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Semiotik: Bilder Als Zeichen

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DRAFT Dies ist ein Entwurf für den Text Semiotik. Bilder als Zeichen", der 2014 erschienen ist in Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, hg. v. Stephan Günzel und Dieter Mersch, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar. Semiotik: Bilder als Zeichen Semiotische Theorien des Bildes versuchen das Bild als eine les- oder deutbare, mehr oder minder konventionalisierte Zeichenkonstellation zu verstehen. Insofern decken sich ihre Prämissen mit denen der Bildhermeneutik. Was das Bild zum Bild macht, wird über eine Konzeption des Zeichenhaften geklärt. Vielfach ist die Bildthematik sogar von zentraler Bedeutung für die Semiotik, da auf dem Feld des Bildhaften die Frage nach der Kausalität und Motivation des Zeichens ausgetragen wird. Winfried Nöth (2005, 50) weist zu Recht darauf hin, dass die viel diskutierte Frage, ob Bilder Zeichen seien", nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Zeichenbegriff beantwortet werden kann. Ferner begründet Oliver Scholz (1991, 35) die Zeichenhaftigkeit des Bildes damit, dass zum Bild- Sehen eine Unterscheidung von Bild und Gegenstand erforderlich ist. Für Kritiker der Bildsemiotik, etwa in dekonstruktiven Bildtheorien (vgl. II.7), stellt sich jedoch die Frage, ob das Lesen oder Deuten von Zeichen wirklich den Kern der Bildwahrnehmung oder des Bildverstehens ausmacht. Semiotik schließt stets ein Verständnis von Logik ein. So lässt sich eine Logik des Zeigens' von einer Logik des Sagens' unterscheiden (Mersch 2002, 2005) und entweder als eigenständige Bildlogik hervorheben wie bei Charles S. Peirce (1933-35) oder als abgeleitete Repräsentationsform unter die Norm der Aussagenlogik subsumieren wie bei Nelson Goodman (1995). Die pragmatische Semiotik von Peirce kann mit der syntaktischen Ebene des piktorialen Symbolsystems nach Goodman verbunden werden, das Klaus Sachs- Hombach noch um die semantische Ebene erweitern möchte (2005, 212ff). Sein Projekt einer interdisziplinären Bildwissenschaft lotet diese semiotischen Ebenen des Bildes in verschiedenen Sammelbänden u.a. zu Syntax (1999), Semantik (2000) und Pragmatik (2001) aus. Bildlogik zwischen natürlichen und konventionellen Zeichen In der scholastischen Philosophie wurde die Zeichenhaftigkeit des Bildes implizit in theologischen Kontexten durch Augustinus und Thomas von Aquin behandelt, explizit durch Roger Bacon, der Bilder als natürliche Zeichen auf Grund einer Ähnlichkeitsbeziehung begreift. Im theologischen Kontext ist das Zeichen ein Anzeigendes: Das Bild wirkt durch Ähnlichkeit mit dem Abgebildeten, verstanden als wesenhafte Eigenschaft, die dem Abbildungsverhältnis entspringt. Direkt tangiert diese Auffassung die Ikonenkunst, die etwas darstellt und damit ähnlich macht, was keiner Darstellung fähig ist. In der scholastischen Philosophie wie generell in der Theologie der Westkirche wird diese Problematik umgangen, wohl aber auf die Vorstellung referiert, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes und Christus ein Ebenbild des Vaters' sei. Wird so die göttliche Offenbarung zum Anzeichen der Schöpfung, begründet sich deren Gottähnlichkeit durch den Ursprung des Abbildes im Abgebildeten und fungiert zugleich als Anzeigen dieses Ursprungs. Die Bildthematik betrifft also in der scholastischen Philosophie eine