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M anuskript. Erschienen als: Töth, Mate (2015): EREIGNIS-M etonym ien im Licht kontrastiver Daten. In: Kispäl, T. & Szabö, J. (eds.): Aktuelle Tendenzen in der Gegenwartsgerm anistik: Sym posium ungarischer Nachwuchsgerm anisten. Berlin: Peter Lang, 55-68. Mate Töth Debrecen EREIGNIS-Metonymien im Licht kontrastiver Daten1 1 Problem stellung Die holistische kognitive Linguistik betrachtet die Metonymie als einen kogniti­ ven Prozess, während dessen eine konzeptuelle Entität, die sog. Quelle (der sog. Ursprung) zu einer anderen konzeptuellen Entität, zum sog. Ziel, einen mentalen Zugang gewährt, wobei die Quellenentität und die Zielentität Bestandteile des­ selben Idealisierten Kognitiven M odells (IKM) sind: „Metonymy is a cognitive process in which one conceptual entity, the vehicle [source], provides m ental access to another conceptual entity, the target, within the same idealized cognitive m odel“ [Hervorhebung von mir, M. T.] (Radden/Kövecses 1999: 21). U m diese Definition besser interpretieren zu können, lohnt es sich, uns näher anzusehen, was unter mentalem Zugang bzw. IKM verstanden wird. Im Ansatz von Langacker (1993, 1999) dient der metonymische Ausdruck als Refer­ enzpunkt, d.h. als Anknüpfungspunkt an verschiedene mentale Inhalte: „The entity that is normally designated by a metonymic expression serves as a refe r­ ence point affording mental access to the desired target (that is, the entity actually being referred to)“ [Hervorhebung von mir, M.T.] (Langacker 1993: 30). An­ ders gesagt, funktioniert der metonymische Ausdruck als Zugang zu bestimmten Wissensstrukturen, innerhalb deren er indirekten mentalen Zugang zur Zielentität gewährt. Die Wissensstruktur, zu der sowohl die explizit ausgedrückte, als Referenz­ punkt funktionierende Ursprungsentität, als auch die zu erreichende, implizit bleibende Zielentität gehören, wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich konzipiert und mit verschiedenen Termini bezeichnet, wie zum Beispiel „Domä­ ne“, „Dominium“, „Skript“, „Rahmen“, „Bildschema“, „mentaler Raum“ oder „IKM “. In dieser Arbeit verwende ich den Terminus „IKM“, der ursprünglich von Lakoff (1987) geprägt wurde und von dem Kövecses und Radden (Kövecses/Radden 1998, Radden/Kövecses 1999) auf die Metonymie bezogen Ge­ brauch machen. Vereinfacht ausgedrückt, sind unsere IKMs geordnete W is­ sensstrukturen über die Welt: „The main thesis o f this book is that w e organize o u r know ledge by m eans of stru ctu res called idealized cognitive models, or 1 Der vorliegende Beitrag entstand mit Unterstützung der MTA-DE Research Group for Theoretical Linguistics und des Projekts TÄM0P-4.2.2/B-10/1-2010-0024. Máté Tóth ICMs, and that category structures and prototype effects are by-products o f that organization“ [Hervorhebung von mir, M.T.] (Lakoff 1987: 68). lm Einklang mit dem bisher Gesagten eröffnet im folgenden metonyinischen Ausdruck: (1) DerRaum 126 ist immer gutgelaunt. [diejenigen, die dórt arbeiten/wohnen] die Noininalplirase Raum 126 ein IKM. Sie aktiviert ein Element dieses IKMs, nainlich den R aum , das als Referenzpunkt für ein anderes Element des IKMs dient, das Zie lentitat, namlich diejenigen P e rs o