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Rationalität Und Moralbegründung

Rationalität und Moralbegründung

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  506 Sechste Diskussionseinheit / Sixth.Discussion Unit  EWE 17(2006)4 verbieten; denn während hinsichtlich der Güter die überwäl-tigende Vielfalt subjektiver Interessen kaum zu harmonisie-ren ist, herrscht bezüglich der Übel wie gesagt beträchtlicheÜbereinstimmung. 8 So kann man auf der Beurteilungsebeneverbindliche Regeln einer Minimalmoral rational überzeu-gend begründen, ohne in die Falle einer paternalistischenÜbervernunft zu geraten. Man kann dann, in HoerstersRedeweise, erklären, dass alle Menschen an der Regelbefol-gung ein wahres Interesse haben - und gleichzeitig einräu-men, dass einzelne Menschen häufig auch Interessen präfe-rieren, die mit den wahren Interessen aller Menschen nichtübereinstimmen.«(11)) Die Moralbegründung, die ich hier nur sehr knapphabe andeuten können, ist aber, ich wiederhole es, nur auf der Beurteilungsebene überzeugend. Auf der Handlungsebenedagegen herrscht, wenn überhaupt,9 die pragmatische Ratio-nalität, und da stellt sich der Moralpolitik die unerfreulicheHerausforderung, dass es llir einen Handelnden oft genugzweckrational ist, gegen eine moralische Regel zu verstossen.Solchen Regelverstössen kann die kognitive Rationalität der Moralphilosophie grundsätzlich nicht beikommen. Die ein-zigen Instrumente, mit denen Verstösse gegen moralischeRegeln in Grenzen gehalten werden können, sind die vonHoerster bereits erwähnten Sanktionen, besonders auch dierechtlichen, sowie die Internalisierung moralischer Regelndurch eine entschiedene Moralerziehung der Heranwachsen-den. Solche Moralerziehung aber wird umso überzeugender und wirksamer sein, je konsequenter sie sich auf die kogni-tiv-rational begründbare Minimalmoral konzentriert.«12)) Das hat kein geringerer als Aristoteles schon gewusst."Die Vielen zu edler Wesensbildung anzuregen, dazu scheintes [das gesprochene Wort] nicht imstande zu sein. [... ] Daher muss schon die früheste Erziehung [... ] festgelegt werdendurch das Gesetz; [... ] denn die Vielen beugen sich eher demZwang als dem Wort und eher der Strafe als dem Vorbildedlen Handeins" . 10 Anmerkungen I Allerdings versuchen militante Tabakgegner das Rauchen dadurchzu moralisieren, dass sie unter Aufbietung abenteuerlicher statistischer Schätzungen eine angebliche langfristige Schädigung von Nichtrauchernzu unterstellen versuchen (Stichwort "Passivrauchen"). In dieser Frage tobtein höchst emotionsgeladener und z.T. pseudowissenschaftlicher Meinungs-streit. (Auf den entsprechenden Artikel im Internet-Lexikon "Wikipedia"wage ich gar nicht erst hinzuweisen, weil er sozusagen täglich immer wie-der von Glaubenskriegern manipuliert wird.)2 Marcuse, H.: Der eindimensionale Mensch (1964), dtsch. NeuwiedlBerlin 1967, 15tf; vgl. Moser, S., G. Ropohl u. W.Ch. Zimmerli (Hg.): Die"wahren" Bedürfnisse, Basel/Stuttgart 1978.3 Vgl. mein Buch: Ethik und Technikbewertung, FrankfurtIM 1996, 151;mit dieser Bezeichnung akzentuiere ich die Alltäglichkeit des Phänomens.4 Zur Unterscheidung von kognitiver und pragmatischer Rationalität vgl.meinen Aufsatz: Rationalität und Allgemeine Systemtheorie, in: Zugängezur Rationalität der Zukunft, hg. v. N.C. Karafyllis u. J.C. Schmidt, Stutt-gart/Weimar 2002,113-137.5 Mehr dazu in meinem Buch: Ethik und Technikbewertung, a.a.O., bes.150tfund 308tf.6 Albert, H.: Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1968, bes. II tf.7 Rawls, J.: Eine Theorie der Gerechtigkeit (1971), dtsch. FrankfurtIM1979, bes. I59tf.8 Gert, B.: Die moralischen Regeln (1966), dtsch. Frankfurt/M 1983.Hoerster führt dieses Buch im Literaturverzeichnis an, doch vermag ichnicht zu erkennen, in wie weit er es benutzt hat.9 Bekanntlich pflegen sich Philosophen übertriebene Vorstellungen vonder Verbreitung menschlicher Rationalität zu machen.10 Aristoteles: Nikomachische Ethik (ca. -330), 1179b.AdresseProf. Dr.