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Der Leib der Göttin: Materialität und Semantik ägyptischer Felslandschaft Ute Rummel By placing the focus on the materiality and semantics of Egyptian rock landscape, this specific topography is viewed from a phenomenological perspective. The paper explores how rock landscape was perceived and experienced with regard to its physical and ideational properties as it is reflected in numerous religious resp. funerary textual and pictorial sources that predominantly originate from Thebes. The engagement and interaction of the Thebans with the striking local environment have brought about a rich imagery of the Western mountains. They were perceived as an embodiment of divine agency in the form of the embracing, regenerating mother goddess Hathor-Imentet, or the potent, powerful rock escarpment tA dhnt (n 2ft Hr nb=s). Against this mythical/theological background, the article also reflects on the idea of the rock tomb, which is a physical and conceptual part of this landscape and therefore part of the body of the goddess. 1 Landschaft und Mensch Der moderne Landschaftsbegriff entzieht sich einer scharfen Definition. Landschaft kann aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet und – je nach Standpunkt der/des Be­trach­ tenden oder der betrachtenden Wissenschaft – als eine geographische bzw. topographische, ökologische, politische, kunstgeschichtliche, kulturhistorische, archäologische oder auch äs­ thetische Größe aufgefasst werden. Im Fokus der phänomenologisch geprägten Land­schafts­ archäologie, deren Perspektive auch der vorliegende Beitrag einnimmt, steht die vom Men­ schen wahrgenommene, erfahrene und geformte Umwelt. Sie folgt darin den grundlegenden For­schungsansätzen der Human- oder Kulturgeographie, die u.  a. danach fragt, wie der Mensch seinen Lebensraum physisch und ideell in Besitz nimmt und dabei Landschaft eben­ falls als Spiegel von Wissen, Technologien, Handlungsweisen, des Glaubens und der Ideen von Menschen betrachtet.1 Landschaften (wie auch die Orte und Stätten, die sie konstituieren) werden als kulturell definierte und gestaltete Räume begriffen, die sowohl physisch/materiell als auch symbolisch/ideell transformiert werden können. Sie sind einerseits das Produkt, aber zu­ gleich auch Auslöser menschlichen Denkens und Handelns: In gleichem Maße wie Landschaft vom Menschen konstruiert wird, beeinflusst sie das Individuum und seine Wahrnehmung. In ihrer Qualität als „Artefakt“ und kultureller Bedeutungsträger sind Landschaften Teil der materiellen Kultur.2 1 Z. B. M. Crang, Cultural Geography, London / New York 2005 (Erstausgabe 1998), bes. 14–42. Zu den „intellectual origins“ der Landschaftsphänomenologie s. M. H. Johnson, Phenomenological Approaches in Landscape Archaeology, in: Annual Review of Anthropology 41 (2012), 269–284. 2 Zu Landschaften und konstruierter Umwelt als Forschungsgegenstand der Material Culture Studies s. z. B. L. Head, Cultural Landscapes, in: D. Hicks / M. C. Beaudry (Hgg.), The Oxford Handbook of Material Culture Studies IV, Oxford 2010, 427–439 (sowie das gesamte Kapitel IV über „Landscapes and the Built Environment“); B. Bender, Place and Landscape, in: C. Tilley / W. Keane / S. Kuechler / M. Rowlands / 42 Ute Rummel Vor diesem Hintergrund soll am Fallbeispiel Theben auch die altägyptische Felslandschaft betrachtet werden, genauer: die sich in religiösen und funerären Texten und Bildern äußern­ de Befasstheit mit ihr. Besonderes Augenmerk gilt dabei der „Materialität“ dieser speziellen Topographie: d. h. sowohl den physischen, morphologischen Eigenschaften des schroffen Fels­ mas­sivs als auch der mit dem Gebirge assoziierten Qualität als Träger göttlicher Hand­lungs­ macht.3 Davon ausgehend wird auch die Semantik des thebanischen Felsgrabes in den Blick genommen, dessen Architektur physisch sowie konzeptuell einen Teil der sakralisierten Land­ schaft darstellt. Die altägyptischen Text- und Bildquellen illustrieren eine intensive Auseinandersetzung so­ wohl mit der physischen Landschaft und dem beobachteten Lebensraum4 als auch mit Ort und Raum als biographischer und sozialer Kategorie. Aspekte wie Herkunft, Heimat, Zugehörigkeit und Identität sind an Orte, Städte (und ihre Gottheiten) sowie Landschaften gebunden und werden über sie definiert: Sei es über die biographische Verortung des Individuums oder die sich in Hymnen äußernde „Sehnsucht nach der Heimatstadt“ („praise of cities“).5 Dass Heimat und Identität bzw. Vertrautheit oder Fremde in starkem Maß auch visuelle Kategorien sind, illustriert folgende Stelle der Erzählung des Sinuhe: „Ich weiß nicht, wer mich in dieses Fremdland brachte. Es war wie ein Traumzustand, wie wenn sich ein Deltabewohner in Elephantine sähe, ein Mann der Deltasümpfe in Nubien.“6 3 4 5 6 P.  Spyer (Hgg.), Handbook of Material Culture, London / Thousand Oaks / Neu-Delhi 2013, 303–314. Zum Aspekt von Landschaft als Artefakt s. z. B. C. Tilley, Materiality of Stone. Explorations in Landscape Phenomenology, Oxford 2004, 217f. Die hier zugrunde gelegte Bedeutung von „Materialität“ fußt im Wesentlichen auf dem Verständnis die­ ses Begriffs von Christopher Tilley, der den sozialen, kulturellen bzw. ideellen Bedeutungshorizont von Materialien in den Vordergrund stellt, s.  z.  B. C. Tilley, Materiality in Materials, in: Archaeological Dialogues 14/1 (2007), 16–20 („I am concerned with the properties [a material] has in relation to peo­ ple“, ebd. 18). Dieser Beitrag ist die Respons auf einen Artikel von Tim Ingold, der sich darin für eine Rückbesinnung auf die physischen, stofflichen, haptischen Eigenschaften von Materialien ausspricht und vor allem den prozesshaften Charakter von Substanz/Material betont, T. Ingold, Materials Against Materiality, in: Archaeological Dialogues 14/1 (2007), 1–16. Zur „multidimensionalen Natur“ des Konzepts der Materialität s. auch C. Knappett, Materiality in Archaeological Theory, in: C. Smith (Hg.) Encyclopedia of Global Archaeology, New York 2014, 4700–4708. J. Richards, Conceptual Landscapes in the Egyptian Nile Valley, in: W. Ashmore / A. B. Knapp (Hgg.), Archaeologies of Landscape. Contemporary Perspectives, Malden 1999, 83–100; D. Jeffreys, Regionality, Cultural and Cultic Landscapes, in: W. Wendrich (Hg.), Egyptian Archaeology, Chichester 2010, 102–118; D. O’Connor, From Topography to Cosmos: Ancient Egypt’s Multiple Maps, in: R. J. A. Talbert (Hg.), In Ancient Perspectives: Maps and Their Place in Mesopotamia, Egypt, Greece, and Rome, Chicago 2012, 47–79. J. Assmann, Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur, Stuttgart 1984, 25–35; H. Guksch, Sehnsucht nach der Heimatstadt: ein ramessidisches Thema?, in: MDAIK 50 (1994), 101–106; F. Hagen, Local Identities, in: T. Wilkinson (Hg.), The Egyptian World, London / New York, 2007, 242– 251; C. Ragazzoli, Éloges de la ville en Égypte ancienne: Histoire et littérature, Paris 2008; C. Ragazzoli, Why Did Ancient Egyptians Long for their Cities? City, Nostalgia and Identity Fashioning in the New Kingdom, in: E. Subias / P. Azara / J. Carruesco / I. Fiz / R. Cuesta (Hgg.), The Graeco-Roman Space of the City in Egypt: Image and Reality, Barcelona 2012, 21–32; A. B. Knapp / W. Ashmore, Archaeological Landscapes: Constructed, Conceptualized, Ideational, in: W. Ashmore / A. B. Knapp (Hgg.), Archaeologies of Landscape. Contemporary Perspectives, Malden 1999, 14–18; J. Auenmüller, Die Territorialität der Ägyptischen Elite(n) des Neuen Reiches, unpublizierte Dissertation, Berlin 2013; zum identitätstiftenden Moment von Landschaften und Orten s. auch C. Tilley, Materiality of Stone, 31, 222. Ostrakon Ashmolean Museum 1945.40, F. Feder, in: TLA (30.10.2015). Mit literarischen Landschaftsbildern als visueller Kategorie befasst sich auch K. Widmaier, Landschaften und ihre Bilder in ägyptischen Texten Der Leib der Göttin 43 Eindrucksvolles Produkt der ägyptischen Landschaftswahrnehmung bzw. -befasstheit ist die Mythisierung bzw. Sakralisierung natürlicher Topographie sowie von Naturphänomenen wie z. B. das personifizierte Westgebirge, der Nil und seine Überschwemmung, Hathor bzw. Isis im Papyrusdickicht der Deltamarschen, die Konzeption der Himmelsgöttin(nen) oder natür­ lich der alles dominierende Sonnenlauf.7 Im Gegensatz zu anderen archäologischen Disziplinen kann die Ägyptologie zusätzlich auf Texte und Darstellungen zurückgreifen, um die zugrunde­ liegenden Konzepte einer Wechselbeziehung zwischen Landschaft und Mensch zu untersuchen. 1.1 Landschaftsphänomenologie Die zentrale Bedeutung der Interaktion zwischen Landschaft und Mensch ist die Kernprämisse der Landschaftsphänomenologie, welche zu Beginn der 1990er Jahre in die britische Vor­ge­ schichtsforschung eingeführt und anhand prähistorischer, vor allem megalithischer Land­ schaften Europas exemplifiziert wurde.8 Christopher Tilley, einer ihrer führenden Vertreter, hat diesen Forschungsansatz in zahlreichen Werken entwickelt und ausgearbeitet.9 Im Fokus der Phänomenologie steht die teilnehmende, interaktive Beziehung des Menschen zur Welt und ihren materiellen Formen. Dabei wird das wahrnehmende, Erfahrung machende Subjekt, ge­ nauer: sein Körper, als Ausgangspunkt zugrunde gelegt, denn er ist das Medium, durch das Ort und Raum erfahrbar werden: „The body is the ground or anchor by means of which we locate ourselves in the world, perceive and apprehend it“.10 Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Agency von Landschaft, d.  h. der Effekt, den sie auf den Menschen ausübt, bzw. die Handlungen, Assoziationen oder Emotionen, die sie hervorruft.11 Dies äußert sich z. B. in der Art und Form der Monumente, die in sie hineingebaut werden und die mitunter einen „Dialog“ zwischen des zweiten Jahrtausends v. Chr., GOF IV/47, Wiesbaden 2009. 7 Auch das Buch vom Fayum ist hier anzuführen, H. Beinlich, Der Mythos in seiner Landschaft: das ägyp­ tische „Buch vom Fayum“, SRaT 11,1–2, Dettelbach 2013–2014, ebenso wie die Gaugötteraufzüge oder geographische Listen, aus denen die kulttopographische Gliederung Ägyptens hervorgeht, z. B. C. E. Nims, Another Geographical List from Medinet Habu, in: JEA 38 (1952), 34–45 oder C. Leitz, Die Gau­mo­no­ graphien in Edfu und ihre Papyrusvarianten. Ein überregionaler Kanon kultischen Wissens im spätzeitli­ chen Ägypten, SSR 9, Wiesbaden 2014. S. auch D. O’Connor, Topography, 67–77. 8 Zur Entwicklung und Rezeption dieses Forschungsansatzes M. H. Johnson, in: Annual Review of Anthro­ pology 41 (2012), 269–284. 