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Professionalisierung Für Alltagsintegrierte Sprachförderung In Kindergarten, Kita Und Spielgruppe: Videobasierte Analyse Zur Veränderbarkeit Von Handlungskompetenzen

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Empirische Pädagogik 2015, 29. Jahrgang, Heft 3, S. 414-430 © Verlag Empirische Pädagogik Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung in Kindergarten, Kita und Spielgruppe: Videobasierte Analyse zur Veränderbarkeit von Handlungskompetenzen Franziska Vogt, Cordula Löffler, Andrea Haid, Nadine Itel, Mandy Schönfelder und Bea Zumwald Sprachförderung wird als zentrale Aufgabe der frühkindlichen Bildung gesehen; dabei kann den alltagsintegrierten Ansätzen eine gute Wirksamkeit zugeschrieben werden. Dies bedingt jedoch Professionalisierungsmaßnahmen für die frühpädagogischen Fachkräfte. Die hier vorgestellte Interventionsstudie umfasste eine zweieinhalbtägige Fortbildung für Frühpädagoginnen aus Kindergärten bzw. Kitas in Deutschland sowie aus Kindergärten und Spielgruppen in der Schweiz (n = 45). Für die Sprachförderung im Alltag wurden geeignete Strategien aus der Forschungsliteratur ausgewählt, darunter Dialoge im Sinne des „sustained shared thinking“, Wortschatzförderung, Modellieren und sprachförderliche Fragen. Die Sprachförderpraxis der Frühpädagoginnen wurde mit Hilfe videobasierter Beobachtung zu zwei Zeitpunkten mit einem Abstand von neun Monaten erfasst (Vortest sowie Nachtest drei Monate nach der Intervention). Die Intervention zeigt nachhaltige Wirkung: Frühpädagoginnen setzen fast alle in der Interventionsmaßnahme fokussierten Strategien der Sprachförderung im Alltag häufiger ein, besonders auch die für die Wirkung als zentral erachteten Qualitätsaspekte der Strategien. Es zeigen sich weder Unterschiede zwischen schweizer und deutschen Frühpädagoginnen, noch zwischen den einzelnen, sehr unterschiedlich qualifizierten Berufsgruppen. Schlagwörter: frühe Bildung – Professionalisierung – Sprachförderung - Videostudie 1 Einleitung und theoretischer Hintergrund Die frühkindliche Bildung und besonders die Sprachförderung werden als wesentlich für die Erhöhung von Bildungschancen gesehen, da die frühe Sprachkompetenz einen starken Einfluss auf die weitere Bildungslaufbahn hat (Bredekamp, 2002). Zahlreiche aktuelle Projekte haben zum Ziel, Kinder im Alter von rund drei bis sechs Jahren im Spracherwerb zu fördern. Einen Überblick geben für die Schweiz Hutterli und Vogt (2014) und Lisker (2011) für Deutschland. Kuger, Sechtig und Anders (2012) verweisen in ihrem Überblicksbeitrag zur kompensatorischen (Sprach-)Förderung auf die Bedeutung der Professionalisierung: Wirksame Projekte zeichnen sich auch durch eine intensive Qualifizierung der frühpädagogischen Fachkräfte aus. Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 1.1 415 Professionalisierungsmaßnahmen: Art der Interventionen An die Gestaltung der Professionalisierungsmaßnahmen werden auf Grundlage von Forschungsbefunden verschiedene Ansprüche gestellt. Ein wichtiger Aspekt ist die Intensität (Kuger, Sechtig & Anders, 2012) sowie die Praxisnähe: Die vermittelten Strategien der Sprachförderung müssen von den Fachkräften als in ihrer Praxis umsetzbar eingeschätzt werden (De Roos, Van der Heijden & Gorter, 2010). Um die Verbindung zur je eigenen Praxis zu stärken, setzten verschiedene Projekte auch Coaching ein (Beckerle, Kucharz & Mackowiak, 2012; Hindmann & Wasik, 2012; Mashburn & Pianta, 2010) oder umfassen Feedback zu videografierten Sequenzen aus der eigenen Praxis (Landry, Anthony, Swank & Monseque-Bailey, 2009). Die Professionalisierungsmaßnahmen können in Bezug auf ihre inhaltliche Ausrichtung unterschieden werden. Donie, Kammermeyer und Roux (2013) differenzieren zwischen bereichsspezifischer und bereichsunspezifischer Förderung; bei der bereichsspezifischen Förderung wird zwischen lehrgangbasierter und lernwegbasierter Förderung unterschieden. Für den Bereich der Sprachförderung wird eine bereichsspezifische Förderung als nötig erachtet, die sich auf die Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern bezieht und die als integrierte Sprachförderung konzipiert ist und nicht als separates, spezifisches Programm mit häufig stark instruktionalem methodischen Vorgehen (Fukkink & Lont, 2007). 