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“mann, Spickt Doch Einfach! Oder Wie Man Einem Kochpott Und Seinem Namen Auf Die Schliche Kommt”, Eine Hundertblättrige Tulpe — Bir şadbarg Lāla, Festgabe Für Claus Schönig, Ingeborg Hauenschild, Matthias Kappler, Barbara Kellner-heinkele (hg.), Berlin, 2016: 1-19.

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STUDIEN ZUR SPRACHE, GESCHICHTE UND KULTUR DER TÜRKVÖLKER Band 22 Ingeborg Hauenschild / Matthias Kappler / Barbara Kellner-Heinkele (Hg.) Eine hundertblättrige Tulpe — Bir Èadbarg lÁla Festgabe für Claus Schönig Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the internet at http://dnb.dnb.de Portrait Claus Schönig: Simone-Christiane Raschmann www.klaus-schwarz-verlag.com All rights reserved. No part of this book may be reprinted or reproduced or utilised in any form or by any electronic, mechanical, or other means, now known or hereafter invented, including photocopying and recording, or in any information storage or retrieval system, without permission in writing from the publishers. © 2016 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Erstausgabe Layout & Satz: Dr. Ingeborg Hauenschild Printed in Hungary ISBN 978-3-87997-453-5 Inhalt Zum Geleit ................................................................................................................ IX UWE BLÄSING Mann, spickt doch einfach! oder Wie man einem Kochpott und seinem Namen auf die Schliche kommt .......................................................... 1 OLIVER CORFF Some Notes on the Relationship between Turki Orthography and Manju Rendering of the Pentaglot .......................................................................... 20 SEBASTIAN CWIKLINSKI Eine krimtatarische Tradition (v)erdichten: İsmail Otars Epos „Çibörek“ .......... 30 CHRISTIANE CZYGAN The Young Ottomans and their Journal Ḥürriyyet (1868–1870) revisited ........... 48 CATHARINA DUFFT Erster Weltkrieg: Erinnerung und Spuren religiös geprägten Erbes in autofiktionaler türkischer Literatur nach 2000 .................................................... 61 MARCEL ERDAL N’aber lan? ............................................................................................................... 74 JOST GIPPERT Zur Überlieferungsgeschichte der Kartvelsprachen 2. Frühe Zeugnisse des georgischen Wortakzents ................................................. 87 ERIKA G LASSEN Iran und Turan: Vom literarischen Mythos der kulturellen Symbiose zweier islamisierter Völker zur ‚osmanischen‘ Ideologie der multireligiösen und -kulturellen Toleranz ................................................................................................ 105 INGEBORG HAUENSCHILD Die Pflanzenwelt in Sprichwörtern des Dīwān luġāt at-turk ................................ 129 CHRISTOPH H ERZOG Zu Aytunç Altındal (1945–2013): Publizist, Okkultist, Verschwörungstheoretiker ................................................................................................................... 143 MICHAEL REINHARD HESS Mirzә Şәfi Vazeh und Friedrich von Bodenstedt Ein aserbaidschanisch-deutsches Verwirrspiel ...................................................... 157 VI Inhalt JUHA JANHUNEN Towards Pre-Proto-Turkic: Issues of Definition and Terminology ...................... 189 LARS JOHANSON Turkic in Three Language Empires ........................................................................ 197 MATTHIAS KAPPLER Wenn das Wörtlein und nicht wär’ Die unglückliche Geschichte eines Bindeworts in historischen Sprachbeschreibungen des Osmanisch-Türkischen ............................................... 204 YUKIYO KASAI Zur Verbreitung und Verwendung altuigurischer buddhistischer Texte .............. 224 KEREM KAYI Ali, Fritz und Tommy über den Wolken des Irak Quellen und Anmerkungen zum Verlauf der Luftkämpfe an einem „Nebenschauplatz“ des Ersten Weltkriegs ............................................................. 232 BARBARA KELLNER-HEINKELE Mit dem Krimchan auf Streife im Tscherkessenland (frühes 18. Jahrhundert) ........................................................................................... 249 JAKLIN KORNFILT NEED-ing HAVE for HAVE-ing NEED, but BE-ing (almost) NEED-less ........ 269 MANFRED KROPP Des Königs Claudius kurze energische Kampagne Eine kritische Betrachtung zur Unbrauchbarkeit – wenn auch unbewusster – (preußisch-)militärischer Denkweise in der historischen Quellenkritik ............... 283 JENS PETER LAUT Durch dick und dünn. Unter besonderer Berücksichtigung von ‚dick‘ ................ 299 MARIA MACUCH Türken in der zoroastrischen Literatur ................................................................... 308 IRINA NEVSKAYA The Lord of Lords and King of Kings – a Superlative Construction in Turkic Languages ................................................................................................ 332 HANS NUGTEREN & MARTI ROOS On Turkic os-, osna-, osmak and osuglug .............................................................. 344 AYYANA OZONOVA Rezente Entwicklungen im System analytischer Satzjunktoren im Altaitürkischen...................................................................................................... 355 Inhalt VII ELISABETTA RAGAGNIN Some Notes on Turkic and Mongolic Elements in North-Eastern Neo-Aramaic Varieties ............................................................................................ 361 SIMONE-CHRISTIANE RASCHMANN Der Weingarten des Šabi Tutuŋ .............................................................................. 372 KLAUS RÖHRBORN Turkologie, Iranistik und das „Uigurische Wörterbuch“ ....................................... 389 BÖRTE SAGASTER Die Literatur der türkischen Zyprioten Kurze Einführung und Versuch einer aktuellen Standortbestimmung ................. 397 GÜLSCHEN SAHATOVA Polygamie und Koine im Destan Sayatlī Hemra ................................................... 409 RÉKA STÜBER Fließende Übergänge im Kaiserreich der Qing: Das Turki-Vokabular für Getränke am Beispiel des „Fünfsprachenspiegels“ .......................................... 428 HARTMUT W ALRAVENS Skizze der deutschsprachigen Mandschuristik vom 17. bis zum 20. Jahrhundert .............................................................................. 442 JENNY WHITE The Conundrum of Muslim Secularism ................................................................. 458 ÖZLEM YİGİTOĞLU Taŋnu ........................................................................................................................ 473 PETER ZIEME Philologische Bemerkungen zum altuigurischen eltiš- ,sich vertragen‘ ............... 487 Schriftenverzeichnis Claus Schönig ....................................................................... 