher lohnt es sich an dieser Stelle, einen Blick auf das Zustandekommen und die Umsetzung des israelisch-palästinensischen Interimsabkommens, insbesondere in Bezug auf die dessen Produktion benötigte Wasser bezeichnet. Der Wert für ein Kilogramm Orangen beträgt ca. 500 Liter, für einen Liter Orangensaft rund 850 Liter. 19 Erdbeeren aus der Wüste in: Zeit online 31.3.2010 (http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-03/israel-wasser-krise). 52 Wasserkomponente, zu werfen. Für die aus dem Oslo-Prozess entstandene palästinensische Selbstverwaltungsbehörde besteht jedoch die grundlegende Schwierigkeit, dass sie als derartige Entität über keine vollumfänglichen staatlichen Souveränitätsrechte verfügt und somit ihre zwar de facto, aber nicht de jure existierenden Ansprüche in Form von Rechten auch nicht einfordern kann. Die ersten substantiellen Schritte in Richtung eines israelischpalästinensischen Abkommens ab der Madrid-Konferenz von 1991 rückten auch die Wasserfrage als wesentliches KonfliktElement ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Unter Diskussion diverser Vorschläge (ökonomische Lösung durch „Kommerzialisierung“, Umleitung regionaler Aquifere oder Meerwasserentsalzung)20 setzten sich in weiterer Folge in der Praxis zwei Abkommen durch: das Jordanisch-Israelische Friedensabkommen (1994) mit seiner transnationalen Wasserkomponente (siehe unten, Exkurs: Das Wasser-Abkommen mit Jordanien) sowie das israelischpalästinensische Interimsabkommen aus dem Jahr 1995 (auch Oslo B genannt), inklusive den hydrologischen Aspekten. Bei den Verhandlungen war Wasser ein derart zentrales Thema, das es zum Aufgabenbereich eines eigenen Verhandlungsteams gehörte. Eines von fünf Teams bei den multilateralen Verhandlungen befasste sich ausschließlich mit Wasserfragen. Die Palästinenser (ursprünglich vertreten durch eine gemeinsame jordanisch-palästinensische Delegation) beharrten dabei auf der Kontrolle über die drei Aquifere des Westbank-Gebirges sowie dem ungehinderten Zugang zum Jordan. Da Israel die Gebirgsaquifere aber als eine der drei tragenden Säulen ihres Wassermanagements betrachtet – und benötigt (neben dem See Genezareth und 20 Cf. Feitelson/Fischhendler (2009), 735. 53 dem Küstenaquifer) – lehnte es, auch über eine stärkere Verhandlungsposition verfügend, das Ansinnen ab. Außerdem wurde bei den Verhandlungen vom Status Quo des jeweiligen Wasserkonsums ausgegangen. Fragen über die Verteilungsgerechtigkeit standen also gar nicht zur Debatte. In Israel konnte vor dem Beginn der Verhandlungen von 1991 sogar eine massive Verbrauchssteigerung bemerkt werden, um den Wasserbedarf bei den Verhandlungen möglichst hoch ansetzen zu können.21 Da es sich bei dem Oslo-Abkommen zwischen dem israelischen Staat und der PA nur um ein Interimsabkommen handelt, ist der Transfer der Souveränität nicht nur territorial eingeschränkt (durch Unterscheidung der Hoheitsrechte in den Zonen A, B und C), sondern auch rechtlich unvollständig. Israel anerkennt zwar vage die Legitimität palästinensischer Ansprüche auf die Ressource Wasser (eine genaue Quantifizierung soll erst in einem permanenten Friedensabkommen festgelegt werden), allerdings wurde in der Praxis ein Koordinierungsmechanismus eingesetzt. Dieses JWC (Joint Water Committee) spiegelt jedoch genauso wie der Verhandlungsverlauf die Machtkomponente wider, da es de facto die Machtasymmetrie zugunsten Israels zementiert22 und diese damit sogar in einen formalen Rahmen überführt. Das JWC hat zur Aufgabe, die Hydropolitik und die Verwaltung gemeinsamer Wasserressourcen abzustimmen. Dabei wird es durch Wasserfachleute beider Seiten unterstützt. Innerhalb dieser Struktur befinden sich noch Unterkomitees, die sich mit spezifischen Aufgabenbereichen, wie Abwasser, Preisfestlegung usw. 21 22 Zeitoun/Messerschmid (2009), 157. Cf. Feitelson/Fischhendler (2009), 738. 