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Morbus Niemann-pick Typ B ? Enzymatisch Gesichert ? Mit Unerwarteter Retinaler Beteiligung

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Graefes Archiv ffrklinischeundexperirnentelle Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 2 06, 7 9 - 88 ( 1 9 78 ) Ophthalmologie 9 by Spfinger-Verlag 1978 Morbus Niemann-Pick Typ B - enzymatisch gesichert - mit unerwarteter retinaler Beteiligung* K. H a r z e r 1, K . W . R u p r e c h t 2 , D. Seuffer-Schulze 2 und U. Jans 3 1 lnstitut fiir Hirnforschung der Universitiit Tiibingen (Dir. Prof. Dr. J. Peiffer), Belthlestr. 15, D-7400 Tiibingen, Bundesrepublik Deutschland 2 Universit~its-Augenklinik Tiibingen (Gschf. Arztl. Dir. Prof. Dr. G.O.H. Naumann), D-7400 Tfibingen, Bundesrepublik Deutschland 3 St/idtische Kinderklinik Stuttgart (Dir. Prof. Dr. E. Grundler), D-7000 Stuttgart, Bundesrepublik Deutschland Niemann-Pick Disease Type B: An Enzymatically Confirmed Case with Unexpected Retinal Involvement Summary. In a 6-year-old girl with normal to outstanding intelligence NiemannPick disease was diagnosed b y the demonstration of an about 90 % deficient sphingomyelinase activity. Abnormalities of the eye fundi are described which are comparable to but quantitatively deviate from the classic cherry-red spot as known from neurolipidoses. The brownish-red foveola was surrounded by a relatively thin opaque ring around which punctate white deposits (lipids?) could be detected. The absence of any other neurologic symptom was in contrast with an extreme hepatosplenomegaly, foam cells in the bone marrow, lung infiltration, underweight, and undergrowth. Therefore, the case was classed with the type B of Niemann-Pick disease, although the common definition of this type excludes cerebral as well as oculoneural involvement. In the literature only one comparable case could be found which, however, had not been enzymatically confirmed. In the future the definition of t y p e B of Niemann-Pick diesease should include the possibility of oculoneural involvement. Zusammenfassung. Bei einem normal bis fiberdurchschnittlich intelligenten 6-j/~hrigen M/idchen mit enzymatisch gesicherter Niemann-Pickscher Krankheit (Restaktivit~it der Sphingomgelinase ca.10 % der Norm) werden Augenhintergrundsver/inderungen beschrieben, die denjenigen des ktassischen kirschroten Flecks bei Neurolipidosen ~ihnlich, jedoch quantitativ davon abgrenzbar sind. Es handelt sich um eine ringf6rmige retinale Opacit/it in der unmittelbaren Umgebung der br/iunlich-rot erHerrn Professor Dr. E. Custodis zum 80. Geburtstag gewidmet 0065--6100/78/0206/0079/$ 02.00 80 K. Harzer et al. scheinenden Foveola mit zus~tzlichen punktf6rmigen weigen Einlagerungen (Lipide? ). Dem Fehlen jeglicher sonstiger neurologischer Symptomatik stehen eine extreme Hepatosplenomegalie, Speicherzellen im Knochenmark, Lungeninfiltration, Untergewicht und Minderwuchs entgegen. Daher wird der Fall dem Typ Bder Niemann-Pickschen Erkrankung zugerechnet, obwohl zu diesem Typ definitionsgem~ig keine zentralnerv6se und bisher speziell auch keine oculo-neurale Beteiligung geh6rte. In der Literatur wurde ein vergleichbarer Fall vorgefunden, der allerdings ohne enzymatische Sicherung blieb. Die Definition des Typs Bder NiemannPickschen Erkrankung sollte kiinftig die M6glichkeit der oculo-neuralen Beteiligung einschliegen. Einleitung Die klassische Form der Niemann-Pickschen