9 Zu seinen Hauptwerken zählen C. Tilley, A Phenomonelogy of Landscape. Places, Paths and Monuments, Oxford 1994; C. Tilley, Metaphor and Material Culture, Oxford 1999; C. Tilley, Materiality of Stone; C. Tilley, Body and Image: Explorations in Landscape Phenomenology 2, Walnut Creek 2008. Eine grundle­ gende Quelle seiner Landschaftsphänomenologie ist das Werk des französischen Philosophen M. MerleauPonty, Phenomenology of Perception (1962; frz. Originalausgabe 1945); s. auch Anm. 1. 10 C. Tilley, Metaphor and Material Culture, 34. Der Körper bildet die Achse, „from which spatiality and temporality are oriented“, ebd. In ihrer Betonung der Wechselbeziehung zwischen Mensch und materiel­ ler Form weist die phänomenologische Perspektive eine Gemeinsamkeit mit dem kognitiven Ansatz des material engagement auf. Doch stellt letzterer nicht den Körper, sondern das Denken/der Verstand in den Mittelpunkt der Erforschung dieses Beziehungsgeflechts, C. Knappett, The Affordances of Things. A PostGibsonian Perspective on the Relationality of Mind and Matter, in: E. DeMarrais / C. Gosden / C. Renfrew (Hgg.), Rethinking Materiality: The Engagement of Mind with the Material World, Cambridge 2004, 43f., 48–50. Carl Knappett, dessen Forschungsinteresse u. a. der „codependency of mind and matter“ gilt, ver­ weist in diesem Zusammenhang auch auf eine „increasing permeability of the boundaries between certain academic traditions“, ebd. 48f. 11 „We enter a landscape and create a subjective but culturally bound perception of it. We also interact with the materiality of place and the place interacts with us and affects the manner in which we perceive“, C. Tilley, Materiality of Stone, 220. Auch Chris Scarre (s. Anm. 12) oder Barbara Bender betonen diesen Aspekt, B. 44 Ute Rummel Monument und Landschaft erkennen lassen.12 Doch nicht nur die physische, materielle Um-/ Gestaltung, auch die Benennung eines Ortes stellt einen aktiven Transformationsprozess dar: Durch die Namengebung wird aus einem geographischen Raum oder einer Stätte ein histori­ sches, soziales oder religiöses Erfahrungsfeld, denn sie werden in ein Symbolsystem integriert, mit spezifischer Bedeutung aufgeladen.13 Ein Blick auf ägyptische Toponyme wie z. B. Jnbw HD „die weißen Mauern“ (Memphis), Axt Jtn „Horizont des Aton“ (Amarna), Jwnw Smaw „südliches Heliopolis (Karnak), pA wbA aA n Jmn „der große Vorhof des Amun“ (Dra’ Abu el-Naga Nord) oder auch 2ft Hr nb=s „die ihrem Herrn gegenüber liegt“ (Theben-West) verdeutlicht dies.14 Ein wesentlicher Faktor in der Interaktion des Menschen mit Landschaft ist die von ihr aus­ gehende Affordanz (affordance): das durch sensorisch wahrnehmbare sowie indirekt (kognitiv) erfasste Eigenschaften eines Ortes vermittelte Angebot, diesen zu nutzen, zu interpretieren oder mit symbolischer Bedeutung zu belegen.15 Die Wahrnehmung von Landschaft und die durch sie ausgelösten kognitiven Prozesse werden wiederum durch individuelle und/oder sozio-kultu­ relle Faktoren wie Erinnerung, Erfahrung und Wissen beeinflusst.16 Diese Wechselbeziehung kommt insbesondere bei der Konstruktion sakraler bzw. „ideeller“ Landschaften zum Tragen, wie sie in Ägypten vom Delta bis zum ersten Katarakt anzutreffen sind.17 In den einzelnen Regionen haben jeweils unterschiedliche Faktoren den Ausschlag gegeben, einen Ort zu nutzen, zu definieren und zu interpretieren: neben funktionalen, infrastrukturellen Aspekten können dies visuelle Bezüge, etwa zu auffälligen Landschaftsmerkmalen oder Monumenten, oder eine Bender, Time and Landscape, in: Current Anthropology 43, Supplement (2002), 103–112 (bes. 108); B. Bender, Place and Landscape, 303–313. 12 C. Scarre, Situating Monuments. The Dialogue between Built Form and Landform in Atlantic Europe, in: C. Scarre (Hg.), Monuments and Landscape in Atlantic Europe, London / New York 2002, 1–14; C. Scarre, Monumentality, in: T. Insoll (Hg.), The Oxford Handbook of Archaeology and Ritual, Oxford 2011, 10–23. 13 C. Tilley, Phenomenology of Landscape, 17–20. Ein anschauliches Beispiel eines Toponyms, das die kol­ lektive Erinnerung und Erfahrung einer Gesellschaft geradezu bündelt, ist der als Ground Zero bezeichnete Ort der zerstörten Türme des World Trade Centers in New York City, vgl. A. G. Neal, National Trauma and Collective Memory: Extraordinary Events in the American Experience, London 2005, 178–194. 14 Zur Bedeutung ägyptischer Ortsnamen hinsichtlich der Wahrnehmung von Landschaft und ihrer ideel­ len, „programmatischen“ Gestaltung s. S. Dhennin / C. Somaglino, Décrire, imaginer, construire l’espace. Toponymie égyptienne de l’Antiquité au Moyen-Âge, Kairo (im Druck; ich danke S. Dhennin für die Übersendung des Inhaltsverzeichnisses sowie der Einleitung). S. auch J. Wegner, From Elephant-Mountain to Anubis-Mountain? A Theory on the Origins and Development of the Name Abdju, in: Z. A. Hawass / J. Richards (Hgg.), The Archaeology and Art of Ancient Egypt. Essays in Honor of David B. O’Connor, Kairo 2007, 473–491. 15 Das Konzept der affordances wurde aus der Wahrnehmungspsychologie übernommen und u.  a. für die Material Culture Studies und die Archäologie adaptiert, s. z.  B. T. Ingold, Culture and the Perception of the Environment. in: E. Croll / D. Parkin (Hgg.), Bush Base: Forest Farm. Culture, Environment and Development, London 1992, 39–56; C. Tilley, Materiality of Stone, 24; C. Knappett, Affordances, 43–51; R. Fox / D. Panagiotópoulos / C. Tsouparopoulou, Affordanz, in: M. R. Ott / R. Sauer / T. Meier (Hgg.), Materiale Textkulturen 1. Konzepte – Materialien – Praktiken, Berlin / Boston / München 2015, 63–70. 16 Art und Umfang der Informationsaufnahme und damit die Wahrnehmung bestimmter Affordanzen unter­ liegen nicht nur kulturellen Faktoren, sie sind zudem situativ und hängen vom jeweiligen Handlungskontext ab: „Affordances are properties of the real environment as directly perceived by an agent in a context of practical action“, T. Ingold, Perception, 46; ähnlich auch C. Tilley: „Perception is a mode of action“, Materiality of Stone, 24. S. auch C. Knappett, Affordances, bes. 45f. 17 A. B. Knapp / W. Ashmore, Archaeological Landscapes, 12f. verwenden die Bezeichnung „ideational land­ scapes“, da diese im Gegensatz zu „sacred“ oder „symbolic“ ein breiteres Bedeutungsspektrum umfasst, d. h. religiös, sozial, historisch wie auch politisch definierte Topographie mit einschließen würde. Der Leib der Göttin 45 existierende ideelle Bedeutung sein.18 Am Beispiel Abydos wird deutlich, dass die einflussneh­ menden Faktoren/Affordanzen an einem Ort sowohl topographischer als auch ideeller bzw. mythologischer Natur sein können, und wie diese sich im Laufe der Zeit, zumal mit der fort­ schreitenden Transformation eines Ortes, wandeln können: Das Plateau von Umm el-Qaab wird seit der frühen Naqadazeit als Friedhof genutzt. Der auffällige Wadi-Einschnitt im Süden der abydenischen Bucht scheint angesichts entsprechender struktureller Merkmale für die früh­ dynastischen Königsgräber einen religiösen Orientierungspunkt gebildet zu haben, nämlich als „Eingang in die Unterwelt“.19 Ob dieses Wadi bereits für die frühesten Bestattungen (Naqada IA bis IIB) von irgendeiner Bedeutung gewesen ist, lässt sich nicht nachweisen.20 Die weitere Belegungsgeschichte des Ortes zeigt, dass man in der fortgeschrittenen Naqadazeit (IID), nach einer Phase der Unterbrechung in Naqada IIC, nach Umm el-Qaab und damit vielleicht gezielt zu den Vorfahren zurückkehrte.21 Ein bewusster Rückbezug auf die in Umm el-Qaab bestat­ teten historischen Ahnen mag auch bei der Ortswahl für die Königsgräber der 1. Dynastie ein ausschlaggebender Faktor gewesen sein. Das sich bereits in prä- und frühdynastischer Zeit abzeichnende Traditionsbewusstsein bildet die Grundlage dafür, Abydos in pharaonischer Zeit als Ort der mythischen Herrscher Ägyptens zu interpretieren, und kulminiert schließlich in der Identifikation des Grabes des Königs Djer (1. Dynastie) mit der Ruhestätte des mythischen Königs und Gottes Osiris. Das Osirisgrab ist spätestens seit dem Mittleren Reich Fokus eines ausgedehnten Fest- und Prozessionsgeschehens, dessen Ausläufer bis in die Spätantike greifbar sind und bei dem das Wadi von Umm el-Qaab einen wichtigen rituellen Fluchtpunkt bildet.22 Die Wahrnehmung der Stadt Theben wird spätestens seit der 18. Dynastie gänzlich durch die Präsenz des Lokalgottes Amun-Re und seines Hauptheiligtums in Karnak dominiert; Amun von Karnak konstituiert ihre Identität.23 Bei der Genese des Amun-Tempels im frühen Mittleren Reich war hinsichtlich des Platzes offenbar eine besondere Metaphorik ausschlagge­ 18 D. Jeffreys, Cultic Landscapes, 110, 112f.; D. Jeffreys, The Topography of Heliopolis and Memphis. Some Cognitive Aspects, in: H. Guksch / D. Polz (Hgg.), Stationen. Beiträge zur Kulturgeschichte Ägyptens. Rainer Stadelmann gewidmet, Mainz 1998, 63–71; D. Jeffreys / A. Tavares, The Historic Landscape of Early Dynastic Memphis, in: MDAIK 50 (1994), 143–173; S. Love, Stones, Ancestors, and Pyramids: Investigating the Pre-pyramid Landscape of Memphis, in: M. Barta (Hg.), The Old Kingdom Art and Archaeology, Proceedings of the Conference Held in Prague, May 31–June 4, 2004, Prag 2006, 209–220. 19 G. Dreyer, Königsgräber ab Djer: Wege zur Auferstehung, in: G. Dreyer / D. Polz (Hgg.), Begegnung mit der Vergangenheit: 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907–2007, Mainz 2007, 197–202; U. Effland / A. Effland, „Ritual Landscape“ und „Sacred Space“. Überlegungen zu Kultausrichtung und Prozessionsachsen in Abydos, in: M. K. Lahn / M.-G. Schröter (Hgg.), Raum­di­men­ sio­nen im Altertum, in: MOSAIKjournal 1 (2010), 127–158. 20 U. Hartung, Der Friedhof U in Umm el-Qaab und die funeräre Landschaft von Abydos in prädynastischer Zeit, in: D. Polz / S. J. Seidlmayer (Hgg.), Gedenkschrift für Werner Kaiser, MDAIK 70/71 (2014/2015), 175–101 (im Druck). Es ist nach Hartung nicht auszuschließen, dass die Tradition der Vorstellung eines Ein­gangs ins Jenseits vor die 1. Dynastie zurückreicht. 21 Zur Belegungsgeschichte von Umm el-Qaab und ihrer Interpretation s. U. Hartung, Der Friedhof U, 175– 190. Gemäß Hartung wäre „als ein wesentlicher Aspekt der Neubelegung während Naqada IID die Absicht zu vermuten, an diese alte Tradition anzuknüpfen und eine Verbindung zu den Vorfahren zu schaffen, die Schutz und Legitimation versprach“, ebd. 190. Interessanterweise lassen sich ab Naqada IID ausschließlich Elitebestattungen nachweisen. 22 U. Effland / A. Effland, „Ritual Landscape“, 127–158. 