Verbindung des konventionalisierten Zeichens, das in der Aussagenlogik gebraucht wird, um die Verbindung von Ding und Eigenschaft zum Ausdruck zu bringen, und des natürlichen Zeichens, in diesem Fall der Ähnlichkeit, die durch eine metaphysische Basis, durch das Wesen des Menschen, verbürgt wird. Dem entsprechend ist das deutsche Wort Zeichen" dem Zeigen" verwandt und weist schon einen Bezug zur Frage nach dem Bild auf, da das Sehen dessen, was das Bild zeigt, nicht vom Sehen des Bildes als Bild zu trennen ist. Auch in der modernen Semiotik wird die Frage nach Natürlichkeit oder Konventionalität des Zeichens im Rahmen der Bildthematik behandelt. Das Spezifikum der modernen Semiotik, sowohl in der an Peirce anschließenden Tradition von Charles Morris und Umberto Eco als auch in der parallel entstandenen, strukturalistischen Tradition nach Ferdinand de Saussure ist die Erweiterung des Zeichenmodells von zwei auf drei bzw. vier Komponenten. Die dritte Komponente bildet eine interpretatorische Relation, die vierte entsteht durch eine Matrix von Differenzen. Zeichenhaftigkeit soll also nicht länger als Ausdruck einer wesenhaften Eigenschaft verstanden werden, sondern wird selbst als Verweisungsverhältnis gedacht. Denn das Zeichen repräsentiert: Es drückt nicht das Wesen des Bezeichneten aus, sondern seine Bedeutung. Für Saussure ist es das Zeichen selbst, das sich durch die Beziehung zwischen signifiant und signifié konstituiert (1997), sodass sein Modell oft als binäres Modell missverstanden wird (vgl. Schönrich 1999). Vielmehr ist ein System von Unterscheidungen überhaupt erst konstitutiv dafür, dass ein Zeichen existiert. Allerdings bezieht sich das Saussuresche Modell auf die Sprache bzw. auf symbolische Ordnungen, nicht auf Bilder. Peirce dagegen macht die Dreiheit durch ein triadisches Stellensystem geltend. Ein Zeichen oder Repräsentamen ist danach das Erste in Beziehung auf ein Zweites, ein Objekt, wobei die Beziehung durch ein umgreifendes Drittes allererst ermöglicht wird, den Interpretanten. Dieses Umgreifende kann je nach Zeichentyp ein materiales Objekt sein, auf dessen Existenz Bezug genommen werden muss (Index), es kann selbst eine bereits bestehende Beziehung sein (Symbol), oder es kann in der Qualität als Möglichkeit der Beziehung zwischen Zeichen und Objekt bestehen (Ikon) (vgl. etwa Peirce 1987). Wenn das Bild das Zeichen ist, in dem sich die Möglichkeit des Zeigens aus dem Sehen des Bildes als Bild ergibt, und die Bedeutung eines Zeichens aus drei statt aus zwei Komponenten entsteht, so wird jetzt die Bildhaftigkeit des Bildes selbst relevant: Sie bezeichnet das Dritte, das die Interpretation des Bildobjekts erlaubt. Die Ähnlichkeit des Bildes als Relation wird so zum philosophischen Thema und löst die Vorstellung von der Ähnlichkeit als natürliche Objektbeziehung ab. Die naiven" Theorien von Ähnlichkeit, die z.B. Eco, Goodman und Scholz kritisieren (vgl. etwa Eco 1987, 254-287), gehören also eigentlich eher in die Scholastik und kommen in der modernen Semiotik nicht mehr vor. Niemand will bestreiten, dass Bilder ihren Gegenständen ähnlich sein können; die Frage ist nur, welcher Stellenwert der Relation der Ähnlichkeit beigelegt wird. Dabei wird der mittelalterliche Universalienstreit in der modernen Semiotik u.a. in der Frage weitergeführt, ob die Ähnlichkeit des Bildes eine reale Beziehung ist und als solche konstitutiv für Bildhaftigkeit als Repräsentation, oder