54 befassen. Dieses Komitee ist das Hauptforum für bilaterale Verhandlungen und Entscheidungsfindungen in grenzüberschreitender Wasserpolitik.23 Kritische Stimmen bemängeln jedoch, dass das JWC in erster Linie der israelischen Vorherrschaft dient, wenngleich es den Anspruch erhebt, ein Kooperationsinstrument darzustellen. Zeitoun kommt gar zu dem Schluss: „Not only does the Israeli side have the ability to set the agenda of JWC meetings, it has on occasion been so confident of the outcome that the minutes of meetings have been written ahead of time.“24 Parallel zu der 1995 ins Leben gerufenen PA wurde auch die PWA (Palestinian Water Authority) gegründet, die für die zentrale Verwaltung von Wasser- und Abwasserfrage in ihrem Hoheitsbereich zuständig ist. Problematisch dabei ist, dass zahlreiche Wasserakteure auf palästinensischer Seite die Legitimität und Autorität dieser Institution von Anfang an herausgefordert und unterminiert haben. Traditionelle, althergebrachte Bewässerungs- und Wasserverteilungssysteme im Dienste einflussreicher Familien oder wasserreicher Kommunen standen somit einer neuen Institution gegenüber. Einerseits litt die PWA an einem Kapazitätsproblem, andererseits handelten die Geberländer aufgrund ihrer Projektprioritäten teilweise gegen die Ziele PWA.25 Dies führte dazu, dass auf palästinensischer Seite keine zentrale Stelle in Wasserfragen agiert und der Wildwuchs an Zuständigkeiten und Entscheidungsträgern andauert. Exkurs: Das Wasser-Abkommen mit Jordanien Das Friedensabkommen zwischen Israel und Jordanien aus dem Jahr 1994 enthält eine hydrologische Komponente, ermöglichte 23 Cf. Katz/Fischhendler (2011), 18. Zeitoun (2009), 147. 25 Cf. Zeitoun/Messerschmid (2009), 149. 24 55 es doch unter anderem eine Klärung von wassertechnischen Fragen, wie zum Beispiel die Regelung des Zugangs zu den Flüssen Jordan und Jarmuk und der Einspeisung von Oberflächen- und Grundwasser (des Arava-Grundwasserbeckens) in Kanäle. Auf jordanischer Seite handelt es sich hierbei um den East-Ghor Kanal (auch King Abdullah Kanal), auf israelischer um ein Leitungssystem im Jordantal, das nicht an den NWC angeschlossen ist. Für gewöhnlich wird das Abkommen in der Literatur zu Wasser als Konfliktelement im Nahen Osten als Beispiel für eine kooperative Lösung angeführt, bei der Wasser vielmehr zur Beilegung eines Konfliktes beiträgt, als zur Aufrechterhaltung einer latenten Spannung beizutragen oder gar zu einer Konfrontation zu führen.26 Allen macht dazu jedoch folgende Anmerkung: „The water compromise [sic] took the form it did because contention over international borders, military security and above all peace were higher than water amongst the negotiated priorities for Jordan.”27 Artikel 6 des Abkommens sowie ein ausführlicher Annex II zu diesem Artikel enthalten eine Beschreibung der Punkte, über die Einigkeit erzielt werden konnte. Dabei werden Grundsätze, Verteilung (Allokation), Lagerung, Wasserqualität und die Bildung eines Joint Water Committees festgelegt. Bemerkenswert ist Punkt 3 in Artikel 6, der einen Wassermangel beider Parteien feststellt und davon ausgehend den Ausbau der Förderung als notwendige Maßnahme festlegt. Der Annex wiederum gibt detailliert Auskünfte über die Zuweisung (Allokation) von Wasserressourcen aus dem Jarmuk und 26 27 Vgl. Heyden (2006), 9 und Starr (1991): Water Wars. Allan (2010), 219. Meine Hervorhebung. 