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Von Wissenproduktion, Weltordnung Und ,worldism', In: Aram Ziai (hg.)(2016): Postkoloniale Politikwissenschaft, Bielefeld: Transcript

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Von Wissenproduktion, Weltordnung und ,worldism' Postkoloniale Kritiken und dekoloniale Forschungsstrategien in den Internationalen Beziehungen Franziska Müller It would be… ridiculous to construct a theory of international politics based on Malaysia and Costa Rica" (Waltz 1979: 72). Die Ideengeschichte der Internationalen Beziehungen verzeichnet viele turns". Seit den großen Debatten" sind auch kritische Ansätze Teil des Theoriekanons geworden, wie etwa Kritische IB-Theorie, Critical Security Studies, feministische Ansätze, poststrukturalistische Ansätze oder neogramscianische Internationale Politische Ökonomie (Schieder/Spindler 2015; Dunne/Kurki/Smith 2013; Sterling-Folker 2013), nicht jedoch postkoloniale Ansätze (als Ausnahme vgl. Dunne/Kurki/Smith 2013). Offenbar – so Anna Agathangelou und L.H.M. Ling – ist das House of IR" (2004) hierarchisch organisiert und nicht alle IB-Theorien finden gleichermaßen Raum: So führen im House of IR" Vater Realismus und Mutter Liberalismus den Haushalt, unterstützt durch die loyalen Töchter Neoliberalismus, liberaler Feminismus und Standpunktfeminismus, welche weitgehend den epistemologischen Vorstellungen ihrer Eltern Folge leisten und ihnen in Theoriebildung und empirischer Wissensproduktion ähneln. Auf dem Dachboden halten sich rebellischere Familienangehörige auf: Neogramscianismus, Poststrukturalismus und Konstruktivismus grenzen sich von ihren Eltern ab; Eurozentrismen sind aber auch ihnen inhärent. Im Keller schließlich verrichten die Area Studies emsige, aber wenig wertgeschätzte Fleißarbeit. Keinen Platz im Haus haben postkoloniale Ansätze. Das House of IR" ist freilich recht dynamisch und die Umbauarbeiten scheinen für die Postkolonialen Studien neue Räume zu öffnen. Trotzdem ist im Vergleich zur Soziologie die postkoloniale Debatte für die Politikwissenschaft noch Neuland und damit gleichermaßen geprägt von wildwuchernden Diskussionen, methodologischen und empirischen Innovationen, aber auch noch vielen Forschungsdesideraten. Umso wichtiger erscheint es, zum einen zu erläutern, worin Stoßrichtungen und Potentiale postkolonialer Kritik an den Theorieparadigmen der Internationalen Beziehungen bestehen (1), aber auch, welche dekolonialen Forschungsstrategien sich daraus ableiten lassen (2). Für die Weiterentwicklung einer postkolonialen Forschungsagenda ist zudem der Blick auf Forschungsdesiderate in einigen Feldern der Internationalen Beziehungen wesentlich (3). Kritisch meint hier im Sinne der Kritischen Theorie", d.h. mit Bezug auf die Horkheimer'sche Epistemologiekritik und die Unterscheidung in traditionelle und kritische Theorie" (Horkheimer 1948). Im engeren Sinne ist insbesondere die postpositivistische Kritik in den IB gemeint. Einen Einblick bieten z.B. Jones (1998), Shilliam (2011), Tickner/Waever (2009), Tickner/Blaney (2013), Chowdhry/Nair (2003) sowie Seth (2013).