ob sie als Beziehung erst erzeugt wird durch die repräsentative Funktion des Bildes. Die erstere Position des Realismus können wir Peirce zuordnen, während der prominenteste Vertreter der zweiten Position der Nominalist Nelson Goodman ist. Das Bild nach Peirce' pragmatischem Realismus Peirce' pragmatischer Realismus fordert zwar den Bezug auf reale Objekte, konstatiert aber die Existenz von Universalien nicht unabhängig von diesem Bezug. Jede Zeichenbeziehung steht im Prozess der Semiose und bezieht sich auf reale Relationen, z.B. auf andere Zeichenbeziehungen. Bildhaftigkeit kann als ein bestimmter Typ von Semiose beschrieben werden, der seine eigene Logik hat und eine eigene Art des Verhältnisses zur Welt erzeugt. Diese Logik des Visuellen wird heute als bisher zu wenig beachteter Aspekt der Erkenntnistheorie hervorgehoben. Für Peirce ist die Logik des Visuellen aber bereits ein zentraler Aspekt der relationalen Logik, die er Semiotik nennt. Bild und Gedanke bilden keine Gegensätze. Das Ikonische zeichnet nicht in erster Linie das gemalte oder darstellende Bild aus, sondern eine logische Struktur der Bildhaftigkeit, die auch für Gedankenbilder und Vorstellungsgebilde eine Rolle spielt. Ein Bild im üblichen Sprachgebrauch, z.B. ein Gemälde, aber auch ein mentales Bild oder eine Vorstellung, entsteht für Peirce aus komplexer Verknüpfung von Ikons, Indices und Symbolen, wobei das genuine Ikon" selbst sein eigenes Objekt ist und gar nicht auf Anderes verweist (vgl. Nöth 2005, 56). Bilder als Zeichen sind triadische Modelle, die zwar ikonische Relationen einschließen, dennoch nicht darauf zu reduzieren sind. Bilder [sind] [...] Konstellationen von ikonischen Zeichen, deren Relationen zueinander durch den gestalterischen Prozess zu individuellen Bildern führen." (Bisanz 2010, 19) Das Ikon ist ein Zeichen, das die Realität des Objektbezuges durch die Wahrnehmung leistet, aber nicht durch die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung in einer Situation wie bei den Indizes, sondern durch eine Übereinstimmung in Struktur, Form oder Qualität zwischen dem Zeichen und seinem Objekt, die die Möglichkeit einer Beziehung bietet. Sie betrifft also nicht unbedingt eine an und für sich bestehende Ähnlichkeit zwischen dem Bild als Objekt und dem anderen Objekt, das es darstellen soll. Ikons lassen sich nochmals dreiteilen gemäß der Art und Weise, wie sie repräsentieren; in Peirce' logischer Sprache nach ihren Modi der Erstheit, Zweitheit und Drittheit (vgl. CP 2.277). Images oder einfache Bilder repräsentieren durch einfache Qualitäten, die nicht erst durch ihre interne Relationalität expliziert werden müssen (Erstheit). Diagramme repräsentieren durch Relationen zwischen Teilen eines Ganzen, die in der Repräsentation wiederholt werden (Zweitheit). Metaphern schließlich, für Peirce ebenfalls Elemente einer visuellen Logik, repräsentieren durch Relationen zwischen Relationen, wobei Metaphern Diagramme und Diagramme Bilder (images) funktional einschließen (Drittheit). Bildwahrnehmung spielt sich auf dieser letzten Ebene ab und ist also in Peirce' Verständnis ein komplexer, dynamischer und individueller Prozess der Semiose, wobei sich auch und gerade in abstrakten Bildern indexikalische und symbolische Verweisungsstrukturen ausmachen lassen (vgl. Nöth 2005, 55ff). Auf dieser Basis schlägt Göran Sonesson vor, den von Morris geprägten Begriff der Ikonizität in Bezug auf Bilder