498 Zum Geleit Im Bābur-nāme, dem Claus Schönig so viel von seinem wissenschaftlichen Enthusiasmus gewidmet hat, erwähnt der Autor Ẓahīr ad-Dīn Muḥammad Bābur (1483– 1530) f. 136a eine wilde Tulpe, die vereinzelt an einem Berghang zu Seiten des Baran-Tales wuchs; wegen ihres besonderen Aussehens war sie für ihn ṣadbarg lāla, die ‚hundertblättrige Tulpe‘. Diese Tulpe gibt es tatsächlich, und zwar unter dem botanischen Namen Tulipa orthopoda. Sie ist insofern ungewöhnlich, als ihr kurzer Stängel mehrere weiße, am Grund gelbliche Blüten trägt, die den Eindruck eines Tulpenstraußes erwecken. Nimmt man die ‚Hundertblättrige Tulpe‘ als Symbol, so kann sie für die vielfältige Persönlichkeit von Claus Schönig und sein komplexes Werk stehen, zudem aber darauf anspielen, dass der vorliegende Band einem Bukett der verschiedensten wissenschaftlichen Interessen gleicht. Anlässlich seines 60. Geburtstags, den er im Oktober 2015 begeht, haben sich die Herausgeber/innen und der Verleger entschlossen, dem gemeinsamen Freund und Kollegen Claus Schönig eine Festgabe zu widmen. In Anbetracht seiner bekannten unkonventionellen Art und seiner kritischen Einstellung gegenüber manchen speziell im akademischen Bereich „überkommenen“ Gepflogenheiten mag eine solche Würdigung bei dem einen oder anderen – und womöglich gar bei dem Jubilar selbst – Verwunderung und Stirnrunzeln auslösen. Um dem vorzubeugen, haben wir von einer ‚Laudatio‘ abgesehen; die beeindruckende Anzahl der mit Beiträgen an unserem Vorhaben beteiligten Autorinnen und Autoren macht die große Breite der wissenschaftlichen Interessen von Claus Schönig ohnehin deutlich. Der Weg, der Claus Schönig vom Gymnasiasten mit einer Passion für Naturwissenschaften, Archäologie, Geschichte und Sprachen zu einem für die gesamte türksprachige Welt zuständigen Turkologen und zum Meister des Bābur-nāme geführt hat, muss kismet, Bestimmung gewesen sein. Er begann an der Universität Mainz, wo sich die ganze Weite der Wissenschaften auftat und sich aneignen ließ. Ein Studium in den 1970er und 1980er Jahren sah völlig selbstverständlich eine Bereitschaft zum Lesen und Lernen in der ganzen Breite der studierten Fächer vor. Claus Schönig hatte Turkologie, Islamwissenschaften, Islamische Philologie (Arabisch, Persisch, Türkisch) und Islamkunde gewählt und nahm sich trotzdem Zeit, um vielen anderen Wissensgebieten nachzugehen – eine Wissbegier, die sich durch sein ganzes Leben zieht. Das Studium wollte außerdem noch verdient sein; doch Claus Schönig hat sich nie gescheut, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken, damals auch als Tankwart. Seine Menschenkenntnis und seine Fähigkeit, mit Menschen verschiedenster Weltsichten auszukommen, hat er aber nicht erst während des Studiums zu entwickeln begonnen. Es war wohl Johannes Benzing (1963–1981 Professor am Seminar für Orientkunde der Universität Mainz), der als Mentor und Doktorvater der Promotionsarbeit X Zum Geleit Hilfsverben im Tatarischen (1983) den tiefsten akademischen Einfluss auf Claus Schönigs wissenschaftliche Entwicklung ausübte. Mit dieser Dissertation nahm der Doktorand zweifellos einen individuellen Weg, zumal in einer Zeit, als die Sowjetunion westlichen Wissenschaftlern noch verschlossen war und daher Forschungen zum Osmanischen Reich im Vordergrund standen. Im folgenden Jahrzehnt lernte Claus Schönig als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mainzer Seminar für Orientkunde die ganze Breite der Universitätswirklichkeit kennen: Forschung, Lehre, Verwaltung, Bibliothekspflege, Veranstaltungen und wissenschaftliche Kontakte, wobei sich bald herausstellte, dass er in der Lehre eine besonders glückliche Hand besaß – ein roter Faden, der sich durch seine gesamte Karriere zieht. Während dieser Jahre erschienen die ersten Werke, bei denen er Herausgeber oder Mitherausgeber war, und zahlreiche Aufsätze, vor allem zu den sibirischen Türksprachen. 1993 ging Claus Schönig als Referent (ab 1994 auch Stellvertretender Direktor) an das Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (Istanbul), wo er mit einer Vielzahl neuer Forschungs-, Leitungs- und Kooperationsaufgaben vertraut wurde. Zudem musste er die offiziellen und nicht-offiziellen Problemstellungen, die das Orient-Institut in den 1990er und 2000er Jahren mit sich brachte, meistern. Seine tiefe Kenntnis von Land und Leuten hat hier ihren Ursprung. Die Lehrtätigkeit an der Boğaziçi Üniversitesi und der Marmara Üniversitesi sowie Vortragsserien an weiteren türkischen Universitäten trugen ihm dauerhafte wissenschaftliche Kontakte ein und ganze Generationen von getreuen Studentinnen und Studenten. Einige dieser Ehemaligen schätzen seinen Rat als Betreuer von Doktorarbeiten und Projekten bis auf den heutigen Tag und lassen es sich nicht nehmen, ihren hoca regelmäßig in Berlin aufzusuchen. Ein bedeutendes Produkt der ersten Arbeitsphase in Istanbul war die Habilitationsschrift Finite Prädikationen und Textstruktur im Baburname (1995). Sie bildete den Auftakt zu einer ganzen Reihe von Artikeln zum Bābur-nāme, die immer wieder auch nicht-sprachwissenschaftliche Aspekte dieses Werkes aufgreifen. Ende der 1990er Jahre publizierte Claus Schönig seine Darlegungen zu einer neuen Klassifikation der Türksprachen, die ein lebhaftes Echo hervorriefen. Professurvertretungen in Deutschland und von 2001–2007 eine zweite Arbeitsphase als Leitender Referent und Stellvertretender Direktor am Orient-Institut in Istanbul waren begleitet von einer ganzen Fülle innovativer Aufsätze, u. a. Abhandlungen zur Position des modernen Türkisch unter den Türksprachen und neue Überlegungen zum Oghusischen. Im Herbst 2007 wurde Claus Schönig Professor für Turkologie und Leiter des Instituts für Turkologie an der Freien Universität Berlin. Seit diesem Zeitpunkt gilt seine Forschungsarbeit hauptsächlich den türkisch-mongolischen Lehnbeziehungen, bezieht aber auch morphologische Einzelbetrachtungen quer durch die Epochen der Türksprachen ein. Wer Claus Schönig näher kennt, weiß, dass seine Interessen und sein immenses Wissen weit über die Fachrichtung, die er vertritt, hinausgehen und sich auf die Naturwissenschaften – bis hin zur Astrophysik – und andere Gebiete, u. a. Musik, Zum Geleit XI erstrecken. Überaus beeindruckend ist immer wieder sein beinahe unglaubliches Erinnerungsvermögen, wenn er beispielsweise aus dem Stehgreif anhebt und Balladen oder auch Liedtexte und Diskographien bestimmter Musiker, insbesondere natürlich seiner Favoriten, lückenlos memoriert und rezitiert. In gastlicher Runde erweist er sich als Erzähler, dessen Charme sich niemand entziehen kann. Wichtigtuerei und Aufgeblasenheit quittiert er mit einem ironischen Lächeln oder einem Kommentar, der sitzt. Seiner Heimat, dem rheinhessischen Mainz, und der dortigen Mentalität hat sich Claus Schönig zeitlebens eng verbunden gefühlt. Diese Herkunft prägt noch immer seinen Lebensstil, denn sein Interesse gilt ebenso den „schönen Dingen“ des Lebens, denen er sich – auch in einigen Publikationen – eingehend widmet. Lieber Claus, wir hoffen, Dir mit diesem Geburtstagsgeschenk eine Freude zu bereiten und zugleich Deinen Eintritt in das neue Lebensjahrzehnt ein wenig zu versüßen. Betrachte es bitte als Ausdruck unserer tiefen Verbundenheit und besonderen Wertschätzung. I. Hauenschild, M. Kappler, B. Kellner-Heinkele, G. Winkelhane Mann, spickt doch einfach! oder Wie man einem Kochpott und seinem Namen auf die Schliche kommt Uwe Bläsing (Leiden) Abstract: Heute verzichten wir mal auf diesen Quatsch und kommen gleich zum Eigentlichen. … Mein lieber Claus, schrieben wir nicht gerade noch das Jahr 1977? Keineswegs in fernen Galaxien, sondern im ‚goldische Meenz‘ am Rhein da waren zwei Studenten, der eine müde der ewig in Afrika herumstöbernden Ethnologie, der andere überdrüssig einer allzu klassischen Klassischen Philologie. Genau das brauchte es, um mal so richtig fremd zu gehen … auf dem langen, schummrigen Korridor im dritten Stock des Philosophicums, ganz am Ende, kurz vorm Lift, der einen stets wieder auf den Boden der Realität zurückbrachte, eben da oben, hinter den geschlossenen Türen, strahlte ex oriente lux. Neben Temüdschin, seiner Börte, wilden Horden von Mongolen und Tataren und einem enthaupteten Khan trafen wir hier auch die für unsere weitere Karriere so bestimmende Persönlichkeit, Johannes Benzing, der uns mit seiner einnehmenden Art nicht nur in die Geheime Geschichte der Mongolen, sondern auch in die Geheimnisse der Welt der Türken, Mongolen, Tungusen in all ihren Facetten einführte und stets neue Horizonte sich auftun ließ. Schnell schon strandeten wir am Gestade der behäbigen Wolga, in Kazan und Astrahan… die Geburtsstunde des Wolga-Duos. Nun nahm alles seinen Lauf… Und heute wirst Du sechzig. Das behaupten jedenfalls die Herausgeber dieses Bandes steif und fest. Wie auch immer, feiere Deinen Geburtstag einfach so, wie Du Dich – jung – fühlst. Ich wünsch’ Dir das Beste und, dass noch viele weitere unbeschwerte Geburtstage dazukommen. Als Festgabe anbei ein Pöttchen durchdrungen von āb-i ḥayāt, alias materia etymologica. Keywords: Mainz, Hechtsheimerstraße, der Keller, Frank Zappa, Sex Pistols, Wolga-Duo, Weingut Windisch und Oma Klein – vergangen, aber nicht vergessen Τοῦτα µὲν τὰ συντυχαίνης, ἔνι παλαιοῦ οὐρανοῦ ἀποκλάσµατα.1 Spicken oder abgucken, daran erinnere ich mich noch lebhaft. Obgleich streng verboten und mit nachhaltigen Strafen belegt, blieb uns manchmal doch keine andere 1 Wenn man die eine oder andere etymologische Erklärung ansieht, ist man bisweilen geneigt, dieser mittelgriechischen Redensart (Sprichwort) Glauben zu schenken: ‚Das, was du da sagst, ist alter Kappes (sind eines alten Himmels Bruchstücke)‘ (s. dazu KRUMBACHER 1969: Nr. 59 = S. 123, 188–189). Gestützt auf den ganz ähnlichen neugriechischen Ausdruck παλι̮οῦ οὐρανοῦ χαλάσµατα für wertlose alte Sachen interpretiert Krumbacher: „Was du mir erzählst, ist alter Schund (Kohl)“. Doch könnten παλαιοῦ οὐρανοῦ ἀποκλάσµατα nicht auch den Schnee von gestern bzw. kalten Kaffee meinen? Die sind ja auch irgendwie wertlos und alt ohnehin. 