n e n , die d ó rt a rb e ite n /w o h n e n (Abbildung 1). M.a.W. gewahrt dér durch den metonymischen Ausdruck bezeichnete B egriff einen indirekten mentalen Zugang zu einem anderen Begriff innerhalb desselben IKMs, wobei Ursprung (Raum ) und Ziel (B e w o h n e r/A rb e ite r) durch eine pragmatisch-funktionale Beziehung miteinander verbunden sind (Barcelona 2002, 20 l l ) 2. DerRaum 126 Abb. 1: M etonymie als Referenzpunkt: D erR aum 126 ist immer gutgelaunt. Die prototypischen und am meisten untersuchten Instanzen dér Metonymie stellen die dem Beispiel (1) ahnlichen durch Nominalplirasen ausgedrückten nicht konventionalisierten referenziellen M etonymien dar. Zahlreiche Autoren liaben aber dafür pladiert, dass sich das Phanom en dér konzeptuellen M etonymie nicht auf die referenziellen Falle beschranken lasst, sondem sie eher eine motivierende bzw. inferentielle Funktion liat und ilire W irkung auf allén Ebenen und Gebieten sowohl dér konzeptuellen Strukturierung als auch dér sprachlichen Besclireibung 2 Für eine detaillierte Darstellung dér Kontiguitatsbeziehimg zwischen dem metonymischen Ursprung und Ziel s. Perisman/Geeraerts (2006). EREIGNIS-Metonymien im Licht kontrastiver Daten ausübt (z.B. Thomburg/Panther 1997, Panther/Thomburg 1999, Barcelona 2002a, 2002b, 2011a, 2011b, Kövecses/Radden 1998, Radden/Kövecses 1999, Ruiz de M endoza 2000). Dementsprechend wird von einigen Autoren zwischen referenziellen und propositionellen M etonymien (W arren 1999, 2002, 2006), zwischen illokutionaren und propositionellen M etonymien (mit referenziellen und pradikativen Subtypen; Thomburg/Panther 1997, Panther/Thomburg 1999) bzw. zwischen referenziellen M etonymien und EREIGNIS-Metonymien (Radden 2012) unterschieden. Andemorts habé ich auch selbst dafür argumentiert, dass sich M etonymien danach klassifizieren lassen, was fíir ein kognitiver Inhalt mithilfe des metonymischen Referenzpunktes mentái zuganglich gemacht wird (Tóth in Vorbereitung). Dieser Klassifikation zufolge können D ing -, E reignis -, E igenschaft -, PROPOSITIONS-Metonymien sowie illokutionare M etonymien unterschieden werden. Dieser Klassifizierung entsprechend verstehe ich unter „E reignis M etonymie“ eine Metonymie, deren Zielbegriff oder -entitát ein E reignis ist. H ier wird dér Terminus ,Ereignis’ dér Einfachheit halber sehr grob, d.h. prátheoretisch und praexplikativ verwendet; z.B. er bezieht sich auch auf Handlungen, Tatigkeiten oder Zustandsveranderungen. Zuganglich wird ein E reignis durch seine Teilnehmer, d.h. D inge , seine Umstande oder seine E igenschaften oder durch seine T eilereignisse , Voraussetzungen oder Folgen. Allerdings können - w orauf auch Radden (2012) hingewiesen hat - bezüglich dér EREIGNIS-Metonymien zahlreiche Probleme auftauchen. In den nachfolgenden Abschnitten gehe ich dér Frage nach, von welchem Element eines kom ­ plexen Ereignisses von verschiedenen Sprachen als Quelle/Ursprung Gebrauch gemacht wird. Anders formuliert: Welche Elemente eines E reignis-IK M s kön­ nen wahrend dér Konzeptualisierung und Verbalisierung dieses Ereignisses als metonymischer Referenzpunkt dienen? Einschlagige Untersuchungen dieser Frage deuten darauf hin, dass Sprachen diese Vielfalt dér konzeptuell möglichen