durch Piktoralität zu ersetzen (u.a. 1995). Was geschieht, wenn wir das Bild eines roten Balles sehen? Für Peirce befinden wir uns in einem pragmatischen Prozess der Bedeutungsentstehung, indem wir die Qualitäten des abgebildeten Balles wahrnehmen (der Ball ist rot), den Ball als Ball identifizieren (ein Token vom Typ Ball), die Struktur des Bildes als solches erkennen (das Bild ist begrenzt, flächig, perspektivisch dargestellt) und deuten (der Ball auf dem Bild ist ein abgebildeter Ball). Diese verschiedenen, in einander greifenden Schritte führen schließlich zu einem individuellen Erfassen dieses Bildes von diesem Ball. Sie verwirklichen sich durch ihre Anwendung in der jeweiligen Situation, lassen sich aber durch ihre Relationalität charakterisieren: Die ikonische Relation der Qualität der Farbe, der Begrenzung und Dimensionierung der Darstellung; die indexikalische Relation der Auslassungen von Teilobjekten, der Perspektive, der Kontraste zwischen Flächen und Farben; die symbolische Relation der konventionalisierten Bedeutungszusammenhänge, in denen ein Ball stehen kann, sowie die Typ-Token- Relation, die den Ball und auch das Bild vom Ball jeweils als solche zu erkennen ermöglicht. Typ-Token-Relationen sind Kombinationen aus indexikalischer Verweisung (Token auf Typ) und symbolischer Relationalität, die die interne Strukturierung des Typen" ausmacht. Darüber hinaus kann es viele weitere Schritte geben, die zwischen dem Bild als Bild und dem Bild als Objekt Verknüpfungen herstellen. Auf dieser Ebene können z.B. indexikalische Beziehungen zum Fotografen oder Maler bzw. zu dem realen, abgebildeten Ball hergestellt werden. Zu verstehen, was ein Bild überhaupt ist, muss daher als symbolische Beziehung aufgefasst werden: Es gibt Konventionen, die die Bedeutung von Gemälden, Fotografien, Abbildern, abstrakten Bildern, Collagen, Buchdeckeln etc. regeln. Ähnlichkeit ist also keine simple Abbild- Beziehung, sondern das Ergebnis einer Semiose, die ikonische Relationen einschließt. Verweisung und Verkörperung. Bildsemiotik jenseits von Mimesis und Indexikalität Historisch gesehen verliert die indexikalische Beziehung durch die Bildsemiotik an Bedeutung. Hans Belting weist darauf hin, dass in den mittelalterlichen Disputen zwischen Bilderverehrung und Bilderstürmen, in denen die Zeichenhaftigkeit des Bildes gegen seine Materialität und körperartige Präsenz ins Spiel gebracht wurde, die indexikalische Beziehung eine tragende Rolle spielte. Bilder sollten nicht als Körper verehrt werden, sondern auf diese verweisen. Belting (2005, 38f) beschreibt eine semiotische Vorgeschichte, in der das Bild als Zeichen die eigentliche Macht des Bildes verringern soll. Unter diesem Gesichtspunkt macht sich eine semiotische Bildtheorie der Auflösung des Bildes durch seine Einordnung in die Welt der Zeichen verdächtig. Dafür spielt heute die Erzeugung von Bildern durch bildgebende Verfahren eine wachsende Rolle, sozusagen das Gegenteil der Abbildung, deren Paradigma durch das der Sichtbarmachung abgelöst wird. In der modernen Semiotik nach Peirce wird nicht nur das Zeichen durch die eigene Logik des Bildhaften neu definiert, sondern umgekehrt lässt sich das Bild als Zeichen neu deuten, indem die ikonoklastische Dichotomie von Verweisung und Verkörperung überwunden und beide Aspekte in den dynamischen Prozess der Semiose eingebunden werden. Mit John Michael Krois (2006, 169ff) kann eine ikonische