2 Uwe Bläsing Wahl als zu spicken, um so selbst verschuldete Wissensdefizite während einer ‚wichtigen‘ Klassenarbeit oder einer ‚alles entscheidenden‘ Klausur wettzumachen, insbesondere wenn es sich um ein Fach handelte, das einem zutiefst unlieb war und das man ‚später ohnehin nicht mehr nötig hat‘. Dieses Stereotyp kursiert bis auf den heutigen Tag in den Mündern unzähliger Schüler. Als gäbe es überflüssiges Wissen… Doch leider kommt einem diese Tatsache meist erst viel später – sozusagen wenn der Markt bereits verlaufen ist – zu Bewusstsein, was in unserem Denken sogleich einem anderen Klischee seinen Platz einräumt: ‚Ach hätte ich doch damals…‘. Wie auch immer, beinahe jeder hat sich während seines Schülerdaseins sicher einmal der Punkte 4. a. und 4. b. ‚Duden/spicken‘ schuldig gemacht, wo es heißt:2 (Schülersprache) „während einer Klassenarbeit, Klausur o. Ä. heimlich Notizen oder andere nicht zulässige Hilfsmittel benutzen“ bzw. „(von einem anderen Schüler) heimlich abschreiben“. Leider befleißigen sich einige Zeitgenossen auch im späteren Leben solcher Praktiken und verletzen damit jedwede ethische Grundregel, was keinesfalls mehr eine Schülerdummheit ist, sondern als Plagiat gilt und sogar rechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Wozu also der – überdies noch als Überschrift exponierte – Aufruf: Mann, spickt doch einfach? Sicher ist das nicht als Einladung gedacht, sich schamlos und auf unredliche Weise das Wissen anderer zunutze zu machen. Doch ist es gerade in den Wissenschaften empfehlenswert, die Scheuklappen und besonders auch die Scheu abzulegen und seine Nase so ab und an in die Kochtöpfe der ‚Nachbarn‘ oder sonst ‚Nahestehender‘ zu stecken. Um Euch mein Anliegen nahe zubringen, ziehe ich einer theoretischen Erörterung einmal mehr ein handfestes Beispiel vor. Oder um in der Küche zu bleiben … Was Euch erwartet, ist kein ausschließlich unter Verwendung modischer Zutaten zubereitetes, kunstvoll gestyltes Designerfood, nach dessen Verzehr man mit sowohl leerem Geldbeutel als auch noch knurrendem Magen vom Tisch aufsteht, sondern eine gut bürgerliche, mit Frohsinn aufgetischte und hoffentlich mundende Mahlzeit. Unser zentrales Küchengerät – sozusagen der Titelheld – ist ein schlichter Kochtopf, der sich im östlichen Schwarzmeergebiet, dem Ausgangspunkt unserer etymologischen Reise, im Gewand eines aus Kupfer gefertigten Kessels präsentiert. Meine erste Bekanntschaft mit diesem unverzichtbaren Kochutensil machte ich in den Bergen von Hemşin. Meine Schwiegermutter nannte es einfach c'ugal /d͡zugal/3 und pflegte insbesondere im Sommer auf der Alm alle möglichen köstlichen Speisen darin zu kochen. Einmal bekannt mit dem Ding, verfolgt es einen auf Schritt und Tritt. Ob nun in den Bergen bei den Hemşinli oder im Küstenstreifen bei den Lazen – an kaum einer Kochstelle fehlt dieser kupferne Tausendsassa. So ist es auch kein Wun2 3 . Hala Deresi–Camlıhemşin–Rize. Mann, spickt doch einfach! 3 der, dass er bereits in diverse Wörterbücher eingegangen ist. Das umfangreiche türkische Dialektwörterbuch, Derleme Sözlüğü, verzeichnet neben cugal (Oce–Pazar– Rize) noch cug (Kaptanpaşa–Çayeli–Rize) ‚kleiner Suppenkessel‘ (DS 1010a)4 und das Lazische bietet gleich das folgende stattliche Formenmenü: (Fırtına Deresi, Pazar) č̣uḳali ~ (Fındıklı-Arhavi) c̣u ḳali, (Pazar) č̣u ḳani sowie (Hopa, Fındıklı-Arhavi) č̣uḳi ~ (Hopa) č̣urḳi, (Pazar, Ardeşen) č̣urč̣i ‚kleiner kupferner Kessel zum Kochen‘ (BLS 133b, 134b, 996a; MARR 1910: 227b).5 Hierzu gesellen sich aus dem pontischen Armenisch die Belege čuk (Trapzun/ Trabzon) ‚Kochtopf (tencere)‘, (Hamšēn/Hemşin) ‚Kupferkessel mit Henkel, den man an einer Kette aufhängt (bakraç); Kupferkanne (güğüm)‘ (AČAṘYAN 1913: 731–732; MALXASEANC‘ 3: 224b) sowie cuk (Baberd/Bayburt) ‚Krug‘ (AČAṘYAN 1913: 527a; MALXASEANC‘ 2: 353c). Diese sind natürlich Robert Dankoff nicht entgangen. Wenn auch unter Vorbehalt ordnet er diesen die hemşin-türkischen Formen zu und gibt sie somit als mögliche Armenismen aus (DANKOFF 1995: E136).6 Aufgrund neuer Veröffentlichungen zur armenischen Dialektologie können wir zunächst einmal unseren Formeneintopf durch folgende Zutaten bereichern: (Hamšēn/Hemşin) ǰuk (ջուկ), ǰugal (ջուգալ) ‚Topf, Kessel‘ (MURADEAN 1901: 82; T‘OṘLAK‘YAN 1981: 128a, 151a;7 GURUNYAN 1991: 327b; VARDANJAN 2009: 314), čuk (ճուկ) ‚Kupferkessel, Pott aus Kupfer‘ sowie jugal (ձուգալ) ‚Karaffe, Krug‘ und cugal (ծուգալ) ‚irdener Topf mit enger Öffnung‘; (Xotorǰur/Sırakonak Köyü, İspir) čuk (ճուկ) ‚kleines Melkgefäß‘, čugal (ճուգալ) ‚kleiner Kupferpott mit einem Griff, der zum Schmelzen von Fett dient‘;8 (Tarēntē/Darende, Muš/Muş) čuk (ճուկ) ‚großer kupferner Kochkessel‘ (HLBB 2: 429a; 3: 341b, 422ab). Hier sind wir an einem Punkt angekommen, an dem sich Spicken, und zwar bei den ‚Nachbarn‘ – beispielsweise in Nikolaj Marrs Grammatika čanskago (lazskago) jazyka s xrestomatieju i slovarem – durchaus gelohnt hätte. Gewiss wäre Robert Dankoff dann klar geworden, dass der etymologische Hintergrund des Terminus wesentlich komplexer ist, und wir es eventuell mit einem direkt oder indirekt durch das Lazische vermittelten Element zu tun haben.9 Sucht man nun im Bereich der 4 5 6 7 8 9 Desweiteren gibt es diverse Internet sites, auf deren cat walk der cugal namentlich posiert. Ferner vgl. (Vice) č̣uḳ-iš-i ‚allgemeine Bezeichnung von Futter für Stallvieh, das in einem großen Kessel bereitet wird‘ (ibid.). Die Form č̣urḳi (> č̣urč̣i) ist aufgrund des ‚zusätzlichen‘ rLautes von sekundärer Natur, d. h. wir haben es hier ganz sicher mit einem nicht-etymologischen (evt. euphonischen) Element zu tun (s. dazu NEISSER 1953: 10–12). Gruppe E umschreibt Herr Dankoff wie folgt: “Words found in both languages, the direction of borrowing being uncertain. Some cases may be due to independent borrowing from a common source; others to parallel onomatopoeic development” (DANKOFF 1995: 170). An anderer Stelle (T‘OṘLAK‘YAN 1981: 145a) findet sich allerdings die Schreibung čuk (ճուկ). Diese Angabe geht ursprünglich zurück auf HULUNEAN & HAČEAN 1964: 484b. Der Gedanke, dass hier in irgendeiner Form lazische Vermittlung vorliegen kann, ist sicher nicht abwegig, denn seit alters her führen für die Bewohner von Hamšēn/Hemşin alle Wege – über die Talsysteme, in denen sie beheimatet sind – unweigerlich nach Lazistan. Bis heute decken sie ihre materiellen Bedürfnisse auf den Märkten der an der Küste gelegenen Städtchen 4 Uwe Bläsing südkaukasischen Sprachen weiter, trifft man früher oder später im Georgischen auf die gurische Dialektform c̣u ḳala ‚kleiner (gusseiserner) Kochtopf; kleiner Kupferkessel‘ (ƔLONṬI 1984: 712a; TSCHENKÉLI 2197b) und schließlich auf