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E. Laufer, Architektur Unter Den Attaliden. Pergamon Und Die Städte Des Reiches Zwischen Herrscherlicher Baupolitik, Rezeption Und Lokaltradition (phd University Of Cologne 2012; Publication Forthcoming).

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Einleitung Die gesellschaftliche wie kulturelle Tradierung und Weiterentwicklung der griechischen Stadtkultur zählt zu den zentralen Charakteristika der hellenistischen Epoche. Im griechischen Mutterland, auf den Inseln und an der kleinasiatischen Westküste war der Polisgedanke als maßgebliche Komponente der politischen, sozialen und kulturellen Lebenswelt seit langem verankert. Er strahlte im Hellenismus zunehmend auf weitere Regionen aus und wurde dabei auch von den Herrschern der neuen Weltordnung mitgetragen. Die griechische Bürgergesellschaft mit ihrem Polisideal war in der neuen Epoche freilich mit vielfältigen Folgeerscheinungen der überregional wirksamen, machtpolitisch über der Poleis-Kleinstaaterei stehenden, Königsherrschaften konfrontiert. Städtewesen und Stadtkultur der hellenistischer Zeit werden in ihren vielfältigen Aspekten seit längerem verstärkt diskutiert. Dabei wird das komplexe Phänomen in der historischen Forschung aus zunehmend verschiedenen Perspektiven – etwa zur politischen, zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – beleuchtet. Dazu bietet insbesondere die epigraphische Quellengruppe eine zentrale Grundlage, die nirgends so reichen steten Zuwachs erfährt wie im Gebiet der heutigen Türkei. Dort führt die gegenwärtige Intensität von Feldforschungen, insbesondere in den West- und Südküstenregionen des Landes, zu einer stetigen Erweiterung der Kenntnisse auch der materiellen Kultur, die der archäologischen Forschung ebenfalls viele neue Perspektiven eröffnet. Die reiche Überlieferung aus Kleinasien hat dieser Kulturlandschaft daher besondere Aufmerksamkeit in den neueren Diskussionen zur hellenistischen Stadtkultur gesichert. Diese ist in Kleinasien vertreten durch alteingesessenen griechischen Poleis – die Kette der aiolischen, ionischen, dorischen Gründungen an der Westküste –, ebenso aber durch zahlreiche Städte indigenen Ursprungs, deren Anfänge kultureller und partiell auch ethnischer Hellenisierung in vorhellenistische Zeit zurückreichen – wie etwa in den Küstenzonen Kariens, Lykiens und in Pamphylien. In wieder anderen Regionen erfuhren die indigenen Siedlungsstrukturen erst im Lauf der hellenistischen Epoche eine Überformung durch die hellenistische Polisidee und die mit ihr verbundene Stadtkultur – etwa die entlegeneren Gebiete Kariens und Lykiens, ebenso Pisidien. In den küstenferneren, binnenländischen Regionen Kleinasiens fand das griechische Polismodell gewisse Verbreitung auch im Zuge der Kolonisationsaktivitäten der hellenistischen Herrscher. Noch andere Landstriche indigener Prägung (etwa weite Teile Mysiens und Phrygiens) verharrten dagegen in hellenistischer Zeit weitgehend in angestammten Organisation- und Siedlungsstrukturen. Nicht zuletzt aufgrund des Ungleichgewichts in der archäologischen wie historischen Überlieferung zuungunsten der letztere Kategorie wird das politische System des hellenistischen Königreiches freilich vorrangig mit Fokus auf die ›griechischen‹ Städte (bzw. aus deren Perspektive) betrachtet. In ihrem Verhältnis zur hellenistischen Königsherrschaft stellten die Städte freilich alles andere als eine homogene Gruppe dar. Ihre politische Haltung konnte zwischen eindeutiger Unterordnung bzw. Gefolgschaft und – im Extremfall – offener Konfrontation changieren. Im alltäglichen Interagieren beider Parteien werden charakteristische Wesenszüge der politischen Kultur der Epoche deutlich. Auf Seiten der Herrscher ist es insbesondere die euergetische Rolle, die diese im Umgang mit Städten oft eingenommen haben. Umgekehrt, von Seiten der Städte, ist als Reflex dazu vor allem das sich 13 zunehmend reich nuanciert entwickelnde Ehrungswesen zu nennen. Dieses diffizile Spannungsverhältnis zwischen dem hellenistischen Königtum und den Städten griechischer Polisprägung ist ein bislang vorrangig von althistorischer Seite thematisiertes. Die archäologische Forschung hat hinsichtlich dieser Fragestellung mit ihren Methoden und Quellengruppen den Nachteil, ihre Befunde erst umgekehrt, im Hinzuziehen historischen Kontextwissens, näher einordnen zu können. Falls bestimmten archäologischen Zeugnissen ein spezifisches Handlungsmuster von Interaktion zwischen Herrscher und Städten zugrunde lag, läßt sich das heute nur in den seltensten Fällen aus sich heraus unmittelbar erschließen. Der archäologische Befund ist in aller Regel anonym, und eine ›Archäologie‹ auf der Grundlage eines politischen Systems – wie dem des hellenistischen Königreiches – ist nicht zuletzt deshalb methodisch kaum zu leisten. Versuche, die zunächst unmittelbar in der materiellen Kultur faßbare Wirkungsreichweite der hellenistischen Königsmacht in ihrem politischen Herrschaftsgebiet zu beschreiben, sind bislang eher vereinzelt, und exemplarisch auf bestimmte Materialgattungen beschränkt, geblieben. Für weite Bereiche der materiellen Alltagskultur ist ohnehin die Frage strukturell kaum sinnvoll, wie weit sie als Resultat eines kulturellen Mit- und Nebeneinanders von Herrscher, ›Hof‹, Residenzstadt, der dortigen materiellen Kultur einerseits und lokalen Verhältnissen andererseits beschreibbar sind. Zudem