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Perioperative Schmerztherapie Bei Hund Und Katze Eine übersicht

Für Studium und Praxis 200 Perioperative Schmerztherapie bei Hund und Katze eine Übersicht Korbinian Pieper Chirurgische und Gynäkologische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Schlüsselwörter

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Für Studium und Praxis 200 Perioperative Schmerztherapie bei Hund und Katze eine Übersicht Korbinian Pieper Chirurgische und Gynäkologische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Schlüsselwörter Analgesie, Kleintier, Schmerzbeurteilung, Schmerzweiterleitung Zusammenfassung Unzureichend behandelte Schmerzen führen zu negativen systemischen Effekten und unter Umständen zu einer massiven Störung des Allgemeinbefindens unserer Patienten. Aus diesem Grund sollte ein Schmerzbeurteilungsplan standardmäßig in die klinischen Abläufe eingebunden sein. Für Hund und Katze stehen validierte Schmerz - beurteilungspläne zur Verfügung. Im Rahmen einer fortschrittlichen Schmerztherapie ist das Prinzip der multimodalen Analgesie zu beachten. Dies bedeutet, dass verschiedene analgetische Wirkstoffgruppen miteinander kombiniert werden, die ihre Wirkung an unterschiedlichen Stellen des Schmerzentstehungs- und Schmerzleitungssystems entfalten. Neben Opioiden, nichtsteroidalen Antiphlogistika und Lo - kalanästhetika finden unter anderem α 2 -Rezeptor-Agonisten, Ketamin und Gabapentin Anwendung. Hinzu kommen diverse nichtpharmakologische Therapieformen. Keywords Analgesia, small animals, pain assessment, nociceptive pathways Summary Undermanaged pain leads to negative systemic effects that may greatly disturb our patients welfare. Therefore, a pain assessment tool should be routinely implemented into clinical practice. Validated pain assessment tools are available for dogs and cats. Advanced analgesic therapy follows the principle of a multimodal approach. This means that different analgesic drugs, which act on different targets within the nociceptive pathway, are combined to achieve the desired analgesic effects. In addition to opioids, nonsteroidal anti-inflammatory drugs and local anaesthetics, α 2 -receptor-agonists, ketamine and gabapentin as well as different nonpharmacologic analgesic techniques are used within the framework of a multimodal analgesic plan. Korrespondenzadresse Dr. Korbinian Pieper Chirurgische und Gynäkologische Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Veterinärstraße München Perioperative pain therapy in dogs and cats an overview Tierärztl Prax 2016; 44 (K): Eingegangen: 16. Januar 2016 Akzeptiert nach Revision: 10. Mai 2016 Epub ahead of print: 25. Mai 2016 Einleitung Fortschritte auf dem Gebiet der Kleintierchirurgie und eine höhere Erwartungshaltung der Patientenbesitzer haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass die Invasivität operativer Eingriffe stetig zugenommen hat. Daraus ergibt sich ein steigender Bedarf an Analgetika, doch stellt sich nicht selten die Frage nach einer für diesen oder jenen Patienten adäquaten Schmerztherapie. Unzureichend behandelte Schmerzen können gravierende Folgen für das kardiovaskuläre, respiratorische, gastrointestinale und neuroendokrine System nach sich ziehen. Zur Vereinfachung der Praxis - abläufe erfolgt bei einem Großteil der Patienten allerdings eine Standardanalgesie, die den individuellen