-Ing. Günter Ropohl, Kelterstr. 34, 0-76227 Karlsruhe Rationalität  und  Moralbegründung Neil Roughley«1)) Norbert Hoersters Artikel besticht durch seine Klarheitund Konsistenz. Wo man durch konsistentes Denken hin-kommt, hängt natürlich davon ab, von welchen Vorausset-zungen man ausgeht. Hoerster baut eine entscheidende An-nahme in seiner Definition von Ethik ein. Obwohl sie sich ineine Tradition einreiht, die in der Philosophie seit Sokratessehr einflussreich ist, ist sie nicht selbstverständlich.«2)) Für Hoerster ist es klar, dass die Ethik moralischesHandeln als eine  Spezies rationalen Handeins  untersucht[«(I))]. Entsprechend sieht er es als die zentrale Zielsetzung jeder Ethik zu zeigen, dass die Zustimmung zu bestimmtenMoralnormen "für das Individuum rational" ist [«8))]. Undda Rationalität inder Realisierung von "Interessen" der betref-fenden Individuen - in moralrelevanten Fällen durch dieAk-zeptanz einer Handlungsnorm - besteht [«7)), «8))], zieltdie Ethik auf den Nachweis, dass die Akzeptanz bestimmter  Normen im Interesse Einzelner ist. Hoerster versucht inzwei Schritten dieses Ziel zu erreichen. Zunächst argumen-tiert er, dass es im Interesse einzelner Individuen ist, dass bestimmte Moralnormen "soziale Geltung" besitzen, bevor er im zweiten Schritt behauptet, dass es auch im Interesse der  betreffenden Individuen ist, selber diese Normen zu akzep-tieren [«25))]. Hoerster zufolge sind moralische Normenallgemein adressierte Verhaltensaufforderungen [«(lI » , «9))], die soziale Geltung haben, wenn sie von der Mehrheiteiner Gesellschaft [«(14))] vertreten, internalisiert und alsunbedingten Grund angesehen werden [«13))]. Interessenwiederum sind faktische oder kontrafaktische Wünsche, dieden Test einer kognitiven Reinigung unter Bedingungen hin-reichender Informiertheit und "Urteilsfahigkeit" bestehen[«3))].«3)) Hoersters Moralphilosophie ist mit dem Hobbes'schenKontraktualismus eng verwandt. Erstens zielen beide Kon-zeptionen auf die Begründung von Normen innerhalb parti-kularer Gemeinschaften; und zweitens heißt dabei fur bei-de "begründen": zeigen, dass die Akzeptanz der relevanten Normen llir betroffene Individuen rational ist. Allerdings hatHoersters Konzeption der NormbegrUndung eine wichtige Be-sonderheit. Das sieht man, wenn man seinen Vorschlag mitder vertragstheoretischen Standardkonzeption vergleicht.«4)) Aus vertragstheoretischer Sicht gilt eine Nonn dann  EWE (vormals / previously EuS) 17(2006)4 Kritik / Critique 507als für Akteure A und B begründet - und dadurch legitim-, wenn es für A und B rational ist,  gegenüber dem jeweilsanderen Akteur   der Norm zuzustimmen. Dabei bemisst sichdie Rationalität einer solcher hypothetischen Zustimmungs-handlung für A daran, dass es ihm mehr nützt, sich in denrelevanten Handlungsweisen gegenüber B einzuschränken,wenn B sich entsprechend einschränkt, als es A nützen wür-de, keine solchen Einschränkungen auf sich zu nehmen,wenn B auch die betreffende Handlungsoption weiterhin un-eingeschränkt wahrnehmen kann. Ob das der Fall ist, hängtdavon ab, 1) dass A und B für sich ungefähr das Gleichewollen, 2) dass A und B ungefähr gleich mächtig sind und,3) dass A und B so viel miteinander zu tun haben, dass ihre jeweilige Wunschbefriedigung Wunschfrustrationen der je-weils anderen Person mit sich bringen kann.