1.2 Effekte der Professionalisierungsmaßnahmen im Bereich Sprachförderung In der Übersicht zu den Befunden zur Wirkung verschiedener Sprachförderprogramme fasst Lisker (2011) die Situation als unbefriedigend zusammen: zahlreiche Programme konnten auf Ebene der Kinder wenig Wirkung aufweisen, und wenn, oft nur kurzfristig. Fukkink und Lont (2007) folgern in ihrer Metaanalyse, dass besonders bereichsspezifische Fortbildungen mit einem Fokus auf die ErwachsenenKind-Interaktion Effekte zeigen. Donie, Kammermeyer und Roux (2013) fanden Wirkungen auf der Ebene der Kinder für die bereichsspezifische Förderung im Vergleich zur Kontrollgruppe, die lehrgang- bzw. lernwegbasierten Ansätze unterschieden sich in ihren Wirkungen auf die Kinder aber nicht. Einige Studien fanden Effekte auf der Ebene der Fachkräfte sowie in der Kompetenzentwicklung der Kinder, so beispielsweise Beller und Beller (2007), Hindman und Wasik (2012) und Hanen Centre (2014). Ein wichtiger Aspekt ist die Qualität der Umsetzung des in einer Fortbildung Gelernten. Hamre, Justice, Pianta, Kilday, Sweeney, Downer und Leach (2010) stellten fest, dass besonders eine qualitativ gute Umsetzung in den Erwachsenen-Kind- 416 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald Interaktionen anspruchsvoll war. Auch De Roos, Van der Heijden und Gorter (2010) fanden, dass einzelne in der Fortbildung thematisierte Teilaspekte umgesetzt wurden, die generelle Verbesserung der Sprachförderung in der Interaktion mit den Kindern jedoch nicht gelang. Insbesondere konnten nur die Kindergarten-Lehrpersonen ihre Interaktionskompetenz verbessern, nicht jedoch die Spielgruppen-Leitenden und Studierenden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Herausforderung in der Wirksamkeit von Professionalisierungsmaßnahmen darin besteht, dass die Sprachförderung und die Qualität der Interaktionen im Alltag durchgängig verbessert werden. 1.3 Unterschiedliche Qualifikationen der frühpädagogischen Fachkräfte In den Institutionen in Deutschland und der Schweiz sind Fachkräfte mit sehr unterschiedlichen Ausbildungen tätig. In Deutschland verfügt die Mehrheit der Erziehenden über eine Fachschulausbildung; zudem ist eine geringe Anzahl von Personen mit Hochschulstudium in Kitas tätig. In der Schweiz werden die Fachkräfte für den Kindergarten gleich wie die Primarlehrkräfte an einer Pädagogischen Hochschule ausgebildet; sie werden als Kindergartenlehrpersonen bezeichnet. Bei den Spielgruppenleitenden hingegen gibt es keine behördlichen Vorgaben bezüglich einer Grundqualifikation. Sie verfügen zumeist über eine Weiterbildung. Mit einer stärkeren Professionalisierung für den frühkindlichen Bereich wird die Erwartung verbunden, dass die Qualität in den frühpädagogischen Einrichtungen verbessert werden kann. Tietze, Rossbach und Grenner (2005) empfahlen die Qualifizierung der Fachkräfte als Maßnahme zur Verbesserung der pädagogischen Qualität in Kitas. Early, Maxwell, ‚Burchinal, Bender, Bryant, Cai, Clifford, Ebanks, Griffin, Henry, Howes, Iriondo-Perez, Jeon, Mashburn, Peisner-Feinberg, Pianta, Vandergrift und Zill (2007) konnten hingegen nachweisen, dass akademisch ausgebildete Fachkräfte im Vergleich zu formal niedriger ausgebildeten Fachkräften keine besseren Bildungsangebote machen. Sie vermuten stattdessen, dass ein breites Weiterbildungsangebot, das auf die Verbesserung der Interaktionen der Fachkräfte mit den Kindern fokussiert, für den Erwerb einschlägiger Handlungskompetenzen wichtiger ist als die akademische Ausbildung. Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 2 417 Intervention zur Förderung der alltagsintegrierten Sprachförderkompetenz Für eine Professionalisierungsmaßnahme für Kindergarten, Kita und Spielgruppen 1 wurden für die „Sprachförderung im Alltag“ fünf Strategien ausgewählt: (1) Im Dialog mit Kindern (2) Wortschatzförderung (3) Modellieren (4) Fragen und (5) Redirect. Die Strategien werden weiter unten genauer erläutert. Die Sprachförderung im Alltag ist als Förderung für alle Kinder angelegt, im Gegensatz zu zielgruppenspezifischer, kompensatorischer Förderung (Kuger et al., 2012). Es handelt sich um eine bereichsspezifische Förderung, die jedoch nicht lehrgangsorientiert, sondern lernwegorientiert ist (Donie et al., 2013). Das Forschungsteam gestaltete die gemeinsame zweitägige Fortbildung für die Gesamtgruppe über die Landesgrenzen hinweg. Die Strategien wurden in Workshops mit einer Gruppengröße von je acht Teilnehmenden praxisorientiert und mit Trainingssequenzen vermittelt. Sechs bis neun Wochen später wurde für alle Teilnehmenden ein Vertiefungsnachmittag in regionalen Kleingruppen durchgeführt, um die Umsetzung zu reflektieren und die noch wenig umgesetzten Strategien nochmals zu üben. Die Frühpädagoginnen erhielten nach