56 dem Jordan, mit einer Unterscheidung zwischen den Winter- und Sommermonaten. Ein weiterer bemerkenswerter Punkt findet sich in Artikel 4 (Wadi Araba Grundwasser) des Annexes. Auf jordanischem Territorium (also in der East Ghor genannten Region) befindliche, ehemals israelische Brunnen und Pumpen werden weiterhin ausschließlich von Israel genutzt: „[…] Jordan allows Israel to pump more than 12 MCM/year from 14 wells, drilled into a groundwater reservoir located in the Jordan territory, in the central Arava valley, between the Dead and Red seas […].“28 3. Eine Wasserbilanz: das Spannungsfeld zwischen Bedarfsdeckung, rechtlichen Ansprüchen und Hegemonieausübung Der Rahmen des israelisch-palästinensischen Wasserkonfliktes ist bedingt durch regionale Wasserknappheit, eine ausgeprägte Machtasymmetrie zugunsten Israels und eine tendenzielle Übernutzung vorhandener Grundwasservorkommen (Aquifere). Die Nachfrage der beiden Konfliktparteien nach Wasser ist unterschiedlich hoch und zeichnet sich durch markante sektorale Differenzen aus. Die jeweiligen Anteile landwirtschaftlicher, industrieller und privater Nutzung der Haushalte klaffen weit auseinander. Für die Ausbeutung der Ressource wurden zwar vertragliche und somit im weiteren Sinn rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen. Diese zementieren jedoch primär die Machtasymmetrie zugunsten Israels und stellen keine Grundlage für ein faires, selbstbestimmtes Management des Rohstoffs dar: „[…] a relatively reckless management regime and a highly asymmetrical allocation that risks spoiling the water resource as much as poisoning international realtions.“ 29 28 29 Black (2012), 5114. Zeitoun/Messerschmid (2009), 147. 57 Die bestehende Wasserknappheit wird zusätzlich durch die Überausbeutung bestehender Quellen und Grundwasservorräte verstärkt. Bis auf den Eastern Aquifer in der östlichen Westbank befinden sich alle Aquifere am oder über dem Nutzungslimit, da ihnen kaum mehr die niederschlagsbedingt notwendige Zeit zur Auffüllung gewährt wird.30 Hydrologische Fakten: Wasserförderung Auf palästinensischer Seite gibt es drei Arten von Quellen. Von der PWA werden vier Quellen mit einem Fördervolumen von 3,5 MCM/Jahr betrieben. Hingegen befinden sich 300 Quellen in Privatbesitz, die in Summe den 10-fachen Output generieren. Auch kommunale Quellen fördern Wasser, ohne an eine Infrastruktur angebunden zu sein. Die Kontrolle von grenzüberschreitenden Quellen durch israelische Institutionen ist viel ausgeprägter. Das West Bank Water Department (WBWD) betreibt dreizehn Quellen, die es aber nicht besitzt. Rechtlich gesehen fällt das WBWD unter die Autorität der PWA, tatsächlich werden betriebliche Entscheidungen aber von der Israeli Civil Administration (ICA) getroffen. Der israelische Wasseranbieter Mekoroth besitzt und betreibt mehr als 25 Quellen in der West Bank. Diese produzieren rund 44-59 MCM/Jahr, wovon der Großteil an israelische Siedler geht. Mekoroth verkauft das Wasser auch an die PWA, etwa im Ausmaß von 22-36 MCM/Jahr. Schließlich kaufen Palästinenser auch Wasser direkt von israelischen Siedlern, sollten sie ihre eigenen Regenwasservorräte vorzeitig aufgebraucht haben.31 30 31 Op.cit., 152. Zeitoun (2008), 51. 