Krankheit, der Typ A (Fredrickson and Sloan, 1972), ist eine Neurolipidose, bei der die viscero-neurale Speicherung von Sphingomyelin durch mangelnde Aktivit~it des katabolischen Enzyms Sphingomyelinase bedingt ist und die klinische Symptomatik in befriedigender Weise erkl~rt. Der neurodegenerative Prozeg, der mit pathologischem Muskeltonus (,,schlaffer S~iugling"), Bewegungs-, Gedeih- und Intelligenzst6rung einhergeht, ftihrt meist vor dem 5. Lebensjahr zum Tode (im Endstadium Kachexie und Demenz); Leber und Milz sind immens vergr6gert. Der Augenhintergrund zeigt oft einen sogenannten kirschroten Fleck im Bereich der Macula lutea. Im Knochenmark sind Speicherzellen als Ausdruck der StoffStapelung zu linden. Differentialdiagnostisch ist vor allem die Gauchersche Krankheit abzugrenzen. Der Typ B der Niemann-Pickschen Krankheit unterscheidet sich vom Typ A durch das Feblen der zentralnervdsen Beteiligung. Dementsprechend erreichen die normalintelligenten Patienten oft das Erwachsenen-Alter, sind aber durch Splenohepatomegalie, Lungeninfiltration und Minderwuchs stark beeintriichtigt. Die splenogene Markhemmung kann zu Aniimie und Blutungsneigung fiihren. Biochemisch ist der Mangel an Sphingomyelinase-Aktivitiit im Blur, geziichteten Hau~-Fibroblasten und visceralen Organen ~ihnlich wie beim Typ A der Erkrankung, meist jedoch in einem nicht ganz so hohen Grade nachweisbar. Im Vergleich zu den Typen A und B sind die Typen C, D und E (Fredrickson and Sloan, 1972) der Niemann-Pickschen Krankheit anders charakterisiert. Die differentialdiagnostische f3bersicht geht aus Tabelle 1 hervor. Im folgenden soll ein Fall von Niemann-Pickscher Krankheit eines fast 6-j~ihrigen M~idchens beschrieben werden, bei dem oculo-neurale Ver~inderungen der genannten Art seit nunmehr 5 Jahren das einzige Zeichen einer Beteiligung des Zentralnervensystems an der Lipidose sind. Biochemisch wurde der ca. 90%ige Mangel an SphingomyelinaseAktivit~it in den Leukocyten des peripheren Blutes nachgewiesen. Unsere Diagnose lautet daher Morbus Niemann-Pick Typ B. Zu diesem Typ geh6ren nach der einschli~gigen Literatur (Sugar and Podos, 1975) zwar keine Augenhintergrundsver~nderungen; der hier beschriebene Fall und evtl. ein weiterer (Cogan and Kuwabara, 1968), der allerdings nicht enzymatisch gesichert worden war, zeigen, dag es hier Ausnahmen gibt. Kasuistik S.K., geb. 12.6.1971, ist das erste Kind nicht blutsverwandter Eltern, entwickelte sich bis zum Alter von 1 1/2 Jahren normal, war jedoch von Anfang an eine ,,schlechte Retina bei Morbus Niemann-Pick 81 Tabelle 1. Die verschiedenen Typen der Niemann-Pickschen Krankheit Typ a A (klassisch) B (chronisch) C (heterogene subakute neuroviscerale Lipidose++) D (Nova-ScotiaVariante) E Manifestationsalter fr/ihe Kindheit klinische Symptome cerebral visceral ocular Lebenserwartung 2-5 Jahre (selten l~inger) SphingomyelinSpeicherung neural: + visceral: +++ friihe Kindheit visceral neural: 0 visceral: +++ frfihe bis sp~itere Kindheit cerebral visceral (milder) ocular (bisweilen) unbestimmt (meist adult) z.B. 5 - 15 Jahre " neural: 0 visceral: + (neben anderen Lipiden) Enzymdefekt Sphingomyelinase (cerebral und peripher unter 10 % Restaktivit~it) Sphingomyelinase (cerebral fraglich, peripher um 10 % Restaktivit~t) unbekannt b, Sphingomyelinase evtl. indirekt betroffen etwa wie Typ C, jedoch Abstammung aus Nova Scotia; meist mit Ikterus einhergehend nicht scharf