Bildtheorie nach Peirce darum als Prozess der Sichtbarmachung statt der Imitation konstruiert werden, womit die Problematik der Ähnlichkeitsfrage wegfällt. Bilder sind Objekte, die körperliche Wahrnehmung einschließen. Sie können daher nicht in abstrakte Verweisungsverhältnisse aufgelöst werden. Die Richtung der Verweisung kehrt sich um: nicht das Bild verweist auf sein abgebildetes Objekt, sondern das Bild wird selbst zum Objekt, das seine Bedeutung aus der Situation der Bildwahrnehmung heraus gewinnt. Darum spricht Krois von einer Verkörperungstheorie des Bildes (2006, 184). Nach seiner Interpretation des Peirceschen Modelles, die er mit Bezug auf Ernst Cassirer und Susanne K. Langer ausarbeitet, ist die sinnliche Ausdruckswahrnehmung das wichtigste Merkmal des Ikonischen: Alles Sinnliche ist ikonisch." (2006, 179) Diese Entwicklung des semiotischen Bildverständnisses ist eng an die Wahrnehmung von Bildern als eigenständige Art und Weise der ästhetischen Erfahrung geknüpft. Konventionalisierte Zeichen bilden dabei zwar Elemente von Bildern, doch machen sie nicht die Präsenz des Bildes selbst aus, welche mit Cassirer und Joaquim Braga (2012) auch als symbolische Prägnanz" verstanden werden kann. Das Bild nach Nelson Goodmans analytischem Nominalismus Der Hauptwiderspruch zwischen dieser Tradition der Semiotik nach Peirce und Cassirer und den Arbeiten Nelson Goodmans, der sich in der Bildthematik manifestiert, liegt in der Relationalität des Zeichens. Für Peirce sind Zeichen immer durch den realen Objektbezug in den pragmatischen Umgang mit der Welt eingebunden. Sein Realismus besteht in dieser notwendigen Verknüpfung, sodass die Frage nach der Existenz des Bezeichneten nicht durch den Zeichenbezug selbst zu klären ist. Jeder Zeichenbezug ist eine reale Relation, wenn er gebraucht wird: auch Träume und Fiktionen existieren', insofern sie als Zeichen fungieren. Der Nominalismus dagegen verortet die Allgemeinbegriffe, die die repräsentative Funktion des Zeichens ermöglichen, im menschlichen Geist, unabhängig von realen Objekten. Das Zeichen steht also für etwas nur durch die mentale Aktivität, die es darauf bezieht. So ist z.B. die Type-Token- Beziehung der Peirceschen Semiotik verzichtbar, da ein Typ von etwas nicht für sich selbst existiert, sondern nur der Verknüpfung von Tokens dient. Goodmans nominalistische Position steht in der Tradition der Analytischen Philosophie nach Gottlob Freges Begriffsschrift (1879) und Rudolf Carnaps Der logische Aufbau der Welt (1928), nämlich durch eine Verbindung zwischen natürlicher Sprache und formalisierter Prädikatenlogik. Auch die Logik des Bildes funktioniert nach Goodman prädikativ. Das bedeutet, dass es möglich sein muss, eine extensional festgelegte, eindeutige Zuordnung von Elementen vorzunehmen, die sich formal darstellen lässt. Das gilt auch für die sinnliche Wahrnehmung von Bildern, ihren Ausdruckssinn und ihre Individualität. Goodman will dieses Problem durch den Entwurf eigenständiger Symbolsysteme lösen, die jeweils eigene Typen eindeutiger Zuordnung von Etiketten, analog zur Prädikation in der Sprache gestatten. Darum betitelt er sein Hauptwerk zu diesem Thema Sprachen der Kunst. Zugleich strebt er jedoch danach, diese eigenständigen Symbolsysteme als dynamische Systeme zu erfassen, die auch in der Lage sein sollen, bildhaften Ausdruck, Metaphorizität, d.h. die prozessuale Entstehung von Sinn und Bedeutung zu reflektieren. Darin