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Vegetation Und Landwirtschaft Während Der Vorrömischen Eisenzeit Im Norddeutschen Tiefland

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Michael Meyer (Hrsg.) Haus – Gehöft – Weiler – Dorf Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa Berliner Archäologische Forschungen Herausgegeben von Michael Meyer und Wolfram Schier Band 8 Michael Meyer (Hrsg.) Haus – Gehöft – Weiler – Dorf Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa Internationale Tagung an der Freien Universität Berlin vom 20.–22. März 2009 Verlag Marie Leidorf GmbH . Rahden/Westf. 2010 400 Seiten mit 274 Abbildungen, 13 Tabellen, 16 Diagrammen und 49 Karten Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der GERDA-HENKEL-STIFTUNG und der ARCHÄOLOGISCHEN GESELLSCHAFT IN BERLIN UND BRANDENBURG Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Meyer, Michael (Hrsg.): Haus – Gehöft – Weiler – Dorf ; Siedlungen der Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa ; internationale Tagung an der Freien Universität Berlin vom 20.–22. März 2009 / hrsg. von Michael Meyer. Rahden/Westf. : Leidorf, 2010 (Berliner Archäologische Forschungen ; Bd. 8) ISBN 978-3-89646-518-4 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Alle Rechte vorbehalten © 2010 Verlag Marie Leidorf GmbH Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel Stellerloh 65 . D-32369 Rahden/Westf. Tel: +49/(0)5771/ 9510-74 Fax: +49/(0)5771/ 9510-75 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.vml.de ISBN 978-3-89646-518-4 ISSN 1611-3551 Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, I n t e r n e t oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Herausgegeben für den Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie der Freien Universität zu Berlin, Altensteinstr. 15, D-114195 Berlin Koordination: Michael Meyer, Berlin E-Mail: [email protected] Internet: http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/praehist Umschlagentwurf: Michael Meyer, Berlin Titelvignette: Felicitas Hofmann und Gregor Gebuhr, Berlin Rekonstruktion und Grundriss eines Langhauses aus der Siedlung Berlin-Buch, Fpl. 10 (S. 219, Abb. 3 in diesem Band) Satz, Layout, Bildnachbearbeitung und Redaktion: Morten Hegewisch, Berlin Druck und Produktion: druckhaus köthen GmbH, Köthen Michael Meyer (Hrsg.): Haus – Gehöft – Weiler – Dorf. Berliner Archäologische Forschungen 8 (Berlin 2010), S. 49–60 Vegetation und Landwirtschaft während der Vorrömischen Eisenzeit im Norddeutschen Tiefland Karl-Ernst Behre (Wilhelmshaven) Einleitung Sowohl in der Vegetation wie auch in der Landwirtschaft ist die Vorrömische Eisenzeit nicht einfach die gleitende Fortsetzung der Bronzezeit, da sich hier erhebliche Veränderungen abgespielt haben. Dazu trugen drei Dinge bei: direkte menschliche Eingriffe, die sich gegenüber der vorangegangenen Zeit besonders in Norddeutschland wesentlich verstärkt haben, wobei neue Wirtschaftsformen entwickelt wurden, Einwanderung und Ausbreitung neuer Baumarten sowie Einführung und Anbau neuer Kulturpflanzenarten und schließlich die nacheiszeitliche Klimaverschlechterung. Die Klimaverschlechterung war in den 800 Jahren vor Christi Geburt sehr stark, was sich besonders deutlich im Hochmoorwachstum zeigt, das in dieser Zeit vom Schwarztorf zum Weißtorf umschlug. Die neuen Klimabedingungen hatten zudem Auswirkungen auf die Konkurrenzkraft der einzelnen Pflanzenarten und trugen damit zu Änderungen in der Waldzusammensetzung bei. Auch im Wechsel des Kulturpflanzenbestandes werden die Auswirkungen des Klimawandels erkennbar. Für die Landschaft und Landwirtschaft war hingegen die Bedeutung des Eisens – der namengebenden großen Innovation dieser Zeitperiode – relativ gering. Hier war besonders die Einführung der eisernen Sense wichtig, die vor allem für die Wiesenmahd eingesetzt wurde und damit die Heugewinnung wesentlich erleichterte. Später wurde mit ihr auch Getreide gemäht. Bei dem nun folgenden Überblick muss bedacht werden, dass die bisherigen Kenntnisse zu den archäobotanischen Fragen noch lückenhaft sind, da es bisher aus dieser Zeit in Norddeutschland nur wenige große Siedlungsgrabungen unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher Methoden gibt. Die natürlichen Wälder im Norddeutschen Tiefland Der Anfang der Vorrömischen Eisenzeit um 800 v. Chr. erfolgte zeitgleich mit dem Beginn des vegetationsgeschichtlichen