definiert, sp~ttadulte F~lle yon Typ B (und C?) betreffend a Typenbezeichnung nach Crocker (1961). Die allen Typen gemeinsamen Symptome der Visceromegalie und Speicherzellen im Knochenmark beruhen auf einer sicher sehr unterschiedlichen genetischen Basis. Nur die Typen A und B sollten als Niemann-Pick-Krankheit im engeren Sinn bezeichnet werden b vgl. Harzer et al. (1977) Esserin", hatte gehiiuft Schnupfen und einmal eine schwere Bronchitis. Den Eltern fiel ein abnorm groger Bauchumfang auf, daher gingen sie zum Arzt. Die Erstuntersuchung im Alter von 2 Jahren ergab bei dem M~idchen: Starkes Untergewicht, miigiger Minderwuchs, normale psycho-motorische Entwicklung; auffallende Hepatosplenomegalie (Leber 3 cm, Milz 1 cm unter dem verstrichenen Nabel zu tasten); am Hals zahlreiche Lymphknoten zu tasten. Knochenmarkausstrich: Reichlich Schaumzellen mit tells peripher gelegenem Kern (Abb. 1), blutbildende Elemente unauff~llig. 1973 p~idiatrischerseits Augenhintergrund: Bds. kirschroter Fleck mit weigem Randwall. R6ntgenThoraxfibersicht: Bis in die Peripherie reichende, feinfleckige, vorwiegend retikul~/re Zeichnung. Labor: Transaminasen leicht, saure Phosphatase und Aldolase stark erh6ht. Gammaglobuline insgesamt eher niedrig, jedoch IgM erh6ht. Lysosomale LeukocytenEnzyme (biochemische Untersuchung siehe unten): Deutlicher Mangel an Sphingomyelinase-Aktivit~t, jedoch noch eine Restaktivit~it vorhanden. Aktivit/iten von Arylsulfatase A, fi-Galaktosidase,/3-Hexosaminidasen und Glucocerebrosidase (bei Morbus Gaucher defektes Enzym) im Normalbereich. Nacbuntersucbung 19 74: Guter Allgemeinzustand, jedoch inzwischen Zunahme des Bauchumfangs; Leber und Milz reichen jetzt bis zum kleinen Becken; Zunahme der Lungeninfiltration. Labor: Transaminasen leicht, saute Phosphatase stark erh6ht, Neutralfette stark erh6ht; Thrombocyten 119 000; BSG 14/32 rnm n.W. Nachuntersuchung 1976: Oberdurchschnittlich intelligentes, 5-jS~hriges M~dchen mit der Gr6ge eines 2 1/2 j~ihrigen, Bauch extrem vorgew61bt. Riesige Leber und Milz, sehr derb, Gr6ge wie beim Vorbefund. Jetzt keine Lyrnphknotensci-~we!lungen nachweisbar. 82 K. Harzer et al. Abb. 1. Speicherzellen im Knochenmarkausstrich yon S.K. (Morbus Niemann-Piek Typ B), hellwabiges Zytoplasma, randstiindige Kerne (N) May-Grtinwald/Giemsa; x 1200 Tabelle 2. Sphingomyelinase-Aktivit~it in den Leukocyten (nMol gespaltenes Sphingomyelin je Std. je mg Leukocytenhomogenat-Protein nach Lowry; 0,1 mM Substratkonzentration, pH 5,5, 37~ C bei Morbus Niemann-Pick Typ B m i t retinaler Beteiligung 1973 1974 1976 1977 I Patientin S. K. % der norm Kontr. normale Kontrollen a <0,03 <15 0,05 8,3 0,I0(0,07 11,9 -0,14; 3 Bestimm.) 0,2 (0,1--0,3; n=2) 0,6 (0,45--0,70; n=2) 0,84(0,54-1,49;n=4) pathol. Kontrollen NPA b 0,01 0,05 NPB c % der norm. Kontr. 1,2 0,15 6 bzw. 18 (O,lO0,22; 3 Bestimm.) a Die h6heren Kontroll-Aktivitiiten bei den neueren Messungen hiingen mit methodischen Verbesserungen zusammen b NPA steht ffir Morbus Niemann-Pick Typ A; die Werte stammen yon zwei gesicherten Fiillen c NPB steht fiir Morbus Niemann-Pick Typ B; die Werte stammen von einem gesicherten Fall Keine weitere Zunahme der Lungeninfiltration. Labor: Thrombocyten 94 000, PTT verl~ingert m i t 57,5 sek, Quick-Wert 100 %. T r a n s a m i n a s e n j e t z t n o r m a l , saute Phosp h a t a s e sehr stark e r h S h t , m i t 36 m E / m L N e u t r a l f e t t e e r h 6 h t , L i p i d - E l e k t r o p h o r