23 Die Grundstruktur der thebanischen Ritualtopographie wird durch den Tempel von Karnak definiert, M. Ullmann, Thebes. Origins of a Ritual Landscape, in: P. F. Dorman / B. M. Bryan (Hgg.), Sacred Space and Sacred Function in Ancient Thebes, SAOC 61, Chicago 2007, 3–25; U. Rummel, Gräber, Feste, Prozessionen. Der Ritualraum Theben-West in der Ramessidenzeit, in: G. Neunert / K. Gabler / 46 Ute Rummel bend. Jeder Tempel ist per se eine auf dem Urhügel gelegene „Stätte des ersten Males“, an der sich die Schöpfung wiederholt.24 Doch bot der Baugrund von Karnak, wie Gabolde darlegt, noch eine weitere Voraussetzung an. Das Urheiligtum der frühen 11. Dynastie, der Tempel Intefs II., wurde auf einer Insel errichtet, die durch die graduelle Verlagerung des Nillaufs nach Westen entstanden ist.25 Damit wies dieser Landrücken eine besondere Eigenschaft auf: Es handelt sich um „ mAwt -Land“, „neues, unberührtes Territorium“, das von den thebanischen Lokalherrschern offenbar bewusst als Ort für den Tempel ihres neu konzipierten Gottes AmunRe gewählt wurde.26 Die Genese von Karnak und die theologische „Geburt“ des Amun-Re hat, wie Gabolde aufzeigt, eine politische Dimension, da die Thebaner ihren Gott und seinen Tempel schufen – wobei sie beides am Beispiel von Heliopolis modellierten – um ihren Machtanspruch gegenüber den konkurrierenden Herakleopoliten zu legitimieren bzw. die eigene Herrschaft theologisch zu ermächtigen.27 Thebens geographische Lage illustriert zudem die untergeordnete Rolle infrastruktureller Faktoren, die ansonsten für das Entstehen einer Residenzstadt häufig zum Tragen kommen: so z. B. im Fall von Memphis, das am Eingang zum Delta einen wich­ tigen Verkehrsknotenpunkt markiert.28 In Theben stand zu allen Zeiten die ideelle, religiöse Bedeutung im Vordergrund; die Bedeutung als Residenz war jeweils nur kurzlebig. 2 Die agierende Landschaft: Der Westen als empfangende, umschließende Größe Neben der theologisch-religiösen Ausrichtung auf Amun-Re und seinen Tempelbezirk ist das personifizierte Westgebirge die prägende mythologische Größe der Region Theben. Die hier besonders elaborierte Mythisierung der Topographie ist zweifellos auf die eindrucksvolle Morphologie der lokalen Gebirgsformation zurückzuführen, die mit dem Grabdenkmal Men­ tu­hotep-Nebhepetres im Talkessel von Deir el-Bahari erstmals monumental markiert wird.29 In der agierenden Berglandschaft laufen zwei Urbilder zusammen: 1) Der Sonnenzyklus als eternalisierendes Modell und hier vor allem der nächtliche Aufenthalt des Sonnenleichnams in der Unterwelt bzw. im Innern des Berges, und 2) das der Himmelsgöttin, welche die Sonne bzw. den Verstorbenen in sich aufnimmt und erneuert (d. h. die Rückkehr in den Mutterleib, A.  Verbovsek (Hgg.), Nekropolen: Grab – Bild – Ritual. Beiträge des zweiten Münchner Arbeitskreises Junge Aegyptologie (MAJA 2), GOF IV/54, Wiesbaden 2013, 207–232. 24 S. z. B. P. Barguet, Le temple d’Amon-Rê à Karnak. Essai d’exégèse, Kairo 1962, 332f. (Karnak); Urk. IV, 1709.13 (Luxor-Tempel) sowie L. Gabolde, L’implantation du temple. Contingences religieuses et contrain­ tes géomorphologiques, in: Afrique et Orient 68 (2012), 3–12. 25 L. Gabolde, Karnak, Amon-Rê: La genèse d’un temple, la naissance d’un dieu (Habilitationsschrift Mont­ pellier 2012; mein herzlicher Dank gilt Luc Gabolde, der mir sein im Druck befindliches Manuskript zur Verfügung stellte); L. Gabolde, Les origines de Karnak et la genèse théologique d’Amon, in: BSFE 186–187 (2013), 13–35; A. Graham, Islands in the Nile. A Geoarchaeological Approach to Settlement Location in the Egyptian Nile Valley and the Case of Karnak, in: M. Bietak / E. Czerny / I. Forstner-Müller (Hgg.), Cities and Urbanism in Ancient Egypt. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften der Gesamtakademie 40, Wien 2010, 125–143. 26 Gabolde verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf den Text der Amarna-Grenzstelen, welcher die Be­ deu­tung des vormals ungenutzten Territoriums ebenfalls herausstellt: Dort wird explizit betont, dass der Platz für die neue Stadt zuvor von niemandem (keiner Gottheit und keinem Herrscher) beansprucht wurde, L. Gabolde, Karnak, 197–199 mit Anm. 540f.; L. Gabolde, in: Afrique et Orient 68 (2012), 4. 27 L. Gabolde, in: BSFE 186–187 (2013), 23–30. 28 D. Jeffreys, Cultic Landscapes, 108. 29 D. Polz, Mentuhotep, Hatschepsut und das Tal der Könige – eine Skizze, in: E. Engel / V. Müller / U.  Hartung (Hgg.), Zeichen aus dem Sand. Streiflichter aus Ägyptens Geschichte zu Ehren von Günter Dreyer, Wiesbaden 2008, 525–533. Der Leib der Göttin 47 regressus ad uterum30). Der personifizierte Westen ist bereits im Alten Reich als mythologische Konzeption existent und findet sich in den Pyramidentexten31 sowie in den privaten Grab­in­ schri­f ten.32 Vom „schönen Westen“ ( jmnt nfrt) bzw. der Westwüste (smjjt jmntt) empfangen zu werden, ist Bestandteil der Wünsche für den Toten, wie z. B. der Stelentext des Tjeti aus Theben (el-Tarif, 11. Dynastie) bezeugt: „Möge er anlanden in Frieden im schönen Westen. Möge die Wüste (smjjt) ihm ihre Arme öffnen, möge der Westen ihm ihre Arme reichen“.33 In den Sargtexten wird der Wunsch nach Empfang, Aufnahme und Wiedergeburt durch Imentet in der Spruchfolge 30–37 ausführlich thematisiert,34 und Spruch 628 soll gemäß seinem Titel „veranlassen, dass die Westgöttin einem Mann ihre Arme entgegenstreckt“.35 Die mit dem Westen assoziierte Handlungsform ist das Begrüßen/Empfangen, Umschließen, Verbergen. In den thebanischen Gräbern des Neuen Reiches wird das Motiv des Übergangs zumeist durch die frauengestaltige (Hathor-)Imentet verkörpert, welche den Verstorbenen vor dem Nekropolenberg in Empfang nimmt (Abb. 1, 2).36 Aus einigen Darstellungen geht die Iden­tität der Imentet mit dem Westberg deutlich hervor. In TT 41 (Abb. 3) z. B. „wächst“ sie – ähnlich dem Motiv der Baumgöttin – aus dem Berg heraus. Deutlicher noch vermittelt die außer­gewöhnliche Wiedergabe der Imentet auf der Stele des Amenemope, dass das Felsmassiv der Leib der Göttin ist, denn hier ist der Berg selbst mit ihrem Kopf versehen (Abb.  4).37 30 J. Assmann, Tod und Initiation im altägyptischen Totenglauben, in: H. P. Duerr (Hg.), Sehnsucht nach dem Ursprung. Zu Mircea Eliade, Frankfurt 1983, 340f.; J. Assmann, Neith spricht als Mutter und Sarg, in: MDAIK 28.2 (1973), 115–139; N. Billing, Nut. The Goddess of Life in Text and Iconography, USE 5, Uppsala 2002, 25–41, 151–156. 31 PT 254, Pyr. 282: „Ziehe hin in Frieden. Ich habe dich umfasst ( Xnm), sagt der schöne Westen zu N.N., vgl. H. Refai, Die Göttin des Westens in den thebanischen Gräbern des Neuen Reiches, ADAIK 12, Berlin 1996, 3; J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Ägyptische Totenliturgien II. Totenliturgien und Totensprüche in Grabinschriften des Neuen Reiches, Supplemente zu den Schriften der Heidelberger Aka­demie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse 17, Heidelberg 2005, 349. Auch in den theba­nischen Gräbern des Alten Reiches in el-Chocha ist der „schöne Westen“ das Ziel des Verstorbenen, M.  Saleh, Three Old-Kingdom Tombs at Thebes I. The Tomb of Unas-Ankh no. 413; II. The Tomb of Khenty no. 405; III. The Tomb of Ihy no. 186, AV 14, Mainz 1977, 24. 32 H. Refai, Göttin des Westens, 3f.; J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 349. 33 Stele BM EA 614, R. Landgráfová / P. Dils ( jmnt), in: TLA (03.09.2015). Vgl. auch die Varianten auf den Stelen des Tjebu (Kairo CG 20005) und des Henenu (Moskau I.1.a.5603 [4071]), ebd.; des Weiteren W. Barta, Aufbau und Bedeutung der altägyptischen Opferformel, ÄgFo 24, Glückstadt 1968, Bitten 32, 35, z. B. 30f., 40f., 307; G. Lapp, Die Opferformel des Alten Reiches, SDAIK 21, 1986, 59 (§ 96). Im Pyramidentempel des Sahure erscheint die Göttin Imentet in einem der Götteraufzüge als Bringerin der li­byschen Fürsten, L. Borchardt, Das Grabdenkmal des Königs Sahu-Re II: Die Wandbilder, Leipzig 1913, Blatt 1. 34 CT I, 82-157. 35 Der Titel ergänzt wDA pw, „etwas Heilendes ist das“, CT VI, 247a. Auf Sarg T1L ist „veranlassen, dass die Westgöttin einem Mann ihre Arme entgegenstreckt“ Teil des unvollständig erhaltenen Titels von Spruch 30, CT I, 83k. Eine Zusammenstellung diachroner Belegstellen des Motivs der Begrüßung und des Empfangs durch den Westen findet sich in J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 348–350. 36 Die thebanischen Szenen hat H. Refai, Göttin des Westens, zusammengestellt. In TT 82 werden die thro­ nenden Ost- und Westgöttinnen vom Grabherrn beopfert, und im Gegenzug schließt ihn Imentet gemäß ihrer Beischrift in ihre Arme, N. de G. Davies / A. H. Gardiner, The Tomb of Amenemhēt (no. 82), TTS 1, London 1915, Taf. XXVII. Die gleiche Szene ist in TT 61 (User) stark zerstört, E. Dziobek, Die Gräber des Vezirs User-Amun. Theben Nr. 61 und 131, AV 84, Mainz (1994), 34, Abb. 10 und Taf. 64. Vgl. auch die Darstellung des Westbergs auf dem Türsturzfragment aus TT 216 (Neferhotep), B. Bruyère, Fouilles de Deir el Médineh (1924–1925), FIFAO 3, Kairo 1926, 102, Abb. 70. 37 Louvre C 209. Den Hinweis auf dieses Stück verdanke ich Beatrix Gessler; für die Übersendung der Abb.  4 bedanke ich mich bei Hélène Guichard (Musée du Louvre). 48 Ute Rummel Eine weitere Ikonographie des Westeintritts ist das Bild des agierenden Berges, welcher der untergehenden Sonne seine Arme entgegenstreckt, um sie in sich aufzunehmen (Abb. 5, 6, 11).38 Im Schlussbild des Papyrus des Amunemwija (Berlin 3127; Abb. 6)39 wird das Wesen des aufnehmenden Berges durch zwei göttliche Größen bestimmt: Hathor, Herrscherin des Westens, und Atum, der „Alles Seiende“ (Wnnt nbt), welcher die Sonne in die Arme schließt. Das Beispiel in der Vorkammer von TT 218 (Abb. 7a)40 zeigt ein Armpaar mit Brüsten, welches die Sonne im Berg umfängt. Am Fuß des Berges thront Osiris-Chontamenti, für den gemäß dem Text eine Fackel angezündet wird: stt=tw n=k tkA Wsjr xntj jmntt.41 In den hier vorliegenden Bildkomponenten des Bergmassivs werden zwei Motive des Westeintritts ineinander geblen­ det, nämlich das Eingehen in die Muttergottheit und das Entzünden der Fackel, welche nach Tb 137B die Finsternis (bzw. „die Mächte des Seth“) vertreibt und dem Verstorbenen den Weg in die Unterwelt öffnet.42 WDAt -Auge und Horusfalke beziehen sich ebenfalls auf die Fackel, die laut Tb 137B als „strahlendes Horusauge“ erscheint. Die Übergangssemantik dieser Szene wird zudem durch den Anbringungsort oberhalb des Abgangs in die Grabkammer betont. Im agierenden Berg bzw. dem Handeln der Imentet manifestiert sich das weibliche Prinzip, welches die Göttinnen Hathor, Nut und Isis sowie ihr analoges Wirken als regenerierender, schützender Mutterleib umfasst.43 Daher kann die jeweilige Identität der Göttin bzw. des aufnehmenden Berges variieren. Auf der Turiner Stele des Amunnacht ist es Isis, die große Felswand des Westens (tA dhnt wrt nt jmntt), die „dem, der sie liebt“ ihre Arme reicht und Schutz über ihn ausübt (Abb. 8). Sie ist hier außerdem mit den Epitheta „Herrin des Himmels“ und 38 Das Bild in Abb. 11 zeigt das morgendliche Emporheben der Sonne aus dem Berg, der begleitende Hymnus beschreibt den Sonnenuntergang, E. Feucht, Das Grab des Nefersecheru (TT 296), Theben 2, Mainz 1985, 77–83 (Szene 25). Das Motiv des empfangenden Berges wird auch sprachlich zum Ausdruck gebracht, so in einem Hymnus an die untergehende Sonne in TT 192: „Oh Amun-Re, (…) mit Dir haben sich die Arme des Horizontgebirges (mAnw) vereinigt, The Tomb of Kheruef, Theban Tomb 192, OIP 102, Chicago 1980, Taf. 7, vgl. I. Hafemann, in: TLA (Eintrag mAnw ; 30.10.2015). Des Weiteren heißt es im gleichen Text „die zwei Arme deiner Mutter sind der [Schutz um dich…]. 