dem Vertiefungsnachmittag zudem einen Tischkalender sowie eine wöchentliche Erinnerung per Mail über fünf Wochen mit je einem Merksatz für jede Strategie mit der Anregung, jeweils während einer Woche besonders auf eine der Strategien zu achten. Der Fokus liegt in diesem Beitrag auf den ersten vier Strategien. Die Strategie „Redirect“ und der Teilaspekt „Versprachlichen“ aus der Strategie „Dialog“ werden in diesem Beitrag nicht berücksichtigt, da die Videoanalyse hierzu noch aussteht. Im Folgenden werden die Strategien und die Schwerpunktsetzung in der Fortbildung kurz beschrieben, für eine ausführliche und praxisorientierte Darstellung aller Strategien wird auf Löffler und Vogt (2015) verwiesen. 2.1 Sprachförderstrategie „Im Dialog“ Siraj-Blatchford und Sylva (2004) stellten in frühpädagogischen Einrichtungen von hoher Qualität in England fest, dass die Fachkräfte mit einzelnen Kindern oder Kindergruppen Dialoge mit einem gemeinsamen Denkprozess führten. Das Kind bringt eigenständige Beiträge ein, das Thema wird von der frühpädagogischen Fachkraft und dem Kind gemeinsam weitergeführt. Sie prägten den Begriff „sustained shared thinking“, den Hopf (2012) für ihre Untersuchung zum naturwissen- 1 Das Forschungsprojekt wurde durch die Internationale Bodensee Hochschule gefördert und zudem von der Stadt St. Gallen, der Schweizer Arbeitsgemeinschaft Logopädie und der Stiftung Ravensburger unterstützt. Den Frühpädagoginnen danken wir für ihr großes Interesse an der Teilnahme am Forschungsprojekt. 418 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald schaftlichen Lernen in deutschen Kindergärten ebenfalls verwendet, während König (2006) mit dem Begriff „bewusst dialogisch-entwickelnde Denkprozesse“ die instruktive Absicht etwas stärker hervorhebt. In der Intervention „Sprachförderung im Alltag“ wurde das Eingehen auf die Themen der Kinder und die Bedeutung längerer Dialoge fokussiert und mit Hilfe von Videos trainiert. Die Frühpädagoginnen tauschten sich zudem über Möglichkeiten aus, wie es im Alltag besser gelingen kann, mit ihrer Aufmerksamkeit bei einem Kind oder einer kleinen Gruppe zu bleiben und den gemeinsamen Gedanken im Dialog mit dem Kind oder den Kindern weiterentwickeln zu können. Als Merksatz für den Tischkalender wurde „Ich nehme das Thema des Kindes wahr und trete mit ihm in einen längeren Dialog“ formuliert. 2.2 Sprachförderstrategie „Wortschatz“ Der Erwerb eines umfangreichen Wortschatzes ist für die allgemeine Sprachentwicklung der Kinder von besonderer Bedeutung und ein wichtiger Prädiktor für den erfolgreichen Erwerb des Lesens und Schreibens (Huttenlocher, Vasilyeva, Waterfall & Vevea, 2007). Grundsätzlich baut die Wortschatzförderung auf den drei Phasen Anbieten, Erarbeiten und Festigen auf (Glück, 2003; Siegmüller & Kauschke, 2006). In der Phase des Anbietens soll ein abwechslungsreicher Wortschatz ausgewählt und die neuen Wörter bewusst betont und klar angeboten werden. In der nächsten Phase wird das Wort erarbeitet, indem der Bedeutungsinhalt konkret gezeigt, gestisch dargestellt oder verbal erklärt wird. Zur Festigung dient beispielsweise die Wiederholung oder die Bezugnahme zur Lebenswelt der Kinder. In der Fortbildung wurde auf diese drei Phasen Anbieten, Erarbeiten, Festigen und die gezielte Auswahl eines wortartenreichen Wortschatzes Wert gelegt. Als Merksatz wurde „Ich wähle zwei bis drei neue Wörter zu einer Bilderbuchgeschichte aus und verwende diese Wörter bewusst viele Male“ mitgegeben. 2.3 Sprachförderstrategie „Modellieren“ Die Strategie des Modellierens bezieht sich auf sprachförderliche Reaktionen der Erwachsenen und umfasst den kindlichen Äußerungen nachfolgende Reaktionen, die das vom Kind Gesagte aufgreifen und verbessern, erweitern oder ergänzen (Dannenbauer, 2002; Motsch, 2010). Das Kind erhält dabei wichtige Informationen auf der Ebene der Morphologie, Syntax, Semantik und Phonologie. Für eine positive Wirkung auf den Spracherwerb ist es wesentlich, dass der Inhalt der Äußerung des Kindes und damit die Kommunikation im Zentrum bleiben, damit die Sprechfreude des Kindes nicht durch den Fokus auf Korrektur gemindert wird (Weitzman, Girolametto, & Greenberg, 2006). Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 419 In der Fortbildung wurden drei Formen zur Strategie Modellieren trainiert: das korrektive Feedback, die inhaltliche Erweiterung (Extension) und die Erweiterung des Satzes (Expansion). Die Frühpädagoginnen wurden darauf aufmerksam gemacht, dass die direkte Korrektur oder das Nachsprechen lassen ungeeignete Reaktionen sind. Auch bietet eine bloße Wiederholung im Stil eines Echos wenig Anregung. Als Merksatz wurde formuliert: „Ich signalisiere dem Kind, dass ich es inhaltlich verstanden habe, und wiederhole die Aussage des Kindes in korrekter oder erweiterter Form.