e s e : Stark ausgepr~gter T y p IV n a c h F r e d r i c k s o n . S p h i n g o m y e l i n a s e - B e s t i m m u n g : S e h r niedriger Wert m i t etwa 10 % Restaktivitiit gegenfiber der N o r m (Tabelle 2). Retina bei Morbus Niemann-Pick 83 Abb. 2. Patientin S.K. ira Alter yon 5 11/12 Jahren. Man beachte intelligenterl Gesichtsausdruek und Visceromegalie Nachuntersuchung 19 77: Das Kind wirkt ausgesprochen aufgeweckt, gibt prompte Antworten auf Fragen naeh zeitlichen und 6rtlichen Verh~iltnissen, spielt geschickt mit ihm gereichten kleinen GegenstSnden, bewegt sich sicher im Raum auch bei geschtossenen Augen (Abb, 2). Es erz~ihlt vom Kindergarten, in dem es sich sehr wohl ftihle, Sehsch//rfe in der Ferne bds. ohne Korrektur 1,0 Kinderbilder. Stereosehen (TITMUS-Test) Fliege: positiv, Tiere: A.B.C., positiv, d,h. wohl altersentsprechendes Stereosehen. Perimetrie noch nicht m6glich. Stellung, Motilitiit und Pupillenmotorik regelrecht. Lider unauff~illig. Spaltlampenmikroskopisch Augenvorderabschnitte reizfrei, brechende Medien klar. Ophthalmoskopisch Papille bds, randscharf, vital, im Niveau. Maeula bds. mit zirkuliirem, weiglichem, fein- bis grobkbrneligem, perifoveolarem Ring (Abb. 3a und b). Foveola erscbein~ br~ualich rot. Be~ st/~rkerer Vergr6gerung (Abb. 4a "and b) erkennt man am Clivus der Foveola eine weif~lich diffuse, 2irkul~ire Einlagerung in die sensorische Netzhaut, die in der parafovealen Zone zun~chst eine gr6bere, nach peripher eine feink6rnelige Struktur annimmt. Gefaf~e und Netzhautperipherie altersentsprechend unauff/illig, Material und Methode Die Leukocyten-Pr~iparate wurden nach Kampine et al. (1967) hergestellt. Die Aktivititt der Sphingomyelinase bestimmten wir nach Harzer und Benz (1973) und Harzer et al. (1977). Als Substrat diente einmal mit Tritium und sonst mit C-14 markiertes 84 K. Harzer et al. Abb. 3. a rechts b links. Fundusiibersichtsaufnahmen von S.K. (Morbus Niemann-Pick Typ B). Ringf/Srmige perifoveolare Opacit~it Sphingomyelin, dessen enzymatische Hydrolyse (Freisetzung yon Ceramid und Phosphorylcholin) dutch Leukocyten-Homogenate, wiihrend 4 Stunden Inkubation bei pH 5,5 und 37 ~ C in Gegenwart eines Gallsalz-Gemisches als Detergenz, verfolgt wurde. Die tibrigen lysosomalen Leukocyten-Enzyme wurden ebenfalls nach beschriebenen Methoden gemessen (Baum et al., 1959; Harzer und Sandhoff, 1971; Harzer et al., 1976). Retina bei Morbus Niemann-Piek Abb. 4. a rechts b links. Macula bei S.K., Vergr6f~erung. Man beachte die unterschiedlich grol~en, weigen, punktf6rmigen perifovealen Einlagerungen sowie die perifoveolare Opacitiit 85 86 K. Harzer et al. Ergebnisse Tabelle 1 zeigt die Sphingomyelinase-Aktivitiiten der Patientin S.K., bei mehreren Bestimmungen innerhalb von 4 Jahren. Die enzymatischen Restaktivit~iten liegen in dem fiir Morbus Niemann-Pick Typ B zu erwartenden Bereich. Diskussion Der Typ B der Niemann-Pickschen Erkrankung ist dann diagnostizierbar, wenn bei stark verminderter Sphingomyelinase-Aktivit~it eine Gehirnbeteiligung an dem Krankheitsprozefg nicht in Erscheinung tritt. Der Grund, warum beim Typ A der Erkrankung mit anscheinend demselben Enzymdefekt der Hirnabbau meist schnelt fortschreitet, beim Typ B iedoch nicht, ist bis heute unklar. Ober Enzymbestimmungen direkt im Gehirn liegen Ergebnisse nur vom Typ A vor, die den Defekt der Sphingomyelinase-Aktivit~it in diesem Organ zeigen. M6glicherweise ist beim Typ B im Gehirn eine