zählen zu den elementaren Wesenszügen der hellenistischen Königsherrschaft die auf den Regenten zugeschnittene personale Herrschaftsstruktur; das Konkurrieren zentralistischer Bestrebungen mit lokalen Eigeninteressen; speziell im Fall Kleinasiens auch eine ethnische, sprachliche, kulturelle, und nicht zuletzt hinsichtlich Siedlungstradition bzw. Urbanisierungsstand ausgesprochen heterogene Vielfalt; der Charakter demnach kaum eines straff organisierten Flächenstaates nach modernem Verständnis, als vielmehr eines eher losen, vor allem durch die Person des Herrschers zusammengehaltenen Verbundes von Städten und Gebieten kulturell sehr verschiedenen Lokalkolorits. Auch diese Charakteristika lassen für die in Kleinasien politisch besonders bedeutsamen Herrschaftsären der Seleukiden und Attaliden kaum den Gedanken an eine etwaige uniforme ›Reichskultur‹ zu. Reichsweite, unmittelbar vom Königtum ausgehende Einflüsse sind noch am ehesten im Bereich der monumentalen, repräsentativen Architektur zu erwarten; oder auch in der Münzprägung, die neben ihrer Bedeutung für die königlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik ein alltagstaugliches Medium bot, herrschaftsideologische Botschaften zu verbreiten. Die Gattung der Skulptur war zumindest in der Form statuarischer Stiftungen der Herrscher – vorzugsweise in Heiligtümer – ebenfalls Gegenstand ›kulturpolitischer‹, überregional entfalteter Aktivitäten des Königs. Regelhaft ohne etwaigen intentional-politischen Hintergrund verbreiteten sich daneben aber zweifellos auch Handwerkstechniken, Objektgattungen, Kunstrichtungen und -stile aus dem Umkreis des herrscherlichen Hofes in Reichsgebieten, wie sie auch ihrerseits von dort verschiedentlich Anregungen aufgenommen haben werden. Zu denken ist etwa an den Bereich der Skulptur, des Baudekors, der Keramik, der Malerei etc.. Das hellenistische Königreich war – das ein weiterer maßgeblicher Umstand – zudem in seinem Umfang eine ausschließlich von strategisch-militärischen Gegebenheiten (d. h. nicht zuletzt damit auch geographisch-politischen Zufällen) geprägte Einheit und keineswegs per se identisch mit einer ›Kunstlandschaft‹. Es stand, sowohl auf der Ebene der königlichen Repräsentations- bzw. ›Hofkunst‹ wie auch auf lokaler Ebene, in Wechselwirkungen mit benachbarten ›Kunstzentren‹, und nicht minder auch unter dem Einfluß überregional-globaler Entwicklungen der hellenistischen Welt. 14 Fragestellung und Zielsetzung Die hellenistische Stadtkultur Kleinasiens bildet den Hintergrund der vorliegenden Untersuchung, die einen exemplarischen Diskussionsbeitrag zu Städtebau, Architektur und königlicher Baupolitik zum Ziel hat. Gegenstand der Betrachtung ist das von der Dynastie der Attaliden (ca. 282-129) beherrschte Reich mit dem Zentrum Pergamon. Es ist materieller Hinsicht reicher bezeugt als sein politischer Vorgänger und Konkurrent in der Hegemonie über Kleinasien, das von Syrien aus gelenkte Seleukidenreich. Das Attalidenreich teilte aber mit (bzw. erbte auch von) diesem viele der zuvor angedeuteten strukturellen Gegebenheiten. Das in seinen Anfängen bescheidene Splitterreich von Pergamon war im Zuge des römischen Diktatfriedens von Apameia im Jahr 188 durch Roms Gunst zur bedeutendsten politischen Macht Kleinasiens aufgestiegen, und es konnte diese Rolle in der Folge für ca. ein halbes Jahrhundert (188133) mit beachtlicher Stabilität ausfüllen. In diese Blüteperiode des Attalidenreiches fällt auch ein enormer Ausbau seiner Hauptstadt Pergamon. Diese stellt, nach der mittlerweile hundertvierzigjährigen Ausgrabungstätigkeit, die mit Abstand bestbekannte hellenistische Residenzstadt dar, die daher häufig emblematisch für hellenistische Architektur Eingang auch in Überblickswerke und Handbücher zur Geschichte, Kultur und Architektur der Epoche gefunden hat. Die reichen Architektur- und Skulpturenfunde der Stadt begründeten die Sichtweise von Pergamon als eines bedeutenden ›Kunstzentrums‹ der hellenistischen Welt. Davon begleitet ist auch die, durch antike Überlieferung zumindest teilweise gestützte, Vorstellung einer kunstsinnigen, sich betont philhellenisch gebenden, generös mäzenatisch rührigen Dynastie. Nicht zuletzt auch imposante Baustiftungen (oft mit statuarischen Weihungen einhergehend) der pergamenischen Herrscher in altehrwürdige vornehme Städte und Heiligtümer der griechischen Welt evozieren dieses Bild. Vereinzelt sind diese Monumente im Befund noch greifbar, wie die imposante Stoai der pergamenischen Könige in Athen; einige weitere sind zumindest literarisch oder epigraphisch bezeugt. Die Prominenz dieser baulichen Zeugen, und die Popularität der einmal entwickelten Imagination vom reichen euergetischen Wirken der Attalidenherrscher, hat namentlich in der älteren Forschung aber auch zu manchen Zuweisungen weiterer Monumente zum attalidischen ›Œuvre‹ geführt. Die vorliegende Untersuchung ist Phänomen der Architektur – in einem weiteren Sinne verstanden – gewidmet, die sich unter verschiedenen Gesichtspunkten zeitlich und räumlich mit der Attalidenherrschaft verbinden lassen. Vereinfacht gesagt sind dafür zwei Betrachtungsebenen gewählt: zum einen die Besonderheiten der Architektur in Pergamon selbst, zum anderen die Frage, welche Charakteristika derselben in welchem Umfang, in welchen Brechungen, und im Rahmen welcher Aktivitätsmuster jenseits von Pergamon Nachhall gefunden haben. Die Behandlung folgt dabei keiner