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Ein Bleitäfelchen Aus Apulum

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GYÖRGY NÉMETH E IN B LEITÄFELCHEN AUS A PULUM aus: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 190 (2014) 311–312 © Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn 311 E I N B LEI TÄ F ELCH EN AUS A PU LU M Im Frühling des Jahres 2006 hat die rumänische Polizei eine Privatsammlung von etwa 200 archäologischen Gegenständen beschlagnahmt.1 Die Sammlung von Alba Iulia (das antike Apulum) stammte aus illegalen Ausgrabungen der römischen Stadt.2 Alle Gegenstände sind auf das II/III Jh. zu datieren. Vasile Moga hat 2007 mit Genehmigung der Polizei in einer lokalen Zeitschrift einen kurzen Bericht über die Sammlung veröffentlicht.3 Damals lagen die Funde in einem Magazin des Museums von Alba Iulia. Unter den Bronze-Gegenständen findet sich in der Sammlung eine Bleilamelle mit einer lateinischen Inschrift. Moga publizierte ein (nicht sehr gutes) Foto der Lamelle, eine Lesung aber hat er nicht gegeben.4 Er schreibt nur, dass das Täfelchen einen Durchmesser von etwa 84 mm und ein Gewicht von 75,43 gr hat.5 Die Majuskel-Buchstaben sind etwa 1 cm hoch. Moga betrachtet die Bleilamelle als eine Fluchtafel.6 Es fehlt nur sehr wenig vom unteren Teil des Täfelchens, die Zeilen 3–4 der fünfzeiligen Inschrift sind aber schwer lesbar. Auf Grund des Fotos schlage ich folgende Lesung vor: 5 IVSTA IN L IVO VENI NAIVLE FETE.I DVRAVIT ET M+ MV 5 Iusta, in livo veni! Naiule fete.i duravit et m[ihi] mu „Iusta, komm auf den Hügel! Naiule …, auch mir ist hart geworden …“ Iusta ist ein bekannter und verbreiteter Frauenname. Aus Apulum kennen wir auch eine Namensträgerin, Domitia Iusta.7 Nicht weit von Apulum, in Potaissa (heute Turda), lebte 30 Jahre lang eine weitere Iusta.8 Auf dem Plättchen steht nur l/ivo; doch eine andere Interpretation als l/ivo, also mit Auslassung des ersten Buchstabens, kann ich nicht geben. Auch in veni gibt es einen Schreibfehler, da der Schreiber statt des V zunächst ein O schreiben wollte. Naiule ist ziemlich gut lesbar; die Frage ist, was das Wort bedeutet: Es könnte als einheimischer Name interpretiert werden; Namen dieser Art kennen wir allerdings bis jetzt nicht. Wenn Naiule ein lokaler Name wäre, könnte es ein Nominativ sein, oder, wenn es die Syntax zuließe, auch ein Genitiv (Naiulae).9 Nach Naiule steht entweder FETE oder CETE mit eckigem C. Falls es wirklich ein C ist, könnte man das Wort zu cete[r]i ergänzen. Duravit ist gut lesbar, ein sinnvoller Text entsteht 1 Alle Angaben zum Fund stammen aus dem Aufsatz von V. Moga, Consideratii asupra unor artefacte arheologice recu- perate, Patrimonium Apulense 7–8 (2008) 83–87. Abb.: p. 93 (= Moga). Die Abhandlung wurde mit Unterstützung des Projekts Espacios de penumbra: Cartografia de la actividad magico-religiosa en el Occidente del Imperio romano (Ref. FFI 2008–01511 / FISO) geschrieben. – Für die sprachliche Korrektur des Textes danke ich Werner Eck. 2 Moga 87: „The great majority of the collection’s objects comes from the territory of the urban centre Apulum …“ 3 Ich danke Professor Radu Ardevan, dass er mich auf den Aufsatz von V. Moga aufmerksam machte. 4 Moga 93. 5 Moga 85. 6 Moga 86. 7 CIL III 1235; HD038868. 8 CIL III 917; HD049074. 9 Ich bedanke mich bei Professor Jürgen Blänsdorf für den Vorschlag und auch für die Lesung ceteri. 312 G. Németh aber auch so nicht. et m[ihi] oder et m hätte einen Sinn; nach M gibt es aber kaum Platz für noch drei Buchstaben, und Zeile 5 fängt nicht mit ihi, sonden mit einem M an. Der Text könnte als eine erotische Defixio interpretiert werden, mit Werbung um Iusta; aber was hart geworden ist, nicht klar. Man könnte den Text aber auch als einen Brief lesen, durch den Iusta auf den Hügel gerufen werden sollte. David Jordan erwähnt nicht weniger als 15 auf Blei geschriebene Privatbriefe aus Berezan, Torone, Attika, Agathe (Agde in Frankreich), Emporion, Mende und Olbia.10 Immerhin sind aus Dazien bis jetzt nur drei Fluchtafeln und kein einziger Brief auf Blei bekannt. Blei war also auch in Dazien eher ein Schreibmaterial der Magie.11 Falls die Iusta-Inschrift doch ein Brief wäre, wäre sie der erste dieser Gattung in der Provinz. György Németh [email protected] 10 Jordan, D., A Personal Letter found in the Athenian Agora, Hesperia 69 (2000) 91–103. 11 Bounegru, G. V. – Németh, Gy., Cursing the nomen, ZPE 184 (2013) 238–242. Es wurde ein – bis jetzt unpubliziertes – Bleitäfelchen in Sarmizegetusa in dem Domnus und Domna-Heiligtum gefunden. Die in Dierna gefundene Goldlamelle ist aber keine Defixio, wie es früher interpretiert wurde, sondern ein Amulett, s. SEG 27.415; SEG 53.747; Kotansky, R., Greek Magical Amulets I, Opladen 1994, 97–100.