Abschnittes Subatlantikum. Um diese Zeit hatte die Waldvegetation ihre Klimaxphase bereits überschritten, denn die nacheiszeitliche Klimaverschlechterung war schon im Gange und führte ebenso wie die Siedlungstätigkeit bereits zur Veränderung der Wälder. Auf den armen Altmoränenböden im Nordwesten herrschten bodensaure Eichenmischwälder, in denen der vorher hohe Anteil von Linde und Ulme schon stark zurückgegangen war (Overbeck 1975; Behre/Kučan 1994). Die Linde verschwand bereits während der Vorrömischen Eisenzeit ganz aus diesen Wäldern, weil sie auf den etwas besseren Böden stockte, die bei der Besiedlung bevorzugt wurden, aber auch, weil sie in dem kühler und feuchter werdenden Klima an Konkurrenzkraft gegenüber anderen Bäumen einbüßte. Nur auf den lössreichen Böden des Mittelgebirgsvorlandes hielt sich die Linde noch länger (Freund 1994; Bittmann 2004). Auch die zu Beginn der Periode noch mit etwas größeren Anteilen vertretene Kiefer erlosch um Christi Geburt auf den Mineralböden NWDeutschlands und erhielt sich nur noch an ganz wenigen Reliktstandorten auf den Rändern von Hochmooren, bis sie auch dort verschwand. Die heutigen Kiefernforsten im Nordwesten sind durchweg gepflanzt. Die in den Wäldern heute vielfach dominierende Fichte hatte nur die südöstliche Lüneburger Heide erreicht, wohin sich vom Harz her ein vorgeschobenes Fichtenareal bis nach Hermannsburg erstreckte. Auch später reichte das natürliche Fichtenvorkommen nicht weiter nach Norden. Von den Wärmezeigern im Wald – Mistel als Anzeiger für Sommerwärme und Efeu als Anzeiger für milde Winter – geht der letztere in der Vorrömischen Eisenzeit deutlich zurück, während die Mistel schon zu Beginn des Subatlantikums im Raum nördlich von Hannover völlig verschwindet. Kennzeichnend für diesen Zeitabschnitt ist die Ausbreitung von Buche und Hainbuche. Beide sind erst im späten Subboreal hier im Norden eingetroffen und breiten sich jetzt aus. Um Christi Geburt hat die Buche in den Pollendiagrammen einen Anteil von zumeist um 5 % erreicht, und der bis dahin fast allein von der Eiche beherrschte Eichenmischwald formte sich nach und nach zu einem Buchen-Eichenwald (Fago-Quercetum) um. Auf rein natürliche Weise würde das Eindringen der Buche in die Wälder sehr lange dauern, denn bei einem Mannbarkeitsalter von etwa 40 Jahren kann diese nur kleine Schritte machen und muss sich dabei noch gegen die bereits bestehende Bewaldung durchsetzen. Doch der Mensch beschleunigte diesen Vorgang, indem er durch Rodungen leere Flächen schuf, die sich später neu bewaldeten. Dabei konnte die Buche ihren Konkurrenzvorteil als Schattholz voll ausnutzen, da sie nicht erst in einen ge- 50 Karl-Ernst Behre Abb. 1. Die Ausbreitung von Buche (Fagus) und Hainbuche (Carpinus) nach mehreren Pollendiagrammen aus dem Odergebiet nordöstlich von Berlin. Rechts abgekürzt die prähistorischen Epochen (aus Jahns/Herking 2002). schlossenen Wald eindringen musste. Manche Pollendiagramme zeigen deshalb eine stufenweise Ausbreitung der Buche, die sich an die Siedlungstätigkeit anpasst. Nach den ersten Schritten in der Vorrömischen Eisenzeit erfolgte die Hauptausbreitung der Buche danach bis ins Mittelalter. Noch etwas später als die Buche ist die Hainbuche in den Norden vorgedrungen. Sie befindet sich in der Vorrömischen Eisenzeit am Beginn ihrer Ausbreitung, erreicht aber im Nordwesten noch keinen nennenswerten Anteil am Wald. Der Anteil der Siedlungszeiger steigt in der Vorrömischen Eisenzeit in den Pollendiagrammen deutlich an; hier ist es besonders die Heide, die sich unter dem Einfluss zunehmender Beweidung in den Siedlungsgebieten ausdehnt; es kommt aber noch nicht zu großen geschlossenen Heideflächen. Im Nordosten ist wegen der dort vorherrschenden guten Böden und des kontinentaleren Klimas die Waldzusam- mensetzung etwas anders. Vor allem sind dort die regionalen Unterschiede deutlich stärker, in denen die Verteilung der nährstoffreichen Jungmoränenböden und der z. T. ausgedehnten armen Sander- und Talsandflächen reflektiert werden. Von den kontinentaleren Verhältnissen profitierten besonders die Linde, die in den damals vorherrschenden Eichenmischwäldern eine große Rolle spielte (Krausch 1965), sowie auf armen Böden die Kiefer. Von der Elbe nach Osten nimmt der Anteil der Kiefer stetig zu, mit der Eiche bildet sie zusammen den Eichen-Kiefernwald, so im Havelland (Wolters 2002). Auch wenn sie vielfach angepflanzt ist, gehört