linearen Betrachtung, sondern gilt unterschiedlichen Detailaspekten – urbanistischen, bautypologischen, bautechnischen und Baudekor betreffenden –, deren Bewertung im Zusammenhang dem Verständnis verschiedenster mit Architektur verbundener Prozesse im ›Œuvre‹ des pergamenischen Königreiches dienen sollen: > Ausgangspunkt und zentrale Referenz stellt die Architektursprache in der Residenzstadt Pergamon 15 dar, die maßgeblich von der Bautätigkeit des Herrscherhauses selbst geprägt ist. Die bauliche Entwicklung von Pergamon selbst in all ihren Facetten zu berücksichtigen stellte freilich beim heutigen Umfang der Grabungsergebnisse und der ihnen gewidmeten Forschungsdiskussionen eine ganz eigenständige Aufgabe dar, die hier nicht geleistet werden kann. Für die Untersuchung hier sind vor allem einzelne städtebauliche Kernfragen, charakteristische Monumente aus Pergamon-Stadt, sowie mit diesen verbundene Detailmerkmale der Bauornamentik berücksichtigt. > Die herrscherliche Baupolitik blieb nicht auf Pergamon beschränkt. Im Zuge unterschiedlicher Aktivitätsebenen bzw. Handlungsmuster wirkte sie in die Reichsgebiete fort, teilweise sogar über die Reichsgrenzen hinaus. Zum einen ist im Kontext der attalidischen Stadtgründungen ein Transfer bestimmter stadtplanerischer Ideen, Bauten, und Architekturformen zu erwarten. Hier und in anderen Zusammenhängen, etwa dem der militärischen Okkupation und Sicherung der Reichsgebiete, wird man theoretisch Spuren einer herrscherlichen Baupolitik erwarten. Zum anderen betrifft das die Baustiftungen der Herrscher in auswärtige Städte und Heiligtümer. Die Zeugen der königlichen Bauaktivitäten dort sind mit Rücksicht auf eine internationale ›Öffentlichkeits‹-Wirkung stärker euergetisch-diplomatisch verbrämt. Die Bauten waren gleichwohl in erheblichem Maß mit Repräsentationsabsichten des Herrschers verbunden. Sie waren in ihrer baulichen Gestalt mitunter deutlich von attalidischen Architekturideen und -formen geprägt. Punktuell ist aus beide Bereichen herrscherlichen Bau-Engagements sogar attalidisches Baupersonal epigraphisch bezeugt. Im Zusammenhang der Intention dieser königlichen Bauaktivitäten stellt sich auch die Frage, ob bestimmten Monumenten in der Typologie oder im Dekor womöglich auch ein programmatischer ›Wiedererkennungswert‹ als attalidisch zugedacht war. Diese Ebene – des quasi unmittelbar vom Herrscher gelenkten Bauengagements in seiner Hauptstadt, im Reich und darüber hinaus – systematisch zu fassen zu suchen, stellt eines der zentralen Anliegen der Studie dar. Neben den Bauten in Pergamon-Stadt sind dafür insbesondere die wenigen auswärtigen Monumente zu betrachten, die durch inschriftliche oder literarische Zeugnisse dezidiert als attalidisch ausgewiesen sind. Bei letzteren handelt es sich überwiegend um königlichen Baustiftungen. Dieses Genre bedeutet bei der angestrebten breiteren Überblicksdiskussion indes lediglich eine thematische Facette; der Besprechung der wenigen tatsächlich im Befund erhaltenen Bauten, insbesondere der drei Stoai in Athen und Delphi, ist daher weniger Raum gewidmet, als man unter dem Titel der Studie vielleicht erwarten mag. Diese prominenten Primärzeugnisse attalidischer Architektur sind in der Vergangenheit zudem teils bereits eingehend besprochen worden; die Diskussionen werden hier keineswegs sämtlich erneuert. Zu manchen zentralen interpretatorischen Fragen (etwa hinsichtlich des genauen Stiftungsanlasses, des -zeitpunktes, des ideologischprogrammatischen Gehaltes usw.) ist noch keine Einigkeit erzielt; hier sollen indes vorrangig architektonische Aspekte interessieren. > Im Anschluß an dies stadtpergamenischen und die übrigen als sicher attalidisch anzusprechenden Monumente ist zu fragen, auf welcher methodischen Grundlage und in welchem Umfang eine Identifizierung weiterer ›anonymer‹ Monumente als attalidisch tragfähig ist. Hier steht eine Reihe von Monumenten in Diskussion, die in der bisherigen Forschungstradition mehr oder minder gut begründet den pergamenischen Königen als Bauherrn zugeschrieben, bzw. zumindest einem diffusen 16 ›Umkreis‹ pergamenischer Architektur zugeordnet wurden. Manche derselben sind auf dem heutigen Forschungsstand sicher bereits zu Recht aus der Diskussion ausgeschieden worden; andere sind als mindestens fraglich einzuordnen11. Die einmal gefestigte Vorstellung von der euergetischen Umtriebigkeit der Könige von Pergamon wirkt mitunter noch heute in neuen verdachtsweisen Zuschreibungen von Bauten nach. Die methodischen Möglichkeiten sind im Einzelfall je nach Überlieferungslage unterschiedlich: historische Indizien, urbanistische, bautypologische, bautechnische Aspekte, sowie der Baudekor können Anhaltspunkte bieten. Die Beurteilung muß nicht zuletzt vor einem individuellen Gesamtbild dessen, wie sich das Verhältnis einer Stadt zur Attalidenherrschaft einschätzen läßt, erfolgen. In den meisten Fällen der ›anonymen‹ Monumente wird man über Abstufungen von Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten einer attalidischen Zuschreibung kaum hinauskommen können. Eingedenk der eingangs skizzierten strukturellen Voraussetzungen der Königsherrschaft ist eine attalidische Bauträgerschaft (oder anderweitige königliche Einflußnahme) eher als Ausnahme- denn als Standardfall zu erwarten. Die bauliche Entwicklung der Städte wurde schließlich in aller Regel von diesen selbst in Eigenregie getragen; methodisch liegt die Beweislast