Referenzpunkte oft nicht nutzen, obwohl bestimmte Elemente eines Ereignisses aufgrund ihrer konzeptuellen Eigenheiten dazu geeignet sein können, das Ereignis mentái zuganglich zu machen. Sprachen dieser Art wahlen eher nur bestimmte Elemente zu diesem Zweck aus, wahrend sie andere aufkr Acht lassen. Die Beantwortung dieser Frage kann aber auch zűr Lösung eines von Radden aufgeworfenen Problems beitragen, namlich zűr Lösung des Problems, ob ein Ausdruck als metonymisch betrachtet werden kann, dér zw ar ein metonymisches Verhaltnis zwischen einem E re ig n is und einem seiner T e ile re ig n is s e nutzt, dér aber in einer Sprache keine Altemative hat, weil das E re ig n is in dieser Sprache nur mithilfe eines metonymischen Verhaltnisses sprachlich zum Ausdruck gebracht werden. Diese schwerwiegende Frage kann vereinfacht so gestellt werden, dass es unentschieden ist, ob Máté Tóth EREIGNIS-Metonymien konzeptuell oder sprachlich bedingte Phanomene sind. M ein Beitrag geht diesen Fragen anliand des Beispiels des IKMs M usikinstrumente spielen nach. 2 Das IK M M u s ik in st r u m e n t e s p ie l e n : eine 2.1 Das IK M M u s ik in st r u m e n t e sp ie l e n kontrastive Analyse Das IKM M usikinstrumente spielen besteht aus folgenden Elementen: dér Spielende; das Musikinstrument; die Tatigkeit, die dér Spielende am Instrument ausübt; und das Produkt dieser Tatigkeit, alsó Musik. Neben diesen zentralen Elementen hat es - wie jedes E reignis - eine zeitliche Ausdehnung, Raumlichkeit, eine Art und Weise usw.; darüber liinaus kann es auch über ein Publikum und weitere weniger zentrale Elemente verfügen (Abbildung 2). Die Sprecher einer Sprache w ahlen aus diesen Elem enten aus und legen einen unterschiedlichen Akzent auf sie wahrend dér Konzeptualisierung und Verbalisierung des IKMs. Abb. 2: Das IKM M u s ik in s tru m e n te sp ie le n Unser Augemnerk wird liier auf die Handlung gerichtet, die dér Spielende ausfülirt. Diese Handlung ist aufkrst komplex: D ér Spielende macht selír komplizierte Bewegungen mit vorbestimmter Geschwindigkeit und Intensitat. Es ist leicht einzusehen dass es liier um ein E re ig n is geht, das in seiner Gesamtheit und Komplexitat weder mentái reprasentiert noch verbal begriífen werden kann; deswegen ist es nicht erstaunlich, dass fást jede Sprache metonymische und/oder EREIGNIS-Metonymien im Licht kontrastiver Daten metaphorische Strategien verfolgt, um darüber sprechen und denken zu können. Ich untersuche alsó die Frage, welche Aspekte des Ereignisses von verschiedenen Sprachen wahrend seiner Konzeptualisierung hervorgehoben werden. Meine Analysen habé ich in zwei Schritten durchgeführt. Zuerst nahm ich die mir vertrauten Sprachen unter die Lupe, dann habé ich eine gröfkrc Gruppé von Sprachen mithilfe dér Befragung von M uttersprachlem untersucht. 