die Kiefer im Osten bis heute zum natürlichen Waldbestand. Während der Vorrömischen Eisenzeit breiten sich Buche und Hainbuche aus, und zwar viel schneller als im Westen, da sie auf den guten Böden sehr konkurrenzkräftig sind (Abb. 1). Dieses zeigt sich besonders in den Jungmoränengebieten z. B. Mittelmecklenburgs (Schoknecht 1996) oder an der Oder (Jahns/Herking 2002). Speziell Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland 51 Abb. 2. Rest eines Hudewaldes (Neuenburger Urwald im Kreis Friesland) mit Eichen als Mastbäumen. Ein ähnliches Aussehen hatten die siedlungsnahen Wälder in der Vorrömischen Eisenzeit. das Schattholz Linde wird vielfach vom Schattholz Buche verdrängt. Bald nach Christi Geburt dominieren in Mecklenburg und dem nördlichen Brandenburg weithin Buchenwälder, während weiter südlich – ab dem Großraum Berlin – Kiefern- und Eichen-beherrschte Wälder das Bild bestimmen (Brande 1996). Wie im Westen gehen die Wärmezeiger Efeu und Mistel stark zurück, doch kommt auch die letztere in einigen östlichen Gebieten noch bis heute vor. Das ist insbesondere in Berlin der Fall, wo das Stadtklima die Ursache ist. Siedlungszeiger einschließlich der Besenheide nehmen schon ab dem Beginn der Vorrömischen Eisenzeit generell deutlich zu und weisen auf die fortgesetzte anthropogene Öffnung der Landschaft, wobei allerdings regionale Unterschiede erkennbar sind. Neben den Rodungen für den Ackerbau formten besonders zwei Dinge den Wald um: Einmal war es die Waldweide, durch die der Wald um die Siedlungen geöffnet wurde. Dieser entwickelte sich dabei zu einem lichten Hudewald, in dem vielfach einige Eichen geschützt wurden, damit sie als Mastbäume Eicheln für die im Wald weidenden Schweine liefern konnten (Abb. 2). Derartige Hudewälder gab es vom Neolithikum bis in die Neuzeit und an wenigen Stellen sind Reste davon noch bis heute erhalten geblieben. In der Vorrömischen Eisenzeit waren sie in den Siedlungsgebieten weit verbreitet. Zum anderen war es die ebenfalls seit dem Neolithikum betriebene Laubheugewinnung, bei der im Herbst Zweige vor allem von Esche, Ulme und Linde, aber auch von anderen Bäumen geschnitten wurden, um das Laub zu trocknen und es im Winter als Futter für das Vieh zu benutzen. Bäume, die regelmäßig geschneitelt wurden, bekamen dadurch ein ganz charakteristisches Aussehen, wie man es noch heute auf dem Balkan und in entlegenen Alpentälern finden kann (Abb. 3). Abb. 3. Regelmäßig geschneitelte Bäume, wie die Eschen, entwickeln sich zu charakteristischen Krüppelformen. Wie auch bei uns seit dem Neolithikum bis in die frühe Neuzeit, wird in entlegenen Alpentälern wie auf dem Bild auch heute noch im Spätsommer das Laubheu geschnitten und für die Winterfütterung getrocknet. Einen ökologischen Sonderfall, der zudem besonders gut untersucht ist, stellen die Auenwälder an den Unterläufen der großen Flüsse dar (Behre 1985). Die Flüsse wurden begleitet von einem natürlichen Uferwall, hinter dem sich ausgedehnte niedriggelegene Moore befanden. Der Uferwall selber war bewaldet, wobei es eine Zonierung gab, die der Überflutungshäufigkeit angepasst war: die höchsten Flächen waren von der Hartholzaue besetzt, darunter folgte die Weichholzaue und nach dem Weidengebüsch das Röhricht (Abb. 4). In diese Wälder drangen in der Vorrömischen Eisenzeit um 550 v. Chr. die Menschen ein. Sie rodeten die höchstgelegenen und damit sichersten Flächen und legten Siedlungen an, von denen mehrere an der Ems von W. Haarnagel (1969) sorgfältig gegraben wurden. Hatzum-Boomborg ist die wichtigste von ihnen. Die Hartholzaue wurde von den Bewohnern zerstört und verschwand endgültig während der folgenden Siedlungsphase in der Römischen Kaiserzeit. Bis zum Mittelalter wurde dann auch die Weichholzaue zur Wirtschaftsfläche und heute gibt es dort keine Wälder mehr. Erst das Holzmaterial aus den archäologischen Untersuchungen lieferte die Erkenntnis, dass es derartige Hartholzauenwälder auch an den Unterläufen der großen 52 Karl-Ernst Behre Abb. 4. Querschnitt durch den Uferwall in einer Flussmarsch mit der ursprünglichen Bewaldung. Die Zonierung der Gehölze richtete sich nach der Überflutungshäufigkeit. nordwestdeutschen Flüsse gegeben hat (Abb. 5). Heute gibt es von ihnen in Mitteleuropa nur noch wenige Relikte, z. B. am oberen Rhein, der mittleren Donau oder an der Theiß. Abb. 5. Vegetation und Besiedlung vor und während der Vorrömischen Eisenzeit in der Flussmarsch