daher immer bei dem Postulat herrscherlichen Einflusses. > Als ›Vergleichsfolie‹ zu den attalidischen Bauten, und den ihnen möglicherweise anzureihenden Monumenten, ist im weiteren ausschnitthaft auch die zeitgenössische Architektur der kleinasiatischen Städte selbst zu betrachten. In erster Linie ist hier nach Folge- und Wechselwirkungen mit der stadtpergamenischen bzw. attalidischen Architektursprache in den Städten zu fragen. Lassen sich, wie zuvor angemerkt, in den Städten zwar zahlenmäßig nur wenige sichere Zeugnisse königlicher Bauaktivitäten namhaft machen, so darf doch durchaus damit gerechnet werden, daß die herrscherliche Architektur in einigem Umfang Folgewirkungen anderer Art auch auf die Architektur weiterer Städte (solcher des Reiches und jenseits desselben) gezeitigt hat: in Form einer Übernahme bzw. Imitation von Bautypen, von Bautechniken oder Dekorformen seitens der Städte selbst. Darunter sind theoretisch wiederum mehrere Spielarten an Rezeptions- bzw. Transferprozessen denkbar: das Rezipieren von Elementen im Sinne einer programmatischen und demonstrativen Übernahme (mitsamt inhärenter ›Botschaften‹, die u. U. gar Rückschlüsse auf die politische Haltung einer Stadt erlauben?); ein mehr oder minder davon gelöstes, pragmatisches Rezipieren als ›vorbildhaft‹ bzw. ›modern‹ empfundener Elemente; ferner die Verbreitung von Architekturideen, -formen, -stilen und -techniken, weitgehend gelöst von ihren ursprünglichen Kontexten, etwa durch wandernde Architekten/Bauhütten. Schließlich ist nicht zuletzt auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß seitens der Städte womöglich auch Desinteresse bzw. sogar gezielte Abgrenzung in der Architektursprache vorkommen konnte; was wiederum verschieden begründet sein, in jedem Fall aber ebenfalls Aufschlüsse über das architektonische Selbstverständnis bieten kann. > Das bauliche Erscheinungsbild der Städte war freilich in entscheidendem Maß auch von lokalen und regionalen Architekturtraditionen (vor-)geprägt. Umgekehrt ist daher bei einer wohl auf Lokaltradition stolzen, leistungsfähigen und innovativen Architektur wie etwa der Ioniens – bei dem engen Nachbarschaftsverhältnis mit dem Attalidenreich – kaum davon auszugehen, daß diese folgenlos für die Architektursprache des letzteren geblieben wäre. Das steht zumal insofern zu 11 Eine Zusammenstellung derselben zuletzt im Corpus zu den königlich-hellenistischen Stiftungen Bringmann – von Steuben 1995, 395-517 unter »Dubia und Falsa«. 17 vermuten, als die königliche Residenzstadt Pergamon selbst über keine adäquate eigene Architekturtradition verfügte, und sich noch im späten 3. Jahrhundert in ihrem urbanistischen Stand von keineswegs überdurchschnittlichem Rang präsentierte. Insofern ist auch zu prüfen, in welchem Maße sich die herrscherliche attalidische Architektursprache ihrerseits anderen Vorbildern (und welchen) verpflichtet zeigt. > Schließlich bleibt zu thematisieren, ob sich hinsichtlich der verschiedenen skizzierten Handlungsmuster Unterschiede bei bestimmten Gruppen von Städten (z. B. solche eines herrschaftsnahen oder -ferneren Status) abzeichnen. Diese Frage läßt sich ausdehnen auf größere, regionale Betrachtungen: auch die ›Provinzen‹ des Attalidenreiches unterscheiden sich etwa hinsichtlich ihrer lokalen Traditionen, ihres Hellenisierungsgrades erheblich, so daß auch hier mit Schwerpunkten, beispielsweise im baulichen Engagement der Herrscher, zu rechnen sein könnte. > Auf einer ganz allgemeinen Betrachtungsebene ist für das 2. Jahrhundert in Kleinasien eine intensive Bautätigkeit beobachtet worden, die einen merklichen Unterschied zum 3. Jahrhundert markiert12. Dabei ist verschiedentlich sogar die Metapher eines ›Goldenen Zeitalters‹ verwendet worden13. Als Träger und Finanzier dieses urbanistischen Aufschwunges haben – bis zum Beweis des Gegenteils im Einzelfall – vornehmlich die Städte selbst zu gelten; königliche Munifizenz kann hier anteilsmäßig nur am Rande als Faktor hinzugekommen sein. Gleichwohl ist daraus zu folgern, daß die Städte günstige Rahmenbedingungen für diese Entwicklung vorgefunden haben müssen; insofern können städtische Bauprojekte dieser Zeit zumindest mittelbar als in Wechselwirkung mit strukturellen Gegebenheiten der attalidischen Herrschaft stehend betrachtet werden. Allgemeine Wohlfahrt der Städte war fraglos kaum politischer Programmpunkt der pergamenischen Könige, ist als Folge bzw. Begleiterscheinung ihrer Machtepoche aber ebenfalls näherer Aufmerksamkeit wert. »The influence of Pergamene city architecture is clear in many sanctuaries and smaller cities elsewhere in western Asia minor«14, ist als subjektive Quintessenz zum Befundbild hinsichtlich dieses Fragenkomplexes von Winter in seinem neueren Überblickwerk zur hellenistischen Architektur angemerkt. Zentrales Anliegen der Studie hier ist, diese eher diffus formulierte Vorstellung von der Wirkungsreichweite pergamenischer Architektur in ihren Spielarten nach Wesen, in Umfang und Bedeutung präziser zu differenzieren und damit ein Gesamtbild zu gewinnen, wie und wie weit die Architektur in Kleinasien unter den Attaliden von den spezifischen Bedingungen der Königsherrschaft geprägt waren. Dazu ist vor allem eine Verknüpfung vielfältiger, bislang meist separat behandelter Detailaspekte zu Städtebau, Architektur, zu den königlichen Herrschaftsstrukturen und dem herrscherlichen Euergetismus im hellenistischen Kleinasien zu leisten. Augenmerk soll dabei auch einer inhaltlich wie methodisch dringend gebotenen Synthese von archäologischen und epigraphisch-historischen Teildiskussionen gelten, die in Anbetracht der zunehmenden Spezialisierung der Fachgebiete und der weiten Zersplitterung der Publikationslandschaft in jüngerer Vergangenheit kaum mehr systematisch unternommen wurde. Den einzigen Vorstoß in dieser Richtung, einen Überblick über die verschiedenen, mit der attalidischen Königsherrschaft mehr oder minder direkt zu verbindenden baulichen Monumente reichsweit zu 12 13 14 Hoepfner 2002, 276. Bresson in: Bresson – Descat 2001, 13; vgl. auch Hoepfner 2002, 276. Winter 2006, 182. 