Bedürfnissen der Patienten nur bedingt Rechnung trägt. Der vorliegende Artikel soll deshalb eine Übersicht über ein individualisiertes perioperatives Schmerzmanagement geben, indem Möglichkeiten der Schmerzbeurteilung und eines multimodalen Analgesieregimes skizziert werden. Entstehung und Weiterleitung von Schmerzen Die Entstehung und Weiterleitung von Schmerzen bilden die Basis für den Grundgedanken einer multimodalen Schmerztherapie. Für die Informationsweiterleitung schmerzhafter Impulse aus der Peripherie in Richtung des zentralen Nervensystems (ZNS) sind zwei Arten von Nervenfasern von besonderer Bedeutung: aδund c-fasern. Freie Nervenendigungen dieser Zellen dienen als sogenannte Schmerzrezeptoren in der Peripherie. Eine Vielzahl von Substanzen, die nach Einwirkung einer Noxe (z. B. bei Ge - webs traumata) freigesetzt werden (u. a. Wasserstoffionen, Arachnidonsäuremetaboliten und Histamine) führen zu einer Erregung dieser Zellen und damit zu einer Initiierung des Schmerzsignals (Transduktion). Die Zellkörper dieser Schmerzneuronen liegen im Dorsalhorn des Rückenmarks. Nach Eintreffen der Schmerz - information im Dorsalhorn wird diese Information auf ein nachgeschaltetes Interneuron auf spinaler Ebene weitergegeben und ge- 201 K. Pieper: Perioperative Schmerztherapie bei Hund und Katze langt gegebenenfalls nach weiteren synaptischen Verschaltungen in ein System von aufsteigenden spinalen Bahnen, die die Information auf Gehirnebene weiterleiten (Transmission). Über zerebrale zentrifugale Bahnen wird die schmerzhafte Information schlussendlich auf der Großhirnrinde abgebildet, sodass sie der Patient als bewussten Schmerzreiz wahrnimmt (Perzeption). Vom Großhirn gelangen Impulse in absteigenden Bahnen ins Rückenmark. Dort beeinflussen sie die Übertragung des Schmerzsignals (Modulation). Aus dieser Darstellung der Schmerzweiterleitung ergeben sich für analgetisch wirksamen Substanzen vier theoretisch mögliche Angriffspunkte: 1. Bildung der Mediatorstoffe (Entzündungsmediatoren) in der Peripherie (Transduktion) 2. Weiterleitung der Schmerzinformation im peripheren Nerv bzw. im Rückenmark (Transmission) 3. synaptische Verschaltungen auf spinaler und supraspinaler Ebene (Modulation) 4. Abbildung der Informationen auf der Großhirnrinde (Perzep - tion) Schmerzbeurteilung Da sich Tiere nicht verbal äußern können, liegt es in der Verantwortung des Tierarztes, die Schmerzen des Tieres einzuschätzen. Grundsätzlich gilt, dass ein für den Menschen schmerzhafter Eingriff für Hund und Katze als vergleichbar schmerzhaft eingestuft werden kann. Mittlerweile herrscht Einigkeit darüber, dass eine Beurteilung über das Verhalten des Tieres akkurater ausfällt als die Auswertung physiologischer Parameter. Da die Patientenbesitzer das normale Verhalten ihres Tieres oft besser kennen als der Tierarzt, ist es sinnvoll, diese mit ins Boot zu holen und in der Schmerzbeurteilung ihrer Tiere zu schulen. Typische Verhaltensweisen von Hunden unter Schmerzen sind (5): Veränderung der Körperhaltung: Halten der Rute zwischen den Hinterbeinen, Aufkrümmen des Rückens, Tiefhalten des Kopfes Veränderungen des Bewegungsverhaltens: Lahmheit, Unlust sich zu bewegen Veränderungen des Temperaments: z. B. Aggressivität Bellen, Jaulen Inappetenz objektiv einzuschätzen. Für die Beurteilung akuter und chronischer Schmerzen sowie für Hund und Katze gibt es unterschied - liche