der unteren Ems. Die ersten Siedler drangen in die höchstgelegenen Bereiche des Uferwalles ein, die von einem Hartholzauenwald eingenommen wurden, und vernichteten diesen in wenigen Jahrhunderten. Auch die Weichholzaue wurde bald genutzt; demgegenüber blieben die rückseitig gelegenen Moore siedlungsfeindlich. Die Entwicklung des Ackerbaus und die ersten Umweltverwüstungen Die Vorrömische Eisenzeit ist in Norddeutschland durch das erstmalige Auftreten großer planmäßiger Flursysteme Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland Abb. 6. Das Celtic field von Vaassen in den nördlichen Niederlanden ist eine der am besten erhaltenen Kammerfluren aus der Vorrömischen Eisenzeit und zeigt noch heute die damals angelegten Wälle. Die schwarzen Punkte sind Grabhügel (aus Brongers 1976). 53 Abb. 7. Das Celtic field von Flögeln-Haselhörn/Niedersachsen. A: aufgemessene erhaltene Wälle, B: ehemalige Wälle nach Luftaufnahmen, C Grabungsfläche Flögeln-Eekhöltjen (aus Zimmermann 1976). gekennzeichnet. Es sind Kammerfluren, die bereits in der späten Bronzezeit in England bekannt und dort unter dem Namen ‘Celtic fields’ beschrieben worden sind. Losgelöst von der ethnischen Herkunft ist dieser unglücklich gewählte Name auch für das festländische Europa beibehalten worden. Sie sind hier zahlreich von den Niederlanden über Norddeutschland bis nach Südskandinavien und in das Baltikum verbreitet; in Dänemark nennt man sie ‘Oldtidsagre’ (Abb. 6 und 7). Ihre Größe reicht von wenigen ha bis zu mehreren hundert ha. Allein im nördlichen Elbe-Weser-Dreieck sind durch moderne Befliegungen und die Auswertung alliierter Luftaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg inzwischen mehr als 80 dieser Fluren bekannt (Zimmermann 1995). Besonders eingehend untersucht wurden sie zunächst in den Niederlanden bei Vaassen (Brongers 1976), danach in Nordwestdeutschland bei Flögeln (Zimmermann 1976; 1995; Gebhardt 1976; Behre 2000) und später in Nord-Estland (Lang 1994); dort sind sie überall auch besonders gut erhalten. An dieser Stelle kann nur eine kurze Zusammenfassung der Entwicklung dieser Fluren gegeben werden. Gemeinsam ist allen Celtic fields die Aufteilung in rechteckige Kammern. Die festländischen Celtic fields sind sowohl in den Niederlanden wie auch in Nordwestdeutschland durch ein System breiter Wälle gekennzeichnet, die die Netzmaschen umgeben (Abb. 8 und 9). In Flögeln sind diese zwischen 8 und 16 m breit und erreichen eine Höhe von bis zu 80 cm. Sie sind im Walde zum Teil noch hervorragend erhalten, da das Gebiet wahrscheinlich seit der Urgeschichte nicht mehr beackert worden ist. Unter diesen Wällen war in der Regel die alte PCF(Prä-CelticField)-Oberfläche noch vorhanden. Das Pollendiagramm aus einem solchen Wall (Abb. 10) gibt Aufschluss über die Bewirtschaftung. Zunächst Abb. 8. Schnitt durch einen Wall des Celtic field von FlögelnHaselhörn (Foto Zimmermann). zeigen die Baumpollenkurven das bereits beschriebene Ausklingen der Linde und die Ausbreitung der Buche in der Vorrömischen Eisenzeit. Die in den Proben 18 und 19 erfasste PCF-Oberfläche weist für Pollenanalysen extrem hohe und ungewöhnliche Werte vom Getreide- 54 Karl-Ernst Behre Typ auf. Damit ist ein langdauernder Ackerbau in dieser Ebene nachgewiesen. Um diese Zeit war die Umgebung offen, denn der dominierende Erlenpollen stammt aus den benachbarten Niederungen und in der näheren Umgebung wurde nur wenig Baumpollen erzeugt. Die Proben ab Nr. 16 kommen aus dem Wallauftrag. Wie die immer noch sehr hohen Getreidewerte zeigen, betrieb man auf dem Wall ständig weiter Ackerbau. Dabei erkennt man aus dem allmählich auf- oder absteigenden Verlauf der Baumpollenkurven, dass der Bodenauftrag nicht in einem Zuge, sondern nach und nach erfolgte. Die Verarmung der Umgebung, die auch die Düngung notwendig machte, wird durch die Podsolierung und die stark zunehmende Verheidung angezeigt, die sich in Bracheperioden dort ausbreitete. Ein Teil des Heidepollens dürfte auch durch Bioturbation von der im Mittelalter verheideten Oberfläche in den Boden gelangt sein. Dieses gilt auch für den steilen Gipfel der Kiefer, der auf die in den letzten 200 Jahren angelegten Kiefernforsten zurückzuführen ist. Abb. 9. Wallaufbau im Celtic field von Flögeln-Haselhörn. Über dem gewachsenen Boden liegen hier mehr als 60 cm Auftrag aus Humus und Mineralboden (Foto Gebhardt). Für die frühe Zeit der PCF ist eine Parzellenstruktur