58 Stellt man die Zahlen gegenüber ergibt sich folgendes Bild: 230.000 israelische Siedler in der West Bank konsumieren mehr als ein Viertel des Wassers, das von 2,4 Millionen Palästinensern verbraucht wird. Weiters zeigt sich, dass wiederum rund ein Viertel des Wassers, das von Palästinensern konsumiert wird, aus israelischer Kontrolle bzw. Produktion kommt.32 Im Vergleich ergibt sich eine israelische Jahresfördermenge von 1.759 MCM, wovon 1.200 MCM (fast 70 %) an die Landwirtschaft gehen. Diese Mengen sind unter anderem aufgrund der die Westbank beinhaltenden Förderregelungen möglich, aber auch, weil die in Oslo festgelegten Grenzwerte zur Förderung regelmäßig überschritten werden.33 Wassernutzung: Verhältnisse Der Western Aquifer, der sich teilweise unter der Westbank und teilweise unter israelischem Territorium befindet zeichnet sich durch eine hohe Auffüllrate aus. Die Verteilung des Wassers dieses Aquifers geschieht in einem Verhältnis von 94 % für Israel vs. 6 % an die PA. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Einerseits pumpt Israel Wasser aus dem unterirdisch in westliche Richtung entwässernden Aquifers über tiefe Brunnen auf die israelische Seite der Grenze. Andererseits ist es den Palästinensern seit 1967 nicht erlaubt, neue und vor allem tiefere Brunnen zu graben. Sie arbeiten also mit technisch altem Material und haben keinen Zugriff auf die ergiebigeren, tieferen Schichten des Aquifers. Auch in der Allokation der Wasserressourcen ist eine starke Asymmetrie zu erkennen. Die Verteilung der grenzüberschrei32 33 Op.cit., 55. Zeitoun/Messerschmid (2009), 153. 59 tenden Wasserressourcen fällt mit 6:1 zugunsten Israels aus. Legt man dieses Verhältnis auf den landwirtschaftlichen Sektor um, ergibt sich ein noch deutlicheres Bild. In Israel hat die Landwirtschaft einen Anteil von 1,5 % am BSP, in Palästina liegt dieser bei 20-30 %, gleichzeitig herrscht ein Verhältnis von 9:1 zugunsten Israels bei der Verteilung von Wasser in diesem Sektor.34 Israel verbraucht im Vergleich zur Westbank und Gaza also im Schnitt die fünf- bis sechsfache Menge an Wasser, wobei in der Westbank die Diskrepanz zwischen den israelischen Siedlern und der lokalen palästinensischen Bevölkerung noch um ein vielfaches ausgeprägter ist. Elemente der Hegemonie Israel hält die Kontrolle über die grenzüberschreitenden Wasserströme nicht nur durch seine überwältigende militärische Macht (Stichwort hard power) aufrecht, sondern vor allem auch indem es den Machtdiskurs in der Region bestimmt. Das Oslo II Abkommen sprach zwar beiden Parteien ein bestimmtes Maß an Legitimität und Verpflichtungen zu. Und auch im internationalen Wasserrecht werden sowohl Israel als auch Palästina als gleichwertige Akteure angesehen. Doch die Realität scheint ein anderes Bild zu zeichnen. Mit der Ratifizierung des Oslo II Abkommens 1995 kommt es zu einem Übergang von Israels unmittelbarer militärischer Herrschaft über Palästina zu dessen Hegemonie. Beispielsweise wird Israels hegemoniale Vormachtstellung im Wasserkonflikt dadurch deutlich, dass von Seiten der PWA kaum Widerstand ausgeht, 34 Zeitoun (2008), 58. 60 bzw. sie regelmäßig „auf ihren Platz verwiesen wird“. Zudem nutzt Israel den erweiterten Einsatz von hard power, indem es der palästinensischen Wasserinfrastruktur kontinuierlich Schaden zufügt.35 Ein Mix aus technischen, rechtlichen und physischen Elemente erhärtet die israelische Vormachtstellung, so auch in Sachen Wasser. Auch die oftmals von USAID und der Israel Water Commission (IWC) gepriesene Kooperation mit den palästinensischen Behörden kann kaum als solche bezeichnet werden, da die „gemeinsame“ Grundlage stets von der israelischen Seite vorgegeben wird. Das strukturelle Grundproblem der politischen Vertretung der Palästinenser