((5)) Gilt eine dieser Bedingungen nicht, so kommt keineentsprechende Norm zustande und die Gemeinschaft bleibt,zumindest in Bezug auf die fragliche Handlungsweise, im"Naturzustand". Ist A Tierliebhaber, B aber Tierquäler, sowird in der Frage der Behandlung von Tieren kein normkon-stituierender Interessenausgleich (keine hypothetische Ver-einbarung) möglich sein. Ist das Machtgefälle zwischen Aund B so groß, dass A von B rationalerweise gar nichts zu befürchten hat, so wird auch keine Norm zustande kommen,auch keine, die Tötungs- oder Körperverletzungenshandlun-gen betrifft. Leben A und B schließlich so weit von einander entfernt, dass sie für einander keine Bedrohung darstellenkönnen, dann entsteht keine Norm, der beide unterliegen. So-mit gibt es keine Grundlage für normative Urteile As über das Verhalten von B.((6)) In allen drei Punkten scheinen die kontraktualistischenSchlussfolgerungen moralisch inakzeptabel. Erstens glaubenwir nicht, dass für Einzelne nur diejenigen Handlungen mo-ralisch verboten sein können, an deren Unterlassung durchAndere sie selber ein Interesse haben. Zweitens scheint dieMoral gerade da am Wichtigsten, wo der Schutz der Schwä-cheren auf dem Spiel steht. Schließlich gehört es zum Kernunserer moralischen Praxis, Urteile über Handlungen zu fäl-len, die von Personen begangen werden, mit denen wir ausgeographischen oder auch aus historischen Gründen niemalsin Interaktion treten werden.((7)) Hoersters Konzeption der Moralbegründung weichtauf jeden Fall in den ersten zwei Punkten von der geschil-derten kontraktualistischen Konzeption ab. Die Idee der  Normbegründung durch Zustimmung gegenüber dert ~n-deren relevanten Akteuren entfällt. Damit eine Norm als begründet gilt, fordert Hoerster somit nicht, dass alle ihr faktisch Unterliegenden ein Interesse an ihr haben müssen.Statt dessen gilt eine Norm dann als "intersubjektiv begrün-det", wenn eine große Mehrheit einer Gemeinschaft  ("so gut wie  jedermann") sie akzeptiert [((31)) Hervorhebungdurch NR]. Dadurch wird einerseits verhindert, dass ein-zelne Personen mit Sonderwünschen oder besonders vielMacht das Zustandekommen einer Norm torpedieren kön-nen. Andererseits bringt diese Lösung ein Problem fiir Min-derheiten mit sich.((8)) Betrachten wir eine Gesellschaft, die zu 98% ausHeterosexuellen und zu 2% aus Homosexuellen besteht. Nehmen wir an, dass die Heterosexuellen das Verhalten der Homosexuellen abstoßend finden und daher allgemein adres-sierte Aufforderungen von sich geben und internalisieren,denen zufolge homosexuelle Praktiken unterbunden werdenmüssen. Weil schließlich Mehrheitsverhältnisse entscheidendsind, d.h. weil die Nichtzustimmung vereinzelter Individuennormativ irrelevant ist, gibt es in dieser Gesellschaft eine"intersubjektiv begründete" moralische Norm. Natürlich istdie Norm für die Homosexuellen selber nicht begründet. Für die Heterosexuellen darf das anscheinend irrelevant sein. InHoersters Worten: "niemand kann uns verbieten, uns für dieIngeltungssetzungjener Moral- und Rechtsnormen einzuset-zen, die unseren Interessen gemäß sind" [((54))].((9)) Dass die Heterosexuellen den bloßen Wunsch haben,die Homosexuellen auszugrenzen, zeigt aber nicht, so könnteHoerster entgegnen, dass eine solche Ausgrenzung in ihrenInteressen ist. Zuerst müsste dieser Wunsch das kognitiveReinigungsverfahren durchlaufen. Das ist richtig. Allerdingsgibt es gar keine Garantie, dass der Wunsch dieses Verfahrennicht überlebt. Es könnte schon sein, dass, wenn man man-chen der Heterosexuellen klar machen würde, dass es keinevorgegebene Wertordnung gibt, in der Homosexualität weitunten verortet wäre, sie ihren Abscheu aufgeben würden.Bei Anderen mag es aber nicht so sein. Wie genau die Mehr-heitsverhältnisse nach einer solchen Wunschreinigung aus-sehen würden, können wir nicht von vornherein wissen. EineMehrheitsinteressenethik sieht auf jeden Fall die Möglich-keit vor, dass Personen mit zahlenmäßig unterrepräsentiertenInteressen diskriminiert werden.