Megrelisch c̣uḳali ~ c̣uḳale, c̣u ḳae ‚kleiner Kessel aus Kupfer oder Gusseisen‘ (KADSHAIA & FÄHNRICH 2001: 573b). Auch das ist nicht alles Neuland, denn ein Teil des südkaukasischen Materials wurde erstmals von Heinz Fähnrich (FÄHNRICH 1975: 341) und später in etwas ausgebreiteter Form von Heinz Fähnrich und Surab Sardshweladse (FÄHNRICH & SARDSHWELADSE 1995: 529) zusammengestellt und als Ausgangspunkt für die Rekonstruktion eines kartwelischen Stammes *c̣1uḳ- herangezogen; -al- und -an- werden dabei als Wortbildungssuffixe interpretiert. Die beiden Herren gehen sogar noch weiter, indem sie es für nicht ausgeschlossen halten, dass dieses *c̣1uḳ- [1] mit einem weiteren – auf der Basis von Georgisch (mochewisch) c̣uḳana ‚sehr klein‘ und Megrelisch č̣u ḳi ‚Maus‘ rekonstruierten – *c̣1uḳ- [2] ursprünglich zusammengehört. Um dieser These den nötigen Nachdruck zu verleihen, beruft man sich auf die Bedeutung ‚kleiner Kupferkessel‘ von Georgisch c̣uḳala.10 Das klingt sehr phantasievoll und abenteuerlich, sachlich und sprachhistorisch nachvollziehbar ist es allerdings nicht, weswegen wir die Verbindung der beiden *c̣1uḳ- gleich an dieser Stelle zurückweisen können. Was jedoch die Rekonstruktion von *c̣1uḳ- [1] angeht, scheint diese ansonsten in Ordnung zu sein,11 so dass wir es hierbei bewenden lassen und davon ausgehen könnten, dass die hemşin-türkischen und hemşinarmenischen Formen beruhend auf lazischer Vermittlung letztendlich ebenfalls von diesem kartwelischen Etymon abhängen. Prima… oder? Doch irgendwie fühle ich mich bei dieser G’schicht nicht recht wohl, ich spür’ da nämlich so ein gewisses Ziehen im Bauch. Und ist es nicht sowieso höchste Eisenbahn, wieder mal zu spicken? Nein…? Doch! Irgendwo in der Südwestecke Anatoliens nämlich, im Raum von Antalya bis Muğla, da gibt es ganz ähnlich wie im Pontus hohe Berge mit einem schmalen Küstenstreifen davor, und die Bewohner dieser Gegend haben auch einen Kochpott, der allerdings nicht aus Kupfer, sondern aus Ton gemacht ist und Namen trägt wie çukali, çukala etc. Doch Lazen oder Georgier gibt es in diesen Breiten nicht und gab es auch nie… auch keine armenischen bzw. türkischen Hemşinli. Wie ist dieses ‚Lazistans‘ – wie etwa Çayeli, Pazar, Ardeşen, Arhavi, Hopa –, wo auch das Kupferhandwerk bis vor wenigen Jahren noch blühte. Leider ist dieses Gewerbe im Rückzug begriffen. Artikel aus ‚neumodischen‘ Materialien verdrängen zusehends die traditionellen Produkte. Selbst die großen, kostbaren Esstabletts (sini) aus Kupfer haben industriell gestanzter Massenware aus Aluminium Platz machen müssen. 10 Doch was ist dann mit Lazisch č̣uḳana ‚großer Kessel‘? 11 Gemeinkartwelisch *c̣1, *u, *ḳ > Georgisch c̣, u, ḳ, Lazisch/Mingrelisch č̣, u, ḳ, [Swanisch č̣, u, ḳ] (s. FÄHNRICH & SARDSHWELADSE 1995: 14). Mann, spickt doch einfach! 5 Phänomen also zu erklären? Zufall ist es wohl kaum. Genau, da hilft nur eines, erneut ‚abkupfern‘, auch wenn der Dibbe12 aus Ton ist (s. Foto13). Diesmal müssen die Türkologen herhalten, und zwar Andreas Tietze. In meinem Geburtsjahr – lang ist’s her – erschien sein berühmter und viel zitierter, beinahe schon legendärer Beitrag „Griechische Lehnwörter im anatolischen Türkisch“, wo wir die folgenden Einträge finden (TIETZE 1955: 242): 275. τζουκάλα ‚grosser irdener Kochtopf‘ : çukala (Çanakkale, Muğla), çokala (Teke) ‚dasselbe‘ DD 1652, AD 1.82. 276. τζουκάλι ‚Topf‘ : çokalı, çukalı (Antalya) ‚dasselbe‘ DD 1650, 1652; çokal, çokalca (Edirne) ‚kleiner Buttertopf‘ DD 1650. Mein Gott, nun auch noch Griechisch… das heißt schon wieder irgendwo spicken. Doch zuvor möchte ich die türkischen Formen ein wenig aktualisieren, denn Herrn Tietze lag zur Zeit der Abfassung seines Aufsatzes u. a. Derleme Sözlüğü noch nicht vor.14 Hier also mein etwas reichhaltigeres Topfsortiment: çukali (Antalya), çokalı (Fethiye köyleri–Muğla, Alanya–Antalya), çokal, çokalca 15 (Edirne), çukalli (Fethiye–Muğla) bzw. çukala (Muğla), çukale (Müsgebi–Bodrum– Muğla) und çokkala (Kıbrıs) sowie die Form çukak (Bodrum–Muğla) (DS 1259; 1302a); weiterhin finden sich cuggalli (Kıbrıs) (HAKERI 2003: 55a) und çukata (Muğla) ‚(breiter) Topf aus Ton, irdener Kochtopf‘ (ÇINAR 2004: 90b). Ausgehend von der Distribution dieser Realisationen – westliches Anatolien, Rumelien und Zypern – spricht natürlich alles für deren unmittelbare griechische Herkunft. Wirklich alt scheint der Topfname im Griechischen allerdings nicht zu sein (keine klassischen Belege). Seiner Struktur nach, besonders wegen der alveolaren Affrikata τζ-, würde es mich deshalb nicht wundern, wenn wir es auch hier mit einem Lehnwort zu tun hätten. Also spicken wir nun endlich… aber wo? Neugriechische Etymologie, da ist noch immer das Ἐτυµολογικὸ λεξικὸ τῆς κοινῆς νεοελληνικῆς von Nikolaos P. Andriotis ein zuverlässiger Ratgeber. Danach gehen Neugriechisch τσούκα, τσουκάλι über Mittelgriechisch τσούκκα, τσουκκάλιν (hier allerdings mit τσ-!; mehr zur Alternation τζ ~ τσ weiter unten) zurück auf Italienisch zucca ‚Kürbis‘ (+ Suff. -άλι; s. ANDRIOTIS 1971: 387a), das sekundär (scherzhaft) 12 Dibbe/Dippe, so heißt ein Topf in meiner südhessischen Heimat (SHW 1: 1847–1849), über deren Grenzen hinaus das Wort u. a. durch die Frankfurter Dippemess bekannt geworden ist (http://de.wikipedia.org/wiki/Dippemarkt). 13 . Das Foto präsentiert allem Anschein nach ein Produktionslager, auf dem die zugehörigen Deckel an anderer Stelle untergebracht sind; denn wie es bei uns in Darmstadt heißt: Jed Dibbsche hat sei Deggelsche! 14 Wie an den Kürzeln AD und DD zu sehen, hat er sein Material noch aus Anadilden Derlemeler und Derleme Dergisi rekrutiert. 15 Nach Symeonidis von dem Deminutivum τσουκαλίτσα (SYMEONIDIS 1982: 110). Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass wir es mit einer türkischen -CA-Ableitung zu tun haben, oder dass dieses Suffix zumindest auf assoziativer Ebene beim Zustandekommen der türkischen Realisation eine Rolle gespielt hat. 6 Uwe Bläsing auch noch die Bedeutung ‚Kopf, Schädel‘ aufweist (DGLI 1989b). Semantisch gesehen ist diese Zusammenstellung (Kürbis : Topf) durchaus plausibel, denn gerade Kürbisse dienten in vergangenen Tagen – aufgrund ihrer Form und der Eigenschaften ihrer Schale – als beliebtes Grundmaterial für die Herstellung einfacher Gefäße. So haben wir beispielsweise im Südfranzösischen cosso ‚aus Kürbissen verfertigte Gefäße für Flüssigkeiten‘, welches über Romanisch *cŭcŭtia ‚eine Frucht‘, ‚Kürbis‘ mit Italienisch zucca sogar unmittelbar verwandt sein kann (so nach MEYER-LÜBKE 1935: Nr. 2369).16 Von besonderem Interesse ist m. E. die Tatsache, dass τζούκκα bzw. τζουκκάλιν bereits im Mittelgriechischen (ca. 600–1500), das ist im wesentlichen das Griechische von Byzanz, bezeugt sind. Dementsprechend darf man erwarten, ihnen auch im pontischen Griechisch zu begegnen. Das wird nun Spicken bei Papadopoulos! Und tatsächlich sind die Formen τζουκάλιν (Kerasoûs/Giresun, Oinóē/Ünye, Trípolis/ Tirebolu) und τζουκάλ’ (Kotúōra/Ordu, Ófis/Of, Sánta/Dumanlı Köyü-Gümüşhane, Soúrmaina/Sürmene, Trapezoûs/Trabzon, Xaldía/Gümüşhene) im Ἱστορικὸν λεξικὸν τῆς ποντικῆς διαλέκτου verzeichnet (PAPADOPOULOS 2: 390a). Erklärt werden sie mit χύτρα, was heute allgemein einen ‚Kessel, Kochtopf‘ und speziell ‚einen größeren, runden Metallpott, zum Kochen auf Feuer‘ meint.17 Weiterhin zu nennen sind τζσυκαλᾶς (~ τζσυκαλοῦ) ‚Töpfer‘, ‚irdener Kochtopf‘ sowie τζσυκαλοφούρνι ‚Οfen zum Brennen keramischer Gefäße‘ und das Verbum τζουκαλώνω ‚den Topf aufsetzen (um Essen zu bereiten)‘ (PAPADOPOULOS ibid.). Hiermit schließt sich also der Kreis, wir haben es mit einem griechischen Terminus italienischer Herkunft zu tun, womit Heinz Fähnrichs und Surab Sardshweladses kartwelische Etymologie hinfällig wird, mit anderen Worten der Stamm *c̣1uḳ- [1] ist aus den kartwelisch etymologischen Wörterbüchern ein für allemal zu tilgen.18 So haben wir einen weiteren Fall vor uns, sogar einen ganz gewichtigen, in dem sich Spicken bei den Nachbarn, den Griechen, überaus gelohnt hätte, denn bisweilen gilt: Küršĕlĕk qardäšlĕktän yaqın ‚Nachbarschaft ist enger als Verwandtschaft‘ (tatarisches Sprichwort) oder auf gut Latein Melior est vicinus juxta, quam frater procul.19 Aber was ist mit den kartwelischen Lautgesetzen, ist dies nur ein irreführender Zufall? Schauen wir uns im Hinblick darauf das von Heinz Fähnrich und Surab Sardshweladse vorgetragene Material nochmals genauer an: Was als erstes ins Auge fällt, ist die für ein Etymon mit vermutet gemein-kartwelischem Hintergrund höchst ungewöhnliche Distribution der Belege, deren Schwergewicht eindeutig auf dem Lazischen ruht. Die georgische Realisation ist – einem ‚Versprengsel‘ ähnelnd – auf den gurischen Dialekt beschränkt, der an die Küste angrenzt und bekannt steht als ein Misch- und Übergangs- 16 Zu Schwierigkeiten dieser Herleitung (zucca ‹– cucūtia) und einem alternativen Vorschlag s. CORTELAZZO & ZOLLI 5: 1470a. 17 . 