“ 2.4 Sprachförderstrategie „Fragen“ Fragen sind ein typisches pädagogisches Interaktionsmuster und können als Anregung und Werkzeug zur Sprachförderung dienen (Dannenbauer, 2002). Häufig wird angenommen, dass sich sogenannte offene Fragen besser eignen (SirajBlatchford & Manni, 2008; Briedigkeit, 2011). Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass die Fragen der Fachkräfte und die Antworten der Kinder in einer Wechselbeziehung stehen (Schönfelder, 2014). Die Formulierung der Frage kann sprachförderlich dem Sprachentwicklungsstand des Kindes angepasst werden (Meibauer, 2008). Der Merksatz für Fragen lautet entsprechend: „Für gemeinsame Gespräche plane ich Fragen sorgfältig. Ich formuliere geschlossene, geöffnete und offene Fragen, um alle Kinder sprachlich zu erreichen.“ In der Fortbildung wurden die Frühpädagoginnen auch auf die Bedeutung der gestuften Ergänzungsfrage aufmerksam gemacht (Schönfelder, 2014) um den Spracherwerb eines Kindes, das in seiner (grammatikalischen) Sprachentwicklung noch wenig weit ist, adaptiv zu unterstützen. Beispielsweise fragt die Frühpädagogin nicht nur: „Wo sitzt der Vogel?“ (nur W-Wort), sondern fragt mithilfe von W-Wort + Präposition: „Worauf sitzt der Vogel?“ (W-Wort + Präposition) oder „Auf was sitzt der Vogel?“ (Präpositionaleinstieg). So wird die geforderte Präposition bereits in der Frage als Hilfestellung angeboten. Diese Sprachförderstrategien können alle in den Interaktionen im Alltag integriert werden, um den Spracherwerb der Kinder zu unterstützen. Es gilt darum, in der Fortbildung die Kompetenzen der frühpädagogischen Fachkräfte so zu erweitern, so dass sie diese Strategien häufiger, in geeigneten Momenten des Alltags und qualitativ besser einsetzen können. Bezugnehmend auf das Rahmenmodell für Professionsforschung in der Frühpädagogik (Mischo & Fröhlich-Gildhoff, 2011) wird im Forschungsprojekt „Sprachförderung im Alltag“ ein „Angebot zur Professionalisierung“ in seiner Wirkung auf das „Wissen, die Kompetenzen, Einstellungen der Fachkraft“ einerseits und auf das „Verhalten in der Institution, als Interaktionsangebote z. B. für Kinder“ untersucht. Für diesen Beitrag fokussieren wir jedoch ausschließlich auf die Wirkungen auf das Verhalten der Fachkraft. 420 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald 3 Methoden 3.1 Design Für die Forschungsfrage, ob sich die Sprachförderung im Alltag der Frühpädagoginnen durch eine Fortbildung nachhaltig verändern lässt, eignet sich am besten eine videobasierte Beobachtung im Prä-Post-Design; damit kann die pädagogische Umsetzung im realen Kontext, und nicht nur Wissen und Einstellungen erfasst werden. Ideal wäre ein quasi-experimentelles Design mit Interventionsgruppe und Kontrollgruppe. Dies war jedoch in diesem Projekt aus Ressourcengründen nicht möglich. 3.2 Stichprobe Für das Forschungsprojekt wurden über Ausschreibung sowie durch direkte Anfrage bei Einrichtungen Teilnehmende gesucht. Die Teilnehmerinnen waren informiert, dass es im Projekt um Sprachförderung im Alltag geht und sie eine zweitägige, länderübergreifende Fortbildung sowie einen vertiefenden regionalen Begleitnachmittag erhalten werden. Die Stichprobe umfasst 45 Frühpädagoginnen: 12 Erzieherinnen aus Kitas in Deutschland, 11 Kindergartenlehrpersonen aus der Schweiz und 22 Spielgruppenleiterinnen aus der Schweiz. Die Erzieherinnen und Kindergartenlehrpersonen sind fast alle zu über 50 % oder zu einem Vollpensum angestellt, während die Spielgruppenleiterinnen zumeist weniger als 50 % in der Spielgruppe tätig sind. In Bezug auf die Berufserfahrung unterscheiden sich die Berufsgruppen nicht, der Median liegt bei –sechs bis zehn Jahren. Die Kinder sind in der Spielgruppe zwischen drei und fünf Jahre alt, in der Kita in Deutschland zwischen drei und sieben Jahre und im Schweizer Kindergarten zwischen sechs und sieben Jahre. Zur Gruppengröße wurde für die Kitas ein Mittelwert von 23 Kindern (SD = 10), für die Kindergärten von 19 (SD = 4) und für die Spielgruppe von 10 (SD = 3) angegeben, die Einrichtungen unterscheiden sich diesbezüglich signifikant (F = 12.363; df = 2, p = .000). 