wesentlich h6here enzymatische Restaktivitiit als beim Typ A vorhanden. Messungen augerhalb des Gehirns zeigen beim Typ B allerdings nur geringgradig h6here RestaktivitSxen als beim Typ A (Fredrickson and Sloan, 1972) (Tabelle 1 und 2). Diese Differenz erscheint zu gering, um damit die extremen Unterschiede im klinischen Verlauf der Typen A und B des Morbus Niemann-Pick ohne weiteres zu erkliiren. Es wird vermutet, daft, yon zwei (oder mehr) Formen der Sphingomyelinase, die evtl. im Gehirn eine wesentlich gr/Sff,ereRolle als in der Peripherie spielen (vergl. Yamaguchi and Suzuki, 1977), beim Typ B im Gehirn noch eine intakt ist, beim Typ A jedoch beide in ihrer Aktivit~it defekt sind. Naeh Tabelle 1 kommt fiir unseren Fall S.K. der Typ C der Niemann-Pickschen Erkrankung nieht in Frage, da das Kind ja keinerlei psychomotorische Retardierung erkennen l~igt und die SphingomyelinaseAktivit~it weitgehend fehlt. Beim Typ C haben Emery und Mitarb. (1972) iibrigens ultrastrukturell nachgewiesen, dag in den retinalen Ganglienzellen kein Lipid gespeiehert wird. Allerdings handelte es sich um einen Fall ohne kirschroten Fleck der Maeula. Der hier beschriebene Fall S.K. muff, demnach zum Typ Bder Niemann-Pickschen Krankheit gerechnet werden. Somit kann bei diesem Typ tats~ichlich eine ,,abortive" zentralnerv6se Beteiligung vorliegen, die ausschlieglich an der Retina (vgl. Abb. 3 und 4) nachweisbar wird, bei Fehlen jeglicher sonstiger neurologischer Symptomatik. Deskriptiv ist der Augenhintergrundsbefund der Patientin offenbar seit 4 Jahren unver~indert. Zur Frage der Progredienz kann wegen fehlender Vergleichs-Photogramme z.Zt. jedoch keine definitive Stellung genommen werden. In der Literatur sind wit auf die Beschreibung nur eines Falles gestoff,en (Cogan and Kuwabara, 1968), der mit unserem Fall S.K. vergleichbar wire: Bei einer chronisch und ,,benigne" verlaufenden Niemann-Picksehen Erkrankung wurden ,,perimacul~ire opake Bezirke mit kristalloider Textur, anders als die uniformen opaken Bezirke um den kirschroten Fleck bei Tay-Sachs-Krankheit" beschrieben. Der Patient hatte keinerlei Sehst6rungen. Allerdings blieb dieser Fall ohne enzymatische Sicherung, so daft, er nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dem Typ B der NiemannPickschen Krankheit zugeordnet werden kann. Bei einem anderen Fall (Sebesty~n and G~lfi, 1969) yon adolescenter NiemannPickscher Krankheit, der jedoch mit mentaler Retardierung einherging (sehr langsam verlaufender Typ A? ) und insofern nicht direkt mit unserer Patientin vergleichbar ist, war Retina bei Morbus Niernann-Pick 87 der Augenhintergrundsbefund ganz ~ihnlich dem unserigen und zeigte ebenfalls keine Progredienz. Der ,,kirschrote Fleck" der Foveola ist ein klassisches Symptom bei Neurolipidosen (z.B. beim Morbus Tay-Sachs) und Ausdruck der klinisch meist prim/Jr evidenten zentralnerv6sen Beteiligung an dem Lipidspeicherprozeg. Dieses Symptom ist jedoch auch beim Zentralarterienverschlug der Netzhaut gel~iufig. Durch Speicherung yon Stoffwechselprodukten in den Ganglienzellen der sensorischen Netzhaut bei Speicherkrankheiten (Cogan and Kuwabara, 1968) bzw. durch ein reaktives hypoxisches intrazellul~ires 0dem der neuronalen Zellen der inneren Netzhauth~ilfte bei Zentralarterienverschlug kommt es zu einer weiglichen Verf~irbung mit Transparenzverlust der retinalen Ganglienzellen. Die Foveola wird ausgespart, da hier auger den Rezeptorzellen kein zu