18 fassen zu suchen, stellt bislang noch immer ein summarisches Kapitel in der historischen Überblicksstudie von Hansen15 dar, dessen archäologische Basis allzu knapp ist. Auch Radt beschränkte sich zuletzt in seinem Pergamon-Führer auf eine Skizze der diesbezüglich diskutierten Monumente16. St. Mitchell hat zu dieser angemerkt: «The compass of the volume has sometimes led R. to be more economical than he or some readers would wish in adducing parallels for the buildings of Pergamon from elsewhere in the Hellenistic and Roman world. In particular his discussion of Pergamene artistic or architectural influence in other Greek cities is little more than a catalogue of names [...]. This criticism is no more than a way of saying that a companion volume on the archaeology and architecture of other cities in the Pergamene sphere of influence would also be very welcome.»17. Jüngst hat Bachmann dieses noch immer aktuelle Desiderat nicht minder einprägsam konstatiert18. Die vorliegende Untersuchung ist diesem Anliegen gewidmet. Gliederung Die Ausführungen bis hierher markierten die inhaltlichen Kernfragen. Im folgenden ist ein thematischer Vorausblick über die Herangehensweise gegeben. Kapitelweise wird dabei in jeweils unterschiedlichem Maße und unterschiedlicher Akzentuierung auf die skizzierten thematischen Aspekte zurückgegriffen, soweit für die betreffende Monumentgruppe adäquat. Die exemplarischen Teilbetrachtungen sollen sukzessive einander zu einem Gesamtbild ergänzen. Die thematische Gliederung bedingt notwendig eine gewisse Aufsplitterung vielfach miteinander verschränkter Detailfragen. Auf zentrale Monumente wie etwa die attalidischen Hallen in Athen ist daher in unterschiedlichen Betrachtungskontexten einzugehen: in ihrer Bedeutung als emblematisches Monument attalidischer ›Kulturpolitik‹, in ihrer bautypologischen Einordnung, ferner bei der Besprechung des Baudekors. Die Vielfalt der Quellenzeugnisse bzw. Befunde zu einer Stadt sind darob ebenso häufig nach Zusammenhängen getrennt bewertet; Vor- und Rückverweise auf Teildiskussionen sind in Text und Anmerkungen daher unvermeidlich. Eine katalogweise Besprechung einzelner Städte oder Monumente bot keine adäquate Alternative; deren Parameter würden in weit stärkerem Maße Wiederholungen bedingen. I. Einleitend sind die historischen Rahmenbedingungen zu umreißen, die die verschiedenen thematisierten städtebaulichen bzw. architektonischen Prozesse begleiten und prägen: die (geographische, chronologische, politische) Entwicklung des pergamenischen Reiches; Wesenszüge der königlichen Herrschaft, Strukturen ihrer Herrschaftsorganisation. Bedeutsam ist ferner insbesondere die Diskussion zur Rolle der Städte, insbesondere deren Stellung gegenüber der Königsherrschaft. II. Die anschließende Skizze gilt dem Phänomen des königlichen Euergetismus, der ein wesentliches 15 16 17 18 Hansen 1971, 235-390. Radt 1999, 279-281. Schalles 1985, behandelt hingegen ausschnitthaft vor allem die frühen attalidischen Gebäudestiftungen ausführlich. Mitchell 1990, 265 (Rez. zur Erstausgabe von Radts Pergamon-Führer von 1988). Bachmann 2011b, 75. 19 Kommunikationsprinzip des hellenistischen Herrschers mit seiner Mitwelt darstellte. Sie ist auf die Spielart der Baustiftungen fokussiert. III. Nächst dem steht eine Synthese zu den Aktivitäten der Attaliden auf dem Gebiet der Stadtgründungen; insbesondere hinsichtlich der Frage nach den Intentionen und Begleitumständen dieser Gründungsprojekte und (soweit faßbar) deren baulicher Gestaltung. IV. Im Anschluß ist die Frage zu verfolgen, wie weit im Bereich der Wehrbauten eine königlichattalidische Baupolitik zu beobachten ist. V. Als Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen zur Architektur ist in Grundzügen die bauliche Entwicklung von Pergamon in der Königszeit zu skizzieren; nicht zuletzt zum Aspekt der Rolle und den Intentionen der königlichen Bauherrendynastie. Im Zentrum der Untersuchung stehen dann – vorwiegend thematisch bzw. typologisch gegliederte – Betrachtungen zu einzelnen Bautypen (VI.), städtebaulichen Charakteristika (VII.), schließlich zum Baudekor (VIII.