3.3 Erhebung und Analyse der Videodaten Jede Frühpädagogin wurde zweimal, vor der Fortbildung im Mai/Juni 2012 sowie vier Monate danach (Januar/Februar 2013), an je einem Halbtag in ihrer Einrichtung besucht und gefilmt, die Fortbildung fand im September 2012 statt. Die Frühpädagoginnen wurden gebeten, den Halbtag wie gewohnt zu gestalten, jedoch vorzusehen, ein selbstgewähltes Fokuskind in einer Gruppe oder in der Einszu-eins-Interaktion sprachlich zu fördern und im Verlauf des Halbtags eine Aktivität mit einem Buch oder Bilderbuch zu integrieren. Die Kamera folgte der Frühpädagogin, diese trug ein Funkmikrofon. Das gesamte Videomaterial (zwei Besuche je Fachkraft, jeweils 1,5 bis 3 Stunden Dauer) wurde in einer Grobstrukturierung Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 421 gesichtet. Dafür wurden die Aktivitäten erfasst (Erzählrunde, Bilderbuch, Rollenspiel, Frühstück etc.) sowie sprachliche Interaktionen der Frühpädagogin mit einem Kind oder einer Kleingruppe mit drei oder mehr Beiträgen der Frühpädagogin zum gleichen Thema markiert. Auf der Basis dieser Grobstrukturierung wurden für jede Fachkraft für jeden Erhebungszeitpunkt drei Sequenzen von 15 Minuten Länge ausgewählt, die die größte Häufung von Interaktionen der Frühpädagogin aufwiesen. Die drei ausgewählten Sequenzen umfassten eine offene Sequenz, beispielsweise eine Freispielphase, eine strukturierte Sequenz wie ein Kreisgespräch oder ein Regelspiel und eine Sequenz mit einem Bilderbuch. Diese Videos aus systematisch ausgewählten 45 Minuten für jede Fachkraft wurden mit MaxQDa einer Detailanalyse mit einem den Strategien entsprechenden Kategoriensystem (Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder, Zumwald & Reichmann, 2015) unterzogen. Die Analyse basiert auf Event-Sampling (Ostrov & Hart, 2013): Immer, wenn eine Frühpädagogin eine Strategie einsetzte, wurde die Sequenz im Video genau markiert und der Sprachförderstrategie und den zutreffenden Unterkategorien zugeordnet. Eine Sequenz konnte auch mehreren Strategien zugeordnet werden: Beispielsweise kann die Fachkraft innerhalb eines längeren Dialogs mit einem Kind, welcher für Dialog kategorisiert wird, etwas vom Kind Gesagtes aufnehmen und in korrektivem Feedback modellieren und dem Kind in der Weiterführung des Dialogs eine Frage stellen. Die Kategorisierung wurde für jede Strategie separat bei mindestens 10 % der Videos auf Interrater-Übereinstimmung hin durch For2 schende und Hilfskräfte überprüft . Die prozentuale Übereinstimmung beträgt für die Strategie Dialog 77 %, für die Unterkategorien der Wortschatzförderung 71 %, für Modellieren 70 % und für die Fragen 81 %. Die Kategorien wurden aus MaxQDa exportiert und mit Hilfe von SPSS analysiert. Alle aus der Videoanalyse extrahierten Variablen beziehungsweise die Differenzen zwischen den Testzeitpunkten (Field, 2009) wurden mittels des Kolmogorov-Smirnov-Tests auf Normalverteilung überprüft. Alle hier diskutierten Variablen, mit Ausnahme einer Unterkategorie zu Fragen, sind normalverteilt. Damit konnte für den Vergleich zwischen Testzeitpunkt 1, vor der Intervention, und Testzeitpunkt 2, nach der Intervention, ein t-Test für verbundene Stichproben durchgeführt werden. Zur Überprüfung, ob sich die angewandten Sprachförderstrategien nach Gruppenzugehörigkeit unterscheiden, diente eine ANOVA. Zudem wurde mit Hilfe des generellen linearen Modells für Messwiederholung überprüft, ob sich die im 2 Wir danken den Praktikantinnen des Master early childhood studies für ihre Mitarbeit bei der Kodierung des Videomaterials: Lena Hollenstein, Sarah Kaye, Susanne Mock Tributsch, Karine Müller, Monika Schwitter und Silvia Suter. 422 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald Praxisalltag gezeigte Sprachförderung in den drei Gruppen zwischen Vor- und Nachtest unterschiedlich entwickelten (Interaktion Zeit * Gruppe). Drei Forschungsfragen stehen im Mittelpunkt dieser Analyse: (i) Inwieweit zeigt sich eine Veränderung zwischen der vor der Fortbildung gezeigten Sprachförderung und der danach gezeigten Sprachförderung im Alltag in Bezug auf die Häufigkeit der angewandten Strategien? (ii) Inwieweit zeigt sich eine Veränderung (vor- und nachher) in Bezug auf für die Qualität der Umsetzung der Sprachförderstrategien? (iii) Gibt es Unterschiede zwischen den drei Kontexten und Berufsgruppen, nämlich zwischen Kita in Deutschland, Kindergarten in der Schweiz und Spielgruppe in der Schweiz? 