39 Ich danke Verena Lepper (Papyrussammlung Staatliche Museen zu Berlin) für die Druckvorlage der Abb. 6. 40 Für eine Farbabbildung dieser Szene s. E. Hofmann, Bilder im Wandel. Die Kunst der ramessidischen Privatgräber, Theben 17, Mainz (2004), Taf. XVII.51. Ich danke Eva Hofmann (Universität Heidelberg) für die freundliche Bereitstellung der Druckvorlagen der Abbildungen 7 und 10. 41 Eine fast identische Bildkomposition, jedoch ohne das empfangende Armpaar, findet sich in TT 3 (Pasched) in Deir el-Medina, s. A. Gasse, Le chapitre 137B du Livre des morts à la lumière de quelques ostraca de Deir el-Medina, in: B. Backes / M. Müller-Roth / S. Stöhr (Hgg.), Ausgestattet mit den Schriften des Thot. Festschrift für Irmtraut Munro zu ihrem 65. Geburtstag, SAT 14, Wiesbaden 2009, 69–78 (Abbildung als IFAO Online-Ressource unter http://www.ifao.egnet.net/bases/archives/ttdem/?id=39 [30.10.2015]). 42 E. Naville, Das ägyptische Todtenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie, Berlin 1886, I, Taf. CLI, II, 361. Tb   137B ist gemäß A. Gasse generell nicht sehr häufig belegt (das digitale Textzeugenarchiv listet 12 Objekte: http://totenbuch.awk.nrw.de/spruch/137b [30.10.2015]), und ein Schwerpunkt der Belege ist in Deir el-Medina zu verzeichnen, A. Gasse, Le chapitre 137B du Livre des morts, 69–78. 43 Auch Neith ist diese Mutterrolle eigen, J. Assmann, Neith spricht als Mutter und Sarg, in: MDAIK 28.2 (1973), 115–139. Zum „aufnehmenden Weiblichen“ s. J. Assmann, Liturgische Lieder an den Sonnengott, MÄS 19, Berlin 1969, 56–60. Das Wesen des regenerierenden „Nut-Konzepts“ hat N. Billing herausge­ arbeitet, Nut, bes. 25–41, 151–156, 310–314 (s. Anm. 50). Der weiblichen Komponente des nächtlichen Transformationsprozesses stehen die ebenso verborgenen männlichen/väterlichen Kräfte des Erdgottes Ta­ tenen gegenüber. Wie z. B. der Sonnenhymnus Tb 15 beschreibt, umfängt er die Sonne mit seinen Armen, um sie in seinem Leib (Haw) zu verwandeln, J. Assmann, Liturgische Lieder, 37f. mit Textnote bb, 60–63. Als Verkörperung der Erde bzw. ihres Inneren besitzt auch Tatenen die Eigenschaft als Raum, welcher die Erneuerung des Sonnengottes bewirken sowie Götter gebären kann, s. die von Assmann zusammengestell­ ten Belegstellen, ebd. Der Leib der Göttin 49 „Mutter der Götter“ versehen. Im Hymnus des P. Dublin Nr. 4 erscheint Hathor als „Herrin der Felswand des westlichen Horizontberges“ (nbt dhnt nt mAnw), wenn sie ihren Vater Re „bei seinem schönen Untergang“ in sich aufnimmt.44 Auch verschiedene Grabinschriften setzen den Westberg mit dem Himmel/der Nut gleich: Gemäß einer Deckenzeile im Grab des Amenemhet (TT 82) wird Re in seiner msktt -Barke im westlichen Horizontberg vom Himmel empfangen: Ssp sw pt m mAnw45; ein Sonnenhymnus in TT 296 (Abb. 11) preist Re, „wenn er untergeht in Manu zwischen den Schenkeln der Nut“.46 Die Rückkehr in den Mutterleib kann mit verschie­ denen (Sprach-)Bildern zum Ausdruck gebracht werden.47 Neben dem Eingehen zwischen den Schen­keln der Nut oder ihrem Verschlucken der Sonne ist die Umarmung die zentrale Geste die­ses Vorgangs, da sie den Aspekt der Rückkehr mit dem der Lebensübertragung vereinigt.48 Der mütterliche Aspekt des empfangenden Westberges wird in mehreren Darstellungen durch das Armpaar mit Brüsten betont (z. B. in TT 218, Abb. 7a).49 Die weibliche Ikonographie un­ terstreicht die Nut-Qualität des Berges als Leben spendendes Behältnis bzw. „ma­ter­nal space where death is transformed into life“50. Ein eindrucksvolles Bild des umschließenden Mut­ter­ raums des Westberges findet sich in TT 335 (Nachtamun) über dem Abgang zur unterirdischen Be­stat­tungs­anlage: Es zeigt die en face dargestellte, nach vorn gebeugte Göttin mit hängenden Brüs­ten, die am/im Fels kniet und die Sonne in ihrem Leib umfängt.51 In einem Hymnus an Imentet im Grab des Djehutymes (TT 32) wird das Wirken der West­ göt­tin umfassend beschrieben. Ihr Wesen als „mütterlicher Raum“ und Regenerationsort so­ wohl für den Verstorbenen als auch für den Sonnengott wird darin folgendermaßen charakte­ risiert (Abb. 1, Z. 4–6): „(…) Wohnung (hAyt) des Wennefer, die ihren Herrn umhüllt (hApt) und seinen Leichnam verbirgt ( jmnt). Sie verhüllt (sTAm) das Haupt ihres Herrn, rechtes Auge des Re, in welchem er zur Ruhe 44 P. Pierret, Études égyptologiques comprenant le texte et la traduction d’une stèle éthiopienne inédite et de divers manuscrits religieux I, Paris 1875, 83; J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, Göttingen 1999, Nr. 224, 504f. S. auch unten Abschnitt 2.1. 45 N. de G. Davies / A. H. Gardiner, Amenemhēt, Taf. XXXVII; J. Assmann, Liturgische Lieder, 51. Die Wiedergeburt des Verstorbenen bei seinem Westeintritt durch „seine Mutter Nut“ findet sich bereits in PT Spruch 609: N.N. ms.n mwt=k Nwt m Jmntt, hA.n=k jr Jmntt , Pyr. 1703a; N. Billing, Nut, 38f. 46 E. Feucht, Nefersecheru, 79, 82, Farbtafel III. Zum Paradoxon dieser quasi rückläufigen Geburt s. J.  Ass­ mann, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, Theben 1, Mainz 1983, 333 (Text 233); vgl. auch J. Ass­ mann, Liturgische Lieder, 237; N. Billing, Nut, 149f. 47 Vgl. auch das „Hinabsteigen in den Leib der Naunet“, J. Assmann, Liturgische Lieder, 236f. 48 Zur Semantik des Umarmungsgestus s. J. Assmann, Liturgische Lieder, 58–60 und bes. 147, Anm. 34. 49 Des Weiteren in TT 219, C. Maystre, Tombes de Deir el-Médineh. La tombe de Nebenmât (no. 219), MIFAO 71, Kairo 1936, Taf. VII; TT 335, B. Bruyère, Deir el Médineh (1924–1925), 116f., Abb. 78f.; TT 336, ebd. 84f., Abb. 55f. 50 N. Billing, Nut, 310–312. Die von Billing herausgearbeitete Essenz der Nut als konzeptualisierter Raum, welcher birgt, integriert und regeneriert, stellt die Schnittmenge mit anderen weiblichen Gottheiten wie Naunet, Hathor/-Imentet, Neith oder Isis dar. Die semantische Nähe zwischen wasser-/lebenspendender Nut und Imentet zeigt sich auch in der häufigen Verbindung des Westbergs mit dem Motiv der Baumgöttin, s. z. B. Abb. 2 und 4 des vorliegenden Beitrags. Zur Identität der Baumgöttin s. N. Billing, Nut, 185–308. 51 B. Bruyère, Deir el Médineh (1924–1925), S. 116f., Abb. 78f. Vgl. das Ostrakon Kairo CG 25074 aus KV 6 (Abb. 7b) mit der Zeichnung einer gleichartig dargestellten Göttin, die das Sonnenkind umarmt, G. Daressy, Ostraca: nos. 25001–25385, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire, Kairo 1901, 15, Taf. XV; B. Bruyère, Mert Seger à Deir el-Médineh, MIFAO 58, Kairo 1930, 180, Abb. 94. Zum Charakter der im Westberg verkörperten Göttin bzw. der tA dhnt als Behältnis s. ebd. 180–182, 207. 50 Ute Rummel geht.52 Sie streckt ihre Arme aus, um ihn zu empfangen. Sie macht Atum wieder zum Kind in seinem hohen Alter, in ewiger Erneuerung.“53 Im Folgenden geht der Text auf die Anatomie der Westgöttin ein und offenbart, dass das theba­ nische Felsgrab eine mit ihr physisch bzw. anatomisch verbundene Einheit bildet (Z. 8): „Wie nützlich bist Du für Wennefer, Westen, Stadt der Ewigkeit! Er baut eine Halle (rwyt) an deinen Körper (Haw), und dein Bauch (Xt) ist sein Grab“. Die hier beschriebene konzeptuelle Einheit wird auch durch zahlreiche Grabdarstellungen il­ lustriert, die den Graboberbau am Westberg, d. h. am Körper der Göttin, abbilden (Abb. 1, 2, 4, 9).54 Dass der Berg der Leib der Göttin ist, welcher Göttern und Verstorbenen gleichermaßen als Ruheort dient, geht auch aus dem bereits zitierten Hathor-Hymnus des Papyrus Dublin Nr. 4 hervor: Als „Mutter der Götter, die in ihr zur Ruhe gehen“ und „Herrin der Felsfront des westlichen Horizontgebirges“ nimmt Hathor Re-Harachte-Atum „bei seinem schönen Untergang“ in sich auf, und entsprechend wünscht sich der Verstorbene von ihr: „Mögest du mich umfangen (Hpt) zusammen mit den Gelobten (Hsyw), mögest du mich bergen ( jmn) in deinem Innern für immer!“55 2.1 Materialität und Semantik von Felslandschaft Die Assoziation der (Hathor-)Imentet mit der Morphologie des Gebirges wird in den oben beschriebenen Szenen des Westeintritts deutlich erkennbar. Auch das geläufige „Hathor im Berg“-Motiv, welches die Göttin bei ihrem Erscheinen bzw. Heraustreten aus der Felswand abbildet (Abb. 4, 9), vermittelt die semantische Verknüpfung von Hathor und Felsmassiv.56 Darüber hinaus verweisen zahlreiche Textbelege auf die enge Verbindung von Hathor, Imentet, Isis sowie Meresger (i. e. der westthebanischen Göttinnen) mit der Felswand tA dhnt. Wie Faried Adrom aufzeigt, bezieht sich der Begriff tA dhnt auf keinen geographisch festgelegten Ort, son­ 52 Zum Motiv des Sonnenleichnams, der in seinem Auge zur Ruhe geht bzw. sich darin verbirgt, s. J. Assmann, Liturgische Lieder, 49–51. 53 L. Kákosy / T. A. B. Bács / F. Zoltán / I. Zoltán / E. Gaál, The Mortuary Monument of Djehutymes (TT 32), Budapest 2004, 261–263; J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, Nr. 225, 505–507. 54 Weitere Beispiele in TT 19, TT 31, TT 219, TT 255, TT 277, TT 335, s. E. Hofmann, Bilder im Wandel, VI.14, VII.15, XI.31; C. Maystre, Deir el-Médineh, Taf. VII; J. Vandier d’Abbadie, Deux tombes ramessides à Gournet-Mourraï, MIFAO 87, Kairo 1954, Taf. XII, XIII; B. Bruyère, Deir el Médineh (1924–1925), 118, Abb. 80; des Weiteren in der Vignette zu Tb 186 (Ani), J. H. Taylor, Journey through the Afterlife: Ancient Egyptian Book of the Dead, London, BMP, 2010, Nr. 129; M. Fitzenreiter, Konzepte vom Tod und dem Toten im späten Neuen Reich – Notizen zum Grab des Pennut (Teil II), in: M. Fitzenreiter / C. E. Loeben (Hgg.), Die ägyptische Mumie: ein Phänomen der Kulturgeschichte, IBAES 1, London 2004, 69, Abb. 4. 55 J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, Nr. 224, 504f. 56 Weitere Beispiele in TT 178 (E. Hofmann, Das Grab des Neferrenpet, Farbtaf. VIII, Taf. XXXIII.42), TT  19, TT 341, QV 52 (E. Hofmann, Bilder im Wandel, 56, Abb. 70, Taf. VI.14, XIV.39), TT 278 (J.  