nicht nachgewiesen. Erst danach wurden die Wälle als Ackerflächen angelegt und ständig aufgehöht. Da der Anbau nicht mehr auf der ebenen Fläche, sondern auf den Wällen stattfand, wird diese Ackerform z. T. auch als ‘Celtic banks’ bezeichnet. Der Nährstoffgehalt der Wälle ist stark erhöht. Dieses wurde durch zahlreiche Phosphatbestimmungen nachge- Abb. 10. Wallaufbau und vereinfachtes Pollendiagramm aus dem Celtic field von Flögeln-Haselhörn. Die mit bis zu 34 % extrem hohen Pollenwerte vom Getreide-Typ im PCF-Horizont zeigen, dass dort bereits vor der Anlage der Wälle intensiv Ackerbau betrieben worden ist, der sich dann in der jüngeren Auftragsphase auf den Wällen fortsetzte (aus Behre/Kučan 1994). Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland 55 Abb. 11. Schematische Darstellung der Entwicklung und des Aufbaus der Celtic fields von Flögeln-Haselhörn. Abb. 12. Rekonstruktion der Bewirtschaftung der Celtic fields von Flögeln-Haselhörn (Zeichnung Haupt). wiesen, die aus den Wällen mit 600–900 ppm Phosphor um vielfach höhere Werte ergaben, als aus den natürlichen Böden außerhalb der Altackerfluren, die nur 50– 150 ppm erbrachten. Die Parzellen innerhalb der Wälle liegen mit ihren Phosphatwerten dazwischen. Weitere bodenkundliche Untersuchungen (Gebhardt 1976) haben gezeigt, dass die Aufträge der Wälle nicht nur aus Humus, sondern auch aus Mineralboden bestehen (Abb. 11). Der letztere wurde nachweislich z. T. über eine gewisse Entfernung aus einem Parabraunerdegebiet in die auf armen Podsolen liegenden Teilgebiete der Celtic fields gebracht (Abb. 11). Damit sind die Wälle der Celtic fields bei Flögeln sowohl mit organischem Dünger als auch mit mineralischem Dünger aus dortigen Böden gezielt verbessert worden, hinzu kamen Abfälle aus den Siedlungen. Das Einsammeln des aufgebrachten Humusbodens führte zur teilweisen Entblößung der umgebenden Waldböden, und da auch die Mineralbodenentnahme offensichtlich flächig erfolgte, verstärkte dieses noch die Eingriffe in die natürliche Oberfläche (Abb. 12). In jener Zeit kam es 56 Karl-Ernst Behre Abb. 13. Die Kurve der Siedlungszeiger im Pollendiagramm Immenmoor zeigen den Ablauf der Bewirtschaftung der benachbarten Celtic fields von Flögeln-Haselhörn: Zwischen 700 v. Chr. und 100 n. Chr. fand eine viermalige Rotation statt. Diese reflektieren auch die Glühreste der Torfe, die den aus den Äckern eingewehten Sand anzeigen. Nach 100 n. Chr. ändert sich die Wirtschaftsweise (aus Behre/Kučan 1994). im Umkreis der Celtic fields zu den ersten großen Umweltverwüstungen, und zwar in einem Umfang, wie man ihn sich heute nicht mehr vorstellen kann. Dabei spielt eine besondere Rolle, dass die Celtic fields teilweise mehr als 100 ha abdecken und auf armen Altmoränenböden liegen, bei denen eine natürliche Waldregeneration nur sehr langsam stattfindet. Wann diese jüngere Phase mit dem Aufbringen des Bodenmaterials einsetzt, ließ sich bisher nicht exakt datieren. Der Schleier aus Scherben, der mit dem organischem Hausabfall auf die Äcker kam und aus den Grabungsschnitten geborgen wurde, reicht zeitlich vom ersten vorchristlichen bis zum ersten nachchristlichen Jahrhundert, mit einzelnen Stücken auch noch in das frühe zweite Jhdt., umfasst aber offenbar nur den jüngeren Abschnitt dieser Wirtschaftsform, die um 100 n. Chr. endet. Sowohl von dem niederländischen Vaassen wie auch von Flögeln wird angenommen, dass von den ausgedehnten Celtic fields jeweils nur ein Teil gleichzeitig beackert worden ist. Diese Vorstellung konnte in den Pollendiagrammen aus den Kesselmooren der Siedlungskammer Flögeln sehr klar bestätigt werden (Abb. 13; Behre/Kučan 1994). Diese zeigen einen ausgeprägten Rhythmus der wichtigsten Siedlungszeigerkurven. Nach diesen Befunden hat hier eine viermalige Rotation der Bewirtschaftung mit Abständen von jeweils etwa 200 Jahren stattgefunden. Der beschriebene Rotationsverlauf läßt sich auch in den Glührestkurven deutlich erkennen, in denen die Einwehung von Sand aus den Ackerflächen in den Torf sichtbar wird. Der Nachweis dieses langjährigen Rotationssystems in den Pollendiagrammen endet um 100 n. Chr. und entspricht damit der Scherbendatierung. Wie weiter unten gezeigt wird, findet um diese Zeit auch ein starker Wechsel in der Zusammensetzung der Kulturpflanzenarten statt. Bemerkenswert ist, dass man bei jener Rotation nicht den Auftrag der verlassenen Ackerwälle nutzte, denn man konnte ja nicht voraussehen, dass man nach mehreren Generationen wieder dorthin zurückkehrte. Derartige Kammerfluren gibt es auch in Schleswig-Holstein im Ausselbeker Gehege. Abweichend von früheren Vorstellungen zeigen die neueren Untersuchungen von Klamm (1997) und Menke (1997), das auch hier eine ähnliche Entwicklung ablief, wie sie von Flögeln beschrieben wurde. Die dortigen Äcker waren zunächst flächenhaft, entsprechend konnten auch unter den Wällen Pflugspuren nachgewiesen werden. In der Spätphase der Ackerperiode wurden dann Wälle aus Lehm und Humus aufgetragen, auf denen sich der Ackerbau nun fortsetzte. Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland Eine andere Form der Celtic fields bilden die vor allem aus England beschriebenen Fluren. Sie besitzen ebenfalls eine Kammerung, doch anders als auf dem Festland erfolgte dort die Beackerung in den Parzellen selber. Die sie umgebenden Wälle sind so schmal oder bestehen zum Teil aus abgelegten Steinen, dass sie als Begrenzungswälle anzusehen sind. Nicht selten sind dort aus den Parzellenflächen auch Pflugspuren nachgewiesen. Zum Teil dürfte es sich hier um nicht bis zum Ackerwallstadium ausgereifte Celtic fields handeln, in vielen Fällen war wegen der kalkreichen Böden aber auch keine nachhaltige Düngung nötig und so blieb die Kammerstruktur erhalten, ohne dass Ackerwälle entstanden. Der wesentliche Fortschritt des Ackerbaus in der Vorrömischen Eisenzeit ist demnach die Einführung der intensiven Düngung armer Böden. Es gibt zwar gelegentliche Hinweise auf Düngung, die vielleicht schon seit dem späten Neolithikum stattfand, doch wurde dazu zumeist Viehdung benutzt. Zur Düngung der Celtic fields wurde erstmals in großem Umfang gesammeltes und gegrabenes Bodenmaterial aus Humus und Mineralboden eingesetzt, dessen mächtige Akkumulationen sich bis heute erhalten haben. Auch an anderen Orten, wo auf armen Böden Äcker der Vorrömischen Eisenzeit nachgewiesen sind, wenn auch nicht in der Art der Celtic fields, wurden sie in ähnlicher Weise gedüngt. Bereits seit langem bekannt sind die Plaggenböden auf der Insel Sylt, die von Kroll (1987) eingehend untersucht worden sind. Dort benutzte man in der Vorrömischen Eisenzeit Plaggen aus Heiden und Sumpfwiesen der Geest, später wurde auch Marschboden aufgetragen. Diese Art von Plaggenwirtschaft wurde jedoch anders durchgeführt als die mittelalterliche, die mit dem „ewigen“ Roggenanbau verbunden war (vgl. Behre 2008). Das Wirtschaftssystem der Celtic fields und mit ihm die beschriebene Humus- und Mineraldüngung endet um 100 n. Chr. Über die Form des Ackerbaus in der folgenden Römischen Kaiserzeit ist kaum etwas bekannt. Es fehlen dort jedoch zu Düngezwecken aufgetragene Böden. Da vor allem im Altmoränengebiet kontinuierlicher Ackerbau ohne Düngung nicht möglich ist, muss man eine geregelte Wechselwirtschaft mit Brachezeiten annehmen, während der die Böden durch Vieheintrieb gedüngt wurden. Ein wichtiger Faktor dürfte dabei die großflächige Einführung des Roggens um 100 n. Chr. sein. Dieser gedeiht auch auf ärmeren Böden und da er damals als Sommerroggen angebaut wurde (Behre 1992), gab es im Winter Brachezeiten, die zur Beweidung genutzt werden konnten. Dieses änderte sich, als man im Mittelalter den Winterroggen einführte, der zudem im „ewigen Roggenbau“ ständig auf den gleichen Feldern kultiviert wurde. Damit wurde eine regelmäßige Düngung mit Material von außen nötig und es entwickelte sich die im Nordwesten weit verbreitete Plaggenwirtschaft, bei der die Ackerflächen zumeist mit 57 Heideplaggen zu sogenannten Plaggeneschen aufgehöht wurden. Das wichtigste Ackergerät war der Pflug. Auch hier hat es in der Vorrömischen Eisenzeit eine wichtige Innovation gegeben, indem in deren jüngerem Abschnitt erstmals der schollenwendende Streichbrettpflug auftritt. Seine Pflugspuren wurden sowohl in der Marsch wie auf der Geest nachgewiesen, sind aber insgesamt noch sehr selten. Jedenfalls ist dessen Einführung nicht mit dem System der Celtic fields verbunden, denn wie zahlreiche Funde von inzwischen eisenbewehrten Pflugscharen des Ards gezeigt haben, war dieser weiterhin das wichtigste Pfluggerät (Zimmermann 1995). Änderungen in der Zusammensetzung der Kulturpflanzen Die Kenntnisse über die Artenzusammensetzung und insbesondere zur Häufigkeit der einzelnen Kulturpflanzenarten sind für das Norddeutsche Tiefland noch lückenhaft und können sich durch Neufunde noch deutlich