Schmerzbeurteilungssysteme, die nicht untereinander austauschbar sind. Da sich dieser Artikel mit perioperativen Schmerzen beschäftigt, soll im Folgenden nur auf Schmerzskalen zur Evaluierung akuter Schmerzen eingegangen werden. Eindimensionale Schmerzskalen (z. B. visuelle Analogskala, numerische Ratingskala) sind einfach in der Anwendung und in der Humanmedizin häufig im Gebrauch. Da sie in ihrer ursprünglichen Form auf einer Selbstbeurteilung des Patienten beruhen, haben sie in der Tiermedizin untergeordnete Bedeutung. Hier finden mehrdimensionale Schmerzskalen Anwendung. Diesen liegt folgende Vorgehensweise zugrunde: 1. Der Patient wird zunächst aus der Ferne beobachtet. Verhalten, Körperhaltung, Bewegungslust etc. werden ohne Interaktion mit dem Untersucher beurteilt. 2. Die beurteilende Person nähert sich dem Tier und evaluiert sein Verhalten bei Interaktion. Beispiele: Wie reagiert das Tier beim Öffnen der Boxentür? Wie reagiert es, wenn es zum Aufstehen bzw. Laufen animiert wird? 3. Es folgt eine Beurteilung der Reaktion des Tieres bei Palpation der Wunde bzw. der Umgebung der Wunde. 4. Zuletzt wird unter Verwendung einer sogenannten dynamischen interaktiven visuellen Analogskala (DIVAS) ein Zahlenwert (z. B. 0 10) zugeordnet. Um die Variabilität der Untersuchungsergebnisse zu reduzieren, sollte ein Tier möglichst immer vom selben Untersucher evaluiert werden. Für die Anwendung bei Hunden stellt die University of Glasgow Short Form Composite Measure Pain Score eine häufig verwendete und validierte Schmerzskala dar. Sie steht für den persönlichen Gebrauch und zu Ausbildungszwecken zum kosten freien Download zur Verfügung 1. Andere häufig verwendete Schmerzskalen zur Beurteilung akuter Schmerzen sind 1 Bei Katzen bestehen häufig subtilere Anzeichen für Schmerzen (6): verminderte Interaktion mit Besitzern: Katze versteckt sich, läuft vor Besitzer weg Bewegungsunlust Veränderung der Gesichtszüge: Zusammenkneifen der Augen, Stirn in Falten legen ( Abb. 1) reduzierte Fellpflege Inappetenz Sowohl für Tierarzt als auch Besitzer empfiehlt sich die Verwendung von Schmerzskalen, um die Schmerzen der Tiere möglichst Abb. 1 Schmerzgesicht bei einer Katze Fig. 1 Pain face in a cat. Tierärztliche Praxis Kleintiere 3/2016 Schattauer 2016 K. Pieper: Perioperative Schmerztherapie bei Hund und Katze 202 4AVet für den Hund 2 (nicht validiert) und die UNESP-Botucatu Multidimensional Composite Pain Scale für die Katze 3. Die Schmerzskalen der Colorado State University für Hunde 4 und Katzen 5 lassen sich einfach anwenden, doch fehlt ihnen bislang die Validierung. Schmerztherapie Für eine möglichst effektive Schmerzbekämpfung empfiehlt sich entsprechend den obigen Erläuterungen zur Schmerzweiterleitung ein multimodaler Ansatz, der an verschiedenen Punkten der Schmerzentstehung und -weiterleitung angreift. Hierbei kommen zwei oder mehr Substanzen unterschiedlicher Wirkstoffgruppen zum Einsatz. Häufig kann die Dosierung jedes einzelnen Medikaments im Vergleich zu einer Monotherapie gesenkt und damit die Nebenwirkungen reduziert werden. Welche Kombination von Wirksubstanzen verwendet wird, richtet sich nach dem durchgeführten chirurgischen Eingriff und den individuellen Bedürfnissen des Patienten (Schmerzbeurteilung). Die Erstellung eines perioperativen Analgesieplans erfolgt im Allgemeinen nach folgender Vorgehensweise (6): 1. In fast allen Fällen ist die Verwendung eines