-IX.). Zentrale Monumente und Befunde der stadtpergamenischen Architektur, erweitert um die auswärtigen attalidischen Bauten, sind dabei jeweils im Vergleichsfeld (über-)regionaler Konventionen und Entwicklungen in der Architektur der kleinasiatischen Städte selbst eingeordnet. Die Leitfrage ist die von Verbreitung, Beeinflussung, Vorbildwirkung und Abgrenzung in der Architektursprache. ›Vollständigkeit‹ in der Berücksichtigung des Vergleichsmaterials kann dabei freilich nirgends angestrebt sein. Exemplarisch verstehen sich auch die Besprechungen zu Einzelfragen der Bauornamentik; hier ist vielfach auf die systematische und für das hellenistische Kleinasien maßgebliche Materialstudie von Rumscheid zurückgegriffen. Ergänzend zur Analyse der Bauornamentik ist in Umrissen zu thematisieren, wie weit das anhand der attalidischen Bauten gewonnene Befundbild in regionalen Traditionen verwurzelt ist oder im Austausch mit anderen Zentren des Architekturschaffens steht (X.). XI. Nur andeutungsweise sind im Anschluß Aspekte der Bauorganisation behandelt; spezifische Befundanalysen, die hierzu präzisere Vorstellungen ermöglichen, sind bislang noch die Ausnahme. XII. Abschließend wird der Versuch unternommen zu bilanzieren, in welchem Maße und innerhalb welcher Parameter die attalidische Herrschaft die bauliche Entwicklung kleinasiatischer Städte – direkt bzw. im mittelbaren Sinn – beeinflußt hat. Besondere Bedingungen können hier beispielsweise für die unmittelbare Umgebung von Pergamon erwartet werden; eine herausragende Rolle für diese Diskussion kommt etwa Pergamons Nachbarstadt Aigai zu. Einige weitere regionale bzw. kategoriale Städtegruppen sind dieser Betrachtung angeschlossen, um einen aussagekräftigen Überblick zu urbanistischen Entwicklungstendenzen im Kleinasien der Attalidenzeit zu gewinnen. 20 Zum geographischen und chronologischen Rahmen der Untersuchung Die geographische Abgrenzung des Untersuchungsrahmens muß verschiedenen genannten Aspekten gerecht werden. Gegenstand der Betrachtung ist das Attalidenreich, in seinem größten Umfang etwa des mittleren 2. Jahrhunderts. Ein aus Befundlage und Forschungstradition resultierender Schwerpunkt auf Zeugnisse und Monumente der Städte der Westküstenregion ist dabei unvermeidlich. Für weite binnenländische Landstriche des Reiches fehlten dagegen in der hellenistischen Epoche die elementaren Voraussetzungen der hier geführten Diskussion: eine (voll entwickelte) griechische Stadtkultur und die damit in starkem Maß verbundene exzessive (epigraphische) Schriftfreudigkeit der Gesellschaft selbst, bzw. auch Überlieferungswürdigkeit für die Historiographie. Politische Grenzen sind für architekturgeschichtliche Fragestellungen freilich von begrenzter Relevanz. Für vergleichende Betrachtungen ist daher insbesondere auch auf die Architektur der Städte Ioniens und Kariens zurückzugreifen, zumal diese sich aufgrund der archäologischen Überlieferungssituation als zentrale Referenz anbieten; politisch standen sie mehrheitlich eher nachbarschaftlich neben dem Attalidenreich. Aus dem griechischen Mutterland sind insbesondere die Zeugnisse des euergetischen Bau-Wirkens der Attaliden zu berücksichtigen, deren prominenteste in Athen und Delphi erhalten sind. Eine umfassende Berücksichtigung der mutterländischhellenistischen Architektur ist, abgesehen von punktuellen Verweisen, beim Schwerpunkt der skizzierten Fragestellungen hingegen nicht möglich. Das immanente Problem, Pergamon und Kleinasien dabei unweigerlich von koine-Erscheinungen und -entwicklungen der ›globalen‹ hellenistischen Architektur (zu) künstlich abzukoppeln und isoliert zu sehen, liegt auf der Hand19. Insbesondere ist auch die Gefahr einer verfälschenden Einschätzung von Innovationspotential und Folgewirkung von Pergamon als Architekturzentrum zu gelangen. Das Problembewußtsein sei hier einmal nachdrücklich betont; es wird nicht in jeder Teildiskussion eigens wiederholt. Die gewählte Fokussierung ist m. E. aber der historischen Perspektive und der in Kleinasien gegebenen Materialfülle adäquat. Verschiedene Überblicksbetrachtungen zur hellenistisch-griechischen Architektur liegen vor, anhand derer das Bild zum attalidenzeitlichen Kleinasien im größeren Vergleichsmaßstab überprüft werden kann20. Die zeitliche Abgrenzung ist im wesentlichen durch die dynastische Herrschaftsdauer der Attaliden (ca. 282-133/129) vorgegeben. Quellenbedingt ergibt sich hier ein Schwerpunkt für die machtpolitische Blütezeit des Reiches zwischen 188 und 133. Die Betrachtung ist insgesamt, soweit vertretbar, eher diachron angelegt. Eine Differenzierung nach Schwerpunkten im Wirken der einzelnen Herrscherpersönlichkeiten – wie sie Schalles für seine Studie zur ›Kulturpolitik‹ der früheren attalidischen Regenten eingeschlagen hat – ist nicht angestrebt. Diese Perspektive ist vorrangig für die Diskussion der unmittelbar herrscherlichen Bauten geeignet; hier ließen sich für die späteren Herrscher der Dynastie im Zuge ergänzender Studien vermutlich einige differenzierende Aussagen gewinnen, die den von Schalles vorgetragenen Ergebnissen an die Seite treten können. Für die Fragenkomplexe, die (meist längerfristig) architekturgeschichtliche Entwicklungen und Rezeptionsprozesse betreffen, ist die an Herrscherpersonen orientierte Herangehensweise wenig 19 20 Hoepfner 2002b, merkt das gerade in Hinblick auf die Betrachtung von Kleinasien als ›Einheit‹ an. Lauter 1986; von Hesberg 1994; Winter 2006; als ein Regionalüberblick (zum hellenistischen Sizilien) auch Osanna – Torelli 2006. 