2.2 Englische, deutsche und ungarische Daten Die englischen und deutschen Konzeptualisierungen des Instrument-Spielens weisen keine bedeutenden Unterschiede auf. Wie die Bespiele zeigen, stimmen sie, abgesehen vöm Artikelgebrauch, überein: (2) (3) He ca n p /a jth e piano. Er kann Klavier spielen. Formai und semantisch gesehen, stellen sowohl dér englische als auch dér deut­ sche Ausdruck ein Beispiel für marginale transitive Konstruktionen dar. Sie verfügen über zahlreiche dér von Taylor (1995: 2 0 6ff) aufgezahlten Eigenschaften prototypischer transitiver Konstruktionen nicht, z.B. fungiert die zweite Nominalphrase eher als Instrument denn als Objekt3. Beide Sprachen verwenden das Verb playlspielen im Fali fást aller Instrumente und auch im Fali des Sammelbegriffs Instrument, um die vöm Spielenden ausgeübten Tatigkeit zu verbalisieren. Die beiden Sprachen betrachten alsó diese Tatigkeit in ihrer Gesamtheit und drangen seine Einzelheiten in den Hintergrund. K ein Aspekt des E r e ig n is s e s wird metonymisch hervorgehoben; insbesondere machen diese Sprachen keinen Unterschied zwischen den grundsatzlich unterschiedlichen Handlungen, die dér Spieler im Fali z.B. dér Gitarre, dér Flöte oder dér Trommel ausführt. Anstatt z.B. die Art und Weise dér Tonbildung hervorzuheben und dadurch einen Unterschied zwischen den verschiedenen Instrumenten zu machen, begreifen sie eher die gemeinsamen Elemente des InstrumentSpielens. Diese Strategie ist eher metaphorisch als metonymisch. In diesen Sprachen wird die vöm Spielenden ausgeführte komplexe Hand­ lung mithilfe des IKMs oder dér konzeptuellen Domane S p ie le n verstanden; dadurch werden die Übereinstimmungen zwischen den beiden Domanen hervor­ gehoben. Das Instrument-Spielen geschieht nach Regein, genauso wie andere Spiele. Diese Regein können recht kompliziert sein. Ein Spiel kann nur von denjenigen gespielt werden, die diese Regein kennen. Genauso kann mán nur 3 Wegen des beschrankten Umfangs des vorliegenden Beitrags kann ich leider diese Eigenschaften hier nicht im Einzelnen anführen und detailliert darstellen. Máté Tóth dann M usik spielen, wenn m án mit den Regein und dér Art und Weise dieser Handlung vertraut ist. Darüber hinaus kann M usik-Spielen genauso unterhaltsam sein wie ein Spiel. Das IKM I n s tr u m e n te sp ie le n verfügt alsó über zahlreiche Eigenschaften dér Domane SPIELEN, aber nicht über allé; es gibt z.B. keinen Sieger und keine Preise. In dieser Hinsicht kann die Verwendung dér Verben pla y bzw. spielen wahrend dér Konzeptualisierung des In s tru m e n t-S p ie le n s als die metaphorische Erweiterung dér Kategorie S piel aufgrund dér von Wittgenstein (1953) wohl bekannten Familienahnlichkeiten betrachtet werden. lm Gegensatz dazu weist das Ungarische auífallige Unterschiede auf. lm Ungarischen werden im Fali aller Instrumente Denominative verwendet, die aus dem Instrument eine Handlung bilden: (4) Ungarisch Tudsz gitározni!zongorázni!fuvoláim!dobolni? können-2SG-Pras-Ind Gitarre/Klavier/Flute/Trommel-verbal Suff.-Inf. Kannst du Gitarre/Klavier/Flute/Trommel spielen? Das Suffix verrat aber nichts über die komplexe Handlung des Spielens . Diese Strategie ist eindeutig metonymisch motiviert: Das Ungarische versteht die kom­ plexe, schwer zu begreifende Handlung des Instrum ent -S pielens durch die metonymische Hervorhebung des Instrum ents ; infolgedessen kann es einen Unterschied zwischen den Handlungen im Fali aller Instrumente machen, verrat aber über diese Handlungen weiter nichts. Zusammenfassend kann alsó festgestellt werden, dass das Deutsche und das Englische einerseits und das Ungarische andererseits das I nstrum ente -Spielen unterschiedlich