Vandier d’Abbadie, Deux tombes, Taf. XXVI), auf der Stele des Chabechnet (London EA 555) und in verschiedenen Varianten der Vignette zu Tb 186, E. Naville, Todtenbuch I, Taf. CCXII; J. H. Taylor, Book of the Dead, Nr. 129. Eine en face Darstellung der Hathorkuh im Westberg findet sich in TT 336, B. Bruyère, Deir el Médineh (1924–1925), 101, Abb. 69. Zu diesem in seinem Ursprung thebanischen Motiv s. G. Pinch, Votive offerings to Hathor, Oxford 1993, 179–183. Es ist jedoch nicht auf Theben beschränkt, sondern findet sich in Memphis, z. B. G. T. Martin, The Tomb-chapels of Paser and Racia at Saqqâra, ExcMem 52, London 1985, Taf. 8, 9 (Stele BM 165), und in Aniba, M. Fitzenreiter, Pennut II, 69, Abb. 4, und s. unten Anm. 88. Der Leib der Göttin 51 dern bezeichnet eine „kultisch aktive Felswand“ bzw. eine „transitorische Randzone zwischen der verborgenen (urzeitlichen) und der sichtbaren (irdischen) Ebene“.57 Die dhnt -Felsfront ist nicht nur der Erscheinungsort dieser Göttinnen, sondern sie sind gemäß diverser Quellen mit ihr identisch. Auf der oben erwähnten Stele des Amunnacht, welche die schlangengesäumte Fels­wand abbildet, ist das Gebet an die mit tA dhnt gleichgesetzte Isis gerichtet (Abb. 8), auf der Turiner Stele des Neferabu wird Meresger als „westliche Felsfront“ (dhnt jmntt) angerufen.58 Im vorzitierten Hymnus des Papyrus Dublin Nr. 4 trägt Hathor neben ihrem häufigen Attribut „Herrscherin der Westwüste“ (Hnwt smjjt jmntt) auch das Epitheton „Herrin der dhnt -Felsfront des westlichen Horizontgebirges“; auf der Stele des Hui (Neuchâtel Nr. 12) wird die aus dem Berg tretende Hathor als tA dhnt Hnwt jmntt bezeichnet.59 In einer spätramessidischen thebani­ schen Briefformel wird sie zudem als „Herrin der Berge“ adressiert (s. unten). Wie insbesondere das „Hathor im Berg“-Motiv veranschaulicht, besteht eine direkte As­so­zi­ ation göttlichen Erscheinens mit der Materialität des Felsens, der für den Austritt der Gottheit regelrecht aufgebrochen werden muss. Dies wird z. B. in Spruch 486 der Sargtexte („Das Tstn Kleid für Hathor weben“) evident, dessen einleitende Passage wie eine Beschreibung des im vorgenannten Motiv zusammengefassten Vorgangs erscheint: „Der Berg zerbricht, der Stein spaltet sich, die Höhlen der Hathor tun sich auf, der östliche Horizont öffnet sich für Hathor. Sie geht hervor als Türkis und mit dem nms -Kopftuch versehen.“60 Das Öffnen bzw. Aufspalten des Berges wird als ein brachialer Akt beschrieben, welcher der physischen Beschaffenheit des Felsmaterials Rechnung trägt.61 Das gleiche Motiv eines „gewalt­ samen“ Öffnens findet sich in einigen Totensprüchen, gemäß denen der Verstorbene den Berg bzw. die Unterwelt aufbrechen möge, damit er am Tage herausgehen und Re erblicken kann: „Mögest Du den Berg zerbrechen und den Stein öffnen (s d=k Dw wbA=k jn[r]). Mögest Du Re sehen, wenn er sich an der Naunet zeigt. Dein Gesicht sei geöffnet auf den Wegen der Finsternis.“62 57 F. Adrom, Der Gipfel der Frömmigkeit?, in: LingAeg 12 (2004), 15f. Vgl. auch B. Bruyère, Mert Seger, 204; J. Yoyotte, À propos de quelques idées reçues: Méresger, la Butte et les cobras, in: G. Andreu (Hg.), Deir el-Médineh et la Vallée des Rois. La vie en Égypte au temps des pharaons du Nouvel Empire, Paris 2003, 289–294. 58 Stele Turin 1593; F. Adrom, Der Gipfel der Frömmigkeit, Teil 2: Soziale und funktionale Überlegungen zu Kultstelen am Beispiel der Stele Turin CG 50058 des Nfr-abw, in: SAK 33 (2005), 1–28. Weitere Beispiele in B. Bruyère, Mert Seger, 202–209, 275, Abb. 142 und s. J. Yoyotte, Méresger, 289–294. 59 B. Bruyère, Mert Seger, 209, Abb. 108. Die enge assoziative Verbindung der Hathor zu Gebirgslandschaft und Wüstenregionen wird auch durch ihre Felsheiligtümer in den Minengebieten wie Timna, Serabit elChadim, Gebel el-Zeit oder Faras illustriert, s. G. Pinch, Votive Offerings to Hathor, 26–80; speziell zum Felsbezug ebd. 180. 60 CT VI, 63m–64a. Zur Sonnenaufgangssymbolik von nms und Türkis s. K. Goebs, Untersuchungen zu Funktion und Symbolgehalt des „ nms“, in: ZÄS 122 (1995), 154–181, bes. 166f.; K. Goebs, Crowns in Egyptian Funerary Literature. Royalty, Rebirth and Destruction, Oxford 2008, 89–92. 61 Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Zittern und Beben der Erde, wenn „Himmel und Erde sich öffnen“ bei Erscheinen des Gottes, und die damit verbundenen „Gemütsbewegungen“ wie Schrecken oder Jubel, J. Assmann, Liturgische Lieder, 257f. mit Anm. 51, 53. In CT 30 verursacht der mit dem Austritt des Ax nTrj verbundene „donnernde Lärm (xrw qrr) der Götter im Horizont“ ein Erschrecken der „Großen, mit Szepter versehenen“; thematischer Rahmen ist das Heraustreten und Umherwandeln des vom Westen wiedergebo­ renen Toten, CT I, 82a–84a. 62 J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 291.20–22, und s. ebd. 298. 52 Ute Rummel „Mögest Du die Berge der Nekropole öffnen (wbA=k Dww nw Xrt-nTr), damit du dein Haus der Lebenden wiedersiehst.“63 Desgleichen in Tb Spruch 190, der „Schrift, um einen Ax im Herzen des Re vortrefflich zu machen“ (= Rubrum zu Tb 15)64: „Ein Geheimnis der Unterwelt, ein Mysterium des Totenreiches, das Berge aufbricht und Täler öffnet, ein völlig unbekanntes Geheimnis: Behandlung des Herzens eines Ax , seine Schritte weiten, ihm seinen Gang zurückgeben, Taubheit von ihm vertreiben und sein Gesicht öffnen zusammen mit (dem des) Gottes.“65 Der Verstorbene wird also mit Spruchgut ausgestattet, um mit der physischen Landschaft um­ gehen zu können. Tb 15/Tb 190 liefert ihm das „geheime“ Wissen, vermittels dessen er sich aus dem Bergmassiv befreien und wieder weit ausschreiten kann. Mit der Bewegungsfreiheit ist auch das ungehinderte „Ein- und Ausgehen mit Re“ gewährleistet, welches ein zentrales Thema der Verklärungssprüche bildet.66 Um den Verstorbenen aufnehmen zu können, muss der Berg sich ebenfalls öffnen. Im Grab des Ramose (TT 55) richtet einer der Opferträger, ein sDm-aS namens Mahu, folgende Rede an den Westberg: „Der Berg des Westens ( pA Dw n jmntt) öffnet sich für Ramose, gerechtfertigt. Mögest du ihn in deinem Innern verhüllen (sHAp)!“67 Nicht nur das eingangs behandelte „Hathor im Berg“-Motiv, auch andere Quellen verweisen auf die Eigenschaft des Gebirges als Aufenthaltsort der Götter. So geht aus der Grußformel ei­ nes ramessidischen Briefes (P. Phillipps) hervor, dass der Westberg der Ruheort68 des Amun-Re und der westthebanischen Gottheiten ist: 63 TT 82 (Amenemhet), J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 351; N. de G. Davies / A. H. Gardiner, Amenemhēt, 102 und Taf. XXVII. Eine ähnliche Passage findet sich in TT 69 (Menena): „Der Berg tut sich auf, das Siegel zerbricht, die Türen deines Hauses öffnen sich“, S. Schott, Das schöne Fest vom Wüstentale. Festbräuche einer Totenstadt, AAWL 11, Göttingen 1952, 870, Nr. 61 (J. Assmann, Liturgische Lieder, 32). Vgl. auch „Herauskommen auf die Erde, um die Sonne zu erblicken, die Berge von aHAt-tAwj zu öffnen“ (TT 96), J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek., Totenliturgien II, 298; „Herauszugehen als lebender Ba und die Berge zu öffnen am Tag des aHAt-tAwj “, A. Dorn, Von Graffiti und Königsgräbern des Neuen Reiches, in: B. J. J. Haring / O. E. Kaper / R. van Walsem (Hgg.), The Workman’s Progress. Studies in the Village of Deir el-Medina and Other Documents from Western Thebes in Honour of Rob Demarée, EgUit 28, Leiden 2014, 69, Anm. 36f. 64 J. Assmann, Liturgische Lieder, 28, Z. 13–16 (P. Louvre 3074). 65 P. London BM EA 10477 (Nu), desgleichen P. Kairo CG 51189, B. Backes, http://totenbuch.awk.nrw.de/ spruch/190 (30.10.2015); das Rubrum zu Tb 15 ergänzt dr jd/jdr=f „seine Binden entfernen“, J. Assmann, Liturgische Lieder, 28, Z. 16. Tb 190 entspricht der ptolemäischen Version von Tb 148 (P. Turin 1791): „Ein Geheimnis in der Unterwelt, ein Mysterium im Totenreich ( jgrt), Berge aufbrechen, das Wüstental öffnen, ein völlig unbekanntes Geheimnis“, B. Backes, http://totenbuch.awk.nrw.de/spruch/148 (30.10.2015); J. Assmann, Liturgische Lieder, 18–27 (19, Z. 10–13). 66 So im Spruch wn n=k pt , dem gemäß Assmann „am weitesten verbreiteten Totenspruch des Neuen Reiches“, J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 147–224 (zur Bewegungsfreiheit bes. 178–184). Vgl. auch H. Altenmüller, Zum möglichen religiösen Gehalt von Grabdarstellungen des Alten Reiches, in: D. R. Daniels / U. Glessmer / M. Rösel (Hgg.), Ernten, was man sät. Festschrift für Klaus Koch zu seinem 65. Geburtstag, Heidelberg 1991, bes. 29–34. 67 N. de G. Davies, The Tomb of the Vizier Ramose, Mond Excavations at Thebes 1, London 1941, Taf. XXVI.5 (unteres Register). In der oben zitierten Passage aus TT 69 öffnen sich der Berg und die Türen des Grabes, damit der Verstorbene das Brandopfer für Amun vollziehen und dieses den Gott erreichen kann, s. Anm. 63. 68 Vgl. auch das Motiv des „reinen Berges“, Dw wab, in Nubien als urzeitlichen Ruheort des Schöpfergottes, F. Adrom, Gipfel der Frömmigkeit, 13f. Der Leib der Göttin 53 „Ich bete täglich zu Amun-Re, dem König der Götter, dem Herrn der Throne der beiden Länder (…), und (zu) Chnum, der die große und noble Achtheit erschaffen hat, die in der Felswand (tA dhnt) von Chefthernebes ruht, L.H.G., und der für sie die Berge schuf, in denen du dich befindest,69 zu Amun von Djeme, zu Hathor, der Herrin des Westens, zu Amenhotep, L.H.G., (zu) Ahmes-Nefertari, L.H.G., (zu) Amun des schönen Begegnens, zum König, der die weiße Krone trägt und der in Chefthernebes ruht, L.H.G.