sieht er sich in einer Linie mit Peirce, Morris, Cassirer und Langer (vgl. Goodman 1985, 10). Es geht also um Integration einer prozessualen Semiotik in die formale Notation der Analytischen Philosophie. Nominalismus bedeutet für Goodman, dass es keine realen Relationen gibt, sondern nur die prädikative Zuordnung von Etiketten (engl. Labels) in zwei Richtungen: Denotation und Exemplifikation. Im Falle des Bildes ist die Denotation seine Referenz, die Exemplifikation seine Funktion der Darstellung: eine Bezugnahme, die über qualitative Präsenz funktioniert. Etiketten denotieren etwas und werden ihrerseits exemplifiziert, und zwar so, als seien sie qualitative Eigenschaften (properties): [w]ährend alles denotiert werden kann, können nur Etiketten exemplifiziert werden" (Goodman 1985, 63). Denotation ist der Kern der Repräsentation und unabhängig von Ähnlichkeit", lautet dann die These von Goodmans semiotischer Bildtheorie (1985, 17). Ähnlichkeit kann, wie Goodman mit Bezug auf James J. Gibson und Ernest Gombrich (vgl. II.4) zeigt, nicht die Basis für Repräsentation liefern, vielmehr folgt sie aus ihr. Ähnlichkeit ist mithin symmetrisch, Repräsentation nicht. Auch muss das Verständnis bildhafter Repräsentationen erlernt werden, wenn auch auf andere Weise als das Erlernen einer Sprache. Scholz spricht hier von induktivem semantischen Lernen durch instantane Verallgemeinerung: Es können, sobald eine kleine Menge von Beispielen richtig verstanden wurde, oft schnell große Teile des gesamten Systems beherrscht werden" (1991, 38). Repräsentationen, die als Kopie von Seinsweisen des Gegenstandes fungieren, wären unmöglich, da die Seinsweisen des Gegenstandes eben nicht abschließend aufgeführt werden können: der Gegenstand bleibt dynamisch mit den Weisen seiner Wahrnehmung verbunden. Darum ist Ähnlichkeit ein Verhältnis, das durch die Betrachtungsweisen entsteht, und der Realismus nur eine Konvention einer jeweiligen Kultur. Selbst scheinbar natürliche Aspekte wie die Perspektive im Bild sind konventionalisiert, wie Goodman mit Erwin Panofsky gegen Gombrich betont. Klaus Rehkämper und Klaus Sachs-Hombach kritisieren diese Reduktion des semantischen Bereichs auf Konventionalität (u.a. Sachs-Hombach 2005). Allerdings weist Sachs-Hombach darauf hin, dass Goodman nicht wie Scholz als reiner Konventionalist" verstanden werden darf (2005, 204). Während Scholz piktoriale Symbolsysteme generell als konventional bezeichnet und nur den Grad der Arbitrarität als skalierend beschreibt (1991, 121ff), liegt für Goodman das Gewicht der Analyse darauf zu zeigen, dass sich Bilder in semantischer Hinsicht nicht von sprachlichen Zeichen unterscheiden. Sie müssen in ein Symbolsystem passen" oder in diesem verankert sein, d.h. aber nicht, dass das System vollständig konventionalisiert sein muss. Goodmans Nominalismus bringt die Funktionen des Zeichens mit der Frage nach der Existenz eines Gegenstandes in Verbindung, was dazu führt, dass er diejenigen Bilder, deren Gegenstände nicht existieren, als im Sachbezug leer bezeichnet. Bilder von Einhörnern haben keinen Bezug auf reale Entitäten und sind in einem sprachlogischen Sinn daher keine Bilder von etwas', sondern Bilder von nichts': Sie denotieren nicht. Sie sind Einhorn- Bilder, aber nicht Bilder von Einhörnern, da es keine Einhörner gibt. Damit wird die semantische Ebene, entsprechend der Definition von Morris (vgl. Scholz 1999, 36) mit dem verknüpft, was