21 sinnvoll. Nicht zuletzt ist die erforderliche Feinchronologie vieler Bauten zu sehr mit Unsicherheiten behaftet. Über diesen chronologischen Rahmen hinausgehende Aspekte sind punktuell ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen. Insbesondere bei der Betrachtung einiger spezifischer Baugliedtypen wird nach deren Fortwirken in der späteren antiken Architektur zu fragen sein. Eine systematische Einordnung der attalidischen Architektur in größere Entwicklungszusammenhänge der antike Architekturgeschichte stellte eine ganz eigene Herausforderung dar, für die hier ebenfalls nur auf die bestehende Forschungstradition verwiesen sei21. Geographisch wie zeitlich soll das vergleichsweise kleinräumige Fallbeispiel des Attalidenreiches einen exemplarische Betrachtung zur Frage von ›Reichsarchitektur‹ in den hellenistischen Königreichen bieten. Fraglos wünschenswert für zukünftige Forschungen wäre eine Betrachtung der vorausgehenden seleukidischen Epoche Kleinasiens. Diese bedeutet für das Attalidenreich die nächst geeignete Referenz; allein für das seleukidische Kleinasien ist die archäologische Befundgrundlage aussichtslos disparat22. Mit der jüngsten Studie von Michels zu den kleineren dynastischen Reiche Kleinasiens eröffnet sich eine Vergleichsperspektive zu einigen der hier diskutierten Fragen, insbesondere zum herrscherlichen Euergetismus und den dynastischen Stadtgründungen. Die Verhältnisse im ptolemäischen Ägypten sind von den kulturellen Voraussetzungen weit weniger vergleichbar. Zur thematischen Abgrenzung Unter dem Stichwort Architektur ist hier ausschließlich der Sektor öffentlich-repräsentativer Bauten thematisiert; der private Wohn- und Sepulkralbau ist (von Einzelfällen abgesehen) nicht berücksichtigt. Das breite Spektrum statuarischer Monumente23 bleibt hier von der Betrachtung weitgehend ausgeblendet. Für das Kontext-Verständnis der behandelten Architekturen – Agorai, Stoai, Heiligtümer, Gymnasien – ist deren mitunter programmatisch entscheidende ›Vervollständigung‹ erst durch die zugehörigen statuarischen Ensemble freilich stets gegenwärtig zu halten24; dieser Umstand wird im weiteren nicht eigens betont. Im Fall der Baustiftung Attalos I.' in das Apollon-Heiligtum von Delphi etwa dürfte die Architektur wesentlich als ein zweckdienliches, rahmendes Ensemble für das eigentliche Movens der Stiftung – die Weihung und Zurschaustellung von Siegestrophäen und -bildern – anzusprechen sein25; im Stellenwert ähnlich mag die bauliche Ausgestaltung des AthenaHeiligtums in Pergamon selbst gewichtet werden. 21 22 23 24 25 Vgl. Anm. zuvor. Aus archäologischer Perspektive ist ›das‹ seleukidische Kleinasien, von Einzelaspekten abgesehen, daher auch noch nicht behandelt worden. Ein eindrückliches historisches Bild zum seleukidischen Kleinasien bietet Ma 1999, das insbesondere im Fokus auf die Zeit Antiochos III.' unmittelbar wertvolle Vergleiche zur attalidischen Epoche ermöglicht. Als exemplarische Diskussion zu zentralen Monumenten dieser Gruppe sei (für die frühen Attaliden) auf die Studie von Schalles 1985 verwiesen, ferner auf die Corpus-Zusammenstellung bei Bringmann – von Steuben 1995. Statuenmonumente für die Herrscher: Kotsidou 2000. Zu erinnern ist hier etwa an das von Schmaltz 1995 und Hoepfner 1997b als »Skenographie« beschriebene Prinzip des sorgfältigen Arrangements von Bauten und zugehörigen Skulpturenmonumenten nach Blickachsen. Roux 1952, 149 f. 22 Die inhaltliche Bandbreite der aus den Inschriften zu gewinnenden Informationen für die attalidische Epoche der kleinasiatischen Städte ist kaum erschöpfend zu benennen, sowohl im Genre (Stiftungsinschriften; Ehrungen; die Publikation diesbezüglicher und weiterer diplomatischer Korrespondenz zwischen König und Städten/lokaler Bevölkerung); als auch im Spektrum der damit verbundenen Informationsdetails (etwa zum Wirken von königlichen Amtsträgern sowie von städtischen Honoratioren als Interessenvertreter lokaler Anliegen; die Nennung von mit dem Königshaus verbundenen Phylennamen, Fest- oder Kultveranstaltungen bzw. -institutionen). Vorrangig sind hier die Inschriften von Interesse, die im Zusammenhang mit Baulichkeiten stehen, bzw. im weiteren Sinn die Beziehungen der Herrscher zu einzelnen Städten26 näher beleuchten. Die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu beschreiben, die zum einen mit den herrscherlichen Bauaktivitäten, zum anderen mit den postulierten Transferprozessen von Architektur einhergingen, wird quellenbedingt skizzenhaft bleiben müssen. Aktive und passive Anteilnahmen, Intentionen und Verhaltensmuster der an diesen Prozessen beteiligten Kräfte zu berücksichtigen, muß gleichwohl ein Anliegen der Untersuchung darstellen. Dabei ist die Rolle unterschiedlichster Akteure in Rechnung zu stellen: der Herrscher (bzw. sein engstes Umfeld) als Initiator, oder zumindest ›Dienstherr‹ und Entscheidungsträger, von Bauprozessen; lokale Chargen seiner Administration, die das Geschehen vor Ort begleiten; Gesandtschaften oder Einzelpersonen – in der Regel Angehörige der Eliten der Bürgerschaft – als Lobbyisten ihrer Städte, die im Umfeld des Königs maßgeblichen Gestaltungseinfluß auf Bauvorhaben ausüben; schließlich im Fall von Heiligtümern die Priesterschaften. Im Interagieren dieser Parteien, deren ›offizielle‹ diplomatische Seite epigraphisch vergleichsweise gut faßbar ist, werden einige Handlungsmuster deutlich, die Rückschlüsse etwa auf die Beweggründe, Initiierung und ›Abwicklung‹ einer königlichen Baustiftung oder anderer Baumaßnahmen gestatten. Eingedenk der Zufälligkeit der epigraphischen wie literarischen Überlieferung lohnt dabei gleichwohl der Diskussion, wie weit entsprechende Zeugnisse Einzelfallbedingt scheinen oder als Indizien von Verfahrensroutine betrachtet werden dürfen. Die vielfältigen Parameter, die das Selbstverständnis bzw. die Selbststilisierung der Attalidendynastie, nicht zuletzt ihren Umgang mit den Städten und die