Opioids empfehlenswert canine.pdf 5 feline.pdf 2. Nach Auswahl eines geeigneten Opioids (siehe unten) sollte dieses mit einem nichtsteroidalen Antiphlogistikum (NSAID) kombiniert werden. Bei Patienten, für die eine Kontraindika - tion für die Anwendung von NSAID besteht (z. B. Unverträglichkeit, Niereninsuffizienz), sollte dieser Schritt übersprungen werden. Gegebenenfalls bietet sich hier Metamizol (siehe unten) als sinnvolle Alternative an. 3. In vielen Fällen ist die Anwendung von Lokalanästhetika möglich. Sie lassen sich auf vielfältige Weise einsetzen: topisch, infiltrativ, systemisch oder rückenmarksnah. 4. Unter Umständen ist es sinnvoll, einen α 2 -Rezeptor-Agonisten in den Analgesieplan einzubeziehen. Ein solcher ist häufig ohnehin Bestandteil des Anästhesieplans (in seiner Funktion als Sedativum). In anderen Fällen bietet sich gegebenenfalls die Verabreichung eines α 2 -Rezeptor-Agonisten in der postoperativen Phase an. Allerdings geht die Verwendung von Substanzen dieser Stoffgruppe immer mit einer Sedierung einher. 5. Eventuell kann die Auswahl eines nichtkonventionellen Analgetikums (z. B. Ketamin oder Gabapentin) die Analgesie weiter verbessern. 6. Nichtpharmakologische Ansätze sollten bei jedem Schmerzpatienten zur weiteren Verbesserung der Analgesie zum Einsatz kommen. Im Folgenden sollen in Anlehnung an die genannte Vorgehensweise die verschiedenen Analgetikagruppen kurz betrachtet und einige nichtpharmakologische Ansätze zur Schmerztherapie erwähnt und kurz umrissen werden ( Tab. 1). Für eine ausführliche Beschreibung aller Wirkungen und Nebenwirkungen der angesprochenen Wirkstoffe inklusive pharmakokinetischer Betrachtungen wird explizit auf die Lektüre der einschlägigen Literatur bzw. der Tab. 1 Übersicht über die Möglichkeiten der analgetischen Therapie bei Hund und Katze Table 1 Overview of the different possibilities for antinociceptive therapy in the dog and cat. Opioide Nichtsteroidale Antiphlogistika Lokalanästhetika α 2 -Rezeptor- Agonisten Ergänzende Analgetika Nichtpharmakologische Therapie Fentanyl 1 Carprofen Lidocain Dexmedetomidin Gabapentin 3 Fütterungsmanagement Levomathadon 1, 2 Methadon Cimicoxib 1 Procain Medetomidin Ketamin Kühlen Buprenorphin Firocoxib 1 Bupivacain 3 Xylazin Physiotherapie Butorphanol Ketoprofen 3 Mepivacain 3 Akupunktur Tramadol 3 Meloxicam Ropivacain 3 Stressreduktion Tapentadol 3 Robenacoxib 1 Tolfenaminsäure Metamizol (Pyrazolonderivat) 1 1 Zugelassenes Tierarzneimittel nur für Hunde verfügbar. 2 Zugelassenes Tierarzneimittel nur für Hunde verfügbar und nur in fixer Kombination mit dem Parasympatholytikum Fenpipramid. 3 Derzeit nicht als zugelassenes Tierarzneimittel für Hunde und Katzen verfügbar. 203 K. Pieper: Perioperative Schmerztherapie bei Hund und Katze Tab. 2 Analgesievorschläge für Hund und Katze Table 2 Suggestions for analgesia protocols in the dog and cat. Kastration gesunde Kätzin/Hündin intraoperativ postoperativ Kastration gesunder Kater/Rüde intraoperativ postoperativ Frakturversorgung Gliedmaße Katze/Hund intraoperativ postoperativ Thorakotomie intraoperativ postoperativ Dexmedetomidin, Ketamin, µ- oder κ-rezeptor-agonist, NSAID bzw. Metamizol NSAID über 3 Tage, gegebenenfalls einmalig Buprenorphin Leitungs- bzw. Intratestikulärblock, NSAID, bei Bedarf µ- oder κ-rezeptor-agonist NSAID über 1 2 Tage reiner µ-rezeptor-agonist, NSAID, Regionalanästhesie (Epiduralanästhesie [Hintergliedmaße] bzw. periphere Leitungsanästhesie) reiner oder partieller µ-rezeptor-agonist über 2 4 Tage, NSAID etwa doppelt so lange, bei anhaltenden Schmerzen gegebenenfalls zusätzlich Ketamin- und Lidocain-DTI (Hund) reiner µ-rezeptor-agonist, NSAID, Leitungsanästhesie, gegebenenfalls Ketamin-DTI reiner µ-rezeptor-agonist über mindestens 3 Tage, Ketamin- und Lidocain-DTI (Hund) nach Bedarf, NSAID (bzw. Metamizol) über mindestens 1 Woche NSAID = nichtsteroidales Antiphlogistikum, DTI = Dauertropfinfusion für das jeweilige Medikament durchgeführten Zulassungsstudien verwiesen. Ziel dieses Artikels ist lediglich, dem Leser eine Übersicht über die im Rahmen eines modernen Analgesiemanagements verwendeten Stoffgruppen zu geben, das Prinzip der multimodalen Analgesie näher zu bringen und Hilfestellung bei der Schmerzerkennung zu leisten. In Tab. 2 finden sich einige Analgesievorschläge für häufig durchgeführte Operationen. Aufgrund der Tatsache, dass Schmerzen sehr individuell wahrgenommen werden, sind diese jedoch nicht als strikte Vorgaben zu verstehen, sondern vielmehr patientenorientiert (Schmerzbeurteilung) dem jeweiligen Bedarf anzupassen. Opioide Opioide bilden den Hauptpfeiler intraoperativer Analgesie. Sie wirken an Opioidrezeptoren (µ- und κ-rezeptoren), von denen vor allem die µ-rezeptoren eine wichtige analgetische Funktion übernehmen. Es handelt sich dabei um G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die besonders auf ZNS-Ebene zu einer Modulation des Schmerzimpulses führen. An den Synapsen der Schmerzbahnen im ZNS kommt es über die Aktivierung von Opioidrezeptoren zu einer reduzierten Ausschüttung von Neurotransmitterstoffen und folglich zu einer verminderten Weiterleitung von Schmerzinformationen. Für die Behandlung akuter Schmerzen stellen Opioide die effektivste Analgetikaklasse dar. In Deutschland sind in der Veterinärmedizin derzeit fünf verschiedene Opioide zugelassen: reine µ-rezeptor-agonisten: Fentanyl, Levomethadon und Methadon partieller µ-rezeptor-agonist: Buprenorphin κ-rezeptor-agonist und µ-rezeptor-antagonist: Butorphanol Abgabe und Verschreibung aller genannten Wirkstoffe mit Ausnahme von Butorphanol unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Für die einzelnen Wirkstoffe gibt es in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) spezielle Regelungen. 6 Grundsätzlich dürfen Betäubungsmittel nur angewendet werden, wenn der beabsichtigte Zweck nicht auf andere Weise erreicht werden kann ( 13 Abs. 1 BtMG). Reine µ-rezeptor-agonisten (Fentanyl, Levomethadon, Methadon) vermitteln die verlässlichste Analgesie. Sie eignen sich für die Therapie sowohl somatischer als auch viszeraler Schmerzen. Unterschiede zwischen den verschiedenen reinen µ-rezeptor-agonisten liegen vor allem in der Wirkpotenz (d. h. wie viel Wirkstoff wird für einen gewünschten Effekt benötigt) und der Wirkdauer. Diese Analgetikaklasse ist indiziert bei Patienten mit moderaten bis starken Schmerzen. Der partielle µ-rezeptor-agonist Buprenorphin zeigt eine submaximale Wirkung am µ-rezeptor. Die daraus resultierende somatische und viszerale Analgesie ist zwar gut, doch geringer ausgeprägt als bei reinen µ-rezeptor-agonisten. Da Buprenorphin jedoch eine sehr starke Rezeptorbindung aufweist, fällt es bei unzureichender Buprenorphin-vermittelter Analgesie schwer, die Schmerzbehandlung mit einem reinen Agonisten zu verbessern, 