4 Ergebnisse Für jede Strategie werden die Ergebnisse der Stichprobe, Gesamtstichprobe und der Vergleich für die drei Institutionskontexte (Kita/Kindergarten in Deutschland, Kindergarten in der Schweiz, Spielgruppe in der Schweiz) berichtet. Für jede der Strategien wird die Häufigkeit insgesamt sowie zwei Unterkategorien referiert, die ausgewählt wurden, weil sie auf der Basis der Forschungsliteratur als besonders wichtig für diese Sprachförderstrategie gelten und entsprechend in der Fortbildung hervorgehoben wurden. Es kann vorausgeschickt werden, dass sich bei keiner der Strategien die drei Berufsgruppen unterschiedlich entwickelten, keine Signifikanzen in der Prüfung der Interaktion von Gruppe und Zeit. 4.1 Ergebnisse „Im Dialog‟ Als Dialog im Sinne des „sustained shared thinking“ wurde eine Sequenz dann kategorisiert, wenn ein eigenständiger Beitrag des Kindes vorkommt und sie zumindest die Form A-B-A-B hat. Durchschnittlich kommen in den 45 Minuten pro Fachkraft zu T1 23 solcher Dialogsequenzen vor, die total ca. 12 Minuten ausmachen, zu T2 27 Dialoge mit 15 Minuten Dauer. Die Zunahme ist signifikant (Mt1 = 23.20; Mt2 = 27.22; t = 2.457, df = 44, p = .018) (Tabelle 1). Die einzelnen Dialogsequenzen sind dabei sehr kurz. 80 % dauern weniger als eine Minute an. Die drei Berufsgruppen unterscheiden sich zu T1 und T2 in keiner der untersuchten Kategorien. Als Merkmal für die Qualität der Dialoge wird überprüft, inwieweit die Frühpädagoginnen die Themen der Kinder aufnehmen. Die Zahl der Dialoge, die vom Kind initiiert wurden, nahm zwischen Prä- und Post-Test signifikant zu (Mt1 = 14.11, Mt2 = 16.98, t = 2.318, df = 44, p = .025), jedoch nicht die Zahl der erwachsenen-initiierten Dialoge. Insgesamt beginnen 60 % der Dialoge mit einer Themensetzung des Kindes. Als weiteres Qualitätsmerkmal wird die Dauer der Dialoge betrachtet. Auch hier zeigt sich zwischen Prä- und Post-Test eine signifikante Zunahme in der Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 423 Gesamtstichprobe: (Mt1 = 745.60s, Mt2 = 907.53s, t = 2.6551, df = 44, p = .011) (Tabelle 1). Tabelle 1: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) in der Gesamtstichprobe und nach Berufsgruppen zur Sprachförderstrategie „im Dialog mit Kindern‟, Vergleich zwischen Prä-Test (T1, Mai/Juni 2012) und Post-Test (T2, Jan/Feb 2013) Mittelwerte und Standardabweichungen zur Sprachförderstrategie „im Dialog mit Kindern‟ Kita Erzieherinnen D Kindergartenlehrpersonen CH n = 12 n = 11 T1 T2 T1 Spielgruppenleiterinnen CH Insgesamt N = 45 n = 22 T2 T1 T2 T1 T2 23.09 (9.73) 25.77 (10.59) 28.55 (14.61) 23.20*1 (10.405) 27.22*1 (12.571) 15.59 (7.37) 18.05 (10.81) 14.11*2 16.98*2 (9.70) Variable: Anzahl Dialoge 23.75 (10.15) 28.58 (10.77) 17.45 (8.75) Variable: Anzahl Dialoge Kind-initiiert 14.75 (7.55) 16.75 (10.04) 10.45 (6.41) 15.09 (7.18) (7.35) Variable: Länge der Dialoge insgesamt in s 702 972 (360) (57) 576 (372) 781 (373) 854 (495) 935 (492) 746*3 (441) 908*3 (453) Anmerkungen: *1 t-test t = 2.457, df = 44, p = .018; *2 t-Test, t = 2.318, df = 44, p = .025; *3 t-Test, t = 2.6551, df = 44, p = .011 4.2 Ergebnisse „Wortschatz‟ In den 45 Minuten werden durchschnittlich 24 Wörter zu T1 und 36 Wörter zu T2 angeboten, erarbeitet und gefestigt (Tabelle 2). Diese Zunahme ist signifikant (t = 5.854, df = 44, p = .000). Als Qualitätsmerkmal wird untersucht, ob die Frühpädagoginnen die Wortschatzförderung stärken, indem sie mit einem Wort mehrere Unterkategorien realisieren wie beispielsweise erklären, mit Gestik verdeutlichen oder in Bezug zur Lebenswelt setzen. Hier ist eine eindeutige Zunahme zu verzeichnen (Mt1 = 72.62, Mt2 = 108.27, t = 5.258, df = 44, p = .000). Als weiteres Qualitätsmerkmal im Bereich Wortschatz wird evaluiert, ob die Frühpädago- 424 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald ginnen nach der Fortbildung stärker darauf achten, nicht nur Nomen, sondern auch Verben und Adjektive und weitere Wortarten anzubieten. Zu diesem Qualitätsaspekt zeigt sich eine starke signifikante Zunahme (Mt1 = 9.93, Mt2 = 17.29, t = 5.811, df = 44, p = .000). Zu t1 gibt es Unterschiede zwischen den Gruppen, die Spielgruppenleiterinnen weisen höhere Werte auf. Tabelle 2: Ergebnisse Sprachförderstrategie „Wortschatz‟ Mittelwerte und Standardabweichungen zur Sprachförderstrategie “Wortschatz“ Kita Erzieherinnen D n = 12 T1 T2 Kindergartenlehrpersonen CH Spielgruppenleiterinnen CH n = 11 n = 22 T1 Insgesamt N = 45 T2 T1 T2 T1 T2 32.45 (19.04) 28.59*4 (14.04) 39.73 (17.23) 23.51 *1 (12.02) 35.76 *1 (17.73) 117.77 (54.95) 72.62*2 (38.28) 108.27 *2 (55.82) 20.23 (11.95) 9.93 *3 (5.98) 17.29 *3 (10.56) Variable: Anzahl Wörter 19.33 (5.96) 31.50 (17.28) 17.91*4 (8.43) Variable: Gesamtzahl der Unterkategorien der Wortschatzförderung 59.00 (17.75) 99.58 (57.48) 56.18 (27.75) 98.73 (57.84) 