“ 70 Des Weiteren in der Grußformel des Briefes P. Turin 1971: Hier adressiert der Absender neben Amun-Re von Karnak und seiner Triade ebenfalls diverse westthebanische Gottheiten, darunter die „große, noble Achtheit, die in Chefthernebes ruht“, Mereseger, Hathor von Deir el-Bahari (Hmt 9srt), Amenophis I. und Ahmes-Nefertari. Hathor wird hier außerdem als „Herrscherin der Berge, in denen du dich befindest“ (Hnwt nA Dww nty tw=k m Xnw=w) bezeichnet.71 Die enge Verbindung der thebanischen Gottheiten mit dem Westgebirge zeigt sich auch in vielen bildlichen Darstellungen, z. B. in der Wiedergabe des Erscheinungsortes des göttlichen Paares Amenophis I. und Ahmes-Nefertari: Beide erscheinen, mitunter gemeinsam mit der Hathorkuh, am Fuße der Felsfront, die nach Ausweis der vorgenannten Texte ihr Ruheort ist.72 Die oben zitierte Aussage des P. Phillipps zum Aufenthaltsort des Amun-Re findet ihre di­ rekte bildliche Übersetzung in Grab Nr. 7 (Ramose) in Deir el-Medina. Die Westwand des Innenraums zeigt Amun-Re, der in Begleitung von Mut und Chons im Innern der schlangenge­ säumten Felswand thront (Abb. 10).73 Die besondere Gestaltung des Berges mit Schlangensaum ist wiederum als flachbildliche Entsprechung der ebenso ungewöhnlichen Ikonographie der Turiner Stele des Amunnacht anzusehen: Dort sind die Schlangen der dhnt -Felsfront jedoch halbrundplastisch ausgearbeitet (Abb. 8). In beiden Fällen sind die Schlangen das ikonographi­ sche Element, um das göttliche Wesen und die Potenz von tA dhnt darzustellen. Sie kennzeichnen den „göttlichen Berg“ (Dw nTrj), wie das Gebirge von Chefthernebes in einer Fassadeninschrift von TT 194 (Djehutiemhab) genannt wird.74 Das Phänomen der Betergraffiti im Tal der Könige zeugt ebenfalls von einer in der Felswand vorausgesetzten göttlichen Präsenz. Die Graffiti sind vornehmlich an Felsrissen angebracht, wo offenbar eine besondere Durchlässigkeit zum göttlichen „Innen“ bestand. Andreas Dorn bezeichnet die Felsspalten als „Kommunikationsorte zum Göttlichen (…), wobei sich die 69 (…) Dww r-nty tw=k m-Xnw=w. I. Hafemann übersetzt „in denen sie [d. h. die Götter der Achtheit] sich be­ finden“, in: TLA (30.11.2015; hier ist statt xmnw, „Achtheit“, psDt , „Neunheit“, wiedergegeben). Angesichts des bezeugten Ruheortes der angerufenen Gottheiten erscheint diese Übersetzung inhaltlich durchaus sinn­ voll. Doch steht im P. Phillipps wie auch in der Grußformel des P. Turin 1971 (Anm. 71) die 2. Person sing. in Bezug auf den Aufenthalt im Innern der genannten Berge, was sich sehr wahrscheinlich auf den eingangs adressierten Amun-Re bezieht. 70 M. M. Luiselli, Die Suche nach Gottesnähe, Untersuchungen zur Persönlichen Frömmigkeit in Ägypten von der Ersten Zwischenzeit bis zum Ende des Neuen Reiches, ÄAT 73, Wiesbaden 2011, 299–301. 71 M. M. Luiselli, Gottesnähe, 297–299. 72 Z. B. in TT 277 (Nebhepetre, Ahmes-Nefertari, Hathorkuh) und TT 219 (Osiris, Amenophis I., weibli­ che Göttin [Identität verloren], Ahmes-Nefertari), E. Hofmann, Bilder im Wandel, Taf. XI.31, XVIII.53. S. auch Ostrakon Kairo JE 43660 aus Deir el-Medina: Hier ist es die Göttin Anuket, die dem Beter an der Felswand erscheint, Centenaire de l’Institut français d’archéologie orientale. Musée du Caire, 8 janvier–8 février 1981. Kairo 1981, 74f. (no. 51). 73 E. Hofmann, Bilder im Wandel, Taf. XX, Abb. 56. 74 K.-J. Seyfried, Das Grab des Djehutiemhab (TT 194), Theben 7, Mainz 1995, 23–25 (Text 2). ). Zu Schlangen und Meresger s. außerdem J. Yoyotte, Méresger, 283–307. 54 Ute Rummel senkrechten Felsrisse formal durchaus mit Scheintüren in Verbindung bringen lassen, der Schnittstelle mit dem Jenseits par excellence“.75 2.2 Der Berg als „materielle Metapher“ göttlicher Handlungsmacht Im Lichte der hier vorgestellten thebanischen Bild- und Textbelege kann das Wesen von Fels­ land­schaft als Medium göttlicher Präsenz, vor allem aber als Sitz eines spezifischen göttlichen Handelns beschrieben werden. Das Westgebirge verkörpert den Leib der Muttergottheit, d. h. einen aufnehmenden, regenerierenden Raum, dessen göttliche Identität wechseln bzw. der in seiner spezifischen Wirkungsweise von verschiedenen Göttinnen besetzt sein kann (s. oben Ab­schnitt 2.). Die zumeist explizit weibliche Körpermetaphorik geht aus den oben beschriebe­ nen (Sprach-)Bildern hervor, gemäß denen der Berg mit anthropomorphen Attributen physisch agiert: Die Göttin empfängt, birgt und gebiert die Sonne und in Analogie dazu den Toten. Wie oben dargelegt ist die Konzeption der wirksamen Westgöttin/-wüste seit dem Alten Reich und überregional in den Texten greifbar. Theben ist nicht als ihr Ursprung zu betrach­ ten. Allerdings ist hier im Neuen Reich ein besonderer Reichtum entsprechender Bilder und Texte zu verzeichnen, die Ausdruck einer elaborierten Mythologie des Westgebirges sind. Diese ist wiederum als Produkt der Befasstheit mit der lokalen Landschaft zu interpretieren, visuell stimuliert durch die eindrucksvolle Geomorphologie der thebanischen Westseite. Die ikoni­ sche Landschaft des Westufers mag dem kulturinternen Betrachter die ideale topographische Szenerie angeboten haben, um in ihr – vor dem Hintergrund des im kulturellen Gedächtnis verankerten Wissens – die West- bzw. Himmelsgöttin und ihr Wirksamwerden zu erken­ nen. Der Talkessel von Deir el-Bahari, tA jnt, wurde vermutlich bereits in der 11. Dynastie als Erscheinungsort bzw. Verkörperung der Hathor definiert und bildete mit dem Grabtempel Mentuhotep-Nebhepetres den Fokus der Festprozession des Amun-Re aus Karnak.76 Spätestens seit Mentuhotep-Nebhepetre, d. h. zwei Generationen nachdem der Tempel von Karnak und ihm gegenüber die Nekropole von el-Tarif in der frühen 11. Dynastie angelegt worden war, wurde hier göttliche Präsenz verortet: die des Amun-Re und der Hathor (beide Gottheiten sind in Mentuhoteps Dekorationsprogramm vertreten)77, und schließlich die des vergöttlichten Nebhepetre selbst.78 75 A. Dorn, Von Graffiti und Königsgräbern, 65–69 (Zitat auf S. 66). 76 Zur Talfestprozession des Mittleren Reiches s. L. Gabolde, Le «grand château d’Amon» de Sésostris Ier à Karnak: la décoration du temple d’Amon-Rê au Moyen Empire, Paris 1998, 159–162; A. Cabrol, Les voies processionnelles de Thèbes, OLA 97, Löwen 2001, 547–550. Es ist nicht auszuschließen, dass der Ort bereits früher mit göttlicher Präsenz assoziiert wurde, da der Platz, wie entsprechende Graffiti zeigen, seit dem Alten Reich aufgesucht wurde, S. Rzepka, Old Kingdom Graffiti in Deir el-Bahari, in: N. Kloth / K. Martin / E. Pardey (Hgg.), Es werde niedergelegt als Schriftstück. Festschrift für Hartwig Altenmüller zum 65. Geburtstag, BSAK 9, Hamburg 2003, 379–385. 77 D. Arnold, Der Tempel des Königs Mentuhotep von Deir el-Bahari I. Architektur und Deutung, AV 8, Wiesbaden 1974, 78–80, 83f.; D. Arnold, Der Tempel des Königs Mentuhotep von Deir el-Bahari II. Die Wandreliefs des Sanktuares, AV 11, Wiesbaden 1979, 21–29, 55 (Verzeichnis genannter Gottheiten), Taf. 3–6, 8, 18, 22–23, 25, 26; S. Schott, Das schöne Fest, 5 mit Anm. 3. Zwei Relieffragmente könnten mit der Nennung eines xntj jnt auf eine lokale Form des Amun hindeuten, D. Arnold, Mentuhotep-Tempel I, 90; Mentuhotep-Tempel II, 33. Einige Talfestquellen des Neuen Reiches sprechen vom „Tal des Amun-Re“ bzw. von „Amun des Tales“, K.-J. Seyfried, Bemerkungen und Quellen zum HAb nfr n jnt, dem „Schönen Fest des Tales“ in Theben, GöMi, Beihefte Nr. 13, Göttingen 2013, 8f. (Quelle 50, 56) mit Anm. 18 (Quelle 74). 78 Spätestens seit der 12. Dynastie wird Mentuhotep-Nebhepetre göttlich verehrt und erhält einen Kult in Deir el-Bahari, D. Arnold, Mentuhotep-Tempel I, 92–94; L. Habachi, King Nebhepetre Menthuhotp: His Monuments, Place in History, Deification and Unusual Representations in the Form of Gods, in: MDAIK Der Leib der Göttin 55 Wie insbesondere die zahlreichen Abbildungen verdeutlichen, wurde der Sonnenlauf in starkem Maß als ein mit der Landschaft verknüpfter Prozess verstanden (Abb. 6, 7, 11), d. h. Gebirgsregionen waren im semantischen Gedächtnis als Behältnis der versunkenen Sonne ab­ gespeichert.79 Ein dynamisches Licht- und Schattenspiel auf den schroffen Oberflächen sowie die Farbwechsel im Verlauf der Tageszeiten80 mögen des Weiteren dazu beigetragen haben, in der Felslandschaft etwas Agierendes, Potentes, Machtgeladenes: Göttliches zu sehen, was darüber hinaus in der Konzeption der tA dhnt bzw. „der großen Felswand von Chefethernebes“ zum Ausdruck kommt. Die reichhaltigen thebanischen Quellen sind in besonderer Weise ge­ eignet, eine Interaktion zwischen Mensch und lokaler Topographie sowie ihren direkten ma­ teriellen Niederschlag in Bild, Text und Architektur nachzuvollziehen. Die in den Gräbern so­ wie auf anderen Bildträgern (Papyrus, Särge, Uschebtikästen etc.) wiederkehrende Darstellung von Felslandschaft, ob als agierende Gottheit oder mythisch-topographische Verortung einer Szenerie, bündelt einen ganzen Satz an kulturell geprägter Information.81 Neben der ikonischen Bedeutung seiner Abbildung barg das sichtbare Westgebirge für die Thebaner noch eine wei­ tere Qualität, nämlich die einer physisch greifbaren „materiellen Metapher“ des Körpers der wirk­mächtigen Muttergöttin Hathor-Imentet, die durch die visuell eindrucksvolle Präsenz des Bergmassivs physisch erfahrbar war.82 An vielen Orten des Niltals, zumal in den Landschaften Mittel- und Oberägyptens, konn­ ten die Menschen beobachten, dass das Gebirge Ein- bzw. Austrittspunkt der Sonne, d. h. Ort eines Übergangs ist. Die Übergangssemantik ist sowohl dem West- als auch dem Ostgebirge eigen und kommt z. B. in der Konzeption der beiden Horizontberge Manu und Bachu zum Tragen.83 Der Bedeutungsgehalt einer Schnittstelle zur Unterwelt bzw. zum aufnehmenden Mut­terraum kann auch für die großen Nekropolen Mittelägyptens, die bevorzugt auf dem Ost­ufer angelegt worden sind, zugrunde gelegt werden. Jeffreys spricht angesichts ihrer Lage von einem „intriguing paradox of funerary cult landscape orthodoxy“, da er die funeräre WestKonvention hier aufgehoben sieht.84 Wie er des Weiteren feststellt, liegen die „key sites“ wie el-Berscheh, Qau el-Kebir oder Beni Hassan sämtlich in Regionen, die von einer eindrucksvol­ len, aus dem Fruchtland hervorstehenden Bergkulisse dominiert werden, deren Erscheinung 19 (1963), 50–52. Kh. El-Enany, Le saint thébain Montouhotep-Nebhépetrê, in: BIFAO 103 (2003), 167– 190. In TT 277 erscheint der göttliche Nebhepetre zusammen mit Ahmes-Nefertari am Fuße der nicht näher spezifizierten Felswand, J. Vandier d’Abbadie, Deux tombes, Taf. XIV. 79 K. Goebs hat den Prozess mythischen bzw. metaphorischen Denkens am Beispiel mythischer Ikone auf­ gezeigt, Egyptian Mythos as Logos: An Attempt at a Redefinition of ‘Mythical Thinking’, in: E. Frood / A.  McDonald (Hgg.), Decorum and Experience: Essays in Ancient Culture for John Baines, Oxford 2013, 127–144. Vgl. auch O. Goldwasser zur „visuellen Metapher“ der Baumgöttin, welche sie als „deep-structure con­ceptual metaphor“ beschreibt, O. Goldwasser, From Icon to Metaphor. Studies in the Semiotics of the Hieroglyphs, OBO 142, Fribourg / Göttingen 1995, 114–125. 80 T. Ingold, The Eye of the Storm: Visual Perception and the Weather, in: Visual Studies 20/2 (2005), 97– 104; T. Ingold, Materials against Materiality, 3–4. 81 Vgl. K. Goebs, Mythos as Logos, 127–133, bes. 132f. 82 Wie Tilley betont, findet metaphorisches Denken nicht nur in der Sprache, sondern auch in Artefakten bzw. in materiellen (Landschafts-)Formen Ausdruck. Zur Bedeutung von „solid“ bzw. „material meta­ phors“, s. C. Tilley, Metaphor and Material Culture, 36–76; C. Tilley, Body and Image, bes. 49–51; s. auch O. Goldwasser, Metaphor, 114–125. 