bei Peirce indexikalisch" heißt: Denotation wird als Bezug auf ein real existierendes Objekt genommen. Goodmans und Scholz' Annahme, ein Bild von einem Einhorn habe Nulldenotation, weil es keine Einhörner gibt, wirft jedoch intuitiv die Frage auf, warum wir die Denotation eines Objekts durch ein Bild mit der Existenz des Objektes verbinden sollten (vgl. Sachs-Hombach 2005, 221). Abstrakte Bilder (z.B. Jackson Pollock, Mark Rothko oder Kasimir Malewitsch) haben keine Objektreferenz, auch keine Nullreferenz, wohl aber das, was Goodman Exemplifikation nennt: Denn ein unverständliches Bild hat mindestens einen expressiven Sinn." (Krois 2006, 171f) Wir haben also auf der einen Seite Bilder, die etwas repräsentieren, was nicht existiert, damit also nichts repräsentieren, und auf der anderen Seite Bilder, die nicht etwas repräsentieren, die also nichts repräsentieren. Beides sind nur dann semantische Mängel, wenn die semantische Referenz indexikalisch verstanden wird. Erlaubte man aber einen semantischen Bezug auf Sinnzusammenhänge statt auf Objekte, so könnten auf der einen Seite konventionalisierte, aber auch kreative Fiktionen denotiert werden, auf der anderen Seite könnten Zusammenhänge, die dem Symbolsystem intern sind, in die semantische Bezugnahme Eingang finden. Formale Kriterien des Bildbegriffs Goodman, und mit ihm auch Scholz, ziehen aus ihrer indexikalischen Bindung semantischer Referenz an die Existenz von Gegenständen den umstrittenen (z.B. von Sachs-Hombach 2005) Schluss, dass Bilder nur über syntaktische, nicht aber über semantische Kriterien zu bestimmen sind. Das Argument (Scholz 1999) funktioniert etwa so: Nach den Definitionen von Morris und Carnap bezieht sich die Semantik auf die Referenz der Zeichen, die Syntax aber auf die formalen, schematischen Beziehungen der Zeichen untereinander. Da es Bilder ohne Sachbezug gibt und diese dennoch zusammen mit Bildern mit Sachbezug als Bilder klassifiziert werden, kann das Kriterium des Bild- Seins kein semantisches Kriterium sein, d.h. nicht am Sachbezug des Bildes festgemacht werden. Daraus folgt, dass es ein syntaktisches Kriterium sein muss, das Scholz mit Goodman als syntaktische Dichte" und relative Fülle" bestimmt. Hinzugefügt wird noch das pragmatische Kriterium einer Gebrauchstheorie", sodass der Verwendungs- und Verstehenszusammenhang" von Bildern für ihr Verstehen konstitutiv wird (vgl. Scholz 1991, 111ff.). Goodman spricht in dieser Hinsicht von Welterzeugung" (1990) als Organisation der Gegenstände durch den Gebrauch von Symbolsystemen. Symbolisierung geschieht nicht allein durch einzelne Zuordnungen, sondern über Ketten und Pfade (chains and routes) der Referenzen. In diesem pragmatischen Aspekt der Semiotik stimmt er sinngemäß mit Peirce überein. Goodmans syntaktische Beziehung der konstitutiven Elemente oder Charaktere" untereinander soll dabei die Type/Token-Unterscheidung nach Peirce ersetzen (vgl. Scholz 1991, 90). Eine Inskription" (mark) ist ein Merkmal, das bei syntaktischer Disjunktheit und Differenziertheit eindeutig einer endlichen Zahl von Charakteren zugeordnet werden kann, die es gewissermaßen materialisiert. Piktoriale Symbolsysteme sind laut Goodman syntaktisch weder disjunkt noch differenziert, sondern dicht", d.h. zwischen zwei Charakteren lässt sich immer noch ein weiterer Charakter unterbringen, und voll", d.h. es enthält relativ viele bedeutungsunterscheidende Merkmale. Dichte (engl. density) zeigt sich etwa in einer weiteren Variante von Blau, die eine Zwischenstellung zwischen zwei Blautönen einnimmt; Fülle (engl. repleteness) darin, dass eine große Zahl von Blau-Nuancen in einem Bild exemplifiziert werden und z.B. zur Erzeugung bzw. zum Ausdruck einer Stimmung beitragen. Sprachliche Symbolsysteme sind im Gegensatz dazu syntaktisch disjunkt und endlich differenziert oder artikuliert", eine Partitur syntaktisch und semantisch disjunkt und artikuliert. Goodman nennt sie darum digital", während das Bild am anderen Ende des Spektrums analog" symbolisiert (1995, 154ff.). Jede wahrnehmbare Nuance eines Bildes kann als eigener Zeichencharakter fungieren, wie sich umgekehrt jede Nuance des zu Repräsentierenden im Bild exemplifizieren und als eigenen Zeichencharakter im Symbolsystem bestimmen lässt. So ersetzt die Abhängigkeit der Zeichenfunktion des Bildes von syntaktisch dichten und relativ vollen Symbolsystemen die natürliche Relation der Ähnlichkeit durch eine logische Relation der analogen Symbolisierung. Während das Bild repräsentiert, indem es denotiert, d.h. in einer prädikativen Semantik ganz ohne Ähnlichkeit auskommt und nur auf die Zuordnung von Etiketten referiert, wird die Basis für die entstehende Ähnlichkeitsbeziehung durch das syntaktisch dichte und volle Schema geleistet, in dem jeder prägende, bedeutungsunterscheidende Zug in Analogie zu einer zu erzielenden Wirkung steht. Denotation funktioniert durch Exemplifikation. Denotation und Exemplifikation lassen sich als Sagen' und Zeigen' unterscheiden, ähnlich Wittgenstein. Aber da Goodman sowohl das Sagen' als auch das Zeigen' in eine extensionale Ordnung bringen möchte, verliert die Logik des Visuellen, trotz der Materialität der Exemplifikation, an Intensität der Wirkung (vgl. Mersch 2005). Die Intensitätsbegriffe der Dichte" und Fülle" sollen zwischen der logischen Forderung nach Extension und der ästhetischen Forderung nach intensiver Graduierung von Wirkung vermitteln. Doch die Möglichkeit der Bezugnahme bleibt vom jeweiligen Symbolsystem determiniert: Extension entscheidet über Intension und nicht umgekehrt. Systeme verändern sich durch metaphorische Verschiebung ihrer Sphären, d.h. der Extensionsbereiche der Etiketten in einem Schema" (Goodman 1985, 76). Dabei wird die semantische Dimension des Systems aber nicht von der syntaktischen Dimension des Schemas bestimmt, sondern durch die Veränderung von Gewohnheiten konstruiert. In diesem Sinn argumentieren manche Kritiker, dass man nicht umhin kann, auf der semantischen Ebene die Ähnlichkeitstheorie wieder aufzunehmen (vgl. Sachs-Hombach 2005, 212ff). Literatur: Belting, Hans: Nieder mit den Bildern. Alle Macht den Zeichen. In: Stefan Majetschak (Hg.): Bild-Zeichen. Perspektiven einer Wissenschaft vom Bild. München 2005, 31-47. Bisanz, Elize: Die Überwindung des Ikonischen. Kulturwissenschaftliche Perspektiven der Bildwissenschaft. Bielefeld 2010. Braga, Joaquim: Die symbolische Prägnanz des Bildes. 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Interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildlicher Darstellungsformen. Magdeburg 1999, 33-46. Sonesson, Göran: On pictorality. The impact of the perceptual model in the development of visual semiotics. In: Jean Umiker-Sebeok/Thomas Sebeok (Hg.): The Semiotic Web: An International Yearbook of Semiotics. Advances in Visual Semiotics (1992/93). Berlin & New York 1995, 67-108.