(( I0)) In Hoersters Überlegungen gibt es einen weiteren An-satzpunkt fiir eine andere Konstruktion als die Standardkon-traktualistische. Dieser liegt in seiner Charakterisierungder Spezifizität moralischer Normen durch ihre allgemeineAdressiertheit. Wären moralische Normen als Verhaltensauf-forderungen aufzufassen, die an  alle menschlichen Personen gerichtet sind, so würde auch der dritte in ((6)) oben genann-te Kritikpunkt wegfallen, der den transkulturellen Charakter vieler moralischer Orientierungen einklagt. Dann hätten wir keine begrifflichen Schwierigkeiten mit normativen Aussa-gen über das Verhalten von Personen in entlegenen Kultur-kreisen.((11)) Allerdings spricht wenig dafür, dass sich die von Hoer-ster gemeinte Alladressiertheit tatsächlich auf alle mensch-lichen Personen bezieht. Es ist zwar plausibel, dass mora-lische Normen im Alltagsverständnis so aufgefasst werden.Wenn aber die zentrale Frage der Moralphilosophie die Fra-ge ist, welche Normakzeptanzen rational sind, so darf mansich nicht die Struktur der Normen, deren Rationalität zur Debatte steht, vom Alltagsverständnis vorgeben lassen. Kon-sequenter wäre es, einfach zu fragen, welche sozialen Regelnes rational wäre zu akzeptieren. Diese Frage betrifft nicht nur den  Inhalt   der betreffenden Regel, d.h. welches Verhalten sieverbieten oder fordern, sondern auch deren  Struktur,  d.h.unter anderem  wem  sie es verbieten oder von wem sie esfordern. Es ist nämlich unwahrscheinlich, dass es rationalist, irgendwelche Aufforderungen als "unbedingten Grund"anzusehen, die an alle Menschen adressiert sind.  508 Sechste Diskussionseinheit / Sixth Discussion Unit  EWE 17(2006)4 «12)) Ein weiteres Indiz dafür, dass Hoerster die Idee der Alladressiertheit eingeschränkter verstanden wissen will,ist seine in Klammern gesetzte Ergänzung, der zufolge einemoralische Norm an ,jedermann (bzw. jedermann, der be-stimmte Eigenschaften hat)" adressiert sein muss [«11))].Die relevante Eigenschaft könnte offenbar darin bestehen,Mitglied einer bestimmten Gesellschaft zu sein. Allerdingswäre diese Bestimmung keine, die es erlaubte, moralische Normen von Normen des Rechts zu unterscheiden [«12))].Dieses Verständnis von Alladressiertheit lässt übrigens auchzu, dass moralische Normen nur an Personen mit einer be-stimmten Hautfarbe oder mit einem bestimmten Einkommenoder einem bestimmten sozialen Status adressiert sind. Jenachdem, wie die relevanten Eigenschaften innerhalb einer Gesellschaft verteilt sind, könnte es für die überwiegendeMehrheit auch rational sein, gruppenspezifisch adressierte Normen zu akzeptieren, die gewissen Gesellschaftsschichten bestimmte Privilegien einräumen, wenn sie im Gegenzug dieSchwachen weniger stark ausbeuten. Dabei könnte es unter Umständen auch im Interesse der Schwachen sein, solche Normen zu akzeptieren, wenn dadurch schlimmere Formender Unterdrückung abgewendet werden.«13)) Metaethische Konzeptionen, denen zufolge morali-sche Normen "alladressiert" sind, lassen sich somit auf zweiWeisen verstehen. Einerseits könnten sie starke Partikula-risierungen zulassen. Je nach vorgängiger Macht- und Interak-tionskonstellation könnte die Akzeptanz solcher Normen für die Mehrheit, sogar für die Gesamtheit aller Gemeinschafts-mitglieder rational sein. Andererseits könnte eine einzige Ei-genschaft als für den Adressatenstatus hinreichend angese-hen werden, etwa die Fähigkeit, sich an Aufforderungen han-delnd zu orientieren. Dann hätten moralische Normen einendem Alltagsverständnis entsprechenden genuin universellenCharakter. Ausgehend vom Kriterium der Befriedigung kog-nitiv gereinigter individueller Wünsche lassen sich aber sol-che Normen kaum als rational ausweisen.