18 Als solcher leider ebenfalls verzeichnet in FÄHNRICH 2007: 657, der überarbeiteten und vermehrten Form von FÄHNRICH & SARDSHWELADSE 1995. 19 S. dazu BLÄSING 1994: No. 1666. Mann, spickt doch einfach! 7 dialekt. Dann sind da Megrelisch c̣u ḳali ~ c̣uḳale, c̣uḳae, die wie das Lazische ein č̣zeigen sollten (s. dazu Fußnote 11). Natürlich kann man die megrelischen Formen einfach als Georgismen (Gurismen) abstempeln. Aber auch dann hapert es bei der 20 Rekonstruktion noch an allen Ecken und Enden. Dennoch macht es den Eindruck, dass der Terminus an wenigstens einer Lautverschiebung innerhalb der kartwelischen Sprachen teilgenommen haben könnte. Ausgangspunkt ist eine griechische Form /d͡zukal/, für deren Anlaut – abhängig von dessen genauer Qualität (s. dazu weiter unten) – man in allen drei der beteiligten Kartwelsprachen eine alveolare Affrikate (ʒ, c̣, c) erwarten sollte, jedoch keine post-alveolare Affrikate wie č̣! Wenn dieses č̣, das im Lazischen dem Standard entspricht, nicht das Resultat einer Analogiebildung o. dgl. ist, dann könnte man – ganz hypothetisch – von folgendem Szenario ausgehen: Griechisch τζούκκα/τζουκκάλιν wurde bereits sehr früh im Bereich des Georgisch-Sanischen aufgenommen, zu einer Zeit, in der – zumindest partiell – der Übergang *c̣1 > *č̣ noch in Wirkung war. Leider liegen uns keine Spickzettel mit Daten vor, die es erlauben, diesen Lautübergang zeitlich zu fixieren. Ebenfalls ins Dunkele gehüllt bleibt, ab wann überhaupt das italienische zucca als solches existiert,21 wann es ins Griechische vorgedrungen ist und wie es sich da verbreitet hat. Kurzum, auf der Basis unseres gegenwärtigen Wissens ist es nicht möglich, den Weg des Terminus zeitlich auch nur annähernd zuverlässig zu trassieren, weshalb ich von Spekulationen in dieser Richtung absehe. Denn auf ein etymologisches Freestyle-Motocross, bei dem man sich irgendwann doch nur auf die Schnauze legt, möchte ich mich nicht einlassen, das Terrain überlasse ich gerne anderen. Wenn Ihr meint, wir seien nun ‚ausgespickt‘, habt Ihr Euch gewaltig getäuscht. Auch der Balkan hat nämlich noch eine kleine Überraschung parat. Wenn man nur lange genug Stielaugen macht, stößt man im Bulgarischen – neben dem dialektalen cúka ‚Krug für Wein‘ 22 – unweigerlich auf das ganz alltägliche cukálo, nein so etwas – das ist ja ein ‚Nachttopf‘ (BolgR 708a).23 Auch im Rumänischen und dem ihm ganz eng verwandten Aromunischen ist ţucál ein ‚Nachttopf‘ (RumR 876b; PAPAHAGI 1963: 1076). Sollten balkanische Küchen so reich mit Pötten aller Art bestückt gewesen sein, dass man das griechische τζουκάλι zum Nachtgeschirr verbannte? Keineswegs, denn die balkanische Degradierung des Kochgeschirrs zum Pisspott ist 20 Was die Suffixe betrifft, gehen die Autoren allem Anschein nach von den kartwelischen Wortbildungssuffixen *-al und *-an aus (?). In diesem Falle sollte man im Lazischen aber -ul- bzw. -on- erwarten. 21 Bezeugt in Texten ist es (zucca-) jedenfalls erst ab dem 14. Jahrhundert (s. BATTISTI & ALESSIO 5: 4122a). 22 Ausführliche Information hierzu hält TZITZILIS 1983: 71 bereit. Als Belege führt er cúka (Gabrovo im Gebiet von Xanthi) ‚großer Tontopf‘ und (Korovo in der Gegend von Velingrad) ‚Porzellangefäß, glasiertes Gefäß für Wasser‘ an. Außerdem verweist er auf die Angaben bei GEROV 5: 530a. 23 Besonders schöne Exemplare dieses in Kinderzimmern weit verbreiteten Utensils sowie einschlägige Information dazu auf Bulgarisch finden sich bei . Viel Spaß! 8 Uwe Bläsing nicht bulgarischer oder rumänischer Geringschätzung des Gefäßes zuzuschreiben, sondern hat ihre Wurzeln ebenfalls bei den Griechen selbst, was u. a. der Eintrag τσουκάλα ‚großer Kochtopf; Nachtopf‘ in dem vielfach aufgelegten, die moderne Standardsprache reflektierenden Taschenwörterbuch aus dem Hause Langenscheidt vor Augen führt (WENDT 1995: 476a). Dann ist ja nun alles klar… Soweit irgendwie schon, wenn da nicht das verwirrende Durcheinander mit den Affrikaten im Anlaut wäre. Dies fängt bereits im Griechischen an, wo wir (weiter oben) bei unserem Topfnamen neben τζ auch τσ konstatiert haben, was auf eine Alternation (evt. dialektaler Art) von Stimmhaftigkeit (/d͡z/) und Stimmlosigkeit (/t͡s/) hinzuweisen scheint. Doch wie so oft trügt der Schein… Wie aus älteren Wörterbüchern bzw. solchen, die eine ältere Sprachstufe reflektieren, leicht zu ersehen ist, machte das Griechische – jedenfalls graphisch – früher keinen dementsprechenden Unterschied. Eine alveolare Affrikate wurde beinahe ausnahmslos durch τζ wiedergegeben (vgl. dazu beispielsweise Tesoro 407– 411 und SOPHOCLES 1900: 1080–108124); hier noch ein paar ausgewählte, den Sachverhalt illustrierende Beispiele: 1709 τζακάλης ‚Tasso, graio (animale.)‘ (Tesoro 407c), 1825 τζακάλης ‚Dachs‘ (DEHÈQUE 1825: 605a), 1837 τζακάλης ‚Dachs, Schakal‘, τζακάλιον ‚Schakal‘ (LOWNDES 1837: 606b), 1882 τζακάλης ‚Dachs, Schakal‘, daneben! τσακάλι ‚Schakal‘ (LEGRAND 1882: 841b, 860a), 2014 τσακάλι, welches eine unmittelbare Entlehnung aus dem Türkischen ist: < çakal < Persisch šaġāl ‚Schakal‘ (BTS; STEINGASS 1957: 747b; GEORGIADIS 1974: 220). 1825 µπαχτζές (DEHÈQUE 1825: 391a), 2014 µπαχτσές ‚Garten‘: < Türkisch bahçe ‚id.‘ < Persisch baġča ‚(kleiner) Garten‘ (BTS; STEINGASS 1957: 148b; GEORGIADIS 1974: 79, 220). 1825 τζαµί ~ τζιαµί ‚Moschee‘ und τζάµι ‚Fensterglas‘ (DEHÈQUE 1825: 605b, 607a), 1837 τζαµὴ ‚Moschee‘ und τζάµι ‚Fensterglas‘ (LOWNDES 1837: 606b), 2014 τζαµί ‚Moschee‘ und τζάµι ‚Fensterglas‘ < Türkisch cami < Arabisch ǧāmi‘ ‚Moschee‘ bzw. Türkisch cam < Persisch ǰām ‚Glas, Fensterglas‘ (BTS; WEHR 1985: 200a; STEINGASS 1957: 350b). MGR τζάπα ‚hoe‘, τζαπίον25 ‚mattock‘ (SOPHOCLES 1900: 1080b), 1709 τζαπί (Tesoro 408b), 1825 τζαπί (DEHÈQUE 1825: 606a), 1882 τζαπί (LEGRAND 1882: 842a), 2014 τσάπα, τσαπί ‚Hacke, Haue‘ < Italienisch zappa ‚Hacke‘ (DGLI 1981b). Die türkische Entsprechung, çapa ‚id.‘ (BTS), die beispielsweise bei Pîrî Re’îs (Kitâb-i Bahriye; Beginn 16. Jahrhundert) bezeugt ist, führt Tietze (TIETZE 2002: 474) in Anlehnung an Gustav Meyer (MEYER 1893: 47) unmittelbar auf das Italienische zurück (so auch BARBERA 1940: 251a). Vor dem Hintergrund der Präsenz des Wortes im (Mittel-) 24 Bei SOPHOCLES 1900: 1081a heißt es ganz explizit: “ΤΖ or ΤΣ, TZ or TS, always avoided by the classical Greeks. During the Alexandrian and Roman periods, ΤΣ was used only in foreign words… The Byzantines always used ΤΖ…”. Und nach der Die Lehnwörter der mittelgriechischen Vulgärsprache behandelnden Studie von Triandaphyllidis haben die italienischen Lehnwörter ‚häufig τσ, seltner τζ (ντζ), die türkischen meistens τζ‘ (TRIANDAPHYLLIDIS 1909: 39). 25 Diese Deminutivableitung (-ίον) ist bezeugt in De cerimoniis aulae Byzantinae, einem Werk von Kaiser Konstantin VII., Porphyrogennetos (*905, † 959). Mann, spickt doch einfach! 