bleibt auch vor dem Hintergrund sowohl des JWC, als auch der diversen internationalen rechtlichen Regelungen und Standards bestehen. Nämlich einerseits die mangelnde Rechtshoheit über die eigenen, territorialen Wasserressourcen aufgrund der nicht existierenden Staatlichkeit, sowie andererseits die fehlende Berücksichtigung palästinensischer Ansprüche durch die Besatzungsmacht. EXKURS: Extremfall Gaza-Streifen Aus israelischer Perspektive befindet sich der Gazastreifen downstream des Küsten-Aquifers. Als solches besitzt das Gebiet an der Grenze zu Ägypten, im markanten Gegensatz zur Westbank, keine hydropolitische Bedeutung für Israel und die zwei Seitenarme des NWC in den Gazastreifen wurden seit dem Abzug der Siedler und Tsahals im Jahr 2005 stillgelegt. Allerdings kann ein massives Abpumpen durch Brunnen in näherer Umgebung des Gaza-Streifens (nördlich und nordöstlich) beobachtet werden36, 35 Cf. Maan News Agency (13.07.2001): Soldiers destroy wells, water pumps in the Jordan valley. 36 Cf. Karte in: Water for Life – Water, Sanitation and Hygiene. Monitoring Pro61 wodurch Quantität und Qualität der Grundwasservorkommen im Küstenaquifer unter Gaza zusätzlich reduziert werden. Dies kann durchaus auch als Ausdruck der israelischen Wasserhegemonie gewertet werden. Da die Wasserversorgung Gazas jedoch primär durch Abpumpen aus diesem Aquifer bewerkstelligt wird, werden die unterirdischen Wasservorräte aufgrund der Bevölkerungsdichte einem enormen Druck ausgesetzt. Laut dem Sekretariat der Union für das Mittelmeer (UfM) wird der Aquifer um das Dreifache seiner durchschnittlichen Jahreskapazität überausgeschöpft.37 Auch die Meerwasserentsalzung (wie zum Beispiel durch Projekte, die von der österreichischen EZA gefördert wurden) kann hier nur partiell Abhilfe schaffen, da es sich vielmehr um ein strukturelles Problem handelt. Durch die Übernutzung des Grundwasservorkommens entstehen zwei Probleme: Es muss immer tiefer gebohrt werden, um an trinkbare Wasservorräte zu gelangen. Dies bringt technische und finanzielle Probleme mit sich. Außerdem steigt die Gefahr der Verunreinigung mit Meereswasser. Aufgrund des schlechten Abwassermanagements nimmt auch die Gefahr der Verunreinigung der oberen Schichten des Grundwassers zu. Denn große Mengen der Abwässer aus Gaza werden entweder ungeklärt direkt ins Meer geleitet oder gelangen durch Absickern in den Boden. Laut Weltbank38 besitzen nur noch 5-10 % des Aquifers Trinkwasserqualität und ein Kollaps des Grundwasservorkommens ist nur noch eine Frage der Zeit. gram (2008), 32. 37 „Desalination Facility for the Gaza Strip“, Union für das Mittelmeer (http://www.ufmsecretariat.org/wp-content/uploads/2013/01/Gaza-Project-Fact-SheetJan-2013.pdf). 38 Op.cit. 62 Literatur: Allen, J.A.: The Middle East Water Question: Hydropolitics and the Global Economy, London 2010 Black, Emily: Water and society in Jordan and Israel today: an introductory overview, in: Philosophical Transactions 368 (2010), S. 5111-5116 Feitelson, Eran/Fischhendler, Itay: Spaces of Water Governance: The Case of Israel and Its Neighbors, in: Annals of the Association of American Geographers 2009 (99:4), S. 728-745 Fröhlich, Christiane: Zur Rolle der Ressource Wasser in Konflikten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 25 (2006), S. 32-36 Fröhlich, Christiane: Der israelisch-palästinensische Wasserkonflikt – Diskursanalytische Betrachtungen, Wiesbaden 2010 Gvirtzman, Haim: The Israeli-Palestinian Water Conflict – an Israeli Perspective. 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