konzeptualisieren. Sie habén aber gemeinsam, dass das Instrum ent als zentrales Element erscheint bzw. dass sie die tatsachliche Hand­ lung nicht im Einzelnen darstellen. D ér Unterschied steckt alsó darin, dass die ersten zwei Sprachen neben dem Instrum ent auch die Komplexitát, die RegelmaBigkeit und die Unterhaltsamkeit dér Handlung mithilfe einer metaphorischen Abbildung in den Vordergrund stellen, wahrend die dritte diese Aspekte aufter Acht lásst und das Instrument mithilfe einer metonymischen Abbildung in den Vordergrund stellt. D ér ersten Konzeptualisierungsstrategie liegt die konzeptuelle M etapher Instrumente spielen ist spielen zugrunde, wahrend dér zweiten die konzeptuelle M etonymie Instrument Für die H andlung zugrundeliegt, alsó eine DING-EREIGNIS-Metonymie. 2.3 Daten aus weiteren Sprachen W eil die bisher behandelten Sprachen nur wenige Elemente des IKMs - das Ungarische ein einziges zentrales Element, und das Deutsche und Englische ein EREIGNIS-Metonymien im Licht kontrastiver Daten zentrales Element und mehrere periphere Elemente - bei seiner Konzeptualisierung verwendet habén, w ar es erforderlich, weitere Sprachen in meine Untersuchungen mit einzubeziehen. U m meine Analyse erweitem zu können, benötigte ich D aten von M uttersprachlem, die ich mithilfe eines Fragebogens erhoben habé. Ich bat die Informanten darum, Beispiel (2) in ihre Muttersprache zu übersetzen und ihre Übersetzungen mit einer englischen W ort-für-W ort-Glossierung zu versehen, damit die verschiedenen Konzeptualisierungsstrategien erkennbar werden. Schlieftlich habé ich ihnen die Frage gestellt, ob sich ihre Übersetzungen verandem, wenn Gitarre durch folgende Instrumentbezeichnungen ersetzt wird: Instrum ent, Flöte, Klavier, Geige, Trommel, Horn und Vuvuzela. Bei dér Auswahl dieser Bezeichnungen habé ich darauf geachtet, dass die Liste Bezeichnungen für Blas-, Saiten- und Schlaginstrumente sowie prototypische als auch weniger prototypische Instrumente enthalt. Diese Frage diente dem Zweck zu eruieren, ob die jew eilige Sprache die Handlungen mit Instrumenten unterschiedlicher Art unterscheidet. Dank dér Befragung habé ich Daten aus 17 Sprachen erheben können: Tschechisch, F innisch Französisch, Niederlandisch, Polnisch, Portugiesisch (einschlieftlich brasilianisches Portugiesisch), Rumanisch, Japanisch Italienisch, Spanisch (einschlieM ch mexikanisches Spanisch), Thai, libanesisches Arabisch, Georgisch, Singalesisch Schw edisch Litauisch und Russisch. Die georgischen und die singalesischen D aten musste ich aber aufkr Betracht lassen, weil die Befragten keine englischsprachige wortwörtliche Transkription angegeben ha­ bén. Die Analyse dér übrigen 15 Sprachen kann folgenderweise zusammengefasst werden. Keine dér untersuchten Sprachen verfolgte eine dem Ungarischen ahnliche Strategie. Das Niederlandische, das Schwedische, das Russische und das Tschechische verfolgen dieselbe Strategie wie das Englische und das Deutsche, mit dem Unterschied, dass das Russische und das Tschechische den Ausdruck spielen an etw. gebrauchen, alsó nicht die erwahnte marginale transitive Konstruktion: (5) Russisch: B ti MoxeTe mpamb na rnrape? (höflich) Tli M05Kenn> mpamb na raTape? (informell) du/Sie kannst/kömen spielen