«14)) Eine rationale Normbegründung, die mit dem einzigenheute plausiblen Rationalitätsbegriff arbeitet, weist also unter Umständen partikulare Normen aus, die die Schwachen undMinderheiten einer Gesellschaft diskriminieren. Angesichtsdieses Ergebnisses stehen uns offenbar zwei Möglichkeitenoffen. Wir können entweder unsere anders lautenden Alltags-verständnisse als irrationale "Intuitionen" streichen, weil wir überzeugt sind, dass der Wert der Rationalität alles andereüberragt. Oder wir können etwas tun, was manchen Philo-sophen als Hochverrat an ihrer eigenen traditionellen Bestim-mung erscheint: den alleinigen Wert der Rationalität in Fragestellen. Adresse PD Dr. Neil Roughley, Universitat Konstanz, Fachbereich Philosophie,Postfach 5560 D 16, D-78475 Konstanz Ist der Verzicht aufs Trittbrettfahren falsch?Peter Schaber «1)) Moralische Normen sind für Norbert Hoerster Normen,die verallgemeinerungsfahig sind (11). Das sind Normendann, wenn die Normadressaten durch allgemeine Beschrei- bungen identifiziert werden können ('Personen, welche dieEigenschaft x haben, sollten h tun') (12). Daraus ergibtsich ein sehr weiter Begriff moralischer Normen. Die Nonn"Man solrgelbe Kissen nie auf rote Sofas legen" erfüllt dasvon Hoerster vorgeschlagene Verallgemeinerungskriterium.Die Norm ist nicht auf einzelne Personen eingeschränkt. Nie-mand sollte je gelbe Kissen auf rote Sofas legen. Auch dieDudennorm, wonach die Wörter 'darüber hinaus' getrenntgeschrieben werden sollen, muss, wenn wir Hoersters Vor-schlag folgen, als moralische Norm angesehen werden; undnicht zuletzt erfullen auch epistemische Normen wie "wer aund b für wahr hält, muss auch c für wahr halten" den vonHoerster vorgeschlagenen Verallgemeinerungstest. Dennauch von epistemischen Normen kann man mit Recht sagen,sie hätten "jedermann [...] als ihren Adressaten" (12). Und sosind wir mit moralischen Fragen an Orten konfrontiert, wowir sie bislang kaum vermutet hätten.«2)) Hoerster hat natürlich andere Normen im Blick, wenner von moralischen Normen redet: Er denkt dabei an dasTötungsverbot oder an "Verbote von Körperverletzung undDiebstahl oder an die Verbote von Versprechensbruch undLüge" (30). Die Geltung solcher Normen ist "ganz offen- bar im Interesse jedes normalen Individuums" (26). Exem- plarisch gilt das nach Hoerster fur das Tötungsverbot: "DasÜberlebensinteresse, wie es die allermeisten Menschen ha- ben, ist nicht blass ein Interesse neben anderen" (27). Ob-wohl es manchmal auch im Interesse eines Individuums seinkann, einen anderen zu töten, erweist sich nach Hoerster dasTötungsverbot als eine Norm, die  "al/es  in  al/ern [...]  im In-teresse" (28) des einzelnen ist.«3)) Man kann davon ausgehen, dass es immer im Interessedes einzelnen ist, von anderen nicht getötet zu werden (wennwir mal von umstrittenen Fällen aktiver Sterbehilfe absehen);es ist allerdings nicht immer im Interesse des einzelnen, dasTöten anderer Menschen zu unterlassen. Es könnte im Inte-resse von Paul sein, seinen gehassten Konkurrenten Hans fiIr immer aus dem Weg zu räumen. Ganz generell gilt: Es ist oftvorteilhaft fur den einzelnen, sich selber nicht an die Normzu halten und ein sog. Trittbrettfahrer zu sein (34). Bedeutetdies nun aber nicht, dass  ''jeder   versuchen wird, seine Mit·menschen [ ...] zu übervorteilen - mit dem Ergebnis, dass die betreffende Norm über kurz oder lang - zum Nachteil aller!- jegliche Geltung und Befolgung einbüsst?" (33). Hoerster meint, dass dies nicht der Fall sei. Es gib seiner Auffassungnach drei gute Gründe, die es für den einzelnen rational ma·ehen, sich  nicht   als Trittbrettfahrer zu verhalten: a) drohendeSanktionen (35), b) die persönliche Integrität (40) und c) dieEinstellung der Fairness (43).«4)) Werden Normverletzungen sanktioniert, zahlt sich dasTrittbrettfahren nicht aus. Trittbrettfahrer setzen aber auch