9 Griechischen erscheint mir die Anschließung von çapa an dieses wesentlich nahe liegender.26 Da das Griechische in seinem primären Lautbestand über keine postalveolaren Affrikaten verfügt, werden die türkischen Phoneme c /d͡ʒ/ und ç /t͡ʃ/ – wie aus den vorangehenden Beispielen ersichtlich – bei Entlehnungen ins Griechische in aller Regel durch ihre alveolaren Entsprechungen ersetzt; mit anderen Worten: c resultiert in τζ und ç in τσ. Dieser Umstand ergibt sich allerdings nur aus Texten jüngeren Datums. In älteren Texten dagegen kann man der graphischen Wiedergabe nie wirklich vertrauen, was gerade ein Fall wie τσαµί ‚Moschee‘ (LEGRAND 1882: 860b) vor Augen führt. Aber auch bei der Aussprache scheint es Schwankungen zu geben, worauf Karl Foy in seinem vor recht genau 115 Jahren erschienenen Lautsystem der griechischen Vulgärsprache wie folgt hingewiesen hat (FOY 1879: 58): „Zum Schluss wollen wir bemerken, dass die Aussprache mancher Wörter zwischen τσ und τζ schwankt und oft nicht einmal innerhalb desselben Dialekts dieselbe ist… Uebrigens herrscht im Italienischen ein ähnliches Schwanken in Bezug auf die Aussprache von z.“27 Foys letzte Feststellung ist in unserem Falle natürlich umso interessanter, als sie ein gewisses Licht auf das heutige orthographische lay out von τσουκ-αλ- wirft, wonach wir es nicht mit einer stimmhaften, sondern mit einer stimmlosen Affrikate zu tun haben. Dies bestätigen auch die Lehnformen aus Westanatolien und vom Balkan (s. oben). Also erhebt sich die Frage nach der Qualität des z in zucca und damit verbunden die Frage nach dem italienischen Quelldialekt von mittelgriechisch τζούκκα. Dann sind da noch die pontischen Belege, von denen sich die aus den kartwelischen Sprachen als stimmlos, die aus den türkischen Dialekten aber eindeutig als stimmhaft hervortun. Und nicht zuletzt ist auch hier die Frage, welchen Lautwert τζ im pontischen Griechisch hat. Bevor wir uns diesen pontischen Cocktail zur Brust nehmen, eben ein Schmankerl aus der Etymologenküche. In dem auf Portal for the Greek Language angebotenen digitalen Wörterbuch Dictionary of Standard Modern Greek, welches ausführliche und brauchbare Informationen bereit hält, findet sich als Alternative zur traditionellen ‚italienischen Kürbis-Etymologie‘ folgende Herleitung von τσουκάλι: „ίσως < … σλαβ. *tšukal (πρβ. βουλγ. čukalo ‚γουδί‘)“, d. h. ‚vielleicht < ... slav. *tšukal (vgl. bulg. čukalo ‚Mörser‘)‘.28 Einfach Spitze! Somit hätten wir das Affrikaten26 Ebenfalls vom Griechischen gehen Formen aus wie Türkisch (dial.) çepi sowie çepin, cepin, çepen ‚(kleine) Hacke‘ < τσαπί bzw. (dial.) τσαπίν (DS 1143b; TZITZILIS 1987: Nr. 48). 27 Auch zur Graphemkombination τζ äußert sich Foy: „Die Schreibung τζ ist natürlich mangelhaft, da der Laut nicht = t + z, sondern = d + z ist“ (FOY 1879: 54), womit er zweifellos recht hat. Jedoch bleibt im modernen Griechisch kaum eine andere Wahl. Da δ frikativ ist (/ð/), würde die Kombination *δζ ein */ðz/ suggerieren. Analog zu ντ (= /d/) käme ansonsten nur noch das recht aufwendige ντζ in Frage. 28 . 10 Uwe Bläsing Problem vom Hals und uns die aufwendige Diskussion darum – wenigstens zum Teil – ersparen können. Auch Slavisch als Herkunft (insbesondere mit Bulgarisch) klingt ganz überzeugend. Mir kommt das allerdings alles Spanisch vor. Heißt der Mörser im Bulgarischen nicht xavan29 und im Makedonischen, Serbischen und Kroatischen avan? (s. BolgR 694a MakR 11b; SrbXorR 15b). Zwar hab’ ich noch nie so ein Ding auf dem Balkan gekauft, doch den Namen davon kenne ich, denn dieser ist – wie man als waschechter Turkologe weiß – ein Lehnwort aus dem Türkischen (< havan ‚id.‘; BTS), das seinerseits aus dem Persischen stammt (hāvan ‚Mörser; Vulva‘; STEINGASS 1957: 1487a; TIETZE 2009: 276b).30 Also müssen wir bulgarisch čukalo mal näher auf den Zahn fühlen. Nach Bolgarsko-russkij slovar' (BolgR 718a) gestaltet sich dessen Bedeutungsspektrum wie folgt: ‚Türklopfer‘, ‚Schlegel, Stößel‘, ‚eine Art Feldflasche‘ und tatsächlich auch ‚kleiner Mörser aus Holz‘ (syn. čùtura ‘derevjannaja stupka’). Bunt präsentiert sich die Semantik, vielleicht etwas zu bunt, um sogleich für die ‚slavische Mörser-Etymologie‘ in die Bresche zu springen. Man fragt sich hier doch, ob dem Lexem čukalo nicht vielleicht mehrere Etyma zugrunde liegen, deren Grundbedeutungen etwa ‚Werkzeug zum Schlagen‘ und ‚Gefäß, Hohlkörper‘ sind. Und was ist eigentlich slavisch *tšukal? Bleiben wir aber eben noch im Bulgarischen und werfen einen Blick in den Klassiker der bulgarischen Lexikographie, in Najden Gerovs Rĕčnik na blăgarskyj jazyk, so finden wir für čjukálo den obigen völlig entsprechende Bedeutungsangaben (GEROV 5: 565a). Bekanntlich kennt das Bulgarische čuk ‚Hammer‘ sowie das dazu gehörige Verbum čúka-m ‚hämmern, klopfen‘ (BolgR 718a), was uns erlaubt, čukálo in den Bedeutungen ‚Türklopfer‘, ‚Schlegel‘ etc. als Nomen intrumenti (-álo) von čuka- zu entlarven (s. WEIGAND 1917: 67).31 ‚Etwas, das zum Schlagen dient‘, dies kann man natürlich 29 . 30 Der weitere Hintergrund von Persisch hāvan kann wie folgt kurz umrissen werden: Pahlavi hāvan, Awestisch hāuuana- ‹– hau- ‚auspressen, ausstampfen, keltern‘ (HORN 1893: No. 1089; MACKENZIE 1990: 43; BARTHOLOMAE 1961: 1786, 1781). Der Terminus ist vor allem im Westiranischen verbreitet; z. B.: Tadschikisch hovan, Dari hāwang, Talyshi häväng, Gilaki havang, Kurdisch heveng ~ hevān, hāven etc., Zazaki hawan (TdžR 506a; DariR 727b; TalyšR 232b; GilR 110; JABA & JUSTI 1879: 456a, 454b, 439b; KrdR 319b; CABOLOV 1: 427; Koyo Berz). Seine Verbreitung reicht jedoch weit über das Iranische hinaus – sozusagen vom Balkan bis China und Indien; vgl. u. a.: BALKAN (neben Bulgarisch, Makedonisch, Serbokroatisch) Albanisch (h)avan, Rumänisch haván; ANATOLIEN (neben Türkisch) Armenisch havan(g), Georgisch avang-i; ÖSTLICHER KAUKASUS, DAGHESTAN Lak hamang, Buduch, Kryz, Lezgi heveng, Chinalug havang, Kumükisch haveng, Nogaisch avangeli, avansoqqı (< (h)avan + keli bzw. soqqı); ZENTRALASIEN, TURKESTAN Usbekisch hovoncha, Neu-Uighurisch havančä, Kirgisisch (süd) avanča; SÜDASIEN Urdu, Hindi hāwan ~ hawān, imām-dastā, Nepali hamāmdastā, Bengali hāmāna, Telugu amānu-dastụ und schließlich Arabisch (lit.) hāwun ~ hāwūn (BORETZKY 1976: 62; AČAṘYAN 3: 68–69; KEGL 1: 146–147; COMRIE & XALILOV 2010: 302; KmkR 112a; NogR 20b; UzbR 660a; UjgR 755b; KrgR 19b; RÄSÄNEN 1969: 157b; SHAKESPEAR 1834: 1849a, 1879a; PLATTS 1884: 80a; TURNER 1931: 631a; BISWAS 2000: 1049b; BROWN 1903: 75; WEHR 1985: 1337b). Im Hinblick auf die kulturelle Ausstrahlung steht havan(g) damit Lateinisch mortarium in keiner Weise nach. 31 Hinzu kommt aus dem Makedonischen die Deminutivbilding čukalka ‚Stock zum Klopfen von Mann, spickt doch einfach! 11 auch für den Mörser geltend machen, wenngleich er nicht der ‚Schläger‘ im eigentlichen Sinne ist, benötigt man ihn doch, um etwas darin zu zerstoßen. Wir hingegen benötigen nun endlich ein bulgarisch etymologisches Wörterbuch, wie es vorliegt in Bălgarski etimologičen rečnik (BER). Bedauerlicherweise teilt dieses Werk das Los vieler etymologischer Lexika, nämlich (noch) nicht abgeschlossen zu sein. Dann muss eben der alte Miklosich her. Doch da sind allein „čuka-: b[ulgarisch]. čukam hämmern, klopfen“ (MIKLOSICH 1886: 37a) und bei den Nachträgen „čukŭ … : b[ulgarisch]. čuk Hammer…“ verzeichnet;32 von einem slavischen *tšukal-Mörser keine Spur. Irgendwie bringt all das nichts für die Etymologie unseres Pottnamens. Seine Verbindung mit dem Holzmörser erscheint durch die verblüffende lautliche Ähnlichkeit und natürlich aus semantischer Sicht zwar sehr attraktiv, die sprachhistorischen Indizien sprechen aber einwandfrei dagegen. Denn kehren wir nochmals zu den mittelgriechischen Realisationen τσούκκα und τσουκκάλιν zurück, so erweist sich deren erstere doch geradezu als eine getreue Transliteration von Italienisch zucca, selbst die Akzentstelle stimmt überein. Ebenfalls klar ist, dass τσούκκα und τσουκκάλιν zusammengehören. Stellt man neben diese nun ‚als mutmaßliche Mutter‘ das bulgarische čukalo (bzw. das ominöse slavische Rekonstrukt), müsste man a) den Doppelkonsonaten .