83 Assmann merkt an, dass die Bedeutung von mAnw und bAXw nicht geographisch auf einen Ort, sondern mythologisch auf die Phasen des Sonnenlaufs festgelegt ist, J. Assmann, Liturgische Lieder, 39. 84 D. Jeffreys, Cultic Landscapes, 109–110. 56 Ute Rummel und Visibilität als ausschlaggebend für die Platzwahl zu betrachten sind.85 In den topo­gra­ phischen Gegebenheiten der Ostseite ließen sich einerseits so besondere Architekturkonzepte wie die der Gaufürstengräber von Qau verwirklichen und inszenieren.86 Darüber hinaus barg die Felslandschaft aber auch die semantische Eigenschaft eines horizontischen Übergangsortes bzw. verkörperte den Leib der Göttin. Nekropolen auf dem Ostufer sind hinsichtlich ihrer Lage somit nicht als „Paradoxon“ anzusehen, sondern deuten vielmehr darauf hin, dass die Potenz des religiösen Kardinalpunktes „Westen“ und die mit ihm assoziierte göttliche Agency (aufneh­ men, verbergen und regenerieren des Sonnenleichnams) jeglichem Gebirgszug oder Felsmassiv eigen sein kann. Die Zusprechung der spezifischen Agency ist also weniger an die geographi­ sche Himmelsrichtung als vielmehr an die Materialität der Landschaft, d. h. die Assoziationen hinsichtlich ihrer materiellen Form, gebunden. Eine metaphorisch aufgeladene Topographie wie sie in Fels- bzw. Berglandschaft vorliegt erscheint, auch wenn sie geographisch nicht im Westen liegt, prädestiniert als Bestattungsplatz. Neben ihrer mythischen Bedeutung bedient das unwirt­liche, abgeschiedene Gebirge noch eine funktionale Anforderung, da die in sie hin­ eingetriebenen, oft schwer zugänglichen Grabschächte auch im praktischen Sinn den Leichnam verbergen und sein „Geheimnis“ bewahren.87 Die thebanische Konzeption der Hathor im Westberg wurde auch in die „gebirgsfreie“ Re­ gion von Memphis übertragen. In den Gräbern von Saqqara wird die in der Felslandschaft agierende Göttin ebenfalls wirksam, wie das Beispiel der Felsstatue der Hathor im Grab des Netjeruymes eindrucksvoll belegt.88 3 Das Grab als Element der sakralen Landschaft Das thebanische Felsgrab ist in seiner Essenz göttlichen Ursprungs, angelegt in dem als „Gottes­ besitz“ (Xrt-nTr) bezeichneten Raum der Nekropole.89 Verschiedene Grabinschriften weisen es als einen „Plan“ bzw. eine „Gabe des Amun“90, ein „Werk des Ptah, gemacht im Herzen der 85 Jeffreys unterstreicht die Bedeutung des Faktors der (Inter-)Visibiliät von Gestaltmerkmalen, D. Jeffreys, Cultic Landscapes, 108–115; D. Jeffreys, Cognitive Aspects, 63–71. 86 D. Jeffreys, Cultic Landscapes, 109f. 87 Zum „Geheimnis der Unterwelt“ s. J. Assmann, Liturgische Lieder, 29f. 88 A. Zivie, Une statue rupestre de la déesse Hathor. Fouilles et découvertes dans le tombeau d’un dignitaire de Ramsès II à Saqqara, CRAIBL 145/1 (2001), 693–710; A. Zivie, The Lost Tombs of Saqqara, 124–129. Nicht nur Idee und Motiv, gemäß Zivie stammt auch der Bildhauer dieser Plastik aus Theben, genauer: Deir el-Medina, ebd. 128. Eine weitere memphitische „Hathor im Berg“ findet sich z. B. auf der Stele des Paser (London EA 165), E. Hofmann, Bilder im Wandel, Taf. XXVIII.77. 89 Vgl. H. Roeder, Die altägyptische Nekropole als sakraler Raum. Zur kulturwissenschaftlichen Erschließung einer Funerärkultur, in: G. Neunert / K. Gabler / A. Verbovsek (Hgg.), Nekropolen: Grab – Bild – Ritual. Beiträge des zweiten Münchner Arbeitskreises Junge Aegyptologie (MAJA 2), GOF IV/54, Wiesbaden 2013, 16–18. 90 TT 259: „Er (= Amun) hat mein Herz so geleitet, dass meine Pläne vorzüglich waren zur Ausschmückung (saA) meines Grabes, und er hat es mir gegeben für das Alter, damit ich mich mit ihm vereinige (…)“, E. Feucht, Die Gräber des Nedjemger (TT 138) und des Hori (259), Theben 15, Mainz 2006, 68f. (Text 1). In Text 3d ist Chons der Urheber des Plans, „dass du (der Verstorbene) dich mit der Nekropole (Xrt-nTr) vereinigst“, ebd. Das Grab des Nebsumenu (TT 183) wird durch seinen „schönen Namen“ Jmn-dj-sw als eine Gabe des Amun aus­ gewiesen, K.-J. Seyfried, Fünfter Vorbericht über die Arbeiten des Ägyptologischen Instituts der Universität Heidelberg in thebanischen Gräbern der Ramessidenzeit, in: MDAIK 58 (2002), 422f. Der Leib der Göttin 57 Hathor“91 oder auch als „gebaut von Seschat, auf dessen Mauern sich Thoth gestellt hat“92 aus. Im Grab des Tempelschreibers Djehutiemhab (TT 194) findet sich diesbezüglich ein beson­ derer Beleg, nämlich eine Traumoffenbarung der Hathor.93 Gemäß dem Text hat die Göttin dem Grabherrn im Traum („während ich schlief und die Erde in Schweigen lag“) aufgetragen, sein Grab nach ihrem Plan auf der Westseite von Theben zu bauen, und Djehutiemhab ist ihrer Anweisung gefolgt. Im Gegenzug verheißt ihm Hathor in ihrer Rede, dass sie die Stätte für sei­ ne Mumie weit machen, seinen Leichnam heiligen (Dsr -machen) und ihn den Göttern anemp­ fehlen werde. Beide Texte, die Rede des Grabbesitzers und die Antwort der Göttin, befinden sich in antithetischer Anordnung direkt über dem Abgang zur sloping passage, welche ins Innere des Berges bzw. in den Leib der Göttin führt.94 Das Grab wurde in seiner Gesamtheit, d. h. in der Einheit von Architektur, Bild und Text sowie der Eigenschaft als rituellem Handlungsort, als Instrument konzipiert, um für den Ver­ stor­benen ewige Wirksamkeit zu entfalten: „(…) mögen sie (die Götter) geben, dass dieses Grab wirksam (Ax) sei bis ans Ende der Zeit und der Leichnam darin ruhe für immer“.95 Worauf sich das „Wirksam-Sein“ in der Summe bezieht, geht aus einer Vielzahl an Totensprüchen und Opfergebeten hervor und wird in TT 192 folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „[Atum] möge geben, dass das Grab (lit. kAwt „die Arbeit“) wirksam (Ax) sei für den, der es gebaut hat: den Ba zum Himmel, den Leichnam zur Unterwelt, aus der Erde herauszukommen, um die Sonne zu schauen“.96 Die Unterwelt bzw. der Bauch der Westgöttin, in dem der Leichnam ruht, ist nur ein Existenz­ raum, in welchem der Verstorbene sich – in seiner nachtodlichen Daseinsform als Ax – aufzuhal­ ten wünscht.97 Ersehnt wird das „Herausgehen am Tage, um die Sonne zu schauen“ oder „das Haus der Lebenden wiederzusehen“, d. h. Bewegungsfreiheit zu erlangen, um alle gewünsch­ ten Orte aufsuchen zu können (s. oben Abschnitt 2.1). Ein weiterer zentraler Jenseitswunsch ist es, in die Mitte der Götter aufgenommen zu werden.98 Ab der 19. Dynastie tritt in den 91 Stele BM 1459, M. M. Luiselli, Gottesnähe, 351. Ähnlich in TT 296, s. unten Anm. 95. 92 J. Assmann, Geheimnis, Gedächtnis, Gottesnähe. Zum Strukturwandel der Grabsemantik und der Dies­­seits-Jen­ seitsbeziehungen im Neuen Reich, in: J. Assmann / E. Dziobek / H. Guksch / F. Kampp (Hgg.), Thebanische Beamtennekropolen. Neue Perspektiven archäologischer Forschung. Internationales Sym­posion Heidelberg 9.– 13.6.1993, SAGA 12, Heidelberg 1995, 285f.; J. Assmann, Der Ort des Toten. Be­merkungen zu einem verbreiteten Totenopferspruch, in: H. Guksch / D. Polz (Hgg.), Stationen: Beiträge zur Kulturgeschichte Ägyptens. Rainer Stadelmann gewidmet, Mainz 1998, 237f. mit Anm. 23 (die Variante in TT 100 nennt Chnum anstelle von Thot). 93 K.-J. Seyfried, Djehutiemhab, 69–73 (Texte 119, 120); J. Assmann, Eine Traumoffenbarung der Göttin Hathor. Zeugnisse „persönlicher Frömmigkeit“ in thebanischen Privatgräbern der Ramessidenzeit, in: RdE 30 (1978), 22–50. 94 K.-J. Seyfried, Djehutiemhab, Taf. XXI. 95 J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 376, Anm. 146. Vgl. auch das Opfergebet im Grab des Nefersecheru (TT 296) an Hathor, „(…) damit sie veranlasse, dass für mich Ax -wirksam sei die Stätte, die sie gemacht hat im Westen-Chefethernebes (…), E. Feucht, Nefersecheru, 17 (Text 6). 96 J. Assmann / M. Bommas / A. Kucharek, Totenliturgien II, 376.4. Zu „Ba und Leichnam, Himmel und Erde“ s. ebd. 138–142; H. Roeder, Nekropole, 12–19. 97 Zu den Existenzbereichen des „ Ax -Aktivierten“ s. H. Roeder, Nekropole, 12–19. 98 Daher soll die „Schrift des Herausgehens am Tage“ u. a. veranlassen, dass der Verstorbene als Ax „von den Göttern umgeben sein wird“ und sie ihn aufnehmen „wie einen von ihnen“, J. Assmann, Liturgische Lieder, 19f., Z. 22– 27 (Tb 190), 28, Z. 17–26 (Tb 15, Rubrum); B. Backes, http://totenbuch.awk.nrw.de/spruch/190 (30.10.2015). 58 Ute Rummel Grabinschriften explizit der Aspekt des „Göttlichwerdens“ des Verstorbenen hinzu, wie eine Türinschrift in TT 194 bezeugt: „Es begrüßen dich alle herrlichen (Götter), mögest du gött­ lich (nTrj) werden wie einer von ihnen“.99 Dieser Wunsch verweist auf eine zentrale religiöse Funktion, die dem ramessidischen Monumentalgrab mit seinen wesentlichen Charakteristika eigen ist: Es dient dem Herstellen von Gottesnähe, indem es den Verstorbenen in die Götterwelt einbindet.100 Das ägyptische Grab ist in seiner Essenz ein sakraler Raum,101 doch unterliegt seine Beschaffenheit oder vielmehr: die Art seiner Konstruktion im Verlauf des Neuen Reiches einem Wandel.102 Wie Dekorationsprogramm und Grabarchitektur vor allem in der 19. und 20. Dynastie illustrieren, tritt der Aspekt der Gottesnähe nach Amarna zunehmend in den Vordergrund. Das Grab übernimmt die Funktion eines Tempels, d. h. eines Ortes, der per definitionem dem Kontakt mit dem Göttlichen dient.103 Aus den hier präsentierten thebanischen Quellen geht deutlich hervor, dass die lokalen Gottheiten, in deren Gemeinschaft sich der Tote wünscht, wie er selbst im Westgebirge – „in der Felswand von Chefethernebes“ – ruhen. 4 Landschaft: Wahrnehmung, Wissen, Subjektivität In den reichhaltigen thebanischen Bild- und Textquellen vor allem des Neuen Reiches kommt eine intensive Auseinandersetzung mit der lokalen Landschaft zum Ausdruck, deren spezielle Beschaffenheit im vorliegenden Beitrag ausgelotet wurde. Spätestens seit dem Mittleren Reich haben die Thebaner die Gebirgsformation des Westufers als Materialisierung des im kultu­ rellen bzw. semantischen Gedächtnis verankerten Urbildes der empfangenden Muttergöttin betrachtet und insbesondere den Talkessel von Deir el-Bahari mit der Idee göttlicher Präsenz und Handlungsmacht verknüpft. Die thebanischen Quellen, allen voran die Gräber, illust­ rieren in exemplarischer Weise eine Interaktion zwischen Landschaft und Mensch und ihren Nie­der­schlag in materiellen Formen wie der mythisch interpretierten Grabarchitektur, der 99 K.-J. Seyfried, Djehutiemhab, 33 (Text 19). Desgleichen in TT 259: „du wirst dauern, du wirst erhöht sein, du wirst groß gemacht sein, du wirst nTrj sein“, E. Feucht, Nedjemger und Hori, 69 (Text 2b); „(Anubis) wird seine Arme auf dich legen, damit dein Ba nTrj wird“, ebd. 70f. (Text 3d). 100 J. Assmann, Sonnenhymnen, X–XVIII; J. Assmann, Amenemope, 5–8. 