an Gitarre4 4 Die angegebenen wortwörtlichen Übersetzungen im Fali dér fremdsprachlichen Beispiele stammen von den befragten Informanten; deshalb können sprachwissenschaftliche Ungenauigkeiten vorkommen, die aber meine Argumentation hoffentlich nur in geringerem MaBe stören. Máté Tóth (6) Tschechisch: Umís hrát na kytaru/flétnu/klavír/housle/roh/vuvuzelu? kannst (du) spielen an Gitarre Das Französische und das Polnische zeigen einen kleinen Unterschied im Vergleich zűr vorerwáhnten Strategie auf: (7) Französisch: Est-ce que tu sais jou er de la guitare? Fragewort du kannst spielen von bestimmter Artikel Gitarre (8) Polnisch: Czy potrafisz grac na gitarze? Fragewort (du) kannst spielen an Gitarre Diese Sprachen verwenden das Verb ,spielen‘ aus dem Bereich des Sports und nicht aus dem Bereich dér K inderspiele . Diese metaphorische Abbildung des Instrum ent -Spielens w eicht von dér englischen und deutschen Strategie insofem ab, als dass hier wáhrend dér Konzeptualisierung des Instrum ent Spielens ein Verb aus dem IKM dér Sportbetátigungen erscheint. Dieser Unterschied lásst sich aber auf die von Sprache zu Sprache unterschiedlichen metaphorischen Erweiterungen dér Kategorie Spiel zurückführen. Ein viel merkwürdigeres Bild zeigen diejenigen Sprachen, die das Element des T o n s in den Vordergrund stellen. Zu dieser Gruppé gehören das Finnische, das Italienische, das libanesische A rabischund das Rumanische: (9) (10) (11) (12) Finnisch: Soitatko jotain soitinta? (= ,klingeln‘) Italienisch: Sai suonare la chitarra? (= ,erschallen‘) libanesisches Arabisch: ,klopfen an‘ Rumanisch: Poti sa canti la chitara? (= ,singen‘) Allé vier Sprachen verwenden dasselbe Verb im Fali aller Instrumente, folglich sind diese auch nicht besonders spezifisch bezüglich dér tatsáchlich ausgeführten Handlung. Sie konzeptualisieren den komplexen Vorgang dadurch, dass sie den Tón, alsó das Produkt dér Handlung in den Vordergrund stellen, aber dieser T ó n ist nicht instrumentspezifisch, er ist sogar nicht unbedingt musikalisch. Das Fin­ nische gebraucht das Verb soitta, das ungefáhr ,klingeln‘, ,klingen‘ oder ,anrufen‘ bedeutet. Das Italienische bezeichnet die Handlung mit dem Verb suonare, wortwörtlich ungefáhr ,erschallen‘, ,anklingen‘. Das libanesische Arabisch benutzt genauso wie das Finnische ein Verb, das einen T ó n ausdrückt: die Libanesen ,klopfen‘ an allén Instrumenten. Am merkwürdigsten erscheint vielleicht die vöm Rumánischen verfolgte Strategie, das das Verb ,singen‘ gebraucht. Es EREIGNIS-Metonymien im Licht kontrastiver Daten macht eine komplexe, nur schwer zu begreifende Weise dér Tonbildung, genauer gesagt des M u sik -S p ielen s, mithilfe einer einfacheren, fúr jeden M enschen erreichbaren Tonbildungsweise, namlich mithilfe des SlNGENS verstandlich. Diese Strategien können als metaphorisch betrachtet werden, weil sie sich bestimmter Elemente bedienen, die im strengeren Sinne keine Bestandteile des IKMs I n s tr u m e n te sp ie le n darstellen. Diese Elemente sind nur áhnlich insofem, als dass das Produkt auch im Fali des Klingelns, des Erschallens, des Klopfens und des Singens ein Tón ist. Betrachten w ir aber die verschiedenen W eisen dér Tonbildung als Elemente desselben taxonomisch strukturierten