Speicherung oder Odem f~ihiges Gewebe vorliegt und die Foveola yon der Aderhaut her zus~itzlich vaskul~ir versorgt wird. Die regelrechte kirschrote Farbe der Aderhaut scheint nunmehr allein im Bereich der Foveola durch diese hindurch und setzt sich besonders kontrastreich yon der im perifoveolaren Gebiet weiglich verf/irbten sensorischen Netzhaut ab. Es erscheint verst~indlich, dag je nach Ausmag des Transparenzverlustes der oberfl/ichlichen perifoveolaren Retina die Foveola jetzt im Kontrast kirschrot aufleuchtet. Der klassische kirschrote Fleck, z.B. bei Morbus Tay-Sachs, bzw. die Befunde der Macula bei verschiedenen Typen des Morbus Niemann-Pick stellen somit eine quantitativ unterschiedliche Manifestation ein- und desselben Ph~inomens dar. Es wird klinisch zu Recht leitsymptomatisch als ,,kirschroter Fleck" bezeichnet, bedarf abet jeweils der differentialdiagnostischen Abkl~irung. In unserem Fall S.K. und bei den nach der Literatur zitierten Fiillen trifft/ibrigens anstatt der Farbe ,,kirschrot" eher ,,br~iunlich-rot" zu. Der perifoveolare, helle Ring bei unserer Patientin S.K. diirfte einer gangliozyt~iren Lipidspeicherung entsprechen, zumal die Ganglienzelldichte gerade in der yon dem ophthalmoskopisch sichtbaren Ring eingenommenen Zone bekanntlich besonders hoch ist. Fiir die zus/itzlich erkennbaren, punktftirmigen weigen Einlagerungen kann nur vermutet werden, dag sie ebenfalls lipidspeichernden Zellen oder Zellhaufen entsprechen. In Frage k/imen z.B. intralysosomale Speicherungen in den Miillerschen Zellen, wie sie ffir den Typ A der Niemann-Pickschen Erkrankung ultrastrukturell gezeigt wurden (Libert et al., 1975). Die Autoren belegen eine unterschiedliche Form der Lipidspeicherung in den neuronalen und den iibrigen retinalen Zellen. Sie vermuten, dag das gespeicherte Material in den verschiedenen Zelltypen auf unterschiedliche Art metabolisiert wird. Wesentliche therapeutische Ansatzpunkte sehen wir bei der Erkrankung yon S.K. nicht. Um das Auftreten einer st/irkeren splenogenen Markhemmung rechtzeitig zu erkennen, werden regelm/igige Kontrollen des Blutbilds und Gerinnungstests durchgef/ihrt. Bisher war keine Blutungsneigung zu beobachten. Ftir den Ernstfall ist die Splenektomie erwogen worden. Prophylaxe yon Atemwegsinfekten (Lungenbeteiligung!) ist, soweit m6glich, anzustreben. Die Prognose ist vorl~iufig wohl nicht infaust, auf die Dauer jedoch zweifelhaft. Die pr/inatale Diagnose von F/illen der beschriebenen Arv erscheint sinnvoll und ist heute mit dem Enzymtest durchfiihrbar. 88 K. Harzer et al. Literatur Baum, H., Dodgson, K., Spencer, R.: The assay of arylsulfatase A and B in human urine. Clin. chim. Acta 4, 453-455 (1959) Cogan, D.G., Kuwabara, T.: The sphingolipidoses and the eye. Arch. Ophthal. 79, 437-452 (1968) Crocker, A.C.: The cerebral defect in Tay-Sachs disease and Niemann-Pick disease. J. Neurochem. 7, 6 9 - 8 0 (1961) Emery, J.M., Green, W.R., Huff, D.S., Sloan, H.R.: Niemann-Pick disease (type C). Histopathology and ultrastructure. Amer. J. Ophthal. 74, 1144-1154 (1972) Fredrickson, D.S., Sloan, H.R.: Sphingomyelin lipidoses: Niemann-Pick disease. In: The metabolic basis of inherited disease, J.B. Stanbury, J.B. Wyngaarden and D.S. Fredrickson, eds.), New York etc.: Mc-Graw-Hill, 1972 (3rd ed.), p: 783-807 Harzer, K., Sandhoff, K.: Age-dependent variations of the human N-acetyl-3-D-hexosaminidases. J. 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