κκ.33 (< .k.) und besonders b) den ‚teilweisen Verlust‘ von .al. plausibel erklären können, was aus meiner Sicht nicht möglich ist. Gentest negativ! Also doch die ‚ollen‘ Kürbisse… Auf Türkisch heißen die übrigens kabak, das im Volksmund aber auch verwendet wird für (DS 2578b): ‚eine bei der Leichenwäsche verwendete Schüssel mit einem langem Stiel‘ (Balıkesir); (kabak tas) ‚eine große Suppenschüssel‘ (Turhal–Tokat).34 An Beispielen für Kürbisname –› Gefäßname fehlt es sicherlich nicht, leider jedoch am nötigen Platz, um sie gleich hier Revue passieren zu lassen. Denn es gibt ja heutzutage – nicht dass ich diesem Humbug Gewicht beimesse – page limit, selbst character limit bei Aufsätzen – dosiertes Wissen sozusagen. Außerdem sind da noch die Affrikaten im Pontus, die einer näheren Untersuchung harren. Papadopoulos unterscheidet in seinem Wörterbuch τζ, τσ sowie τζ̌, τσ̌ (/d͡z/, /t͡s/, /d͡ʒ/, /t͡ʃ/). Hiernach wäre τζουκάλ- /d͡zukal/ zu lesen. Betrachten wir im Hinblick da- Teppichen‘ und natürlich – die ebenso aus dem Bulgarischen bekannten – čuk ‚Holzhammer‘, čuka- ‚schlagen, klopfen‘ sowie noch das dialektale čukajdrvec (‚Baumklopfer‘ =) ‚Specht‘ (MakR 530–531). 32 Wenn auch in vielerlei Hinsicht überholt, s. hierzu jedoch die Bemerkungen von MLADENOV 1913 : 389–392) und natürlich ĖSSJa 4: 131–132). 33 Bis heute findet man diesen Doppelkonsonanten beispielsweise in den griechischen Dialekten Unteritaliens: (Bova/Kalabrien) zúkka, (Otranto, Bova) zukkáli ‚Tontopf‘ etc. (mehr dazu bei ROHLFS 1964: 523). Auch einige der ins Türkische entlehnten Formen verraten noch die ursprüngliche Konsonantenlänge (s. oben). 34 Wie Italienisch zucca kann auch Türkisch kabak z. T. die Bedeutung ‚Schädel‘ und sogar ‚Stirn‘ tragen (s. DS 2578a). 12 Uwe Bläsing rauf die armenischen und südkaukasischen Belege, da diese Sprachen über einen wesentlich reicheren Bestand an Affrikaten verfügen als das Griechische und auch das Türkische. Sie kennen nämlich neben stimmhaften zwei Reihen von stimmlosen alveolaren und postalveolaren Affrikaten – Aspiratae und Tenues, die es auch bei den Plosiven gibt. Die Tenues sind im Südkaukasischen überdies ejektiv. Auch unter Heranziehung dieses Aspekts lässt sich keine endgültige Klarheit gewinnen, denn die südkaukasischen Formen (c̣u ḳal-, č̣uḳal-) weisen eindeutig auf stimmlose (nicht aspirierte) Laute hin, die armenischen jedoch auf stimmhafte (jugal, ǰugal).35 Eine weitere Schwierigkeit resultiert aus dem an sich unerwarteten Auftreten postalveolarer Affrikaten nicht nur im Lazischen (č̣) , sondern auch in armenischen Dialekten (ǰ, č). Wie werden lazische ‚Tenues‘ im Hinblick auf Stimmlosigheit/Stimmhaftigheit in Lehnwörtern im lokalen Armenischen wiedergegeben? Erinnern wir uns nämlich an die Fußnote 9, dann ist der Kessel recht wahrscheinlich über die Lazen zu den Hemşinli gelangt. Vor diesem Hintergrund und unter der Annahme, dass die Tenues des Lazischen aufgrund ihrer Ejektivität nicht als stimmlose, sondern als stimmhafte Laute empfunden wurden, könnte man pontisch-armenisch jug(al), ǰug(al) auf lazisch c̣uḳ(al)-, č̣u ḳ(al)- zurückführen. Klingt gut, ist aber wohl zu hypothetisch, um auch wahr zu sein. Kurzum, wie es sich mit Lautrepräsentationen lazischer Lexeme im lokalen Armenischen oder pontisch-griechischer im Lazischen (und Georgischen) verhält, ist – meines Wissens – noch nicht untersucht. Abschließend wollen wir uns dem Türkischen nochmals widmen, um auch hier die Daten weiter zu vervollständigen. Im ‚Tietze‘ (= Tietze 2002: 538a) wiederholt Herr Tietze im Wesentlichen die Angaben aus seinem – zuvor bereits zitierten – Ar– tikel (1955), allerdings mit dem Unterschied, dass die griechischen Ausgangsformen nun in der Form τσουκάλι bzw. τσουκάλα angeführt sind.36 Weiterhin gibt es da noch einen literarischen Beleg, der aufmerken lässt: 35 Das graphische Erscheinungsbild mag auf den ersten Blick vielleicht den Eindruck erwecken, dass es sich auch im Armenischen um einen stimmlosen Laut handelt. Hier gilt allerdings zu beachten, dass ծ,
 ճ (c, č) im Westarmenischen die Laute j, ǰ und ձ,
ջ
 (j, ǰ) die Laute c, č vertreten. Dies steht im Zusammenhang mit der so genannten zweiten armenischen Lautverschiebung, im Zuge derer die klassischen stimmlos nicht-aspirierten und stimmhaften Plosive und Affrikaten im Westarmenischen ihre Positionen getauscht haben (wobei die ursprünglich stimmhaften im Standard-Westarmenischen nicht nur stimmlos, sondern auch aspiriert sind), im Ostarmenischen aber als solche bewahrt geblieben sind. Ebenso sind in der Armenologie leider auch hyperkorrekte, ‚klassizierende‘ Notationen Gang und Gäbe. Soweit es sich um Wortgut handelt, das an der Lautverschiebung teilgenommen hat, bzw. um Wörter, deren phonetisches lay out bekannt ist, ergeben sich keine Schwierigkeiten bei der korrekten Lesung; ansonsten steht man bisweilen aber vor einem Problem. Nicht so im Falle der Belege aus dem Hemşingebiet, denn aus GURUNYAN 1991 und VARDANYAN 2009 wird eindeutig klar, dass es um ǰug und ǰugal geht. Beide Herren folgen bei ihrer Transkription des Hemşinarmenischen nämlich der ostarmenischen Standartortographie – ջուգ(ալ). 36 Erstmals behandelt als griechisches Lehnwort im Türkischen wurde çukal übrigens von Gustav Meyer in der bis auf den heutigen Tag überaus wertvollen Abhandlung „Türkische Studien, 1: Die griechischen und romanischen Bestandtheile im Wortschatze des Osmanisch-Türkischen“ Mann, spickt doch einfach! 13 „Bir köşeye bir iki kırık, murdar toprak çukal, bir iki tahta kaşık, bir iki kırık tabak yığılmıştı. (Nâbi-zâde Nâzım 1943 s. 17).“ ‚Nâbi-zâde Nâzım 1943‘…? Der Nâbi-zâde Nâzım, den ich kenne, ist ein Literat des späten 19. Jahrhunderts oder mit anderen Worten der Tanzimat-Zeit. Bekannt ist er vor allem durch zwei mehrfach aufgelegte Werke: Karabibik (1889), eine Erzählung, die mit ihren 40 Seiten als erster Dorf-Roman gilt, und Zehra (1896), eine Novelle mit psychologischem Ansatz. Herr Tietze hat hier einen Nachdruck verwendet, und zwar von Karabibik. Nun ist zunächst einmal Vorsicht geboten, denn die guten Türken werden nie müde, solche älteren Werke sprachlich stetig ‚upzudaten‘, was sich hauptsächlich in der Ersetzung ‚veralteter, mittlerweile gemeinhin unverständlicher‘ Wörter manifestiert. Also ist die Frage: Geht çukal direkt auf Nâbi-zâde Nâzım zurück oder wurde es ihm nur durch einen späteren Redaktor untergeschoben? Bevor ich hierauf eine verlässliche Antwort geben kann, muss ich zunächst die Frage lösen, wo sich auf die Schnelle ein Erstdruck dieses Romans auftreiben lässt. Privat…? Fehlanzeige, hab’ ich nicht. Leiden, die ‚UB‘…? Gottlob, vorhanden! D. h. noch ein Stündchen, dann liegt das Buch hier vor mir auf dem Tisch. Bis dahin stecken wir – quasi zur Überbrückung – unsere Nasen nochmals tief in die eigenen, d. h. türkologischen Kochtöpfe. Schon als ich ein Dreikäsehoch war, quälte mich stets die Neugier und weckte in mir das unwiderstehliche Verlangen, die Deckel der Kochtöpfe für einen verstohlenen Blick ins Innere zu lüften, worauf Mutter mit ein wenig mahnender Stimme meinte: ‚Du kleiner Dippegugger‘! Wie auch immer… los geht’s, her mit den Schmökern und hoch mit den Buchdeckeln: ♦ Yeni Türkçe Lüğat von Mehmed Behaeddin (Toven) (YTL 277b): çoḳal (ČWQʔL) ‚glasierter Topf; irdenes Gefäß mit Henkel‘. ♦ Sâmî Bey 37 und sein bewährter Kâmûs-ı Turkî (SÂMÎ BEY 1901: 521c): çoḳal (ČWQʔL) ‚glasierter Topf; irdenes Gefäß mit Henkel für Wasser, Wein etc.