verändern. Die ursprünglich begrenzte Artenzahl hatte sich bereits in der jüngeren Bronzezeit durch das Eintreffen von Hirse, Dinkel und Linse aus dem Süden und das Wiederauftreten von Erbse und Lein deutlich vermehrt. Hinzu kamen Pferdebohne und als weitere Ölpflanze neben dem Lein der Leindotter, die sich in Deutschland allgemein erst in der Jüngeren Bronzezeit ausgebreitet haben, und auch der Saathafer erschien jetzt mit allerersten Körnern. Damit war ein guter Grundbestand vorhanden, der sich in der Vorrömischen Eisenzeit vor allem quantitativ erheblich veränderte, wobei es aber deutliche Unterschiede zwischen dem Westen und dem Osten des Tieflandes gab, die zum Teil auf die verschiedenen Bodenqualitäten zurückzuführen sind (vgl. Tab. 1). Bereits völlig im Anbau verschwunden war hier das Einkorn als einfachste Weizenart. Als Hauptgetreide wurden Emmer und die beiden Gerstenformen Nackt- und Spelzgerste kultiviert. Nur die Rispenhirse spielte daneben noch eine wichtige Rolle, während der Dinkel bislang nur aus dem Beginn der Periode in Hamburg-Langenbek sicher nachgewiesen ist (Kučan 1986) und auch in späteren Abschnitten fehlt. Saathafer und Kulturroggen wurden in der Vorrömischen Eisenzeit wahrscheinlich zum Teil in Norddeutschland entwickelt, waren aber erst sehr gering vertreten (Tab. 1). Der Saathafer wurde aus dem hier vorkommenden Flughafer domestiziert. Sein wichtigster vorchristlicher Fundplatz ist Rullstorf bei Lüneburg, wo ein großer Fund inzwischen mehrfach bearbeitet worden ist (Kroll 1980; zuletzt Kirleis 2003). Ab Christi Geburt gehört der Saat- 58 Karl-Ernst Behre JBZ ●●● ●●● ●●● ●● ●●●● ●●●● ● ● Rispenhirse NW NO NW NO NW NO NW NO NW NO NW NO Saathafer NW NO Roggen Erbse NW NO NW NO Linse Pferdebohne Emmer Nacktgerste Spelzgerste Nacktweizen Dinkel ● ● ●● Vorrömische EZ frühe späte -800 ●● ●● ●●●● ● ●●●● ●●● ● ● ● ● ●●● ●●●● ●● ●●● ●●●● ● ● Röm. Kaiserzeit ±0 ◦ ●● ●● ●● ◦ ●● +100 ◦ ●● Triticum dicoccon ●● ●●●● ●●●● ◦ ●● Hordeum vulgare nudum Hordeum vulgare Triticum aestivum s. l. Triticum spelta ● ● cf. ●● ●● ●● ●● ●●● Panicum miliaceum cf. cf. ● cf. ● cf. ●● ●● ● Avena sativa ◦ ◦ ● ● ● ●●● ●●● ● ● Secale cereale ● ● ● ● NW NO ●● ● ● ● ●● ● ● ● ● ●● ◦ ●● ●● ●● ●●● ●● Lein NW NO NW NO ●● ●● ●● ● ●● ●● Leindotter NW NO ● ● ● ● ● ● ● ●● Pisum sativum Lens culinaris Vicia faba Linum usitatissimum Camelina sativa Tab. 1. Die wichtigsten Kulturpflanzen zwischen Jungbronzezeit und Römischer Kaiserzeit im Norddeutschen Tiefland. Die Punkte geben die durchschnittliche Häufigkeit an, cf. bedeutet unsichere Bestimmung. Die Entwicklung verlief im Westen und Osten des Tieflandes unterschiedlich und ist deshalb in getrennten Zeilen angegeben. hafer dann zum festen Bestand der allgemein angebauten Kulturpflanzen. Demgegenüber wurde der Roggen bereits früh in Anatolien domestiziert, kam zu uns jedoch nur als Unkraut und durchsetzte die Getreidefelder. Er war noch nicht als Kulturpflanze anerkannt und wurde nach Möglichkeit ausgemerzt. Erst durch die Klimaverschlechterung während der Vorrömischen Eisenzeit erkannte man seine im Gegensatz zu anderen Getreiden sehr zuverlässigen Erträge auch unter schlechten Klima- und Bodenbedingungen. Bei der Ausbreitung geholfen hat ihm dabei die Einführung der bodennahen Ernteweise an Stelle der Ährenernte. Dadurch konnten seine ursprünglich unerwünschten Ähren nicht mehr so leicht ausgelesen werden; er geriet beim Dreschen verstärkt in das Saatgut und konnte jetzt auf dem Acker seine Fähigkeiten zeigen, die dann anerkannt wurden. Es wurde hier eine Art, die bereits alle Kulturpflanzenmerkmale mitbrachte, verspätet gezielt angebaut; dieser Vorgang, der beim Roggen offenbar mehrfach während der Vorrömischen Eisenzeit in getrennten Gebieten Mittel- und Osteuropas stattfand, wird als Akkulturation bezeichnet (Behre 1992). Der gezielte Roggenanbau war in der Vorrömischen Eisenzeit jedoch noch gering, meist wuchs der Roggen in Mischkulturen. An Leguminosen setzten sich Erbse und Pferdebohne in der Vorrömischen Eisenzeit und später durch, während der Linsenanbau in Norddeutschland offenbar am Ende der Periode eingestellt wurde. Der Lein als Öl- und Faserpflanze und der Leindotter breiteten sich ebenfalls deutlich aus. Zum Schluss der Vorrömischen Eisenzeit fand dann ein erheblicher Wechsel beim Getreidebau statt. Im Nordwesten verschwand der Emmer auf den Geestböden vollständig, wurde aber in den feuchten Marschen