88.27 (45.11) Variable: Anzahl Unterkategorie verschiedene Wortarten 7.33 (4.52) 13.92 (10.14) 8.00 (5.16) 15.09 (6.30) 1 12.32 (6.32) 2 3 Anmerkungen: * t-test t = 5.854, df = 44, p = .000; * t-Test t = 5.258, df = 44, p = .000; * t-Test t = 5.811, df = 44, p = .000; *4 ANOVA Posthoc Bonferroni p = .039 4.3 Ergebnisse „Modellieren‟ Für die Strategie des Modellierens werden angemessene Reaktionen (Expansion, Extension, reine Umformung sowie korrektives Feedback) und unangemessene Reaktionen (direkte Korrektur und bloßes Wiederholen) unterschieden. Für die angemessenen Reaktionen zeigt sich eine marginal signifikante Zunahme der Häufigkeit der Anwendung dieser Strategie (Mt1 = 57.23, Mt2 = 67.76, t = 1.780, df = 44, p = .082) (Tabelle 3). Während der ausgewählten 45 Minuten wird durchschnittlich jede Minute modelliert. Dabei entfällt der größte Teil des Modellierens auf Expansion und Extension, dies nimmt nach der Fortbildung signifikant zu Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 425 (Mt1 = 44.98, Mt2 = 54.73, t = 2.264, df = 44, p = .029). Bei einem Fünftel des Modellierens handelt es sich um ein korrektives Feedback, es ist keine Zunahme zu verzeichnen. Die Gruppen unterscheiden sich kaum, die Frühpädagoginnen in der Spielgruppe modellieren zu T1 häufiger als die Schweizer Kindergarten-Lehrpersonen. Tabelle 3: Ergebnisse Sprachförderstrategie „Modellieren‟ Mittelwerte und Standardabweichungen zur Sprachförderstrategie „Modellieren‟ Kita Erzieherinnen D n = 12 T1 T2 Kindergartenlehrpersonen CH Spielgruppenleiterinnen CH n = 11 n = 22 T1 T2 T1 Insgesamt N = 45 T2 T1 T2 73.91 (40.63) 57.53 *1 (34.30) 67.76 *1 (43.55) 52.09 (28.06) 58.50 (31.92) 44.98 *2 (25.24) 54.73 *2 (30.88) 15.18 (9.91) 15.41 (10.66) 12.56 (11.15) 13.02 (14.55) Variable: Modellierung angemessene Reaktion total 59.33 (36.62) 73.83 (58.75) 36.09*3 (13.82) 48.82 (23.62) 67.27*3 (36.47) Variable: Modellierung Expansion und Extension 46.00 (23.65) 58.83 (35.83) 29.64 (12.72) 42.73 (20.84) Variable: Modellierung korrektives Feedback 13.33 (15.63) 15.00 (23.46) 6.45 (3.88) 6.09 (4.11) Anmerkungen: *1 t-test t = 1.780, df = 44, p = .082; *2 t-test t = 2.264, df = 44, p = .029; *3 ANOVA, Posthoc Bonferroni p= .039 4.4 Ergebnisse „Fragen“ Fragen machen einen großen Teil der Interaktionen der Frühpädagoginnen mit den Kindern aus, durchschnittlich stellen sie etwas mehr als zwei Fragen pro Minute. Zwischen den Testzeitpunkten besteht kein Unterschied hinsichtlich der Anzahl der Fragen (Tabelle 4). Ergänzungsfragen und Entscheidungsfragen machen den größten Anteil der Fragen aus. In der Fortbildung wurde besonders darauf Wert gelegt, die Struktur der Fragen dem Sprachstand der Kinder anzupassen. Diese Auswertungen sind jedoch noch in Arbeit. Die in der Fortbildung thematisierte Möglichkeit der gestuften Ergänzungsfrage (W-Wort + Präposition und 426 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald Präpositionaleinstieg) kommt sehr selten vor, ein Viertel verwendet diese Formen überhaupt nicht, ein Drittel ein- oder zweimal. Tabelle 4: Ergebnisse „Sprachstrategie Fragen“ Mittelwerte und Standardabweichungen zur Sprachförderstrategie „Fragen‟ Kita Erzieherinnen D n = 12 T1 T2 Kindergartenlehrpersonen CH Spielgruppenleiterinnen CH n = 11 n = 22 T1 Insgesamt N = 45 T2 T1 T2 T1 T2 109.82 (30.12) 104.64 (33.06) 117.00 *1 (29.52) 98.04 (33.98) 104.82 (35.42) 7.55 (3.78) 10.49 (7.15) 9.33 (5.74) Variable: Anzahl Fragen 90.56 (38.27) 77.92 *1 (37.65) 93.00 (31.36) Variable: Frageform Interrogative Adverbien W-Wort 12.75 (8.36) 9.83 (6.25) 12.45 (6.47) 12.36 (7.39) 8.27 (6.36) Variable: Frageform Interrogative Adverbien mit W-Wort und Präpositionseinstieg 3.33 (2.46) 2.17 (2.17) 2.00 (1.95) 2.91 (2.07) 1.73 (1.88) 2.59 (2.95) 2.22 (2.13) 2.56 (2.53) Anmerkungen: *1 ANOVA F = 5.975, df = 2, p = .005, Bonferroni Posthoc p = .004 5 Diskussion Die Professionalisierungsmaßnahme zeigt mehrheitlich die intendierten Effekte und wird in der Praxis umgesetzt: Die Frühpädagoginnen setzen mehr Sprachförderstrategien ein, insbesondere Dialoge, Wortschatz und Modellieren. Sie setzen auch jene Aspekte der Sprachförderstrategien vermehrt ein, die als besonders wirksam gelten: So werden die Dialoge nicht nur häufiger, sondern auch länger und die Kind-initiierten Dialoge nehmen zu. Es wird mehr Wortschatzförderung in Alltagssituationen umgesetzt, dabei werden die Worte vielfältiger und vermehrt erläutert und gefestigt und es werden vermehrt verschiedene Wortarten angeboten. Es wird häufiger modelliert und dabei