101 J. Assmann, Die Konstruktion des sakralen Raums in der Grabarchitektur des Neuen Reiches, in: Archiv für Religionsgeschichte 6 (2004), 1–18. H. Roeder betont, dass die Definition des sakralen Raums „nicht auf die Präsenz der transzendenten Größe Gott(heit) reduziert werden [kann]“, und dass der Verstorbene seit der Frühzeit als „transzendente Entität verstanden wurde, der darüber hinaus (spätestens) seit der Ers­ten Zwischenzeit auch göttliche Eigenschaften zuerkannt werden“, Nekropole, 13. Vgl. in diesem Zu­ sam­men­hang auch H. Altenmüller, Grabdarstellungen, 30–32. 102 Zur Entwicklung der Grabsemantik des Neuen Reiches s. J. Assmann, Geheimnis, 281–293 (bes. 283f.); J. Assmann, The Ramesside Tomb and the Construction of Sacred Space, in: N. Strudwick / J. Taylor (Hgg.), The Theban Necropolis. Past, Present and Future, London 2003, 46–52, 46–52; J. Assmann, Amenemope 6–9; F. Kampp, Die thebanische Nekropole, 117–119. 103 U. Rummel, Der Tempel im Grab: Die Doppelgrabanlage K93.11/K93.12 in Dra’ Abu el-Naga, in: I. Ger­ lach / D. Raue (Hgg.), Sanktuar und Ritual: Heilige Plätze im archäologischen Befund, MKT 10, Rahden/ Westf. 2013, 223–235; U. Rummel, Ritual Space and Symbol of Power: Monumental Tomb Architecture in Thebes at the End of the New Kingdom, in: S. Kubisch / U. Rummel (Hgg.), The Ramesside Period in Egypt: Studies into Cultural and Historical Processes of the 19th and 20th Dynasties, Proceedings of the International Symposium held at Heidelberg, 5th to 7th June, 2015 (in Vorb.). S. außerdem J. van Dijk, The Development of the Memphite Necropolis in the Post-Amarna Period, in: A.-P. Zivie (Hg.), Memphis et ses nécropoles au Nouvel Empire. Nouvelles données, nouvelles questions. Actes du Colloque international CNRS, Paris, 9 au 11 octobre 1986, Paris 1988, 42–45; T. S. Tawfik, The Tomb as Temple in the New Kingdom at Saqqara, in: J.-C. Goyon / C. Cardin (Hgg.), Proceedings of the 9th International Congress of Egyptologists, OLA 150, Löwen 2007, 1791–1798. Der Leib der Göttin 59 Ikonographie der Grabdarstellungen sowie in den (Sprach-)Bildern der Texte. Die sensorisch stimulierenden Eigenschaften der thebanischen Landschaft104 bilden die Quelle einer starken visuellen Metaphorik des mit dem Fels verknüpften göttlichen Erscheinens, wie es neben der umarmenden Göttin auch das „Hathor im Westberg“-Motiv ikonisch verdichtet. Das land­ schaftlich an Theben gebundene, weil hier entsprungene Motiv der Hathor im Berg war von so prägnan­ter Ikonizität hinsichtlich des ersehnten Wirkens der Göttin, dass es in den Grabkontext anderer Regionen bzw. Topographien Ägyptens wie Memphis oder Aniba (Nubien) importiert wurde.105 Wie die in obigen Abschnitten vorgestellten Quellen – insbesondere die einschlägige Ikonographie der Bilder – verdeutlichen, gehören Felslandschaft und göttliche Agency assozia­ tiv zusammen, ebenso wie das Grab und der Berg eine physische bzw. ikonographische Einheit bilden als Ideal des Ax -wirksamen Grabes. Trotz der allgegenwärtigen Metaphorik des (agierenden) Leibes der Göttin beschränkte sich die Wahrnehmung der Materialität des Felsmassivs nicht nur auf den assoziativen Aspekt. Der Mensch war sich der Substanz des Gebirges bzw. seiner materiellen Masse durchaus be­ wusst wie die in Abschnitt 2.1 zitierten Totenbuch- und Verklärungssprüche aufzeigen. Der Verstorbene – zumal wenn im Felsgrab bestattet – muss befähigt werden, mit der physischen Land­schaft umzugehen, damit er sich wieder frei bewegen kann. Das Spruchgut verleiht ihm diese Fähigkeit, da es neben dem Vertreiben der Taubheit, dem Öffnen des Gesichts und dem Entfernen der Mumienbinden ihn auch die Berge öffnen bzw. aufbrechen lässt. Landschaften unterliegen einem fortwährenden Wandel, sowohl physisch (durch anthropoge­ nen Einfluss und/oder natürliche Prozesse) als auch ideell, indem Orte oder Räume kulturell neu definiert und anders begriffen werden (Abb. 12).106 In ihnen materialisiert sich die Zeit, wie Barbara Bender es treffend beschreibt: „Landscape is time materializing“.107 Die moder­ ne Feldforschung nimmt die ägyptische Umwelt heute primär als archäologische Landschaft wahr und genau wie einst der kulturinterne Betrachter sind wir einer von ihr ausgehenden 104 Ein weiteres thebanisches Beispiel für die Auseinandersetzung mit der lokalen Landschaft – mit dem Gebirge des Ostufers – stammt aus koptischer Zeit: Auf einer Keramikscherbe aus Deir el-Bachit (Dra’ Abu el-Naga) ist die auffällige Konturlinie des Ostgebirges dargestellt und zwar genau in der Form, wie sie sich dem Betrachter von Theben-West aus gesehen präsentiert. Dieses besondere Panorama hat offenbar einen lokalen Töpfer angeregt, es auf einem Gefäß abzubilden, T. Beckh, „A pot with a view…“ – Noch einmal zur Keramikproduktion in Deir el-Bachît, in: MDAIK 73 (im Druck). 105 S. oben Anm. 56. In der Vignette zu Tb 186 ist das Motiv mit einem weiteren Hathor-spezifischen mythi­ schen Landschaftsmarker kombiniert: dem Papyrusdickicht der Deltamarschen, E. Naville, Todtenbuch I, Taf. CCXII; J. H. Taylor, Book of the Dead, Nr. 129. 106 „The landscape is never complete: neither ‘built’ nor ‘unbuilt’, it is perpetually under construction“, T. Ingold, Temporality of the Landscape, in: WorldArch 25/2 (1993), 163. Auch B. Bender betont den zeitlichen, prozesshaften Charakter von Landschaft: „[Landscapes] are always in process of being shaped and reshaped. Being of the moment and in process, they are always temporal“, B. Bender, in: Current Anthropology 43 (2002), 103. Landschaft wird daher auch als Palimpsest bezeichnet, da sie immer wie­ der „überschrieben“ wird, M. Crang, Cultural Geography, 22f.; B. Bender, Place and Landscape, 304f. Die Transformation des Bestehenden wird u. a. in den koptisch-spätantiken Nutzungen pharaonischer Strukturen deutlich, s. z. B. E. O’Connell, Transforming Monumental Landscapes in Late Antique Egypt: Monastic Dwellings in Legal Documents from Western Thebes, in: Journal of Early Christian Studies 15/2 (2007), 239–273. 107 B. Bender, in: Current Anthropology 43 (2002), 103. Landschaft ist, so Ingold, „pregnant with the past“, daher stellt jedwede Auseinandersetzung mit ihr (sei es als Bewohner oder als Forscher) einen „act of re­ membrance“ dar, T. Ingold, in: WorldArch 25 (1993), 152–172 (Zitate auf S. 152f.). 60 Ute Rummel Wir­kung ausgesetzt, interpretieren sie auf Basis von erworbenem Wissen, eigener Be­o­bach­ tung und physischer Erfahrung: Sie ist das Produkt unserer Interaktion mit ihr.108 Es ist das Zugrundelegen des Faktors menschlicher Subjektivität, welches das Potenzial der Land­schafts­ phänomenologie darstellt und zugleich Anlass zu heftiger Kritik und vehementer Ablehnung dieses Forschungsansatzes gegeben hat.109 Auch wenn die emische Wahrnehmung, das Denken und Fühlen des Individuums der Vergangenheit, nicht redupliziert oder imitiert werden kann (und dies auch nicht das Ziel sein sollte), wird durch die phänomenologische Herangehensweise die Bedeutung und Tragweite subjektiver Faktoren in der (jeweiligen) Land­schafts­wahrnehmung und -erschließung in Rechnung gestellt: Sie „eröffnet Perspektiven und schafft Möglichkeiten für ein besseres Verstehen“.110 Der als embodied experience bezeichnete Zugang ist nur eine Quel­le archäologischen Informationsgewinns über Landschaft und die in sie eingebetteten Mo­numente; aus der Warte der Landschaftsphänomenologie jedoch eine unverzichtbare. Der Prä­historiker und Megalithforscher Chris Scarre z. B. betrachtet sie als eine Notwendigkeit, die er folgendermaßen formuliert: „The holistic and integrated nature of human experience obliges archaeologists to seek to establish the original associations of meaning wherever possible“.111 Mit der Fülle an Text- und Bildquellen hat die Ägyptologie eine ungleich bessere Ausgangsposition als z. B. die europäische Megalithforschung, um sich diesem Unterfangen zu stellen. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: L. Kákosy et al., The Mortuary Monument of Djehutymes I, S. 262. Abb. 2: J. Assmann, Das Grab des Amenemope (TT 41), Taf. 41. Abb. 3: J. Assmann, Das Grab des Amenemope (TT 41), Taf. 42. Abb. 4: © Musée du Louvre/Pierre et Maurice Chuzeville. Abb. 5: E. Hofmann, Das Grab des Neferrenpet gen. Kenro (TT 178), Taf. XXI. Abb. 6: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Sandra Steiß. Abb. 7a: Foto: Eva Hofmann, Ägyptologisches Institut Heidelberg. Abb. 7b: G. Daressy, Ostraca: nos. 25001-25385, Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire, Le Caire 1901, 15, Taf. XV. Abb. 8: © Museo Egizio. Abb. 9: E. Feucht, Das Grab des Nefersecheru (TT 296), Taf. XVIII. Abb. 10: Foto: Eva Hofmann, Ägyptologisches Institut Heidelberg. Abb. 11: E. Feucht, Das Grab des Nefersecheru (TT 296), Taf. XXIX. Abb. 12: Foto: Ute Rummel Literaturverzeichnis Adrom, F., Der Gipfel der Frömmigkeit? Überlegungen zur Semantik und religiösen Symbolik von tAdhn.t , in: LingAeg 12 (2004), 1–20. Adrom, F., Der Gipfel der Frömmigkeit, Teil 2. Soziale und funktionale Überlegungen zu Kultstelen am Beispiel der Stele Turin CG 50058 des Nfr-abw, in: SAK 33 (2005), 1–28. 108 S. oben Anm. 11. Eine Anmerkung hinsichtlich der Subjektivität der Autorin des vorliegenden Beitrags, der in sich ein Produkt der embodied experience als thebanische Archäologin darstellt: Er ist im Deutschen Haus in Theben entstanden, dessen Lage am Fuße der „Felswand von Chefethernebes“ zu jeder Tageszeit eine gute Sicht auf das Westgebirge gewährt. 109 Die negative Bewertung reicht von naiv und empathisch über romantisierend und mystifizierend bis hin zu unwissenschaftlich, s. M. H. Johnson, in: Annual Review of Anthropology (2012), 276–279. 110  C. Tilley, Materiality of Stone, 217–225 (Zitat auf S. 220); C. Scarre, Situating Monuments, 1–12. 111 C. Scarre, Situating Monuments, 7. Die dem subjektiven Ansatz inhärente Problematik wird von den Landschaftsphänomenologen selbst thematisiert, z. B. ebd. 6f.; C. Tilley, Materiality of Stone, 219. Tilley verweist darauf, dass „a ‚pure‘ phenomenological approach on its own remains inadequate“, ebd. 224. 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Der Leib der Göttin Abb. 8: Stele des Amunnacht, Turin Nr. 1521. 71 72 Ute Rummel Abb. 9: Grab des Nefersecheru (TT 296): Die Mumie vor dem Grab am Hathor-Berg. Abb. 10: Grab des Ramose (TT 7): Amun, Mut und Chons in der Felswand (Felskontur zur Veranschaulichung graphisch verstärkt). Der Leib der Göttin Abb. 11: Grab des Nefersecheru (TT 296): Darstellung des Sonnenzyklus. 73 Abb. 12: Theben-West: Blick in den Talkessel von Deir el-Bahari mit den Tempelanlagen der 11. und 18. Dynastie; im Vordergrund das Grab des Heiligen Scheich Abd el-Qurna. 74 Ute Rummel