IKMs, so ist es leicht einzusehen, dass die metonymische Interpretation auch stichhaltig ist, da diese Sprachen eine komplizierte Tonbildungsweise mithilfe einer einfache­ ren, einfacher zugánglichen (z.B. kiingein, klopfen, erschallen) oder mithilfe einer jedem bekannten Tonbildungsweise (singen) zuganglich machen. Das Portugiesische und das Spanische machen von einer E re ig n is-E re ig n isM etonymie Gebrauch: (13) Portugiesisch: Sabes tocar guitarra? kannst (du) berühren Gitarre (14) Spanisch: Puedes tocar la guitarra? kannst (du) berühren die Gitarre Beide Sprachen wahlen ein greifbares, aber sehr wichtiges T eilereignis des komplexen E reignisses als Quelle aus: das Berühren des Instruments. Sie benutzen das Verb ,berühren‘ im Fali aller Instrumente, weil es unabhangig vöm Instrumententypus ein T eilereignis des Instrum ent -S pielens darstellt, dass dér Spielende das Instrument berührt. Die litauische Konzeptualisierungsstrategie ist eine merkwürdige Mischung dér spanischen und dér englischen Strategie, weil sie den Aspekt des Berührens mit den Fingem und die Elemente des Spielen -IKM s gleichzeitig verwendet. (15) Litauisch: Ar moki groti gitara5? Fragewort kannst (mit den Fingem) spielen mit dér Gitarre 5 M ein Informant machte mich darauf aufmerksam, dass das Substantiv gitara im Litauischen dieselbe Form in den Kasus Nominativ und Instrumental hat. Máté Tóth Das Verb groti bedeutet ,spielen‘, genauer ,spielen mit den Fingem ‘ oder ,heram fm gem ‘. Das Litauische verwendet alsó gleichzeitig die SPIELEN-Metapher und die BERÜHREN-Metonymie. Das Japanische und das Thai schlieM ch drücken die Handlung des In s tru m e n t-S p ie le n s am spezifischsten aus. Diese Sprachen differenzieren zwischen den Handlungen, die an verschiedenen Instrumententypen ausgeführt werden. Das Japanische differenziert sogar im Fali des Sammelbegriffs Instrument, hier wird das Verb ,tun/machen‘ benutzt. Im Fali dér Saiteninstrumente (Gitarre, Klavier, Geige) wird das Verb , Saiteninstrumente spielen‘, im Fali dér Blasinstrumente das Verb ,blasen‘, und im Fali dér Trommel das Verb ,schlagen‘ benutzt: (16) Japanisch: Gakki ga dekiru (ka)? Instrument Topikpartikel kannst tun/machen (optionelles Fragewort) Kannst du ein Instrument spielen? (17) Japanisch: Gitaa wo hikeru (ka)? Gitarre Objektpartikel kann Saiteninstrument spielen (optionelles Fragewort) Kannst du Gitarre spielen? (18) Japanisch: Fue wo fukeru? Flute Objektpartikel kannst blasen Kannst du Flute spielen? (19) Japanisch: Taiko wo taíakeru? Trommel Objektpartikel kannst schlagen Kannst du Trommel spielen? Das Thai - áhnlich wie das Japanische - gebraucht verschiedene Verben im Fali verschiedener Instrumente: (20) Thai: Gitarre und Klavier: miiu'ln u Geige: 9 (= ‘geigen’) Blasinstrumente: iíh ( = ‘blasen’) Trommel: S ( = ‘schlagen’) In diesen zwei Sprachen wird alsó die grundlegende Art und Weise des Spielens hervorgehoben und metonymisch fúr die komplexe Handlung gebraucht. EREIGNIS-Metonymien im Licht kontrastiver Daten Die Ergebnisse dér kontrastiven Analyse dér untersuchten 18 Sprachen wer­ den tabellarisch in Tabelle 1 dargestellt. Die Tabelle ordnet die untersuchten Sprachen in Gruppén je nach dér Konzeptualisierungsstrategie und dér metonymischen