stärker erweitert. Daneben zeigen sich in einzelnen Unterbereichen keine Veränderungen, so beim korrektiven Feedback und bei der gestuften Ergänzungsfrage. Es ist insgesamt Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung 427 nicht gelungen, das Repertoire der Frühpädagoginnen mit unterstützenden Frageformulierungen zu erweitern. Dass die Fortbildung signifikante Effekte in vielen der Sprachförderstrategien im Alltag zeigt, ist bemerkenswert, schließlich beruhen die Daten auf videobasierte Beobachtung und nicht auf Selbsteinschätzungen: Veränderungen im Verhalten in der Interaktion mit dem Kind im pädagogischen Alltag sind anspruchsvoll. Auf zwei wesentliche methodische Limitationen muss nochmals hingewiesen werden: Zum einen fehlt eine (Warte-)Kontrollgruppe, zum andern konnte die Wirkung auf der Ebene der Kinder nicht untersucht werden. Auf Grund der zeitlichen Anlage der Studie kann davon ausgegangen werden, dass die Nutzung der anspruchsvolleren Strategien wie beispielsweise längere Dialoge und eine höhere Anzahl spezifischer Wörter nicht mit dem Alter der Kinder zusammenhängt. Im Gegenteil: die Frühpädagoginnen arbeiteten zu Testzeitpunkt 1 mit etwas älteren Kindern im Mai/Juni als zu Testzeitpunkt 2 im Januar/Februar. Die Effekte der Fortbildung sind deshalb nicht zu unterschätzen. Insgesamt unterscheidet sich der Einsatz der Sprachförderstrategien nur in einzelnen Aspekten zwischen den drei Settings. Die Unterschiede, die hier berichtet wurden, zeigen wiederholt einen erhöhten Einsatz im Setting der Spielgruppen, besonders auch im Vergleich zum Schweizer Kindergarten. Weitere Untersuchungen sind nötig, um die Zusammenhänge zwischen professionellen Kompetenzen, Ausbildung, Alter der Kinder, Größe der Kindergruppe jedoch auch Gestaltung des Lehr-Lernarrangements in Bezug auf die Sprachförderung im Alltag zu klären. Die Fortbildung hatte zum Ziel, die Sprachförderung im Alltag dreier unterschiedlicher Settings zu stärken. Dies ist insgesamt gelungen: Die Frühpädagoginnen haben nach der Fortbildung die Strategien der Sprachförderung im Alltag stärker in ihre Alltagspraxis integriert, sei dies in der Kita, im Kindergarten oder in der Spielgruppe. Literatur Beckerle, C., Kucharz, D. & Mackowiak, K. (2012). Durchgängige Sprachförderung in Kindergarten und Grundschule. 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Professionalization for integrated language support in nursery, kindergarten and playgroup: video-based analysis for the changeability of competencies Fostering language acquisition is one of the main goals for early childhood education. Fostering language acquisition integrated in daily interactions has proven most effective, but also requires high levels of professional competency. The intervention study presented here included as professional development a training course of two and a half days for early childhood educators working in nurseries in Germany, as well as in kindergarten and playgroups in Switzerland (n = 45). Based on the literature, strategies for fostering language acquisition were chosen, such as dialogue as in sustained shared thinking, fostering of vocabulary, modelling and using questions adaptively. The language fostering competence of the early childhood educators was examined twice (pre- and post-test) using video capturing their practice in the nursery, kindergarten or playgroup. The analysis shows that the intervention has lasting effects: the early childhood educators implement the strategies of language fostering more often, in particular those strategies, which are relevant for the quality of language fostering. No differences were found between Swiss and German educators or between the three differing professional groups. Keywords: early childhood education – language acquisition – professionalization – video study 430 Vogt, Löffler, Haid, Itel, Schönfelder & Zumwald Autorinnen Prof. Dr. Franziska Vogt, Leiterin Institut Lehr- und Lernforschung, Pädagogische Hochschule St. Gallen, Prof. Dr. Cordula Löffler, Dekanin, Pädagogische Hochschule Weingarten, Prof. Dr. Andrea Haid, Leiterin der Abteilung Forschung & Entwicklung an der Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach, MA Nadine Itel, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Pädagogische Hochschule St. Gallen, Mandy Schönfelder, wissenschaftliche Mitarbeiterin Pädagogische Hochschule Weingarten, Prof. Dr. Bea Zumwald, Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, Pädagogische Hochschule St. Gallen. Korrespondenz an: [email protected]