und ebenso im Nordosten noch bis in das Mittelalter in beschränktem Umfang weiter kultiviert. Etwas später, um 100 n. Chr., verschwand im Nordwesten die Nacktgerste, die bis dahin eine wichtige Rolle gespielt hatte. Gleichzeitig mit deren Niedergang setzte sprunghaft starker Roggenanbau ein. Wie wir seit einiger Zeit wissen, wurde bereits damals der Roggen zusammen mit der schon vorhandenen Spelzgerste eine der zwei wichtigsten Kulturpflanzen. Auf Grund der pollenanalytischen Daten wurde die erste starke Roggenausbreitung bisher in das Mittelalter gelegt, denn die Pollenwerte in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends sind noch relativ gering. Im archäobotanischen Roggenmaterial aus dieser Zeit zeigen jedoch die beigemengten Unkräuter, dass es sich hier im Gegensatz zum mittelalterlichen Winterroggen um Vegetation und Landschaft im Norddeutschen Tiefland 59 Sommerroggen handelt, und es wird angenommen, dass dieser wesentlich weniger Pollen streut als der Winterroggen. Das konnte allerdings noch nicht nachgeprüft werden, weil es so gut wie keinen Sommerroggenanbau mehr gibt. Die plötzliche starke Zunahme des Roggens um 100 n. Chr. wird damit erklärt, dass der Roggen als Nacktgetreide von der aufgegebenen Nacktgerste die Funktion als Hauptbrotgetreide übernahm, denn die noch verbliebene Spelzgerste war zum Backen wenig geeignet. Bemerkenswert an diesem Befund ist, dass jener starke Wechsel bei den Getreidearten, zu dem auch noch die volle Ausbreitung des Saathafers gehört, mit dem Ende der Bewirtschaftung in Form der Celtic fields zusammenfällt. cultivation was practiced by large scale manuring with humus and mineral soil. The stock of cultivated plants changed considerably in the Pre-Roman Iron Age. During this period rye as well as oats were grown for the first time as cultivated plants although in small quantities only. The main crops were the two forms of barley, Emmer and beside these millet, supplemented by flax, goldof-pleasure as well as pie and horse bean. In the West a sharp change occurred around AD 100 in the course of which the up to then much cultivated naked barley disappeared and was replaced by rye. This is explained by the use of rye as new grain for bread. Zusammenfassung Prof. Dr. Karl-Ernst Behre, Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Postf. 2062, D-26360 Wilhelmshaven, E-mail [email protected] Während der Vorrömischen Eisenzeit bestanden die natürlichen Gehölze auf den Altmoränenböden des Nordwestens überwiegend aus Eichenwäldern, im Nordosten kamen erhebliche Anteile der Kiefer sowie in geringerer Zahl der Linde hinzu. Im Laufe dieser Zeitperiode fand in beiden Teilgebieten die erste Ausbreitung von Buche und Hainbuche statt, im Osten stärker als im Westen. Die Wälder wurden durch Waldweide und Laubfutterentnahme aufgelichtet und es kam zunehmend zu Verheidungen. Der Ackerbau erfuhr einen starken Umbruch durch die Ausbildung großer planmäßiger Kammerfluren, den ‘Celtic fields’. Diese liegen zumeist auf armen Böden und zu ihrer Bewirtschaftung wurde zum ersten Male intensive Humus- und Mineralbodendüngung betrieben. Im Kulturpflanzenbestand fanden in der Vorrömischen Eisenzeit vielfache Veränderungen statt. In dieser Zeit wurden erstmals Roggen und Saathafer als Kulturpflanze angebaut, jedoch nur in geringen Mengen. Die beiden Gerstenformen, Emmer und daneben Rispenhirse bildeten das Hauptgetreide, ergänzt durch Lein, Leindotter sowie Erbse und Pferdebohne. Um 100 n. Chr. erfolgte im Westen ein scharfer Wechsel, indem die bis dahin viel kultivierte Nacktgerste verschwand und durch den Roggen ersetzt wurde. Erklärt wird dieser Befund mit der Verwendung des Roggens als neuem Brotgetreide. Summary During the Pre-Roman Iron Age the woodland on the old moraine soils mainly consisted of oak forests. In the Northeast they were supplemented by a considerable share of pine and some linden. During this period the spread of beech and hornbeam took place in both regions, in the east stronger than in the west. The forests were thinned out by grazing and the gathering of leaf fodder, and heathland increased. Agriculture changed dramatically by the creation of large field systems in rectangular patterns, the so-called Celtic fields. In most cases they are situated on poor soils and for the first time Anschrift des Verfassers Literatur Behre 1985 K.-E. 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