6 Fentanyl darf nur für Praxisbedarf verschrieben und nicht an den Tierhalter abgegeben werden ( 4 Abs. 1b BtMVV). Levomethadon und Buprenorphin dürfen an den Tierhalter unter Beachtung einer Höchstmenge verschrieben und abgegeben werden ( 4 Abs. 1a + 3 in Verbindung mit 12 Abs. 5 BtMVV). Methadon darf vom Tierarzt nur über den Hersteller oder Großhändler bezogen werden (nicht über Apotheken), da für Methadon ein Verbot der Verschreibung durch den Tierarzt besteht ( 4 Abs. 1b BtMVV). Tierärztliche Praxis Kleintiere 3/2016 Schattauer 2016 K. Pieper: Perioperative Schmerztherapie bei Hund und Katze 204 denn dieser ist nur kaum in der Lage, Buprenorphin vom Rezeptor zu verdrängen. Der Einsatz von Buprenorphin empfiehlt sich insbesondere bei Patienten mit moderaten Schmerzen und im postoperativen Zeitraum. Der Agonist-Antagonist Butorphanol vermittelt bei Hund und Katze eine viszerale Analgesie von kurzer Dauer sowie eine sehr eingeschränkte somatische Analgesie. Bei vielen chirurgischen Eingriffe ist Butorphanol als analgetisches Monotherapeu - tikum daher nicht geeignet. Bei gering schmerzhaften Eingriffen wird Butorphanol erfolgreich eingesetzt. Agonisten-Antagonisten und partielle Agonisten weisen zwar limitierte analgetische Effekte auf, zeichnen sich aber durch ein im Vergleich zu reinen µ-rezeptor-agonisten günstigeres Neben - wirkungsspektrum aus. An Nebenwirkungen sind für Hund und Katze vor allem Atemdepression und vagal induzierte Bradykardie zu nennen. Katzen neigen nach Verabreichung von Opioiden zu Hyperthermie, wobei diese Neigung je nach verwendetem Opioid unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Entgegen einer früheren Studie (28) stellten Posner et al. (30) bei Katzen auch nach der Verabreichung von Butorphanol oder Buprenorphin milde bis moderate Hyperthermien (40,3 C) fest. Tramadol wird wegen seiner Wirkung an µ-opioid-rezeptoren als schwaches Opioid klassifiziert, unterliegt jedoch nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Ein für die Veterinärmedizin zugelassenes Präparat gibt es nicht, sodass Tramadol nur im Therapienotstand angewendet werden darf. Für die analgetische Wirkung ist nicht primär Tramadol selbst, sondern seine Hauptmetaboliten O-desmethyltramadol (ODM) und N,O-didesmethyltramadol (DDM) verantwortlich. Die analgetischen Effekte lassen sich sowohl durch Naloxon (Opioidantagonist) als auch durch Yohimbin (α 2 -Antagonist) und Ketanserin (Serotoninantagonist) jeweils partiell antagonisieren. Somit kann davon ausgegangen werden, dass alle drei Rezeptorsysteme zu den analgetischen Effekten von Tramadol beitragen. Ergebnisse diverser Studien zeigen, dass Opioideffekte primär durch ODM vermittelt werden, während für die Serotonin- und Noradrenalineffekte primär DDM verantwortlich gemacht wird. Da Hunde nur sehr geringe Mengen des Metaboliten ODM produzieren, sind die Opioideffekte dementsprechend gering ausgeprägt oder fehlen. Trotzdem konnten in wenigen Stu - dien nach Tramadolgabe bei Hunden analgetische Effekte gezeigt werden (19, 21, 25). Tramadol hat beim Hund eine deutlich kürzere Halbwerts - zeit als beim Menschen, sodass ein Verabreichungsintervall von 8 Stunden sinnvoll erscheint (21). Häufig werden beim Hund Dosierungen im Bereich von 4( 10) mg/kg per os dreimal täglich verwendet (21). Wiederholte Gaben von Tramadol führen zu einem reduzierten Plasmaspiegel. Schon nach 8-tägiger