Programmatik ihrer ›Kulturpolitik‹ prägten, sind hier nicht systematisch behandelt. Sie sind in der Forschung aus unterschiedlichen Perspektiven bereits eingehend besprochen worden; die wichtigsten seien daher nur schlagwortartig in Erinnerung gerufen: – Der akademische Eifer der attalidischen Hofkunst und -schriftstellerei, die Dynastie und die zeitgenössische Stadt Pergamon mit den Mythentraditionen der Region zu verweben und daraus Legitimation und Prestige für die Gegenwart zu schöpfen27; – die Selbststilisierung der Herrscher als Vorkämpfer und Verteidiger der griechischen Freiheit und Kultur gegen deren zeitgenössischen sinnbildlichen Erzfeind, die barbarischen Galater; – die ehrgeizige artifizielle Aufwertung von Pergamon zu einem Hort führenden Ranges für ›Kunst und Kultur‹; – die maßgeblich mit den beiden vorgenannten Aspekten verbundenen Allüren der ›geschichtslosen‹ 26 27 Für die Inschriftenzeugnisse zu diesem Thema hat Ma 1999, 17-22 und passim deren inhaltliche wie formale Besonderheiten, und mithin insbesondere die erforderliche historische Lesart, ansprechend skizziert. Dazu etwa Scheer 1993, 71-147 (Telephos-Mythos). 23 Attaliden, an den Ruhm und die Rolle des klassischen Athen anzuknüpfen und dessen Abglanz in ihrem Pergamon in mancher Hinsicht aufleben zu lassen; – Das eifrige Bemühen der Attaliden um, nächst dem bevorzugt von der attalidischen Gunst bedachten Athen, panhellenische Anerkennung in ihrer Wohltäter-Rolle28; – die Stilisierung unverbrüchlicher Harmonie und Loyalität in der Attalidenfamilie, die neben der Bedeutung im politischen Alltag auch in programmatischen Medien und Monumenten ihren Niederschlag gefunden hat29. All diese Aspekte begleiteten in unterschiedlichem Maße und wechselnden Schwerpunkten auch die Baupolitik der Herrscher, zum einen in Pergamon selbst, zum anderen insbesondere auch bei den bedeutenden auswärtigen programmatischen Weihungen und Baustiftungen30. Kaum näher zu ermessen ist die Prägungskraft, die dieses sorgfältig komponierte und inszenierte Image der Herrscher von sich, ihrer Stadt und ihrem Reich bei dem privilegierten Kreis des herrscherlichen Hofes in Pergamon, der Bevölkerung von Pergamon-Stadt, der Führungselite des Reiches, den tonangebenden lokalen Honoratiorenschichten, der einfachen Untertanenbevölkerung, der panhellenischen Öffentlichkeit jeweils erreicht hat. Bestenfalls bruchstückhaft und mitunter erst – so anzunehmen – nach verschiedenen Brechungen werden hier und da Zeugnisse entsprechenden ›Propaganda‹-Erfolgs greifbar. Zur Forschungsgeschichte Das anhaltende Interesse am Hellenismus – als historische Epoche und als gleichnamiges kulturgeschichtliches Phänomen – findet seinen Niederschlag in einer Fülle an neueren Publikationen, insbesondere auch Tagungsberichten und Kompendien. Das gilt im besonderen auch für die vielfachen Facetten der hellenistischen Stadtkultur, nicht zuletzt in ihrem Mit- und Nebeneinander mit dem Königtum31. Bei der thematischen Bandbreite der hier aufgeworfenen Fragestellungen ist eine eingehende Würdigung der damit verbundenen Forschungstraditionen kaum zu leisten. Im folgenden seien daher lediglich für die zentralen Themenaspekte einige Publikationen, vor allem solche neueren Datums, benannt. Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Attaliden32 sind seit den Studien von Hansen und Allen 28 29 30 31 32 Charakteristische Zeugnisse hierzu etwa Pol. 32,8; Liv. 42,5; IG IV 848 (aus Kalaureia); Welles 1934, Nr. 52 = OGIS 763 (Milet); FdD III,3 Nr. 240 Z. 2 f. (aus Delphi). Vgl. u. (VI.3.2) zu einem Tempel in Kyzikos; zum Münzmotiv der Dioskuren als alter ego des Brüderpaares Eumenes II.-Attalos II.: Grüßinger u. a. 2011, 552 Kat.6.68 (F. Duyrat). Schalles 1985; Schalles 2011. Genannt seien Ma 1999; Bresson – Descat 2001; Dignas 2002; Prost 2003; Sartre 2004; Couvenhes – Fernoux 2004; Fröhlich – Müller 2005; Weber 2007a; Mileta 2008; DFG SPP 1209 «Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel», zuletzt aktualisiert 02.08.2006, ‹http://www.poliskultur.de/41_Home.html› (07.11.2011), daraus hervorgegangen Matthaei – Zimmermann 2009 und zuletzt Meier 2012. Hansen 1971; Allen 1983; Hopp 1977; Mileta 1988; Daubner 2006. Zur attalidischen Außenpolitik: McShane 1964, und zuletzt Koehn 2007. Lebendig und einprägsam formuliert ist die jüngste Skizze zur attalidischen Geschichte bei Gehrke 2011. Ein knapper Überblick aktuell auch: Zimmermann 2011. Mit Schwerpunkt-Perspektive auf die Herrscher-Dynastie: Virgilio 1993. Zur Organisation bzw. den Strukturen des Reiches vgl. etwa zuletzt Mileta 2010. Zu der sehr fragmentarischen historiographischen Überlieferung zum Attalidenreich vgl. Allen a. O. 1-8 und Virgilio 1993 passim. Zu den attalidischen Amtsträgern und Verwaltungsstrukturen liegt noch keine zusammenfassende Behandlung vor; die Besprechung bei Allen 1983 ist mittlerweile um einige neue Zeugnisse und Diskussionspunkte zu erweitern. Zu wirtschaftlichen Grundlagen und Strukturen des Attalidenreiches sind noch immer die knappen Ausführungen von Rostovtzeff 1923 und Rostovtzeff 1955, 434-44. 504-23. 630-35 nicht ersetzt (ähnlich ausführlich noch Hansen 1971, 203-216). Speziell für das nähere Umland jetzt Pirson – Zimmermann 2011. Zum monetären System im Attalidenreich vgl. etwa Le Rider 1989 und Schultz 1996. Angekündigt ist eine monographische Studie Attalid Asia Minor: Money, International Relations, and the State von P. 24