und/oder metaphorischen Quelle, mit Hilfe deren sie das Ziel M usikinstrumente spielen begreifen und verbalisieren. Ziel Quelle In stru m en t Strategie Metonymie In st r u m e n t (Das für Sprache Ungarisch das E r e ig n is ) S p ie l e n Metapher S p ie l e n /S p o r t T ón Metapher Metonymie/Metapher (?) B erühren Metonymie (T e il e r e ig n is S p ie l e n /B e r ü h r e n Metapher/Metonymie Litauisch Metonymie Japanisch, Thai zw w PH 5/3 w H H 5/3 Z s 5/3 ü fü r das Englisch, Deutsch, Niederlandisch, Russisch, Tschechisch, Schwedisch Französisch, Polnisch Finnisch, Rumanisch, Italienisch, Libanesisch-Arabisch Spanisch, Portugiesisch E r e ig n is ) MIT DEN FlNGERN A rt und W e is e (A r t /T e il e r e ig n is fü r das E r e ig n is ) Tab. 1: Konzeptualisierungsstrategien des IKMs I n s tr u m e n te sp ie le n 3 Kon kiu sión Zusammenfassend kann alsó festgestellt werden, dass verschiedene Sprachen über das In s tru m e n t-S p ie le n unterschiedlich denken und sprechen. Die unter­ suchten Sprachen habén aber gemeinsam, dass keine von ihnen diese komplexe Handlung in ihrer Gesamtheit und Komplexitat erfassen kann; deshalb verfolgen sie ausnahmslos metonymische und/oder metaphorische Konzeptualisierungs­ strategien. Obwohl diese Strategien von Sprache zu Sprache unterschiedlich sind, sind sie konzeptuell wohl motiviert - im Sinne des Motivationsbegriffs bei Panther und Radden (Radden/Panther 2004, Panther/Radden 2011). Die Frage, warum die einzelnen Sprachen jew eils eine bestimmte Strategie bevorzugen, bleibt aber offen. Dabei ist nicht vorhersagbar, welche Strategie eine Sprache Máté Tóth verfolgt. Meine Untersuchung zielten vielm ehr darauf ab zu zeigen, dass diese Strategien nicht völlig zufallig oder arbitrar sind, sondem dass sie im Einklang mit den generellen Mechanismen dér menschlichen Begriífsbildung stehen. Folglich muss alsó eingeráumt werden, dass die Metonymie in gewissem MaB sprach- und kulturabhángig ist. Im Licht meiner Ergebnisse widerspricht aber diese Folgerung nicht dér Annahme, dass die konzeptuelle Metonymie eine universale Erscheinung ist, die eng mit dér körperlichen Verankerung dér Erfahrung und des Denkens verbunden ist. Die Ergebnisse meiner Untersuchung dér verschiedenen Strategien, von denen wahrend dér Konzeptualisierung komplexer Ereignisse Gebrauch gemacht wird, sprechen eher dafür, dass die Metonymie ein Phanomen von konzeptueller Natúr ist, das aber sprach- und kulturabhángig weitgehend unterschiedlich verwendet werden und ausgeprágt sein kann. 4 Literatur Antonio (2002a): Clarifying and applying the notions of metaphor and metonymy within cognitive linguistics: An update. In: D ir v e n / P ö r in g s (ed.), 209-277. B a r c e l o n a , Antonio (2002b): On the ubiquity and multiple-level operation of metonymy. In: Lewandowska-Tomaszczyk, Barbara / Turewicz, Kamila (ed.): Cognitive Linguistics Today. Frankfurt am Main: Peter Láng, 207-224. B a r c e l o n a , Antonio (2011a): Reviewing the properties and prototype structure of metonymy. In: Benczes, Réka / Ruiz de Mendoza Ibánez, Francisco Jósé / Barcelona, Antonio (ed.): Defining Metonymy in Cognitive Linguistics. Towards a Consensus View. 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