‘. (MEYER 1893: 49). Für die Etymologie des griechischen Wortes beruft er sich auf Άτακτα 1: 183, ein in fünf Teilen erschienenes Werk des wohlbekannten griechischen Gelehrten und Sprachreformers Adamantios Korais (Αδαµάντιος Κοραής, *1748, †1833); s. für weiterführende Information: bzw. . Barberas Ansicht, dass çukal direkt auf Italienisch zucca zurückgehe (BARBERA 1940: 252b), muss natürlich zurückgewiesen werden. 37 Gegen die allgegenwärtige Vergessenheit! Es war vor vielen Jahren, als ich die weite See der osmanischen Literatur durchkreuzte und mir eine Sommernacht mit wildfremden Frauen, den Kadınlar, um die Ohren schlug, da rückte deren Autor, der Literat und Lexikograph Şemseddin Sâmî in meinen Gesichtskreis. Schnell stellte sich heraus, dass dieser gebildete osmanische Bey aus Istanbul kein Türke, sondern Albaner war und eigentlich Sami Frashëri hieß. Die Familie stammte nämlich aus Frashër, einem Dorf in Südalbanien, wo er 1850 geboren wurde. Obgleich der osmanischen Gesellschaft verbunden, war er auch einer der führenden Köpfe der albanischen Nationalbewegung. 1899 erschien (anonym in Bukarest) seine für großes Aufsehen sor- 14 Uwe Bläsing ♦ Das recht einfache Taschenwörterbuch, Dictionnaire portatif Turc-Français von R. Youssouf, alias Giuseppe Reali (YOUSSOUF 1890: 98a): čoukal (ČWQʔL) „pot“. ♦ Sâmî Bey, Dictionnaire turc-français (SÂMÎ BEY 1883: 412a): (ČWQʔL) tchouqal „pot“. ♦ Ahmet Vefik Paşa, Lehçe-i Osmânî (AHMET VEFIK PAŞA 1876: 495): çoḳal (ČWQʔL) ‚Topf mit dicker Glasur‘.38 Die Beispiele offenbaren, dass der Topfname zumindest im späten Osmanischen (19.–20. Jahrhundert) auch in der Standardsprache einigermaßen geläufig war. Seine historische Tiefe muss allerdings noch ermittelt werden. Ich lasse es hierbei bewenden, ansonsten kritisieren mich all die ‚linguistischen Überflieger‘ – tun sie ohnehin –, dass diese Angaben für die ‚eigentliche‘ Darstellung der Etymologie ja vollends irrelevant seien. Diese Auffassung kann ich in keiner Weise nachvollziehen, vor allem nicht im Hinblick auf die hier neu zu Tage geförderten etymologischen Einsichten. Außerdem, die leider so üblichen, stenographisch vorgetragenen und obendrein noch durch einen Dschungel von Abkürzungen und Symbolen entstellten etymologischen 2-bis-10-Zeilen-Einträge haben oft gerade einmal den Nährwert eines abgenagten Hühnerschenkels. Und das Thema ‚unnötiges Wissen‘, das hatten wir ja bereits eingangs. Andreas Tietze hat çukal und seine Varianten als Dialektismen gekennzeichnet, was für das moderne Türkisch völlig zutreffend ist. So hat beispielsweise die Suche in neueren schriftsprachlichen Wörterbüchern und besonders im türkischen Korpus TUD – Türkçe Ulusal Derlemi – keinerlei Treffer ergeben. Mit anderen Worten: Die Rolle von çukal auf der Bühne des Türkischen hat sich geändert – vom Darsteller zum Statisten, was zweifellos im Zusammenhang steht mit dem immer moderner Werden der Küchen und damit auch des Kochgeschirrs. Längst haben ebenso in Anatolien die schicken, hinten und vorne wer weiß mit was allem beschichteten, super pflegeleichten, Mikrowelle beständigen ‚Streamliner‘ von Tefal und Genossen sich dieser Domäne bemächtigt und unseren altväterischen Freund in eine Handvoll gende politische Schrift Shqipëria – ç´ka qenë, ç´është e ç´do të bëhet. Mendime për shpëtimt të mëmëdheut nga reziket që e kanë rethuarë (Albanien – was es war, was es ist und was wird es werden. Gedanken zur Rettung des Vaterlands vor den Gefahren, die es umgeben). Wer Interesse bekommen hat und mehr über diese schillernde, herausragende Persönlichkeit erfahren möchte, ist keineswegs schlecht beraten, seine Recherche auf zu beginnen, woher auch das Foto stammt, das Sâmî Bey zusammen mit seiner Ehefrau Emine zeigt. 38 Die hier zitierten Wörterbücher nennen den Topf çokal/çukal z. T. in einem Zuge mit dem lediglich homophonen çokal/çukal ‚eine Art Rüstung, Panzer, Pferdepanzer‘ etc. (BTS). Dies verleitete RÄSÄNEN (1969: 114a) hier von einem Etymon auszugehen, obgleich Gustav Meyer bereits die Verschiedenheit der Lexeme angedeutet hat. Zu diesem çokal s. TIETZE 2002: 527a; TarSöz 957–959). Mann, spickt doch einfach! 15 Dörfer hinter Gottes Angesicht verbannt. A propos Dörfer, in einem solchen bei Kaş (Antalya), also unmittelbar im çukal-Land, spielt auch die Handlung von Karabibik, wo tatsächlich von diesen Tonpötten die Rede ist. Hier die von Herrn Tietze zitierte Textstelle im Original der ersten Auflage: Nâbî-zâde Nâzım, Ḳara Bibik, Ḳaṣbâr Maṭba‘ası, İstanbul, h. 1307 (1889): 17 …, bir köşeye bir iki kırık murdar toprak çukal, bir iki tahta kaşık, bir iki kırık tabak, diğer bir köşeye iči yayla unu ile dolu bir kavanoz, darı unuyla dolu bir yayık, bir yufka sacı, bir saç ayak, yağ, pirinç gibi bazı erzak kapları filan yığılmış idi. …, in einer Ecke lagen ein paar zerbrochene, verdreckte Tontöpfe, ein paar Holzlöffel und ein paar zerbrochene Teller herum, in einer anderen Ecke ein Einmachglas mit Almmehl39 darin, ein Butterfass voll Hirse, ein Backblech, ein eiserner Dreifuß und diverse Behälter für Lebensmittel wie Fett, Reis etc. Was wäre tsoukali ohne Ritsos? Genau, der bekannte griechische Dichter Yannis Ritsos (Γιάννης Ρίτσος; *1909, †1990) schrieb als politischer Gefangener (1948– 1949) in Kontopouli auf der Insel Limnos das Poem Καπνισµένο τσουκάλι, Der rußige Topf, mit dessen Anfang ich meine Zeilen beschließen möchte: Der rußige Topf (nach der deutschen Übersetzung von Konstantin D. Goussidis)40 Lang war der Weg bis hierher! Sehr lang, mein Bruder. Die Handschellen ließen die Hände ermüden. Nachts als die kleine Glühbirne mit dem Kopf nickte, uns sagend „spät ist es geworden“ lasen wir die Geschichte der Welt, dargestellt in kleinen Namen, in einigen Jahreszahlen, die man mit Fingernägeln einritzte auf den Wänden der Gefängnisse, abgebildet in einigen kindischen Skizzen der Todgeweihten 39 Yayla unu, wörtlich übersetzt ‚Almmehl‘, ist eine Bezeichnung für dunkles, d. h. nur wenig raffiniertes Mehl, meist aus Gerste, wie man es früher mit den auf den Almen zu Gebote stehenden bescheidenen Mitteln herstellte. Für diese Information danke ich meiner lieben Kollegin, Nesrin Bayraktar (Ankara), denn in Türkçe Sözlük sucht man vergebens nach diesem Begriff. Vielleicht nimmt man sich dessen einmal an im modernen Ankara. Wenn auch etwas altbacken, ist yayla unu immerhin literarisch und vom Scheitel bis zur Sohle türkisch! 40 S. und für das griechische Original . 16 Uwe Bläsing –ein Herz, ein Bogen, ein Schiff, das sicher die Zeit durchfährt– in einigen Versen, die unvollendet blieben damit wir sie vollenden in einigen Versen, die vollendet wurden damit wir nicht zur Vollendung gelangen. Lang war der Weg bis hierher – ein schwerer Weg. Jetzt ist dieser Weg dein. Du hältst ihn fest so wie du die Hand deines Freundes hältst und seinen Puls misst über jene Narben, welche die Handschellen hinterließen. Regelmäßiger Puls. Sichere Hand. Regelmäßiger Puls. Sicherer Weg. Noch ein letztes, bevor die Küche ganz schließt, die ‚Abguckerei‘, die überlasse ich im weiteren Euch, Ihr wisst ja jetzt, wie es geht: Mann, spickt doch einfach! Bibliographie41 AČAṘYAN, HRAČ‘YA HAKOBI 1913. Hayerēn gawaṙakan baṙaran ‹Provincial'nyj slovar' armjanskago jazyka›. T‘iflis. —. 1971–1979. Hayeren armatakan baṙaran ‹Ėtimologičeskij korennoj slovar' armjanskogo jazyka›. 1–4. Erevan. AHMET VEFIK PAŞA h.1293 = 1876. Lehçe-i Osmânî. Dersaâdet. ANDRIOTIS, NIKOLAOS P. 1971. Ἐτυµολογικὸ λεξικὸ τῆς κοινῆς νεοελληνικῆς. 2. Auflage. Thessaloniki. Άτακτα = KORAĒS, ADAMANTIOS 1828–1835. Άτακτα; Ήγουν παντοδαπών εις την Αρχαίαν και την νέαν Ελληνικήν γλώσσαν αυτοσχεδίων σηµειώσεων, καί τινων άλλων υποµνηµάτων, αυτοσχέδιος συναγωγή. En Parisiois. BARBERA, GIUSEPPE 1940. Elementi italo-siculo-veneziano-genovesi nei linguaggi arabo e turco. Beyrouth. BARTHOLOMAE, CHRISTIAN 1961. Altiranisches Wörterbuch. 2. unveränderte Auflage. Berlin. BATTISTI, CARLO & ALESSIO, GIOVANNI 1950–1957. 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